Spekulation über eine Sachbeschädigung
Lokalblatt ordnet die Tat einem freigelassenen Randalierer zu
In mehreren Artikeln beschäftigt sich eine Lokalzeitung mit einem „heimischen Oberanarchisten“, der die Kandidatin der Grünen für das Amt des Oberbürgermeisters an deren Wahlkampfstand verbal beleidigt und mit einer Gießkanne zu bewässern versucht habe. Die Wahlkämpferin habe mit einer schallenden Ohrfeige reagiert. Erst als der Geohrfeigte so lange darüber lamentierte, dass die Polizei nicht mehr habe weghören können, sei er für einige Stunden aus dem Verkehr gezogen worden. Seit der Freilassung gebe er nun den Märtyrer – und zufällig habe die Zahl der Verunstaltungen von Wahlplakaten der Grünen in dieser Woche deutlich zugenommen. In einem anderen Artikel wird mitgeteilt, dass sich der Mann vor Gericht verantworten musste, weil er einem Polizeibeamten ins Gesicht getreten habe. Dafür habe der Richter im Amtsgericht eine Einsatzstrafe von sechs Monaten verhängt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat weist der Betroffene den Vorwurf der Sachbeschädigung zurück. Dafür gebe es keine Belege. Es handele sich um eine reine Spekulation. Die Behauptung in dem zweiten Artikel, er sei zu einer Einsatzstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, sei falsch. Das Urteil sei zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht rechtskräftig gewesen, da er Berufung eingelegt habe. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, der Beschwerdeführer tanze nach allgemeiner Einschätzung dem Rechtsstaat auf der Nase und lege sich mit nahezu allen gesellschaftlichen Gruppen an. In ihrem Artikel deute die Zeitung vage einen Zusammenhang zwischen der Freilassung des Beschwerdeführers und der Verunstaltung von Wahlplakaten an. Auch die konkreten Umstände – der Zorn des Mannes über die etablierten Grünen, die Parteinahme der Polizei für die beleidigte OB-Kandidatin und der zeitliche Zusammenhang mit dem Vorfall in der Fußgängerzone – würden für die Vermutung sprechen, dass der Beschwerdeführer bzw. Aktivisten aus seinem Umfeld für die Beschädigung der Plakate verantwortlich sind. Die gewählte Form der Andeutung ohne direkte Beschuldigung hält man für zulässig. Die Passage in dem zweiten Beitrag, der Betroffene habe sich u.a. verantworten müssen, weil er einem Beamten ins Gesicht getreten habe, stehe nicht für sich allein, sondern im Zusammenhang mit dem direkt folgenden Satz „Dafür verhängte der Richter im Amtsgericht eine Einsatzstrafe von sechs Monaten“. Die Passage sei zwar in der Tat nicht geschickt formuliert, aber ein Rückblick auf das erstinstanzliche Urteil, das mit dem aktuellen Berufungsverfahren angefochten wurde. Es sei gängige Praxis, das nach einem Urteil das Delikt dem Täter nicht mehr im Konjunktiv zugeordnet werden müsse. Die Frage, ob das Urteil gleich rechtskräftig oder später angefochten werde, sei dabei nicht relevant. Von einer Vorverurteilung könne somit nicht die Rede sein. (2004)