Pressemitteilungen und Aktuelles

Berichterstattung über den 11. September kaum beanstandet

Von zwölf Rügen, die der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats in seiner Sitzung am 27. November ausgesprochen hat, betraf nur eine die Berichterstattung über den 11. September und dessen Folgen. So wurden die Ostfriesischen Nachrichten gerügt, weil ihr Chefredakteur in einem Kommentar am 13. Oktober dazu aufgerufen hatte, die Hinterleute der Terroranschläge von New York müssten „entfernt“ werden, „ohne dass irgendjemand Rechte einzufordern hat“. Außerdem forderte er unter der Überschrift „Durchhalten!“, mit Osama bin Laden und Saddam Hussein „kurzen Prozess“ zu machen, „ohne mit irgendwelchen Menschenrechtlern herumzudiskutieren.“ Darin sah der Presserat eine Äußerung, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren sei. Der Kommentar verstoße gegen Ziffer 1 des Pressekodex, in dem unter anderem die „Wahrung der Menschenwürde“ als oberstes Gebot der Presse bezeichnet wird, sowie gegen Ziffer 6, die „das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien“ schützt.

Eine Missbilligung wurde in einem ähnlichen Fall gegen eine Boulevardzeitung ausgesprochen. Sie hatte am 13. September ein ganzseitiges Foto von Osama bin Laden auf der Titelseite gezeigt mit der Schlagzeile: „Jagt ihn! 10 Millionen für seinen Kopf.“ Darin erkannte der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen Ziffer 11 der Publizistischen Grundsätze. Hier werde, so die Mitglieder des Ausschusses, „in einer unangemessen sensationellen“ Art und Weise zur Selbstjustiz und zu einer regelrechten Menschenjagd aufgerufen.

Weitere sechs Beschwerden gegen verschiedene Tageszeitungen und Magazine betrachtete der Presserat in diesem Zusammenhang als unbegründet. Speziell die Bildberichterstattung über die Ereignisse am 11. September in New York beanstandete das Selbstkontrollorgan nicht. Auf den Fotos wurden verzweifelte Menschen an den Fenstern des World Trade Center oder beim Sturz aus dem Hochhaus gezeigt. Hier handle es sich um Dokumente der Zeitgeschichte, die mehr noch als die zusammenbrechenden Gebäude oder die Trümmerberge die ganze menschliche Tragödie der Terroranschläge deutlich machten, so der Presserat.

Bei weiteren acht Rügen stand vor allem die Verletzung von Persönlichkeitsrechten im Vordergrund. Drei mal musste der Beschwerdeausschuss auf Ziffer 8 (Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre), zwei mal auf Ziffer 9 (Schutz vor ehrverletzenden Behauptungen) und drei mal auf Ziffer 13 (Verbot der Vorverurteilung) der Publizistischen Grundsätze Bezug nehmen, um die Berichterstattung einzelner Zeitungs- und Zeitschriftenartikel kritisch zu würdigen. Ziffer 8 des Pressekodex schreibt vor:

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden.

In einem Fall hatte die BILD-Zeitung ohne erkennbares öffentliches Interesse über den Selbstmord eines jungen Mannes berichtet. Die Butzbacher Zeitung wurde in nicht öffentlicher Form gerügt, weil sie ausführlich über eine Frau berichtete, die angeblich ihr Kind getötet hatte. Das Neue Blatt erhielt eine Rüge, weil es über die gemeinsame Tochter von Günther Jauch und Thea Sihler unbewiesene Behauptungen verbreitet hatte. Außerdem sah der Beschwerdeausschuss zusätzlich einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex. Er verpflichtet die Presse, die „zur Veröffentlichung“ bestimmten

Nachrichten und Informationen in Wort und Bild ... mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. ... Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Wegen einer Verletzung von Ziffer 9 wurde die tageszeitung gerügt. Sie hatte in einem Kommentar den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber mit einem KZ-Aufseher verglichen. Die Bild-Zeitung wurde gerügt, weil in einem Kommentar englische Fußballfans verunglimpft wurden. So hatte der Kommentator für englische Fußballanhänger unter anderem die Formulierung „aufgedunsener, rot gebratener Tommysack“ mit „BSE-Wampe“ benutzt.. Damit habe die Bild-Zeitung nicht nur ehrverletzende (Ziffer 9) sondern auch diskriminierende Behauptungen (Ziffer 12) aufgestellt, urteilte das Publizistische Selbstkontrollorgan.

In weiteren drei Fällen sah der Presserat einen eindeutigen Verstoß gegen Ziffer 13 der Publizistischen Grundsätze, in der die Presse aufgefordert wird:

Die Berichterstattung über schwebende Ermittlungs- und Gerichtsverfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Die Presse vermeidet deshalb vor Beginn und während der Dauer eines solchen Verfahrens in Darstellung und Überschrift jede präjudizierende Stellungnahme. Ein Verdächtiger darf vor einem gerichtlichen Urteil nicht als Schuldiger hingestellt werden.

So hatten die Bild-Zeitung und der Express in Köln vorverurteilend über einen mutmaßlichen Vergewaltiger berichtet. Der von beiden Blättern als „Taxi-Monster“ bezeichnete junge Mann wurde jeweils mit Fotos und vollständig identifizierbar dargestellt. Der Kölner Express wurde außerdem für seine Berichterstattung über einen stadtbekannten Karnevalisten gerügt. Im Rahmen einer ganzen Artikelserie war der Mann - ohne vor Gericht angeklagt worden zu sein - in detaillierten Berichten des sexuellen Missbrauchs und des Drogenkonsums bezichtigt worden. Zur Beurteilung dieses Falles griff der Beschwerdeausschuss noch einmal auf Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Intimsphäre) zurück.

Schließlich sprach der Beschwerdeausschuss drei Rügen wegen des Verstoßes gegen Ziffer 7 des Pressekodex aus, der die Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigen regelt:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.

Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.

Das Jugendmagazin Jetzt der Süddeutschen Zeitung hatte in zwei Ausgaben eine Anzeige von Eurocard veröffentlicht, in denen Teile des redaktionellen Textes auf der gleichen Doppelseite zitiert und als Fotomotiv umgesetzt wurden. In einer Sonderausgabe der Zeitschrift Shape wurden redaktionelle Pflege- und Ernährungstipps für Schwangere in unmittelbarer Nähe zu den Anzeigen der empfohlenen Produkte veröffentlicht. Und die Saarbrücker Zeitung schließlich berichtete in ihrem redaktionellen Teil ausführlich und unkritisch über das Angebot von saar-shopping.de, an dem das Blatt eigene Anteile besitzt.

In seiner fünften Sitzung in diesem Jahr sprach der Beschwerdeausschuss außerdem fünf weitere Missbilligungen gegen verschiedene Zeitschriften und Tageszeitungen sowie fünf Hinweise aus. Insgesamt wurden 17 Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Zurück