Bildungsmisere beim Namen genannt
Lehrer sieht seinen Berufsstand zu unrecht angegriffen
„Pisa-Studie zeigt Mängel im Schulwesen – Lehrer haben versagt“ steht über dem Kommentar einer Regionalzeitung. Der Autor konstatiert, dass die Lehrerschaft sich nicht mit dem Hinweis auf die Lernunwilligkeit der Schüler, ihre eigene Überbelastung oder unzureichende Lehrmittel herausreden könne. Die Hauptaufgabe eines Lehrers sei die Wissensvermittlung. Wenn bei 40 Prozent der Realschüler und Gymnasiasten so wenig hängen bleibe, liege die Ursache weniger vor als hinter dem Lehrerpult. Der Autor stellt schließlich fest, dass im deutschen Schulwesen alle Beteiligten irgendwie überfordert seien: Die Politiker in Bund und Ländern, Professoren und Lehrer und schlussendlich Schüler und Studenten. Der Beschwerdeführer – ein Lehrer – sieht in der Überschrift des Kommentars eine Beleidigung und Diskriminierung. Im Text sei von populistischen Halb- und Unwahrheiten über angebliche Ursachen und Ergebnisse der Pisa-Studie die Rede. Der Beitrag sei ohne Recherche und in Unkenntnis der Sach- und Faktenlage veröffentlicht worden. Der Lehrer spricht von Rufmord, Beleidigung, Diffamierung und Unterstellung gegenüber seinem Berufsstand. Er sieht seine persönliche Ehre und Vertrauenswürdigkeit als Lehrer verletzt und ruft den Deutschen Presserat an. Der Chefredakteur antwortet und stellt fest, dass der aus einem Kommentardienst stammende Beitrag auch in anderen Zeitungen erschienen sei. Die Redaktion habe in dem Kommentar einen in der Tat stark polarisierenden, aber doch legitimen Beitrag zur Diskussion über die aktuelle Situation an den Schulen gesehen. Er – der Chefredakteur – habe dem Beschwerdeführer einen Brief geschrieben und sich dafür entschuldigt, wenn dieser sich persönlich beleidigt und diskriminiert fühle. Auch einen Leserbrief des Lehrers habe die Zeitung veröffentlicht. Darin habe dieser seine Sicht der Dinge darlegen können. Die Zeitung habe sich dem Thema in der Vergangenheit ausführlich gewidmet und dabei immer wieder festgestellt, dass viele Leser die Schulprobleme ähnlich sähen wie der Kommentator, auch wenn das dem Beschwerdeführer nicht gefalle. Der Chefredakteur verwahrt sich gegen den Vorwurf, gegensätzlichen Meinungen nicht ausreichend Raum zu geben. (2006)