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Bürger öffentlich beleidigt?

Scharfe Wertungen sind vom Recht auf Meinungsäußerung gedeckt

„Zeit für einen Waffenstillstand?“ schreibt eine Regionalzeitung über einen Leserbrief, in dem drastische Kritik am abgewählten Bürgermeister und seiner Amtszeit geübt wird. In einer Passage um ein bestimmtes Projekt wird ihm vorgeworfen, er habe als Aufsichtsratsmitglied negative Zahlen nicht zu werten verstanden. Er habe unbescholtene Bürger, die auf Missstände hingewiesen hätten, öffentlich beschimpft und beleidigt und sich nicht einmal dafür entschuldigt, als sich herausgestellt habe, dass die Bürger-Bedenken gerechtfertigt gewesen seien. Beschwerdeführer ist der angegriffene Ex-Bürgermeister. Nach seiner Auffassung ist der bearbeitende Redakteur seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex nicht ausreichend nachgekommen. Dies sei sogar vorsätzlich geschehen, da die Redaktion jahrelang über die betreffenden Themen bestens unterrichtet gewesen sei. Privatpersonen müssten ehrverletzende Leserbriefe mit eindeutig unwahren und verleumderischen Inhalten nicht hinnehmen. Die Unterstellungen seien so schwerwiegend, dass die Redaktion ihren Wahrheitsgehalt hätte überprüfen müssen. Der Redaktionsleiter hält nach Rücksprache mit der betroffenen Lokalredaktion die Beschwerde für nicht nachvollziehbar. Nach eingehender Überprüfung habe sich die Redaktion nach bestem Wissen und Gewissen entschlossen, den Leserbrief zu veröffentlichen. Im Übrigen sei auch nicht bekannt, dass der Ex-Bürgermeister rechtliche Schritte gegen den Leserbriefschreiber unternommen habe. Dies hätte ja im Falle falscher Tatsachenbehauptungen nahe gelegen. (2009)