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Stasi-Aufarbeitung und Opferschutz widersprechen sich nicht

In der aktuellen Auseinandersetzung um die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) appellieren die Mitglieder des Deutschen Presserats an alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, sowohl die Belange von Betroffenen als auch die politisch-historische Aufarbeitung der Stasitätigkeiten im Auge zu halten. "Stasi-Akten dürfen keine Verschlusssache werden", so Presseratssprecher Kay E. Sattelmair.

Der Presserat hatte Marianne Birthler zu seiner Plenumstagung am 19. Juni 2002 nach Bonn eingeladen, um sich aus erster Hand über die Praxis bei der Herausgabe von Unterlagen an die Medien zu informieren. Birthler betonte, dass der vorliegende Novellierungsentwurf dem Schutz von Stasi-Opfern einen hohen Wert beimisst und zugleich die Verwendung wichtiger Unterlagen wieder ermöglicht.

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz soll laut Koalition noch in dieser Legislaturperiode geändert werden. Nach dem gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Grünen soll der Persönlichkeitsschutz Prominenter gestärkt werden. Strittig ist nach wie vor allerdings die Frage, ob ein Prominenter oder früherer Amtsträger, über den die Stasi Akten anlegte, der aber nicht für die Stasi gearbeitet hat, der Herausgabe seiner Akten an Journalisten oder Wissenschaftler zustimmen muss. Dies wird von den Oppositionsfraktionen unter Hinweis auf das von Helmut Kohl erstrittene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gefordert.

Nach Ansicht des Presserats sowie der ihn tragenden Verlegerverbände und Journalistenorganisationen darf die Herausgabe dieser Unterlagen nicht vom Einverständnis der Betroffenen abhängig gemacht werden. Dies betrifft selbstverständlich nicht die Privatsphäre, die geschützt bleibt. Es geht lediglich um das öffentliche Wirken bzw. das Wirken im Amt dieses Personenkreises. Die Fortsetzung der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit der Stasi macht deshalb auch eine Änderung der Regelung des Zugangs zu Unterlagen in § 32 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes unbedingt notwendig. Die Rechtsproblematik ist seit zwei Jahren hinlänglich bekannt. Die Novellierung kommt nicht übereilt sondern in letzter Minute.

Derzeit ist die Herausgabe von Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes nicht mehr zulässig. Diese Praxis führt dazu, dass Wissenschaftlern und Journalisten zukünftig der Zugang zu entsprechenden Stasi-Unterlagen versagt ist. Der von der Fraktion SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Gesetzentwurf ist nach Ansicht des Presserats geeignet, diese Rechtslage zu ändern, damit die seit zehn Jahren bewährte Praxis in Wissenschaft und Medien fortgesetzt werden kann.

Die Mitglieder des Deutschen Presserats appellieren deshalb an alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, einer Gesetzesänderung zuzustimmen, die auch zukünftig eine Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit gewährleistet und die Presse- und Wissenschaftsfreiheit berücksichtigt.

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