„Völkerverständigung“ wirkt hier zynisch
Nennung der Nationalitäten bei einem Streit zwischen Nachbarn
Der Streit zwischen zwei Übersiedlerfamilien ist Gegenstand eines Berichts in einer Lokalzeitung. In dem Beitrag wird mitgeteilt, dass es sich um eine polnische Familie und eine Familie aus Kasachstan handele. Als Fazit des Streits stellt die Zeitung fest, dass es an der „Völkerverständigung“ wohl noch hapere. Das polnische Ehepaar sieht in der Berichterstattung eine pauschale Herabsetzung der Migrantengruppen. Dass die an dem Streit Beteiligten aus Polen und aus Kasachstan kämen, trage zum Verständnis des Artikels nichts bei. Es hätte ausgereicht, die streitenden Parteien als „Übersiedler“ zu bezeichnen. Es verstoße außerdem gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte), dass der genaue Wohnort der beiden Familien in der Zeitung stehe. Das aus Polen stammende Ehepaar ruft den Deutschen Presserat an. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Beteiligten in dem Beitrag nicht identifizierbar dargestellt worden seien. Die Zeitung habe unter Hinweis auf die landsmannschaftliche Frontlinie berichtet, um das beschriebene Geschehen zu belegen. Es bedürfe in einer kleinen Stadt nicht der Zeitung, um die breite Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie groß der Anteil von Übersiedlern an der Gesamtbevölkerung sei und wo sich diese zusammenballen. Die Kennzeichnung der Herkunft der streitenden Familien und die daraus hergeleitete Formulierung „Völkerverständigung fehlt noch“ empfindet der Chefredakteur nicht als Herabwürdigung. Sie sei vielmehr damit zu verbinden, dass man bei Schicksalsgenossen eine besonders ausgeprägte Form der Solidarität erwarte, die in diesem Fall nicht eingelöst worden sei. (2007)