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„Sensationslust in einem seriösen Medium“

Gewaltfotos: Jeder Einzelfall ist gesondert zu beurteilen

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Ein ganzes Land weint mit seiner Königin“ über den Anschlag auf Königin Beatrix anlässlich einer Parade zum Königinnentag in Apeldoorn. Beigestellt sind Fotos von schwer verletzten, möglicherweise getöteten Menschen. Ein Leser der Zeitung sieht den Pressekodex verletzt, da hier in unangemessener Weise eine Darstellung von blutüberströmten Menschen auf der Titelseite erfolgt sei. Zudem würden Fotos von Menschen gezeigt, die von einem Auto erfasst und durch die Luft geschleudert worden seien. Diese Darstellung gehe weit über das berechtigte Informationsinteresse der Leser hinaus und diene lediglich der Sensationslust, die in einem seriösen Medium keinen Platz habe. Die Chefredaktion steht auf dem Standpunkt, dass die Zeitung nach Artikel 5 des Grundgesetzes einen verantwortlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten habe. Zu den verfassungsrechtlich verbürgten Aufgaben der Tagespresse gehöre dabei insbesondere auch, über schreckliche Ereignisse, Unfälle und Katastrophen, also auch über den Anschlag auf die niederländische Königin, zu berichten. Dies habe in einer Art zu geschehen, die es dem Leser ermögliche, sich ein zutreffendes eigenes Bild von den tatsächlichen Geschehnissen zu machen. Es sei nicht Aufgabe der Presse, tatsächliche Ereignisse zu beschönigen oder zu bereinigen. In diesem Sinne habe man über das schreckliche Attentat auf Königin Beatrix unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Betroffenen berichtet. Die von dem Beschwerdeführer kritisierten Bilder seien live im Fernsehen gesendet worden. Sie seien vom ersten Moment an in den Medien real und unbearbeitet präsent gewesen. Somit sei auch ein erhöhtes öffentliches Interesse an einer informativen, klaren Berichterstattung in der Tagespresse erkennbar. Es sei daher nicht richtig, dass die Zeitung besonders reißerische Fotos veröffentlicht habe. Sensationslust habe in einem seriösen Medium wie dieser Zeitung keinen Raum, weshalb die Bilder auch nicht aus dieser Motivation heraus veröffentlicht worden seien. Vielmehr sei man nach sorgfältiger Abwägung zu der Überzeugung gelangt, dass eine Bildveröffentlichung stärker als eine bloße Textberichterstattung den von einem derartigen Anschlag ausgehenden Schrecken darzustellen vermögen. So könne der Anstoß zu einer Diskussion gegeben werden, die dazu beitragen könnte, derartigen Taten in Zukunft vorzubeugen. (2009)