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Prangerwirkung

Jahresrückblick erwähnt die Entlassung einer Jugendpflegerin

In ihrem Jahresrückblick „Menschen 2003“ notiert eine Regionalzeitung, dass am 17. Januar eine Jugendpflegerin aus der Region fristlos entlassen worden sei, weil sie Jugendliche befördert haben solle, obwohl sie ihren Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer habe abgeben müssen. Unabhängig davon berichtet die Zeitung, dass eine Mitarbeiterin einer Veranstaltungsagentur für das Bildungskonzept „Blaues Klassenzimmer“ mit einem Umweltpreis ausgezeichnet worden sei. Die Veröffentlichungen veranlassen die Jugendpflegerin zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Zeitung habe über ihren Fall bereits am 17. Januar unter Nennung ihres vollen Namens berichtet. Zu diesem Zeitpunkt habe es sich um ein schwebendes Verfahren gehandelt, es sei also noch keine Verurteilung erfolgt. Obwohl sie inzwischen ihre Strafe verbüßt habe, prangere die Zeitung ihre „Schandtat“ in ihrem Jahresrückblick noch einmal mit voller Namensnennung an. Dabei entsprächen die Vorwürfe nicht ganz den Tatsachen, da sie mit dem Urteil nicht übereinstimmten. Dass ihre Verfehlung speziell in der Rubrik „Menschen 2003“ publiziert worden sei, empfinde sie als besonders schmählich, da sie hier als „schwarzes Schaf“ gelte. Da die verantwortliche Redakteurin im Ort ihres bisherigen beruflichen Wirkens wohne und zudem die Ehefrau des zuständigen Redaktionsleiters sei, liege die Vermutung nahe, dass hier persönliche Interessen im Spiel seien. Schließlich fühle sie sich durch die Veröffentlichung auch in ihrem weiblichen Geschlecht diskriminiert. In der Vergangenheit seien solche Gesetzesverstöße, wenn sie von Männern begangen worden seien, kaum dokumentiert worden, selbst wenn es sich um Beamte des höheren Dienstes gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich dagegen, dass die Zeitung die Entwicklung des Umweltkonzepts „Blaues Klassenzimmer“ nicht ihr, sondern einer anderen Frau zuordne, obwohl sie zuvor mehrfach über ihr Engagement in dieser Sache berichtet habe. Schließlich sei das Projekt ein Teil ihrer Biografie. Der verantwortliche Redaktionsleiter der Zeitung hält die Vorwürfe der Beschwerdeführerin für unangemessen. Dass der Fall überhaupt presserelevant geworden sei, liege an seiner Vorgeschichte. Einer der Vorgänger der Beschwerdeführerin in der gemeindlichen Jugendarbeit sei als Alkoholiker, ein anderer durch Kindesmissbrauch auffällig geworden. Diese Vorgänge hätten die Öffentlichkeit sensibilisiert. Sie seien der Betroffenen bei Amtsantritt ebenso bekannt gewesen wie die besondere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Die Ableitung eines persönlichen Interesses daraus, dass die Mitarbeiterin der Redaktion seine Ehefrau sei, sei abwegig. Ebenso bleibe die Beschwerdeführerin einen Beweis für die Behauptung schuldig, seine Zeitung registriere vergleichbare Tatbestände nur bei Frauen. Unklar bleibe auch, in welchem Zusammenhang das Thema „Blaues Klassenzimmer“ mit dem angeblich anprangernden Beitrag stehe. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Beschwerdeführerin das Gefühl, in einem neuen Berufsfeld ungerecht behandelt worden zu sein, auf die Zeitung am Ort projiziere. Die Beschwerdeführerin habe es zu keiner Zeit für sinnvoll gehalten, mit der Redaktion Kontakt aufzunehmen, um gegebenenfalls eine ergänzende oder relativierende Berichterstattung zu erreichen. (2004)