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Angeklagten erkennbar dargestellt

„Gefesselt und in Knastkleidung“ vor Gericht: Pixelung unterblieb

„Prozess vor dem Landgericht … - Mädchen (19) von Vater und Bruder vergewaltigt!“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung einen Gerichtsbericht. Beide mutmaßlichen Täter sind erkennbar abgebildet. Über den Bruder des Opfers heißt es im Bildtext: “Christian W. kam schärfstens gefesselt und in Knastkleidung ins Gericht“. Der Angeklagte beschwert sich über die Berichterstattung. Der Fotograf der Zeitung habe seinem Anwalt zugesichert, der Beschwerdeführer werde unkenntlich dargestellt. Der Fotograf habe sich trotz mehrmaliger Hinweise nicht davon abhalten lassen, weiter zu fotografieren. Der Beschwerdeführer hält das Verhalten der Zeitung für inakzeptabel. Er sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die Zeitung habe ganz offensichtlich Sensationsbedürfnisse über das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers gestellt. Eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und dem Persönlichkeitsrecht des Angeklagten hätte zu dessen Gunsten ausgehen müssen. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht. Die Redaktion habe korrekt zwischen Informationsinteresse und Persönlichkeitsrecht abgewogen und Richtlinie 8.1 beachtet (Nennung von Namen, Abbildungen). Es sei nicht korrekt zu behaupten, der Fotograf habe zugesichert, den Angeklagten auf dem Bild unkenntlich zu machen. Er habe diesen Wunsch der Redaktion übermittelt. Diese habe sich dann vor dem Hintergrund der Tat entschieden, auf eine Anonymisierung zu verzichten. Der Beschwerdeausschuss prüft den Fall auch im Hinblick auf Ziffer 4 des Pressekodex (Unlautere Methoden bei der Recherche). Der Verlag sieht auch in diesem Punkt kein Fehlverhalten der Redaktion. Dem Anwalt des Beschwerdeführers habe bekannt sein müssen, dass ein Fotograf keine rechtsverbindlichen Aussagen für die Redaktionsleitung abgeben könne. (2008)