Das Foto eines erstochenen Schülers
Zeitung veröffentlicht Bild von einer schulinternen Gedenktafel
“Schüler (16) bestialisch erstochen” – titelt eine Boulevardzeitung über den Mord an einem Jungen. Die Tat hatte sich nachts in einem Internat zugetragen. Die Zeitung druckt ein Foto des Opfers, das deutlich zu erkennen ist. Der Beschwerdeführer moniert den Abdruck des Fotos. Dass der Getötete deutlich zu erkennen ist, verletze dessen Persönlichkeitsrechte auch nach dem Tod. Er schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung des Verlags gibt an, das Foto des getöteten Jungen stamme von einer Gedenktafel, die von Lehrern und Schülern auf dem öffentlich zugänglichen Schulgelände aufgestellt worden sei. Ein freier Mitarbeiter habe das Bild des Jungen von dieser Gedenktafel abfotografiert. Eine direkte Kontaktaufnahme zu den Eltern des Opfers habe es nicht gegeben. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Eltern, die die Gedenktafel auf dem Schulhof wahrgenommen hätten, mit deren Aufstellung einverstanden gewesen seien. Aus diesen Begleitumständen, so die Rechtsabteilung weiter, ergebe sich, dass die Zeitung mit ihrer Veröffentlichung nicht in die Privatsphäre der Familie eingedrungen sei. Außerdem seien Klassenfotos mit dem später getöteten Jungen im Internet verbreitet worden. Sie vertritt die Auffassung, dass es zur öffentlichen Aufgabe der Medien gehöre, über erschütternde Gewaltverbrechen wie im vorliegenden Fall zu berichten. Der Leiter der betroffenen Schule betont, dass die Gedenktafel auf dem privaten Gelände der Schule stehe. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Gelände nicht abgesperrt sei. Er verweist darauf, dass er gegenüber der Presse wiederholt erklärt habe, dass die Tafel nicht Gegenstand der Berichterstattung sein solle. Sie sei Ausdruck der persönlichen Trauer der Jugendlichen und nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt. (2006)