Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6869 Entscheidungen
Eine Lokalzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Sexuelle Kontakte gegen Geschenke“. Im Beitrag geht es um die Gerichtsverhandlung gegen einen Mann, dem sexueller Missbrauch eines elfjährigen Mädchens vorgeworfen wird. Der Angeklagte ist geständig, sagt aber aus, dass das Mädchen sich seine Taten gegen Geschenke habe gefallen lassen. Der Autor des Berichts gibt die Aussagen des Angeklagten ausführlich wieder. Beschwerdeführerin ist in diesem Fall eine Vertreterin des Landesverbandes Frauenberatung. Sie kritisiert eine einseitige Darstellung der Aussagen des Angeklagten. Seine Taten würden dadurch verharmlost. Der Beschuldigte erscheine als Opfer einer vermeintlichen Verführung durch ein elfjähriges Mädchen. Die Überschrift stelle sogar in Frage, ob das Mädchen überhaupt sexuelle Gewalt erlebt habe. In der Berichterstattung finde eine Täter-Opfer-Umkehr statt. Das Opfer werde durch diese Darstellung in seiner Würde verletzt. Der Chefredakteur betont, seine Zeitung sehe es als ihre Pflicht an, ihre Leserschaft ausführlich über das gesellschaftliche Zusammenleben zu informieren. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine Berichterstattung über den ersten Teil des Prozesses. Die unerwartet umfangreichen Schilderungen des Beschuldigten hätten daher ihren Niederschlag im Bericht gefunden. Angesichts der Schwere der Tat sei es aus Sicht der Redaktion von öffentlichem Interesse gewesen, die Denkweise des Angeklagten zu beschreiben. Der Autor habe sich dessen Aussage nicht zu eigen gemacht, sondern darüber distanziert und im Kontext der Anklage berichtet.
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Eine überregionale Tageszeitung veröffentlicht eine Kolumne unter dem Titel „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“. Hintergrund für den Beitrag sei die Erklärungsnot, in die die Polizei nach den internationalen Black-Lives-Matter-Protesten nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland geraten sei. Die Autorin fragt sich, in welche Branchen man „Ex-Cops“ überhaupt noch „reinlassen“ könne, wenn die Polizei abgeschafft werde. Schließlich sei der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit „Fascho-Mindset“ in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch. Oder hätten Leserinnen und Leser schon mal von einem Terrornetzwerk in der Backshop-Community gehört? Wohin also mit den über 250.000 Menschen, die dann keine Jobs mehr hätten? Spontan fällt der Autorin nur eine geeignete Option ein: Die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben seien. Unter ihresgleichen fühlten sie sich bestimmt auch selbst am wohlsten. 382 Leserinnen und Leser wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Sie sehen in dem Beitrag keine Satire, sondern Herabwürdigung, Menschenverachtung, Diskriminierung sowie eine Verletzung der Ehre und Menschenwürde von Polizistinnen und Polizisten. Der Artikel greife den Rechtsstaat an und verherrliche den Linksextremismus. Besonders menschenverachtend sei der letzte Absatz. Der Vorschlag, Polizisten auf dem Müll zu entsorgen bzw. sie als Abfall darzustellen, verstoße gegen die Menschenwürde und stachele zum Hass gegen Polizeibeamte auf. Die Rechtsvertretung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass der Beitrag nicht gegen presseethische Grundsätze verstoße. Die Autorin des Beitrages stelle und verneine die Frage, ob ihre Kolumne die Grenzen zur Satire überschritten habe. Sie zitiert eine Mitteilung des Presserats: „Grundsätzlich hält der Presserat auch scharfe, polemische Satire für zulässig – solange sie einen sachlichen Kern an Kritik enthält“. Der sachliche Kern ihrer Polemik ergebe sich aus der Black-Lives-Matter-Bewegung, deren Forderung nach Abschaffung der Polizei und der daraus entstandenen Debatte in Deutschland über rassistische Strukturen innerhalb der Polizei. Die Autorin hält es nicht für ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht, Staatsorgane wie die Polizei zu hinterfragen und zu kritisieren. Eine Satire bzw. eine Polemik sei dafür kein verbotenes Stilmittel. Sie erlebe als Reaktion auf ihre Kolumne eine enorme rechte Einschüchterungskampagne.
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„Schülerin sprengt Feuerwehrmann in die Luft“- unter dieser Überschrift veröffentlicht eine Boulevardzeitung online einen Bericht über eine Gasexplosion in einem Wohnhaus. Dabei sei ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Unter Tatverdacht stehe eine 17-jährige Schülerin, die in dem Haus wohne. Sie soll im Keller eine brennende Kerze und eine geöffnete Gasflasche aufgestellt haben. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Überschrift, in der eine Vermutung als Tatsache hingestellt werde. Zudem werde das minderjährige Mädchen durch Angaben wie Vorname, Alter und Bild von dem Wohnhaus sowie durch die Veröffentlichung eines gepixelten Fotos identifizierbar. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf einer Vorverurteilung zurück und verweist auf die Dachzeile der Überschrift. Sie laute: „DNA-Spuren an Gasflasche – Staatsanwalt ist sicher“. Dadurch werde dem Leser sofort klar, dass die Schülerin nach Auffassung der Staatsanwaltschaft für die Explosion verantwortlich sei und es noch keine Verurteilung gegeben habe. Spätestens nach dem Lesen der Passage „Münster – es war eine heimtückische Tat – und eine Schülerin ist die Verdächtige“ werde vollends offensichtlich, dass eine Verdachtsberichterstattung vorliege, deren Grenze im gesamten Artikel penibel eingehalten worden sei. Auch der Persönlichkeitsschutz der Verdächtigen sei nicht verletzt worden, so die Rechtsvertretung weiter. Das Foto des Mädchens sei mit einem großen schwarzen Balken verfremdet worden. Sein Persönlichkeitsschutz sei durch die Anonymisierung der übrigen Angaben gewahrt.
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Eine Großstadtzeitung berichtet unter der Überschrift „Flucht aus der Klinik: Psychisch kranker Straftäter bedroht seine Eltern“ über zwei Ausbrüche aus einer Klinik. Die Redaktion zitiert einen FDP-Abgeordneten mit den Worten: „Viele unberechenbare Patienten dort haben selbst einen Transponder, um die Magnettüren zu öffnen. Das führt so weit, dass gefährliche Leute plötzlich draußen rumlaufen.“ Im Artikel werden die beiden Ausbrüche beschrieben. Die Redaktion berichtet, Beamte müssten andauernd ausrücken, um geflohene Patienten einzufangen. Wie viele gefährliche psychisch Kranke in der Stadt unterwegs seien, könne nur gemutmaßt werden. Zwei Leser der Zeitung kritisieren, dass durch den Artikel psychisch Kranke stigmatisiert würden. Sie würden von der Redaktion als Straftäter dargestellt. Ein Beschwerdeführer moniert zudem, es würden Lügen gestreut. So habe natürlich kein Patient einen Transponder, um die Türen der geschlossenen Stationen zu öffnen. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung ist eine Stigmatisierung psychisch Erkrankter nicht Haupttenor des Artikels. Vielmehr befasse sich der Autor mit einem Ausbruch aus einer psychiatrischen Klinik. Ihm gehe es auch um die grundsätzliche Sicherheitsfrage. Beides seien Themen von erheblichem öffentlichem Interesse. Es werde nicht der Eindruck erweckt, dass alle psychisch Kranken gefährlich und straffällig seien, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre sowie die weiteren Grundsätze des Kodex würden gewahrt.
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Eine Regionalzeitung berichtet über die Neueröffnung der zweiten Filiale eines regionalen Hörakustiker-Geschäfts. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Werbung, die nicht als solche gekennzeichnet ist. Die Verlagsspitze der Zeitung teilt mit, dass entgegen der sonst üblichen und bewährten Praxis bei der vorliegenden Anzeigen-Sonderveröffentlichung der entsprechende Anzeigen-Hinweis fehlt. Leider sei bei der Bearbeitung der Anzeige ein bedauerlicher Fehler unterlaufen, für den man sich entschuldige. Es handele sich um einen Einzelfall. Allerdings – so die Stellungnahme der Verlagsvertreter weiter – hebe sich die Werbung in ihrer Gestaltung, den Überschriften und den verwendeten Schrifttypen so deutlich vom üblichen Standard-Layout der redaktionellen Inhalte ab, dass auch bei flüchtiger Betrachtung eine Verwechslungsgefahr kaum gegeben sei. Hinzu kämen weitere Merkmale, die diese Werbeform als Anzeige erkennbar machten, wie die markante Angabe von Telefonnummern, Anschriften, Web-Adressen, Logos und Öffnungszeiten, die im redaktionellen Teil nicht verwendet würden.
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Ein Online-Portal berichtet, dass einer der großen Spiele-Entwickler sich von zwei namentlich genannten Managern getrennt habe. Ihnen werde der Vorwurf sexuellen Fehlverhaltens gemacht. Ein Nutzer des Portals kritisiert, dass die Redaktion die vollen Namen zweier Männer nenne, deren Schuld noch nicht geprüft worden sei. Er sieht durch die Berichterstattung Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) verletzt. Der Chefredakteur des Internetportals hält die Beschwerde für unbegründet. Dennoch habe die Redaktion inzwischen entschieden, die Namen der Betroffenen zu entfernen. Diese seien häufig in der Öffentlichkeit aufgetreten und hätten dabei ihr Unternehmen repräsentiert. Die Redaktion sei daher davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden um Top-Manager des in Spielerkreisen bekannten Unternehmens handele. Deren Namen seien im Kontext zu den Vorwürfen zu nennen, gerade im Rahmen der MeToo-Diskussion. Nach Eingang der Beschwerde - so der Chefredakteur weiter - habe die Redaktion erneut recherchiert und dabei festgestellt, dass die beiden Herren zwar gelegentlich für ihre Firma öffentlich aufgetreten seien, aber eher aus dem mittleren Management stammten. Die Redaktion habe die Namen der beiden deshalb aus dem Online-Angebot entfernt.
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Eine Regionalzeitung – sie erscheint im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern - berichtet online über eine Beziehungstat. Die Überschrift lautet: „Afghane ersticht Ex-Partnerin im Bus vor anderen Fahrgästen“. Ein Mann habe seine von ihm getrennt lebende Ex-Ehefrau getötet. Die Tat geschah in einem Linienbus in Bayern. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Nennung der Herkunft und sieht einen Verstoß gegen Richtlinie 12.1. Eine Relevanz der Nennung der Staatsangehörigkeit des Täters zur Tat vermag sie nicht zu erkennen. Vielmehr werde die ethnische Herkunft unangemessen betont, indem sie in der Überschrift deutlich herausgestellt werde. Der Chefredakteur rechtfertigt die Nennung der Staatsangehörigkeit. Das bewusste Auslassen von Fakten, die bereits in sozialen Medien kursierten, unterminiere das Vertrauen in die Medien und beschädige deren Glaubwürdigkeit nachhaltig. Dem Leser dränge sich die Frage förmlich auf, warum ihm etwas verschwiegen werde, das er anderswo erfahre. Der Chefredakteur weiter: Die Redaktion greife die W-Fragen (Wer, was, wann, wie, wo) die der Kern jeder journalistischen Arbeit seien. Je mehr dieser Fragen die Redaktion beantworten könne, desto besser. Die Redaktion habe auch keinerlei Probleme damit, regionale Zugehörigkeiten zu erwähnen. Als Urlaubsland, das Mecklenburg-Vorpommern ja nun einmal sei, mache es einen Unterschied, ob ein Geschehen im Zusammenhang mit Touristen oder anderen stehe. Beispiel: Bayerischer Friseur randaliert auf Usedomer Campingplatz. Die Überschrift würde unbeanstandet bleiben.
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„Ed Euromaus hatte viel zu tun“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht eine Regionalzeitung auf der Seite „Kinder-Nachrichten“ ein sogenanntes Interview, in dem die redaktionseigene Comicfigur „Robby Rheinschnake“ das Maskottchen des Europa-Parks „Ed Euromaus“ befragt. Es geht in dem Beitrag um Baumaßnahmen in dem Vergnügungspark, Corona-Auflagen für Besucher und neue Attraktionen. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag Schleichwerbung für den Europa-Park. Ein Beitrag werde als Interview ausgegeben, das keines sei, denn die beiden „Interview-Partner“ seien Comic-Figuren, von denen die Zeitung ihre Figur als Freund und Berater der Kinder ausgebe. Der Redaktionsleiter der Zeitung vermag keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze festzustellen. Hauptaufgabe der täglichen Kindernachrichten-Seite sei es, Informationen verständlich und altersgerecht zu vermitteln. Dabei spielten interaktive Formate eine große Rolle. Zentrale Identifikationsfigur sei dabei die Kunstfigur Robby Rheinschnake, die von Kindern sehr oft angeschrieben werde. Bei der kritisierten Veröffentlichung handele sich um das Format eines fiktiven Interviews, das zwischen Robby Rheinschnake und Ed Euromaus, dem Maskottchen des Europaparks Rust, geführt werde. Der Vergnügungspark liege im Verbreitungsgebiet der Zeitung und sei einer der größten Arbeitgeber in der Region. Ziel des Beitrags sei gewesen, Neuerungen im Park nach der coronabedingten Schließung auf kindgerechte Weise zu vermitteln. Der Redaktionsleiter weist den Vorwurf zurück, Werbung bzw. Schleichwerbung für den Park gemacht zu haben.
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Ein Nachrichtenmagazin berichtet online über eine neue Statistik des Bundesarbeitsministeriums zu Hartz IV-Beziehern. Unter dem Zwischentitel „Im Osten durchschnittlich 934 Euro Arbeitslosengeld II pro Monat“ heißt es: „Im Durchschnitt hatten Arbeitslose, die in den vorangegangen 30 Monaten mindestens zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, nach dem Jobverlust Ansprüche auf 1027 Euro monatlich. Im Westen lag der Durchschnittswert bei 1051 Euro und somit um mehr als 100 Euro höher als im Osten, wo im Schnitt Ansprüche von 934 Euro bestanden.“ Ein Leser des Magazins stellt fest, der Artikel enthalte bewusste Falschinformationen, mit denen offensichtlich eine negative Stimmung gegen Hartz-IV-Bezieher geschürt werden solle. In der Überschrift werde der Begriff Hartz IV genannt. Anschließend beziehe sich der gesamte Artikel jedoch auf das Arbeitslosengeld I. So werde der Eindruck erweckt, dass Hartz-IV-Bezieher mehr als 1000 Euro erhielten. Der Rechtsvertreter des Magazins stellt fest, er könne sich kurzfassen. Offenbar sei bei der Bearbeitung der ursprünglich von einer Agentur stammenden Meldung an einzelnen Stellen unabsichtlich Arbeitslosengeld I mit Hartz IV gleichgesetzt worden. Das sei natürlich sachlich nicht korrekt. Die Redaktion habe inzwischen den Fehler nicht nur korrigiert, sondern dies auch gegenüber den Nutzern transparent gemacht. Sie habe sich für das Versehen entschuldigt. Die Annahme des Beschwerdeführers, die Redaktion habe das Ziel verfolgt, negative Stimmung gegen Hartz-IV-Bezieher zu schüren, sei allerdings nicht zutreffend, betont die Rechtsvertretung.
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