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Keine Personen der Zeitgeschichte

Opfer von Winnenden stehen in Online-Ausgabe im Mittelpunkt

Eine Boulevardzeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe unter der Überschrift „Amok-Schütze von Winnenden – Diese jungen Leben hat er ausgelöscht“ über die größtenteils weiblichen Opfer von Tim K. Auf der Startseite der Homepage sind ein großes Foto des Amokläufers und vier Porträtbilder von getöteten Schülerinnen zu sehen. Ein Nutzer der Online-Ausgabe sieht in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen den Pressekodex. Er hält die Abbildung von unverfremdeten Fotos der Opfer und auch des Täters für geschmacklos. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält der Beschwerde entgegen, die Redaktion habe über den Fall Winnenden verantwortungsbewusst berichtet. Sie hätte am Tag des Amoklaufes und in den Tagen danach authentisch und ungeschönt in einer zunächst völlig ungewissen Nachrichtenlage ein außerordentlich hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu bedienen gehabt. Die Presse habe der Öffentlichkeit Fragen zum Tatverlauf, über die Person des Täters, sein Lebensumfeld, seine Geschichte, über die Opfer sowie über privates und behördliches Handeln im Zusammenhang mit dem Ereignis beantworten müssen. Die Redaktion hätte von ihrem Recht Gebraucht gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwendige Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten und die Prüfung der Fakten seien gewissenhaft vorgenommen worden. Zum Vorwurf der identifizierenden Berichterstattung sowie der Namensnennung und Bildveröffentlichung beruft sich die Rechtsabteilung auf die „besonderen Begleitumstände“ im Sinne der Richtlinie 8.1, die eine Darstellung der Opfer in der vorliegenden Art rechtfertige. (2009)