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„Bugler“ wünscht Rat in den Knast

Redaktion trägt Verantwortung für Zitat, egal woher es stammt

Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein Zitat aus dem Internet. Da schrieb ein Nutzer namens „Bugler“: „Hoffentlich kommt (bleibt) der Knast in … dann können da gleich der Verwaltungsvorstand und der Rat die Zellen beziehen“. Gemeint sind mit dem Begriff „Verwaltungsvorstand“ der Oberbürgermeister einer Großstadt und seine Dezernenten. Der OB wendet sich gegen die Wiedergabe dieses Zitats durch die Zeitung. Die Redaktion nehme mit der Veröffentlichung billigend in Kauf, dass die Stadtspitze regelrecht kriminalisiert werde. Der Beschwerdeführer sieht Ziffer 2.6 des Pressekodex verletzt. Darin wird der Umgang mit Leserbriefen behandelt. Es sollte der journalistischen Sorgfalt entsprechen, Leserbriefe und Kommentare – auch wenn sie aus dem Internet entnommen sind – nur mit dem vollständigen Namen des Verfassers zu veröffentlichen. Nach Ansicht des Chefredakteurs der Zeitung lässt sich darüber streiten, ob der Auszug aus dem Leserkommentar verzichtbar gewesen sei. Trotz intensiver Qualitätskontrolle der Printredaktion sei das Zitat „durchgerutscht“. Dennoch sei die Beschwerde des Oberbürgermeisters nicht nur aus formalen Gründen zurückzuweisen. Es handele sich im vorliegenden Fall keineswegs um einen Leserbrief. Leserbriefe in Printmedien würden nämlich unter der entsprechenden Rubrik und ohne Ausnahme mit dem Echtnamen des Verfassers veröffentlicht. Abgesehen von der formalen Argumentation kann der Chefredakteur die vorgeworfene Herabwürdigung aus einem anonymen Onlinekommentar nicht erkennen. Der Vorwurf einer angeblichen Kriminalisierung der Mitglieder des Verwaltungsvorstandes und des Rates sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen lehnt der Chefredakteur die Verantwortung für diese Veröffentlichung ab. Verantwortlich sei die Redaktionsleitung des Internetportals. (2008)