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Linkspartei und „Linksschreibung“

Zeitung stellt Legastheniker in Bericht und Leserbriefen bloß

Eine Mitgliederversammlung der Partei „Die Linke“ ist Thema des Berichts einer Regionalzeitung. Zusätzlich veröffentlicht die Redaktion die Original-Pressemitteilung der Partei, der der Beitrag zugrunde liegt. Sie ist gespickt mit zahlreichen Rechtschreibfehlern und stammt vom örtlichen Parteivorsitzenden. Die Zeitung schreibt: „Mit dieser Pressemitteilung informierte der Stadtverband … der Partei ´Die Linke´ gestern über die Ergebnisse seiner Mitgliederversammlung. Die … druckt die Mitteilung im Original ab.“. In der Folge veröffentlicht die Zeitung mehrere Leserbriefe. Unter der Überschrift „Empfohlen als echte Alternative“ bezeichnet ein Leser die Pressemitteilung als „Diskussionsbeitrag zur deutschen Linksschreibung“. Ein anderer Leserbriefschreiber macht sich ebenfalls über die fehlerhafte Rechtschreibung lustig. Die Zeitung veröffentlicht daraufhin einen Beitrag in eigener Sache. Sie schildert die Vorgeschichte des ersten Beitrags. So hatte der Links-Politiker nach der Veröffentlichung seiner Original-Pressemitteilung der Zeitung einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes vorgeworfen. Er sei Legastheniker und fühle sich lächerlich gemacht. Die Redaktion bedauert den Vorfall. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, einen Menschen mit einem Handicap der Lächerlichkeit preiszugeben. Dies habe sie ausschließen wollen und deshalb per E-Mail beim Absender nachgefragt, ob es sich bei dem fraglichen Text wirklich um eine Pressemitteilung handele. Bis Redaktionsschluss sei die Mitteilung nicht zurückgezogen worden. Die Redaktion sei deshalb davon ausgegangen, dass die Mitteilung in dieser Form beabsichtigt gewesen sei. Die Zeitung veröffentlicht einen weiteren Leserbrief. Darin kritisiert ein Leser die Redaktion. Sie stelle eine angeborene Rechtschreibschwäche zur Schau. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Der Abdruck der Mitteilung und der verunglimpfenden Leserbriefe verletze den Lokalpolitiker in seiner Würde. Die Chefredaktion der Zeitung schildert den Hergang. Danach habe die Redaktion per E-Mail nachgefragt, ohne eine Antwort zu erhalten. Auf telefonische Anfrage, ob die Mitteilung echt und so gedacht sei, habe der Verfasser dies bestätigt. Die Frage, ob er an einer Rechtschreibschwäche leide, habe der Lokalpolitiker verneint, aber angemerkt, dass er es mit der „Rechtschreibung nicht so hätte“. Die Schriftführerin der Partei habe die Mitteilung überarbeitet. Sie sei ohne weitere Prüfung an die Redaktion weitergeleitet worden. (2008)