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„Beschreibung der schrecklichen Realität“

Grafik zeichnet Überfall von Neo-Nazis auf einen Studenten nach

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Neonazis treten Studenten fast zu Tode“ über den Überfall auf einen jungen Mann in Berlin-Friedrichshain, der bei der Prügelattacke schwer verletzt wurde. Der Beitrag enthält vier Bilder. Eines davon zeigt eine Computer-Zeichnung des Überfalls. Die Bildunterschrift lautet: „So hat der …-Zeichner die Tat nachempfunden: Das Opfer liegt auf dem Boden, einer der Täter tritt mit dem Fuß gegen den Kopf“. Die übrigen Bilder zeigen den Hauptverdächtigen, das Opfer und den Tatort. Ein Leser hält die Grafik für eine unangemessen sensationelle Darstellung und damit einen klaren Verstoß gegen die Richtlinie 11.1 des Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung bezeichnet die Grafik als eine sachliche Rekonstruktion des Tatgeschehens. Die Darstellung erscheine zwar grausam, denn ihr liege eine schreckliche Realität zugrunde. Sie könne schon deshalb publizistische Grundsätze nicht verletzen, weil sie als Beschreibung einer brutalen Wahrheit diene. Die Grafik diene nicht der Unterhaltung. Die Rechtsabteilung verweist auf die Entscheidung des Presserats unter dem Aktenzeichen BK2-251/05. Damals habe dieser die Zeichnung der Leiche des abgemagerten Mädchens Jessica unbeanstandet gelassen. Die Grafik im vorliegenden Fall gehe ebenfalls nicht über das Informationsinteresse der Leser hinaus. Ihnen solle gezeigt werden, wie brutal der Überfall auf den Studenten gewesen sei. Eine Herabwürdigung des Opfers zu einem Objekt sei nicht gegeben. (2009)