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Rechtsabteilung dreht den Spieß um

Hat sich der Beschwerdeführer am Ende selbst schuldig gemacht?

Im Rahmen einer Vor-Ort-Serie berichtet eine Regionalzeitung über die Arbeit eines Kinder- und Jugendhilfezentrums. „Trotz Familie im Endeffekt allein“ ist die Überschrift eines Beitrages, in dem die Zeitung das Schicksal eines 15-jährigen Mädchens schildert. Es wird mit Vornamen genannt und im Bild gezeigt. Ein weiterer Bericht erscheint, wiederum mit Foto. Gezeigt werden fünf junge Leute. Auch sie werden mit ihren Vornamen genannt. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Redaktion die Identität der Jugendlichen preisgegeben hat. Dies verletze die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Familien. Von einem der dargestellten Mädchen wisse er, dass die Eltern nicht um Erlaubnis gefragt worden seien, als es um den Bildabdruck ging. Der Beschwerdeführer sieht zudem die Richtlinie 4.2 des Pressekodex (Recherche bei schutzbedürftigen Personen) verletzt. Betroffen seien durchweg Minderjährige. Die Jugendlichen seien durch die Unterbringung in einem Heim in einer besonderen Lage, die von der Zeitung gezielt zur Informationsbeschaffung ausgenutzt worden sei. Die Rechtsabteilung des Verlages betont, es sei nicht Absicht der Zeitung gewesen, die Sensationsgier der Leserschaft zu befriedigen. Die Gespräche mit den Jugendlichen seien nicht heimlich, sondern mit Wissen und Einverständnis der Heimleitung geführt worden. Die Rechtsabteilung spricht von einem Einverständnis der Sorgeberechtigten. Die Jugendlichen hätten von der angebotenen Möglichkeit, die Texte der Redaktion zu diskutieren und Änderungswünsche einzubringen, Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer verschweige, dass er bis zu seiner Abwahl Vorsitzender des Trägervereins des Jugendzentrums gewesen war. In nicht nachvollziehbarer Weise stelle er den Sachverhalt auf den Kopf und versuche, den Eindruck zu erwecken, als habe er mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei er als Träger des Vereins für Vorgänge im Jugendzentrum voll verantwortlich gewesen. Sollte die Beschwerde stichhaltig sein, sei zu diskutieren, ob der Beschwerdeführer sich selbst eines Organisations- und Aufsichtsverstoßes schuldig gemacht habe. (2008)