Bürgermeister fühlt sich „totgeschwiegen“
Zeitung: Rechtsstreit um Urheberrecht lässt Redaktion vorsichtig sein
Die Bezirksausgabe einer Regionalzeitung berichtet innerhalb mehrerer Monate über diverse lokalpolitische Ereignisse in einer Kleinstadt. Es geht zum Beispiel um eine Initiative zur Belebung der Innenstadt, das Jahreskonzert eines örtlichen Musikvereins, die Versammlung des Hegerings und mehrere Ratssitzungen. Der Bürgermeister der Stadt beschwert sich beim Presserat über die Zeitung, die ihn systematisch ignoriere. Seit Monaten werde er – so sein Anwalt – bei lokalpolitischen Ereignissen weder im Text erwähnt noch im Bild gezeigt. Seine Äußerungen würden ignoriert, seine Anwesenheit – auch bei Ratssitzungen – verschwiegen. Die Leser der Zeitung müssten davon ausgehen, dass der Bürgermeister als gewählter Repräsentant der Stadt nicht mehr existiere. Hintergrund sei ein Rechtsstreit der Lebensgefährtin des Bürgermeisters mit dem Verlag der Zeitung. Dabei gehe es um die unerlaubte Vervielfältigung und Verbreitung von Fotografien. Der Anwalt des Beschwerdeführers und Bürgermeisters wirft der Redaktion vor, dass ihr Verhalten über ein passives Unterlassen hinausgehe. Fotos, auf denen der Bürgermeister neben anderen Personen abgebildet sei, würden abgeschnitten. Ansonsten unverändert abgedruckte Pressetexte würden um die Stellen gekürzt, in denen sein Name vorkomme. Die Rechtsvertretung vermutet eine Anweisung der Geschäftsleitung, den Bürgermeister „totzuschweigen“. Sie sieht den Grundsatz der fairen Berichterstattung verletzt. Die Chefredakteurin der Zeitung weist den Vorwurf des Bürgermeisters, er werde totgeschwiegen, zurück und schickt zum Beweis einige Beispiele in Wort und Bild aus der jüngsten Vergangenheit. Sie bestreitet ein schwerwiegendes Zerwürfnis zwischen Stadt und Redaktion. Nach einem verlorenen Urheberrechtsstreit und der damit verbundenen Unterlassungserklärung gegenüber der Lebensgefährtin des Bürgermeisters, die Fotos für die Stadt anfertige, sei die Redaktion lediglich vorsichtig bei Veröffentlichungen, die das Urheberrecht verletzen und zu Schadenersatzforderungen führen könnten. Die Chefredaktion betont, dass dieser Rechtsstreit auf die unabhängige Berichterstattung über den Bürgermeister und die Stadt keinen Einfluss habe. Die Berichterstattung erfolge nach rein journalistischen Kriterien. Im Zweifelsfall, bei einer unklaren Quelle oder bei einer ungünstigen Aufnahme des Bürgermeisters, habe die Redaktion vorsichtshalber auf eine Veröffentlichung verzichtet. Auf einem der angesprochenen Fotos habe der Verwaltungschef ganz am Rande gestanden. Das Bild habe „auf Höhe“ gebracht werden müssen. Deshalb sei „der Bürgermeister abgeschnitten worden“. Niemand habe ihn gebeten, am Rande zu stehen. (2008)