Über Verfahrenseinstellung nicht berichtet
Presse muss über Minderung des Strafvorwurfs informieren
Unter der Überschrift „Eine schrecklich nette Familie“ berichtet eine Regionalzeitung über eine Gerichtsverhandlung. Angeklagt ist eine Frau, die in diesem Fall zugleich als Beschwerdeführerin auftritt. Die Familie der Frau wird als „progressiv und intellektuell inszeniert“ beschrieben. Der Autor stellt fest, in dem Verfahren „gefriere einem das Blut in den Adern“. Die Töchter werden ebenso beschrieben wie das Familienleben. Gegen die Angeklagte werde wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht verhandelt. Sie habe eine ihrer Töchter genötigt. Die Beschwerdeführerin sieht durch die Berichterstattung ihr Ansehen beschädigt. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Die Zeitung habe insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs nicht nachvollziehbar dargestellt. Sie habe sämtliche Richtlinien der Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) missachtet. Der Eindruck sei entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und sei nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davongekommen. Der Bericht sei vorverurteilend, beleidigend und unsachlich. Entlastende Aussagen würden nicht wiedergegeben. Die Chefredaktion der Zeitung ist nicht der Ansicht, dass sie die Beschwerdeführerin an den Medienpranger gestellt habe. Sie habe auch nicht vorverurteilend berichtet. Bei der Überschrift handele es sich um den Titel einer Fernseh-Serie. Unter Umständen entspreche dies nicht dem Geschmack der Beschwerdeführerin, doch sei darin kein Verstoß gegen den Pressekodex zu erkennen. Mit der Formulierung „vermeintlich bessere Kreise“ habe die Redaktion lediglich den in der allgemeinen öffentlichen Meinung als ungewöhnlich angesehenen Umstand angesprochen, dass sich bei einer gebildeten und promovierten Mutter das Jugendamt für das Wohl der beiden Kinder interessiere und deshalb zwei Mitarbeiterinnen zum Hausbesuch entsandt habe. Zu der unterbliebenen Folgeberichterstattung äußert sich die Chefredaktion nicht. (2009)