Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Das Fahndungsfoto einer Minderjährigen

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Erste Erfolge nach G20-Fahndung: Sechs Verdächtige identifiziert“. Es geht um Fahndungserfolge der Hamburger Polizei, die im Netz Fotos von Personen veröffentlicht hatte, nach denen sie wegen einer möglichen Beteiligung an Straftaten bei den G20-Protesten gefahndet habe. Einige Personen habe die Polizei identifiziert – darunter eine 17 Jahre alte Hamburgerin, die „mit bauchfreiem Oberteil und auffällig geschminkt an der Randale beteiligt gewesen sein soll.“ Die Zeitung veröffentlicht das Fahndungsfoto dieser 17-Jährigen mit Augenbalken ebenso, wie die verfremdeten Bilder von fünf weiteren Verdächtigen. Der Beschwerdeführer in diesem Fall sieht Richtlinie 13.3 des Pressekodex (Straftaten Jugendlicher) verletzt. Die Veröffentlichung des Fotos einer 17-jährigen mutmaßlichen Straftäterin sei pressethisch nicht vertretbar. Gerade im Umgang mit minderjährigen Tatverdächtigen sollte eine besondere Sorgfalt gelten. Für die Zeitung antwortet deren Leiterin Content Management. In der Redaktion sei sehr intensiv darüber diskutiert worden, wie sie mit G20-Fahndungsfotos umgehen solle. Sie habe sich entschlossen, einen Teil des umfangreichen Foto- und Videomaterials zu veröffentlichen. Der Redaktion sei klar gewesen, dass die Medien in diesem Fall eine besondere Verantwortung hätten. Es sei ein Fehler gewesen, die Verdächtige noch einen Tag lang im Bild zu zeigen, nachdem sie sich der Polizei gestellt habe.

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Unbewiesene Tatsachenbehauptung

In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „Heilpraktiker – Gefahr oder Segen?“ Im Artikel geht es um die Kritik der Schulmedizin an Heilpraktikern. Der Autor schreibt, Patienten trauten sich of nicht, gegen Heilpraktiker vorzugehen. Deshalb gebe es eine erhebliche Dunkelziffer im Hinblick auf Zwischenfälle bei Behandlungen. Die Beschwerdeführerin, die einen Homöopathen-Verband vertritt, wendet sich gegen die Berichterstattung. Die Aussage, Patienten trauten sich oft nicht, gegen Heilpraktiker vorzugehen, sei eine unbelegte Tatsachenbehauptung. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, es wäre wohl besser gewesen, das zitierte „oft“ durch ein „wohl“ zu relativieren. Gleichzeitig sei aber klar, dass es Dunkelziffern gebe, die nicht genau beziffert werden könnten. Der Chefredakteur zitiert eine Medizinrechtlerin: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Patienten schämen sich, wenn sie entdecken, dass sie betrogen wurden. Sie denken, sie seien selbst schuld. Oder sie sterben im Glauben, das Richtige getan zu haben.“

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Den Namen des Kamin-Protestierers genannt

„Außerdem war da 2017 auch noch…“ lautet die Überschrift zu einem Artikel, in dem eine Lokalzeitung auf örtliche Ereignisse zurückkommt, die sich im zu Ende gehenden Jahr zugetragen haben. Dabei werden auch der volle Name und der Beruf eines Mannes genannt, der durch eine Protestaktion auf dem Kamin eines ehemaligen Firmengebäudes im März 2017 auf seine Kritik an einem Investorenauswahlverfahren aufmerksam gemacht habe. Ein Leser wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er sieht durch die Nennung des Namens des Mannes dessen Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Name in der Erstveröffentlichung nicht genannt worden sei. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Atlantik ist kein Hoheitsgewässer der NATO

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung berichtet unter der Überschrift „NATO ist besorgt über russische U-Boote im Atlantik“ über die russische Marine, die sich mit U-Booten zunehmend in Gewässern von NATO-Staaten zeige. Die NATO – so die Zeitung – sei besorgt über zunehmende Aktivitäten russischer U-Boote im Mittelmeer und im Atlantik. Die Kriegsschiffe seien überall im Atlantik und auch „näher an unseren Küstenlinien“ im Einsatz, habe NATO-Generalsekretär Stoltenberg gesagt. Der „Washington Post“ zufolge hielten sich russische U-Boote immer häufiger in der Nähe wichtiger Datenkabel im Nordatlantik auf. Diese stellten den Internetverkehr und andere Kommunikationsverbindungen nach Europa und Nordamerika sicher. Ein Leser der Zeitung stellt fest, im Artikel werde wahrheitswidrig behauptet, dass die russische Marine mit U-Booten zunehmend Präsenz in Gewässern von NATO-Staaten zeige. Diese Präsenz würde voraussetzen, dass russische U-Boote in Hoheitsgewässer von NATO-Staaten eingedrungen seien. Da dies offensichtlich nicht der Fall sei, handele es sich um eine Unwahrheit. Weder Atlantik noch Mittelmeer seien Hoheitsgebiet von NATO-Staaten und somit NATO-Gewässer. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung gibt dem Beschwerdeführer Recht. Der Artikel sei entsprechend korrigiert worden.

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Mädchen am helllichten Tag ermordet

„Afghane (15) ersticht deutsches Mädchen“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über den Mord von Kandel (Pfalz). Die Nationalität des mutmaßlichen Täters wird in Text, Überschrift und in Bildtexten insgesamt fünf Mal genannt. Zwei Leser der Zeitung sehen einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12,1 (Diskriminierungen bzw. Berichterstattung über Straftaten) des Pressekodex. Da die Polizei zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch keine Angaben über das Tatmotiv gemacht habe, könne die Nennung der Nationalität unter den „verstärkenden Hinweisen“, das Opfer sei Deutsche und ein Mädchen, Vorurteile gegen Minderheiten schüren. Dies sei bei Twitter bereits geschehen. Der Täter werde zudem auf seine Nationalität reduziert. Nur einmal werde er als „der Festgenommene“ bezeichnet, sonst immer als „Afghane“. Der Chefredakteur nimmt Stellung. Richtlinie 12.1 im Pressekodex besage klar, dass die Nennung der Herkunft des Täters bei besonders schweren Straftaten zulässig sei. Daran könne im Mordfall Kandel kein Zweifel bestehen. Nicht nur der Mord, auch der Tathintergrund sei als außergewöhnlich anzusehen, jedenfalls mit Blick auf das Alter des Täters und des Opfers. Hinzu komme, dass die Tat in der Öffentlichkeit und am helllichten Tag begangen worden sei. Der Chefredakteur vertritt außerdem die Ansicht, es liege keine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens vor. Die Nennung der Herkunft des mutmaßlichen Täters sei geboten gewesen, um den Leser vollständig zu informieren und das Geschehen richtig einzuordnen. Praktisch alle Medien hätten auf gleiche Weise berichtet.

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Zeitung missachtet Schutz der Persönlichkeit

Eine Großstadtzeitung berichtet über den Mord an einer Frau, der sich nach Darstellung der Redaktion im Berliner SM-Milieu abgespielt hat. Sie nennt den Namen des Mordopfers, das Alter der Frau und ihre Lebensumstände. Auch das Mordmotiv spielt in der Berichterstattung eine Rolle. Die Frau habe die Freizügigkeit der Stadt in allen Belangen geschätzt. Auf ihrer Facebook-Seite fänden sich für jeden sichtbare Einträge wie „Warnung! Ich bin versaut und steh dazu!“ oder „Wenn ich Blümchensex will, kann ich mich gleich an ner Wiese reiben“. Auch habe die Frau regelmäßig einschlägige Internetseiten besucht. Die Mordermittler – so die Zeitung – könnten daher nicht ausschließen, dass die Getötete ihren Mörder im Internet kennengelernt und möglicherweise ein sexuelles Motiv zu dem brutalen Mord geführt habe. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Behauptung, dass die Ermordete eine Verbindung zur SM-.Szene gehabt habe, eine Verletzung presseethischer Grundsätze. Ihre eigenen Online-Recherchen hätten ergeben, dass die Angaben an den Haaren herbeigezogen worden seien. Eine seriöse Recherche habe nicht stattgefunden. Der Artikel erhalte somit unrichtige Angaben und verunglimpfe die Ermordete. Eine Stellungnahme der Zeitung lag zum Zeitpunkt der Beratung nicht vor.

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Über bizarren Todesfall berichtet

„Elektriker erwürgt sich in selbst gebautem Porno-Raumschiff“ titelte die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. In dem Artikel geht es um den Tod eines Mannes. Der Text ist mit einer Mischung aus Foto und Grafik bebildert. Darin wird ein erwürgter Mann nackt und in Ketten gezeigt. Ein Leser der Zeitung empfindet vor allem die grafische Abbildung als reißerische Zurschaustellung eines bizarren Unglücksfalls. Nach Auffassung des Beschwerdeführers werden die Hinterbliebenen des Toten durch die Darstellung unangemessen belastet. Der Wohnort der Eltern sei zudem problemlos identifizierbar. Der Chefredakteur vermag die Beschwerde nicht nachzuvollziehen. Der Vorgang sei so bizarr, dass die Zeitung selbstverständlich darüber habe berichten dürfen. Der Fall habe außerdem schon dadurch einen Öffentlichkeitswert bekommen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft wegen eines möglichen Tötungsdeliktes ermittelt und den Vorgang öffentlich kommentiert hätten. Der Name des Betroffenen sei geändert worden. Auch habe die Redaktion kein Foto des Mannes veröffentlicht, obwohl die Redaktion über entsprechendes Material verfügt habe. Der Wohnort sei ebenfalls nicht genannt worden. Nur der Landkreis mit rund 400.000 Einwohnern sei genannt worden, so dass eine Identifizierung nicht möglich sei.

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Hinweis auf Minderheitengruppe entfernt

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Falsche Polizisten zocken Seniorin ab: mehrere Jahre Haft“ über einen Gerichtsprozess. Vor dem Schöffengericht hätten sich zwei Männer und zwei Frauen wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs verantworten müssen. Das Strafmaß für die Sinti und Roma habe von 15 Monaten bis zu dreieinhalb Jahren gereicht. Die Anwältin des Zentralrats der deutschen Sinti und Roma sieht in der Nennung der Zugehörigkeit der Angeklagten zur Minderheit der Sinti und Roma einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex. Ein begründetes öffentliches Interesse, das eine Erwähnung der Minderheitenzugehörigkeit nach der neuen Fassung der Richtlinie 12.1 rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich. Die Anwältin argumentiert, Einbruchsdiebstahl sei ein Straftatbestand, der von Angehörigen aller Bevölkerungsgruppen begangen werde. Die Nennung der Abstammung der Angeklagten bewirke, dass bestehende negative Vorurteile und Klischees gegenüber der Minderheit verstärkt würden. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Die Nennung der ethnischen Zugehörigkeit der Angeklagten sei keinesfalls in diskriminierender Absicht einer Minderheit gegenüber geschehen. Es habe sich um eine neutrale Zusatzinformation im Rahmen der Beschreibung der ansonsten anonymisierten Täter gehandelt. Das Risiko einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens – wie in Richtlinie 12.1 des Pressekodex beschrieben – sehe die Redaktion nicht. Gleichwohl – so der stellvertretende Chefredakteur abschließend – respektiere die Zeitung die presseethischen Vorgaben. Die Chefredaktion habe die Beschwerde zum Anlass genommen, die Redaktion erneut auf die erforderliche Sensibilität in vergleichbaren Fällen hinzuweisen. Die kritisierte Textpassage sei aus dem Online-Beitrag entfernt worden.

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Mehrere Beiträge über Missstände

Behörden ermitteln aufgrund von Anzeigen aus der Nachbarschaft gegen die Bewohner eines Hauses in einem bestimmten Viertel des Verlagsortes. Die Überschrift des Artikels lautet: „Brennpunkt ´Roma-Viertel´ in (…): Die Wahrheit der Behörden.“ Es ist die Rede von Dreck, von Frauen, die sich prostituieren müssen, von Kindern, deren Wohl gefährdet sei. Das sei die Wahrnehmung mancher Bewohner der Stadt, wenn von besagtem Viertel die Rede sei. Diese Wahrnehmung decke sich jedoch nicht mit der von Stadt- und Kreisverwaltung. Die Autorin des Beitrages informiert die Leser sowohl über die von Bürgern vorgebrachten Vorwürfe als auch über die Stellungnahmen der Behörden. Die Rechtsvertreterin des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma kritisiert, dass bereits in der Überschrift eine Kennzeichnung der Ethnie („Roma-Viertel“) vorgenommen werde, um dann die dort bestehenden Probleme mit der Zugehörigkeit zur Minderheit zu verknüpfen. Armut und Perspektivlosigkeit seien kein ethnisches Problem, sondern Folge des tiefverwurzelten Anti-Ziganismus, unter dem Roma bis heute leiden müssten. Über Brennpunkte der Mehrheitsgesellschaft werde auch nicht mit Hinweis auf die Herkunft berichtet, sondern durch die Darstellung der sozialen Probleme. Der Hinweis auf die Abstammung bewirke, dass bestehende negative Vorurteile und Klischees gegenüber der Minderheit bestätigt würden und ein Klima des Hasses geschaffen werde. Die Autorin des Beitrages nimmt Stellung und stellt fest, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei, die Ethnie der Sinti und Roma zu diskriminieren. Die namentliche Erwähnung der Ethnie wolle sie in den Kontext mit der gesamten Berichterstattung zu dem Thema stellen. Der kritisierte Artikel reihe sich ein in eine Vielzahl von Beiträgen. In diesen sei es um zwei Brände in dem besagten Stadtviertel gegangen und dann auch um Probleme wie Prostitution, Kindeswohlgefährdung etc. Die Autorin schreibt, dass sie in ihren Beiträgen die Behauptungen und Beobachtungen von Anwohnern den Antworten der Behörden gegenüber gestellt habe. Da sich die Anwohner-Kritik gezielt auf die Ethnie der Sinti und Roma bezogen habe und nicht auf andere Bewohner des Viertels, habe in diesem Kontext die Minderheit genannt werden müssen. Sie sei sich bewusst – so die Autorin -, dass Umgang und Miteinander zwischen verschiedenen Nationalitäten und Ethnien nicht immer einfach seien und einer sensiblen Berichterstattung bedürften. Diese dürfe aber nicht so weit führen, dass Kritik verschwiegen und Fakten nicht beim Namen genannt werden dürften.

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Nicht das Video ist furchtbar, sondern die Tat

„Dieser Junge twitterte live aus der Amok-Schule“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht im Beitrag um einen Amoklauf an der Marjory Stoneman Douglas Highschool in Parkland (Florida). Zum Artikel ist ein Video gestellt, das das Verbrechen zeigt. Eine Leserin der Zeitung hält vor allem das Video für unangemessen sensationell, da es Kinder und Jugendliche zeige, die um ihr Leben fürchten. Die Redaktion antwortet mit dem Hinweis, dass es sich bei dem kritisierten Video um eine nachrichtliche und chronologische Schilderung der Geschehnisse handele. An keiner Stelle werde auf unverhältnismäßige Weise Leid zur Schau gestellt. Belange des Jugendschutzes würden nicht verletzt. Die Szene aus dem Klassenzimmer sei nur sieben Sekunden lang und dokumentiere, wie Lehrer und Schüler sich schützten. Ihr Schrecken manifestiere sich dabei nicht durch die Darstellung von Kindergesichtern, sondern ausschließlich über den eindringlichen Ton. Dieser sei in der Tat schockierend, belege jedoch den Schrecken, den derartige Taten verbreiteten. Furchtbar sei nicht das Video, sondern die Tat selbst.

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