Schwererziehbare Kinder diskriminiert
Zeitung mit unangemessener Überschrift: “Ein Dorf hat Angst“
In einer norddeutschen Kleinstadt soll ein Jugendheim gebaut werden. Einige Nachbarn laufen Sturm gegen das Vorhaben. In die Kerbe haut eine Boulevardzeitung. Sie titelt „Ein Dorf hat Angst“ und berichtet über den Widerstand in der Nachbarschaft. Eine weitere Überschrift lautet: „Behörde will Heim für Kindergangster im friedlichen (…) eröffnen“. Ein beigestelltes Foto zeigt das Haus, ein weiteres drei protestierende Nachbarn und auf einem dritten Bild ist ein Jugendlicher mit einem Messer in der Hand zu sehen. Unterschrift: „Ein Alptraum für die Anwohner: Gewaltbereite Jugendliche in der Nachbarschaft“. Im Artikel steht, viele der Anwohner hätten nur noch Angst, da zwischen ihren ansehnlichen Bungalows ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche entstehen solle. Wenn das Projekt umgesetzt werde, so fürchtet laut Zeitung ein Anwohner, müssten er und seine Nachbarn mit Übergriffen und Sachbeschädigungen gegen die eigenen Kinder rechnen. Die Beschwerdeführerin fühlt sich „als Bürger und Journalist“ verärgert und wendet sich an den Deutschen Presserat. Sie bemängelt die reißerische Aufmachung. Das Foto mit dem messerbewehrten Jugendlichen sei bewusst provokativ und nicht als Symbolbild kenntlich gemacht. Die Darstellung des Sachverhalts lasse die gebotene Sorgfalt vermissen. So seien die in der Zeitung genannten Zahlen der Jugendlichen falsch, die das Heim bewohnen sollen. Die Bezeichnung „Kindergangster“ sei schließlich eine massive Diskriminierung von Jugendlichen mit Problemen. Insofern verstoße der Artikel auch gegen den Jugendschutz. Die Beschwerdeführerin sieht die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht), 9 (Schutz der Ehre), 11 (Sensationsberichterstattung und Jugendschutz), 12 (Diskriminierungen) und 13 (Unschuldsvermutung) des Pressekodex verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung sieht den Pressekodex durch den Beitrag nicht verletzt. An der Darstellung des Projekts und des Widerstandes der Nachbarn bestehe ein hohes öffentliches Interesse. Die Fotos zeigten keine künftigen Heimbewohner; bei dem Bild mit dem messerbewehrten Jugendlichen handele es sich um ein Symbolfoto. Im Text werde darüber berichtet, dass die Menschen in der Nachbarschaft Angst um ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Hab und Gut hätten. Sie befürchteten Drogenbeschaffungs- und Gewaltkriminalität. Der Begriff „Kindergangster“ sei im Rahmen der Recherche im Gespräch mit einem Anwohner gefallen. Die Zeitung sieht in dieser Bezeichnung eine zulässige Verkürzung und erneuert ihre Ansicht, auch in diesem Fall sei die Veröffentlichung durch das öffentliche Interesse gedeckt. Die beanstandete Formulierung sei gebräuchlicher Terminus, wie auch „Gangster-Kids“. (2007)