Kreuz mit dem Namen eines Winnenden-Opfers
Umstände rechtfertigen nicht Aufhebung der Anonymisierungspflicht
Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung berichtet unter der Überschrift „Verletzte Lehrer schützen Schüler vor Amokläufer“ über das Verhalten der Lehrer beim Amoklauf von Winnenden. Lehrer sollen trotz eigener Verletzungen versucht haben, die Kinder zu schützen. Außerdem befasst sich der Autor mit der psychologischen Betreuung der Schüler. Zum Beitrag gehört eine Fotostrecke mit 13 Bildern, die Trauerszenen vor der Albertville-Realschule sowie Eindrücke von der Beerdigung des ersten Opfers auf dem Waldfriedhof von Winnenden wiedergeben. Das siebte Bild der Fotostrecke zeigt ein Holzkreuz, auf dem der Name eines der Opfer zu lesen ist. Als Quelle ist eine Nachrichtenagentur vermerkt. Grundlage ist die Beschwerde eines Lesers (BK2-65/09), der die Veröffentlichung der Fotos von der Beerdigung der Opfer des Amoklaufs kritisiert. Er sieht hier eine Verletzung der Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex (Persönlichkeitsrecht sowie Nennung von Namen). Da das Foto mit dem Holzkreuz von einer Agentur stammt, leitet der Presserat selbst ein Beschwerdeverfahren gegen diese ein. Nach Auffassung der Chefredaktion der Agentur ist ein wesentlicher Bestandteil kollektiver Trauer deren Öffentlichkeit. Ein Grabmal mit Kränzen und Gebinden von Menschen, die sich den Opfern verbunden fühlten, stelle sogar gezielt Öffentlichkeit her. Das kritisierte Bild erfülle also den tieferen Zweck solcher Bekundungen und verstoße nicht etwa gegen die Pietät. Dies sei auch der Grund, warum das Bild an die Kunden geliefert worden sei. Laut Chefredaktion wurden Trauernde bei den Aufnahmen nicht gestört. Während der Trauerfeier seien Mitarbeiter der Agentur – dem Wunsch der Angehörigen folgend – selbstverständlich nicht auf dem Friedhof gewesen. Das kritisierte Bild sei erkennbar nach der Trauerfeier aufgenommen worden. (2009)