Täter-Foto keine Vorlage für Nachahmer
Amokläufer von Winnenden wird nicht glorifiziert dargestellt
Eine Boulevardzeitung berichtet in Print- und Online über das Massaker von Winnenden. Das Aufmacherfoto zeigt den Amokschützen. Auf ihn wird mit einem Pfeil hingewiesen. Darin steht: „Dieser 17-Jährige erschießt 15 Menschen“. Die Bildunterschrift lautet: „Amokläufer Tim K. (17). Das Foto entstand vor zwei Monaten bei einem Tischtennisturnier“. Ein zweites Bild zeigt die Bergung einer Leiche. Bildtext: „Polizisten bergen eine Leiche in der Nähe der Schule“. Ein Leser vertritt die Auffassung, dass die Zeitung mit dem halbseitigen Foto des Amokschützen gegen den Pressekodex verstößt. Selbst überführte minderjährige Straftäter sollten nach seiner Meinung nicht mit dem vollen Namen genannt werden. Gesichter seien unkenntlich zu machen. Zudem liefere die Zeitung eine Vorlage für mögliche Nachahmer. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung in allen ihren Darstellungsformen wegen des außerordentlich hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Im Rahmen der vom Presserat postulierten Grundsätze hätten die Redaktionen verantwortungsbewusst berichtet. Authentisch und ungeschönt hätte man die Ereignisse dargestellt. Die Presse habe Fragen der Öffentlichkeit zum Tatverlauf, über die Person des Täters, sein Lebensumfeld, seine Geschichte, über die Opfer sowie über privates und öffentliches Handeln im Zusammenhang mit dem Ereignis berichten müssen. Die Redaktionen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die Abbildung des Täters sei keine „idealisierende Darstellung“ des Amoklaufs. Folgte man der Ansicht des Beschwerdeführers, dass schon Elemente sachlich informierender Berichterstattung potentielle Täter zur Nachahmung einlüden, hätte dies zur Konsequenz, dass die Zeitung über jegliche Berichterstattung zum Fall Winnenden hätte verzichten müssen. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse daran, Informationen über das Aussehen und die Identität des Täters zu bekommen. Dass dadurch dem Täter eine „Plattform“ gegeben werden könne, möge ein ungewollter Nebeneffekt sein. Würde die Redaktion deswegen auf die Veröffentlichung jeglicher Täterfotos verzichten, würden der Öffentlichkeit wesentliche Informationen vorenthalten. (2009)