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Mitgefangenem zwei Morde gestanden

Wichtigster Zeuge im Prozess durfte identifizierbar vorgestellt werden

„Er hat mir die Morde gestanden“ titelt eine Boulevardzeitung. Sie berichtet über die Aussage eines Zeugen in einem Mordprozess. Dieser – ein früherer Mitgefangener des Angeklagten – gibt dem Verfahren eine überraschende Wendung, als er aussagt, der Angeklagte habe ihm in der Haftanstalt gestanden, Frau und Tochter umgebracht zu haben. Der Beschwerdeführer wird von der Zeitung mit vollständigem Vornamen, abgekürztem Nachnamen und seinem Alter genannt. Außerdem wird er im Bild vorgestellt und als „Frauenmörder“ bezeichnet. Der Mann ist (nicht rechtskräftig) wegen Mordes an seiner Frau verurteilt. Der Beschwerdeführer, der sich an den Deutschen Presserat wendet, kritisiert die Veröffentlichung seines Fotos, auf dem er gut erkennbar sei. Er sieht sich in der Untersuchungshaft den Repressalien durch Mitgefangene ausgesetzt. Außerdem kritisiert er, dass ihn die Zeitung als „Frauenmörder“ bezeichnet habe. Er sei jedoch nicht rechtskräftig verurteilt. Nach Meinung der Rechtsabteilung der Zeitung ist die Abbildung des Beschwerdeführers zulässig. Der Prozess habe bundesweit Schlagzeilen gemacht. Der Zeuge habe sich wenige Tage vor Prozessbeginn ins Spiel gebracht. Diese Wendung stelle ein zeitgeschichtliches Ereignis dar. Er sei zu einem wichtigen Zeugen der Anklage geworden. Nicht die Zeitung, sondern der Beschwerdeführer selbst habe sich in die Gefahr möglicher Repressalien durch Mitgefangene gebracht, indem er ausgesagt habe. In der Erstveröffentlichung vor Prozessbeginn habe das Blatt weder ein Foto des Zeugen gedruckt noch seinen Namen genannt, eben um ihn vor Repressalien zu schützen. Eine andere Zeitung habe diese Rücksicht nicht genommen, wodurch er in einschlägigen Kreisen identifizierbar war. Spätestens nach seiner Zeugenaussage habe man identifizierend berichten dürfen. Dass die Staatsanwaltschaft den Aussagen des Zeugen großes Gewicht eingeräumt habe, mache ihn zu einer zeitgeschichtlichen Person. (2007)