Entscheidungen finden

Das Foto eines getöteten Jungen

Sein Persönlichkeitsrecht überlagert das öffentliche Interesse

Unter der Überschrift “Dieser Junge starb in der Terror-Hölle” berichtet eine Boulevardzeitung über den Tod eines zehnjährigen Jungen bei einem Terroranschlag in Ägypten. Sowohl auf der Titelseite als auch im Innern des Blattes wird ein Foto des Kindes abgedruckt. Unabhängig von einander kritisieren zwei Leser, dass das Bild mit unlauteren Mitteln beschafft worden sei. Ein Journalist habe sich als freier Mitarbeiter diverser Zeitungen ausgegeben und behauptet, von einer Lehrerin des Jungen geschickt worden zu sein. Auch bei Mitschülern des Kindes habe er sich nach einem Foto erkundigt. Die Zeitung habe das so erlangte Foto ohne weitere Nachforschungen und ohne das Gesicht des Getöteten unkenntlich zu machen, abgedruckt. Eine Einwilligung der Eltern zum Abdruck habe nicht vorgelegen. Die beiden Leser wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass nach ihrem Wissen das Foto ordnungsgemäß recherchiert worden sei. Der freie Mitarbeiter habe sich in seiner langjährigen Tätigkeit als verantwortungsbewusst und sorgfältig erwiesen. Man gehe deshalb davon aus, dass er sorgfältig recherchiert und nicht gegen die Richtlinien des Presserats verstoßen habe. Auf Nachfrage habe der Journalist glaubwürdig erklärt, dass er sich in keinem Fall als Mitarbeiter irgendwelcher Zeitungen ausgegeben habe. Es sei jedem Gesprächspartner klar gewesen, dass er für die Boulevardzeitung tätig war. Auf Nachfrage habe er auch sofort seinen Presseausweis vorgelegt. Die Rechtsabteilung weist darauf hin, dass sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gegenüber dem Vater des getöteten Jungen eine Unterlassungserklärung abgegeben habe. (2006)