Mehr als 300 Zuschriften: Presserat entscheidet über Massenbeschwerde zu Nahost-Berichterstattung
Auf seinen Sitzungen im Dezember hat der Deutsche Presserat über eine Beschwerde mit einer außergewöhnlich hohen Zahl von Beschwerdeführenden entschieden. Insgesamt 328 Menschen hatten sich beim Presserat gemeldet und über eine Berichterstattung auf BILD.DE beschwert.
Im August dieses Jahres hatte das Medium über den Fall des in Gaza getöteten Al-Jazeera-Korrespondenten Anas Al-Sharif berichtet. Im Text hieß es, der israelischen Armee zufolge sei Al-Sharif „Anführer einer Zelle der Terrororganisation Hamas” gewesen. In der Überschrift erhob das Medium diese Darstellung aber zur Tatsache und titelte: „Als Journalist getarnter Terrorist in Gaza getötet”. Hinreichende objektive Belege für die Behauptung nannte die Redaktion nicht. Daran gab es massive Kritik. Die Redaktion hat die Überschrift später geändert. Der Beschwerdeausschuss des Presserats bewertete den Fall einstimmig als grobe Missachtung der Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 des Pressekodex) und als gravierende Verletzung der persönlichen Ehre des Journalisten (Ziffer 9 des Pressekodex). Aufgrund der Schwere der Verstöße sprach der Presserat BILD.DE eine Rüge aus.
Zwei weitere Berichte zum Fall Anas Al-Sharif mit insgesamt 15 Beschwerdeführenden befand der Ausschuss hingegen für presseethisch zulässig. In einem Fall hatte eine Tageszeitung die Überschrift „Armee: Getöteter Al-Jazeera-Reporter bekam Gehalt von der Hamas“ gewählt, in einem anderen Fall titelte ein Online-Medium mit Fragezeichen: „Israel tötet Gaza-Reporter: Journalist oder Terrorist?“ In beiden Fällen berichteten die jeweiligen Medien über den Vorwurf, ohne sich diesen zu eigen zu machen. Die Beschwerden wurden daher als unbegründet bewertet.
Mehr als 650 einzelne Beschwerden seit Oktober 2023
Im Regelfall bilden sich große Themenfelder der medialen Berichterstattung – von der Covid-Pandemie über bedeutende Wahlen bis hin zu bewaffneten Konflikten – beim Presserat auch in den eingehenden Beschwerden ab. Das trifft auch auf die Nahost-Berichterstattung zu: Seit dem 7. Oktober 2023 erhielt der Presserat insgesamt mehr als 650 einzelne Beschwerden, die mehr als 200 einzelne Artikel oder Artikelserien betrafen. Allein in diesem Jahr waren es 429 einzelne Beschwerden. Moniert wurden nicht dabei nur die Politik- und Kriegsberichterstattung, sondern auch Artikel über innerdeutsche Debatten und Proteste.
Der Presserat trifft seine Entscheidungen stets ohne Ansehen der Person oder Bewertung politischer Haltungen. Er reguliert Medien aus dem gesamten politischen Spektrum; welche Meinungen oder politische Haltungen sie vertreten, spielt für die presseethische Bewertung keine Rolle: Der für alle gleichermaßen geltende Maßstab ist der Pressekodex.