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Rüge für Täter-Video von Halle

Auch Verstöße gegen den Opferschutz wieder Thema in den Ausschüssen / Deutscher Presserat spricht auf seinen Sitzungen am 3. und 5. Dezember vier Rügen aus

Halle-Video: Redaktion übernahm die Dramaturgie des Täters
BILD.DE erhielt eine Rüge für die Veröffentlichung von Ausschnitten aus dem Video, das der Attentäter während seines Anschlags auf die Synagoge von Halle live ins Internet übertragen hatte. Die Redaktion verstieß damit gegen Richtlinie 11.2 des Pressekodex, wonach die Presse sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen darf. In dem Video unter dem Titel „35 Minuten Vernichtungswahn“ ordnete ein Reporter die gezeigten Sequenzen zwar ausführlich ein. Jedoch übernahm die Redaktion die Dramaturgie des Täters, indem sie seine Vorgehensweise chronologisch vom Laden der Waffen bis hin zu den Sekunden vor und nach den Mordtaten zeigte. Bei beiden Szenen konnten die Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Diese Darstellung geht über das öffentliche Interesse hinaus und bedient überwiegend Sensationsinteressen.

Foto und Namensnennung des Attentäters von Halle pressethisch in Ordnung
An der Veröffentlichung des Fotos und des Namens des Attentäters von Halle besteht nach Ansicht des Presserats hingegen ein berechtigtes öffentliches Interesse. Ein Beschwerdeführer hatte kritisiert, dass bereits die Veröffentlichung seines Namens und Fotos in dem nachrichtlichen Beitrag „Neonazi Stephan Balliet (27) streamte seine Tat im Internet“ auf BILD.DE dem Täter eine Bühne bot. Nach Ansicht des Presserats überwiegt in diesem Fall das Informationsinteresse an der Person und den Beweggründen des Täters. Sensationsinteressen nach Ziffer 11 des Pressekodex wurden nicht bedient, die Beschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Stadtwerke-Aufsichtsrat schreibt als freier Mitarbeiter über eigene Windpark-Pläne
Wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zur Trennung von Tätigkeiten gemäß Ziffer 6 in Verbindung mit Ziffer 1 des Pressekodex wurde der SÜDKURIER gerügt. Die Zeitung hatte einen freien Mitarbeiter einen Artikel zu einem geplanten Windpark schreiben lassen, dem aufgrund seiner Tätigkeiten als Lokalpolitiker und im Aufsichtsrat der am Windpark beteiligten Stadtwerke ein massiver Interessenskonflikt bei dem Thema zu unterstellen war. Die Redaktion hätte daher einen anderen Mitarbeiter beauftragen oder zumindest den Lesern den Interessenkonflikt offenlegen müssen. Dabei war die Qualität des Artikels unter der Überschrift „Betreiber wird Windkraftanlagen bauen“ unerheblich. Das Gremium betonte, dass bereits der Anschein, die Berichterstattung könnte interessengeleitet sein, geeignet ist, das Ansehen der Presse massiv zu schädigen.

Redaktion zeigt Porträtfoto einer verunglückten Familie
BILD wurde gerügt für die Veröffentlichung eines Opferfotos ohne Einwilligung der Angehörigen. Unter der Überschrift „Ganze Familie stirbt in diesem Autowrack“ veröffentlichte die Redaktion ein Porträtfoto einer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Familie. Es lag weder ein öffentliches Interesse an der identifizierbaren Darstellung der Opfer vor, noch hatten die Angehörigen eine Einwilligung erteilt. Am Vortag hatte die Redaktion unter der Überschrift „Ganze Familie stirbt bei Fahrt in den Urlaub“ bereits ein Foto des Autowracks gezeigt. Auch hier waren die Betroffenen identifizierbar, da das Nummernschild des Unfallwagens erkennbar war. Der Presserat beurteilte die Berichterstattung als einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex.

Facebookeintrag kein Freibrief für Verwendung von Opferfotos
Ebenfalls als Verstoß gegen den Opferschutz wertete der Presserat die identifizierende Darstellung einer Frau, die im nordrhein-westfälischen Voerde vor einen Zug gestoßen worden war. Unter der Überschrift „Gleiskiller wegen Diebstahls und Körperverletzung bekannt“ hatte BILD.DE Vornamen sowie die abgekürzten Nachnamen von Täter und Opfer genannt und jeweils ein Foto von ihnen veröffentlicht. Die identifizierende Darstellung des Täters war von einem öffentlichen Interesse gedeckt, da ihm eine außergewöhnlich schwere Straftat zur Last gelegt wird. Einen groben Verstoß gegen den in Richtlinie 8.2 formulierten Opferschutz sieht das Gremium aber in der Abbildung und Namensnennung der getöteten Frau, da diese weder eine Person des öffentlichen Lebens war, noch ihre Angehörigen der Verwendung zugestimmt hatten. Die Platzierung des deutlich größeren Täterporträts in Machopose neben dem kleineren Foto der Frau ist zudem dazu geeignet, die Angehörigen extrem zu belasten. Obwohl der Ehemann auf Facebook offen mit dem Verlust seiner Frau umgegangen war, bedurfte es für die redaktionelle Verwendung der Fotos nach Auffassung des Presserats einer aktiven Einwilligung.

Der Presserat betont: Die Veröffentlichung von Fotos und Angaben zu Opfern durch die Angehörigen in sozialen Netzwerken ist nicht gleichzusetzen mit einer Zustimmung zu einer identifizierenden Darstellung in den Medien.


Statistik
Die Ergebnisse: 4 öffentliche Rügen, 8 Missbilligungen und 10 Hinweise. Der Presserat bewertete 3 Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 48 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.

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