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Ex-Richter als Querulanten bezeichnet

Zeitung durfte Zitat nicht ungeprüft von Dritten übernehmen

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Stadt will pro Tag bis 7000 Euro Zinsen“ über den teilweisen Verkauf einer Wohnungsbaugesellschaft an ein anderes Unternehmen. Ein früherer Richter am Verwaltungs- und Landesverfassungsgericht schreibt an den Käufer. Dieser solle die ausstehende Summe nicht zahlen. Die Zeitung stellt die Hintergründe dar, die den Juristen zu diesem Brief bewogen haben könnten. Sie zitiert den Leiter des Amtes für Wirtschaft und Finanzen. Der Ex-Richter sei ein „starrsinniger Querulant, der sich auch noch als Rentner gern in der Richterrobe“ sehe. Das Blatt weist darauf hin, dass der Vertrag zum Verkauf der Gesellschaftsanteile wirksam und der Kaufpreis fällig sei. Die Verzugszinsen betrügen pro Tag bis zu 7000 Euro. Am Ende des Artikels zitiert die Zeitung zwei Verkaufsgegner, die wie der Ex-Richter der Meinung sind, dass die Abstimmung zum Anteilsverkauf auf undemokratische Weise zustande gekommen sei. Drei Tage später veröffentlicht die Zeitung eine Stellungnahme des einstigen Richters. Er spricht davon, an den Pranger gestellt worden zu sein. Der Chef des Amtes für Wirtschaft und Finanzen habe „es gewagt, mich einen starrsinnigen Querulanten zu nennen“. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Zeitung sich bei ihrer Darstellung allein auf Aussagen Dritter verlassen habe, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Bei sorgfältiger Recherche hätte der frühere Richter nicht als „starrsinniger Querulant“ bezeichnet werden dürfen. Nach Auffassung der Chefredaktion liege es in der Natur der Sache, dass es bei einem so brisanten Sachverhalt konträre Meinungen gebe. Der Leiter des Amtes für Wirtschaft und Finanzen habe der Zeitung Zitate geliefert, von denen die Redaktion noch das harmloseste („starrsinniger Querulant“) ausgewählt habe. Es sei Absicht der Zeitung gewesen, den Frust und die Verärgerung der Stadtspitze für die Leser deutlich zu machen. Der Amtschef sei als kompetenter und sachlicher Verwaltungsmitarbeiter bekannt. Es habe keinen Anlass gegeben, an seinen Worten zu zweifeln. (2008)