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Presserat rügt Schleichwerbung

Der Presserat hat schwere Fälle von Schleichwerbung und Persönlichkeitsrechtsverletzungen gerügt. In den zwei Sitzungen des Beschwerdeausschusses am 21. und 23.09.2004 in Bonn hat er insgesamt elf Rügen ausgesprochen.

Die BILD-Zeitung erhielt drei Rügen wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Unter der Überschrift „Benzinwut! Berlins erster Tankwart tot“ hatte sie über den Tod eines Tankwarts berichtet und ein Foto des Mannes veröffentlicht. Der Artikel mit dem Titel „Sie ist die Mutter des toten Babys vom Gruselwald“ in BILD (NRW) beschäftigte sich mit einem Ermittlungsverfahren gegen ein 15-jähriges Mädchen wegen des Vorwurfs, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Dem Artikel beigestellt war ein Foto des Mädchens, das zwar gepixelt war, jedoch trotzdem eine Identifizierung zuließ. Damit wurde gegen Richtlinie 8.1. des Pressekodex verstoßen:

Richtlinie 8.1 - Nennung von Namen/Abbildungen

(1) Die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (siehe auch Ziffer 13 des Pressekodex) sind in der Regel nicht gerechtfertigt. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

Der Beschwerdeausschuss wies die Redaktionen darauf hin, dass Maßnahmen zur Anonymisierung einer Person auch wirksam sein müssen. So müssen Augenbalken soviel verdecken, dass eine Identifizierung über die nicht verdeckten Teile eines Gesichtes nicht möglich ist.

BILD (Mainz/Wiesbaden) hat die Privatsphäre einer Adligen verletzt, indem die Redaktion die Frau, die wegen eines Schlaganfalls im Krankenhaus lag, im schlafenden Zustand in ihrem Zimmer beschrieben hat. Dies verstieß unter anderem gegen Richtlinie 8.2 des Kodex:

Richtlinie 8.2 - Schutz des Aufenthaltsortes

Der private Wohnsitz sowie andere Orte der privaten Niederlassung, wie z. B. Krankenhaus-, Pflege-, Kur-, Haft- oder Rehabilitationsorte, genießen besonderen Schutz.

Die DRESDNER MORGENPOST und die B.Z. wurden ebenfalls wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerügt. Die MORGENPOST hatte unter der Überschrift „Rentner erhängte sich im Keller“ über die Selbsttötung eines 64-jährigen Mannes berichtet und dabei über die Motive spekuliert („Weil Oma keinen Sex wollte“). In dem Artikel wurden der Vorname und der abgekürzte Nachname des Mannes sowie Angaben zu seinem Wohnort und seinem ehemaligen Beruf veröffentlicht. Weiterhin war dem Beitrag ein Foto von ihm beigestellt, auf dem er trotz Augenbalken erkennbar war. Der Beschwerdeausschuss erkannte in dieser Berichterstattung einen groben Verstoß gegen die Richtlinie 8.5 des Pressekodex:

Richtlinie 8.5 - Selbsttötung

Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.

Die B.Z. hat mit einem Beitrag unter dem Titel „Unser Lehrer, der Busengrapscher“ vorverurteilend über den Betroffenen berichtet und dabei auch dessen Persönlichkeitsrechte verletzt. Durch die dem Artikel beigestellten Fotos, die unzureichend gepixelt waren, sowie der Nennung von Vornamen und abgekürztem Nachnamen und seiner ehemaligen Schule wurde der Mann identifizierbar. Die Headline des Beitrages ist vorverurteilend, da der nicht gerichtlich festgestellte Vorwurf als Tatsache dargestellt wurde. Dadurch wurde gegen Ziffer 13 Pressekodex verstoßen:

Ziffer 13 Pressekodex

Die Berichterstattung über schwebende Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Die Presse vermeidet deshalb vor Beginn und während der Dauer eines solchen Verfahrens in Darstellung und Überschrift jede präjudizierende Stellungnahme. Ein Verdächtiger darf vor einem gerichtlichen Urteil nicht als Schuldiger hingestellt werden. Über Entscheidungen von Gerichten soll nicht ohne schwerwiegende Rechtfertigungsgründe vor deren Bekanntgabe berichtet werden.

Eine zweite Rüge erhielt die B.Z. wegen einer Serie vorverurteilender Beiträge. Sie hatte sich in mehreren Artikeln mit den Vorwürfen gegen einen Boxtrainer beschäftigt, jugendliche Boxschüler sexuell missbraucht zu haben. Sie hatte dabei durch Formulierungen wie „Die schrecklichen Details über den Kinderschänder [Name]“ und „ [Name] hat vergewaltigt“ den Eindruck erweckt, als seien die dem Mann zur Last gelegten Vorwürfe bereits bewiesen. Bislang gab es jedoch lediglich Ermittlungen.

Wegen der Missachtung des Grundsatzes der strikten Trennung von Redaktion und Werbung sprach der Beschwerdeausschuss Rügen gegen die Studentenzeitschrift UNICUM, die Wirtschaftspublikation ECONOMY TRIBUNE, die NEUE WEST-FÄLISCHE, die BERLINER ZEITUNG und den TAGESSPIEGEL aus. Alle Publikationen verstießen gegen die Ziffer 7 des Pressekodex:

Ziffer 7 Pressekodex

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.

UNICUM hatte unter dem Titel „Netzhits von Musicload“ über den Download von Musiktiteln von T-Online berichtet und die Leser im letzten Satz animiert mit „also nix wie ab zu www.musicload.de“. Dies ist nach Ansicht des Presserats eine eindeutig werbliche Aussage, mit der die Grenze zur Schleichwerbung überschritten wurde. Unverhohlene Werbung stellte nach Ansicht des Beschwerdeausschusses die Veröffentlichung mit dem Titel „Studenten beweisen Geschmack“ dar, in der UNICUM und Coca-Cola den „ultimativen Geschmackstest“ präsentierten. Auch diese Veröffentlichung verstieß gegen die Richtlinie 7.2 des Kodex:

Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung

Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material sowie bei der Abfassung eigener redaktioneller Hinweise durch die Redaktionen. Dies gilt auch für unredigierte Werbetexte, Werbefotos und Werbezeichnungen.

Ebenfalls wegen Schleichwerbung wurden drei weitere Veröffentlichungen gerügt. So hatte der TAGESSPIEGEL unter der Überschrift „Angebot der Woche: 200 Dienst- und Vorführwagen“ seine Leser auf das Angebot eines Autohauses hingewiesen. Dieser Beitrag ist eindeutig werbender Art. Gleiches gilt für den Abdruck eines BMW-Pressetextes über ein neues Motorrad, der als redaktioneller Beitrag aufgemacht und in der NEUEN WESTFÄLISCHEN veröffentlicht worden war. Schleichwerbung für eine Bäckerei erkannte der Beschwerdeausschuss in dem Artikel mit dem Titel „Kampf um die perfekte Schrippe“. In diesem hatte die BERLINER ZEITUNG über das Angebot einer Bäckereikette berichtet, mit der sie eine gemeinsame Marketingaktion gestartet hatte.

Den Trennungsgrundsatz verletzte auch ECONOMY TRIBUNE durch eine Praxis, die der Presserat in den letzten Jahren bei ähnlichen Publikationen bereits mehrfach kritisiert hatte. Das Magazin bot Unternehmen kostenlose redaktionelle Beiträge an. Bezahlen sollten die Firmen für die Bebilderung der Artikel. Diese Vorgehensweise stellt eine krasse Verletzung der Ziffer 7 dar, da die komplette redaktionelle Berichterstattung frei von finanziellen Gegenleistungen erfolgen muss. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Redaktion nicht von dritter Seite beeinflusst wird.

Insgesamt behandelte der Beschwerdeausschuss des Presserats in seinen zwei Kammern 46 Beschwerden. Neben den elf Rügen wurden drei Missbilligungen und elf Hinweise ausgesprochen. In einem Fall wurde trotz begründeter Beschwerde auf eine Maßnahme verzichtet. Unbegründet waren 19 Fälle.

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