Entscheidungen finden

Bürgermeister auf dem Glatteis des Internets

Stadtoberhaupt soll „Schmuddelartikel“ bei Ebay bestellt haben

Unter der Überschrift „Schmuddelartikel im Namen des Bürgermeisters“ berichtet eine Lokalzeitung über die Aktivitäten des Stadtoberhaupts im Internet-Auktionshaus Ebay. Anlass für die Berichterstattung ist eine Debatte im nicht-öffentlichen Teil einer Sitzung des städtischen Hauptausschusses. Die Zeitung legt in dem Beitrag die Verbindung zwischen Amt und privaten Internetgeschäften des Bürgermeisters offen. Dem Bürgermeister wird vorgeworfen, er habe sein Ebay-Profil mit einem Link zu seiner privaten Homepage verquickt. Über viele Jahre habe er „Schmuddel-Artikel“ bestellt. Die Zeitung beschreibt detailliert eine Reihe von Sex-Artikeln, die der Bürgermeister gekauft haben soll. Der Artikel hat zwei Beschwerden zur Folge. Eine sieht einen Verstoß gegen die Ziffern 4, 8 9 und 10 des Pressekodex. Die Zeitung schmähe das Privatverhalten des Stadtoberhaupts. Nicht strafbare sexuelle Praktiken, die der Bürgermeister ausübe, werden nach Meinung des Beschwerdeführers diskriminiert und in dem Beitrag als „Schmuddelei“ beschrieben. Die Presse erhebe in diesem Fall einen sexuellen Moralanspruch, der die von der Verfassung garantierten Rechte der Bürger mit Füßen trete. Eine weitere Beschwerde kommt von dem betroffenen Kommunalpolitiker selbst. Er sieht sich in seiner Menschenwürde verletzt und stellt fest, die kritisierten Links seien nicht bei Ebay erreichbar. Die Verbindung zwischen öffentlichem Amt und privaten Käufen sei nicht nachzuvollziehen. Die Redaktionsleitung der Zeitung hat nach ihrer Darstellung ein Thema aufgegriffen, das bereits im Hauptausschuss der Stadt behandelt worden sei. Politiker hätten dort und später der Zeitung gegenüber Vorwürfe gegen den Bürgermeister erhoben. Dieser stehe unter dem Verdacht, er kaufe im Internet pornografische Artikel und verknüpfe sein privates Tun mit seinem Amt und der Stadt. Ohne Zutun der Redaktion sei das Thema öffentlich diskutiert worden. Im Übrigen sei in einer kleinen Großstadt die Beschäftigung mit Sexartikeln eindeutig nicht gesellschaftlich üblich. Die Gegenstände seien so ausgefallen gewesen, dass die Redaktion mit Rücksicht auf die Leser auf konkrete Beschreibungen verzichtet habe. Schließlich sei die Berichterstattung über den Bürgermeister auch dadurch gerechtfertigt, dass er schon mehrmals aufgefallen sei. Unter anderem sei gegen ihn eine Anzeige wegen Körperverletzung erstattet worden. Eine Beschwerde gegen die Berichterstattung über diesen Fall sei vom Presserat als unbegründet zurückgewiesen worden. (2008)