Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Sachsen in ein schlechtes Licht gestellt

Eine Großstadtzeitung berichtet online über die Ausschreitungen in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes. Die Überschrift lautet: „Chemnitz von rechtem Mob überrumpelt – Landesregierung schickt mehr Polizei“. Ein Leser der Zeitung sieht eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Er stört sich vor allem an dieser Passage: „Chemnitz wurde zwei Abende in Folge von Gewalt erschüttert. Tausende rechte Demonstranten machten am Montagabend Jagd auf Migranten, Journalisten und Gegendemonstranten“. Auch wenn es rechtsextremistische Ausschreitungen gegeben habe, so sei nach neuen Erkenntnissen davon auszugehen, dass man seriös nicht von „Tausenden“ berichten sollte. Es fehle auch die Trennschärfe zwischen rechts und rechtsextrem. Wider besseres Wissen werde Sachsen ohne Beleg in ein schlechtes Licht gestellt, was zu einer Eskalation der Situation beigetragen habe. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf des Beschwerdeführers zurück. Die Redaktion habe sich bei ihren Zahlenangaben auf Meldungen von mehreren Agenturen gestützt. Man hätte bei der Nennung der Zahl „Tausende“ vielleicht schreiben müssen „Laut Agenturangaben“. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei die Zahl derjenigen, die gegen Ausländer, Journalisten und Gegendemonstranten vorgegangen seien, nicht wirklich klar.

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Kanzlerin-Telegramm falsch interpretiert

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online einen gekennzeichneten Gastbeitrag des Deutschland-Direktors von Human Rights Watch (HRW), Wenzel Michalski, unter der Überschrift „Angela Merkel darf Hun Sen nicht loben“. Der Autor kritisiert die Kanzlerin dafür, dass sie dem kambodschanischen Staatschef zum Wahlsieg gratuliert und damit ein falsches Signal gesendet habe. Im zweiten Absatz heißt es: „Die Glückwünsche waren und sind unfassbar. Die im Juli abgehaltenen Wahlen bezeichnet die internationale Gemeinschaft als ´nicht frei und fair´ - es waren keine Wahlen, wie wir sie kennen. (…)“ Michalski schreibt, Hun Sen habe in den vergangenen Jahren de facto eine Ein-Parteien-Herrschaft aufgebaut. Er habe die Partei CNRP, die zu einem gefährlichen Rivalen aufgestiegen sei, durch Verhaftungen und Drohung mit Haft unter Kontrolle gebracht. Die Gefängnisse seien voll mit politischen Gefangenen. Merkel habe mit ihrem Telegramm ein falsches Signal an die kambodschanische Regierung gesendet. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Beitrag. Schon in der Überschrift und im Untertitel würden falsche Fakten genannt. Selbst wer die nuancierte Sprache der Diplomatie nicht kenne, könne aus dem Telegramm deutliche Kritik herauslesen. Die Hauptaussage des Gastbeitrages sei falsch. Es werde eine neue erfunden und der Kontext ganz bewusst ignoriert. Der Bundeskanzlerin werde etwas vorgeworfen, was sie nicht nur nicht getan habe, sondern offensichtlich ganz bewusst habe vermeiden wollen. Der Beschwerdeführer wirft der Redaktion vor, die Faktenlage nicht geprüft zu haben. Einen weiteren Verstoß sieht er darin, dass der Artikel wider besseres Wissen nicht widerrufen werde und falsche Behauptungen weiterhin verbreitet würden. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde insofern zum Teil für berechtigt, als die Redaktion nicht die Faktenlage überprüft habe. Human Rights Watch sei eine renommierte Menschenrechtsorganisation. Die meisten Medien hätten nicht die personellen Mittel, jeden Meinungsbeitrag auf die Faktenlage hin zu überprüfen. Im Übrigen seien die in dem Beitrag getroffenen Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt.

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Kranker Asylbewerber greift Passanten an

Der Oberbürgermeister von Ravensburg stoppt gemeinsam mit einem Busfahrer einen offensichtlich psychisch Erkrankten, der in der Innenstadt mit einem Messer auf mehrere Personen eingestochen hat. Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Vorfall. In ein großes Foto des OB ist ein kleineres, stark gepixeltes Bild eingefügt, das den Tatverdächtigen – einen Asylbewerber aus Afghanistan - mit dem Messer zeigt. Einen Tag später berichtet die Zeitung auf der Titelseite ihrer gedruckten Ausgabe über das Ereignis, diesmal mit einem großen, stark gepixelten Täterfoto unter der Überschrift „Busfahrer und Bürgermeister stoppen Messerstecher – die Helden von Ravensburg“. Im Artikel auf der nächsten Seite wird der Tathergang geschildert. Der Bürgermeister kommt zu Wort. Zum Artikel gestellt sind zwei kleinere Bilder. Auf dem einen ist zu sehen, wie ein Polizist den mutmaßlichen Täter fixiert. Das andere zeigt, wie Helfer eines der verletzten Opfer versorgen. Die beiden Fotos sind ziemlich grobkörnig. Der Beschwerdeführer – er betreibt ein Redaktionsbüro – sieht in der Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Er hält die Beteiligten aufgrund ungenügender Verfremdung der Fotos für identifizierbar. Die Erwähnung, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen psychisch kranken Asylbewerber handele und er wegen seiner seelischen Probleme schon mehrfach in stationärer Therapie gewesen sei, verstoße gegen Richtlinie 8.6 des Kodex. Die Nennung der Nationalität sei ohne begründetes öffentliches Interesse nicht zulässig. Der Beschwerdeführer kritisiert weiterhin, dass der Tatverdächtige von der Zeitung als Täter bezeichnet werde. Den Vorwürfen widerspricht der Chefredakteur der Zeitung. Nach seiner Auffassung ist die Berichterstattung in keinem der genannten Punkte zu beanstanden. Bei spektakulären Straftaten, die sich wie in diesem Fall im öffentlichen Raum ereigneten, habe die Öffentlichkeit sehr wohl ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend informiert zu werden. Der Mann sei mit einem Fleischermesser quer durch die Innenstadt gelaufen und habe wahllos Menschen angegriffen. Das könne man sogar als „Amoklauf“ bezeichnen.

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„Eine stille CDU-AfD-Allianz“

Eine überregionale Tageszeitung berichtet online über die Oberbürgermeister-Wahl im sächsischen Meißen. Unter der Überschrift „Sieg einer stillen CDU-AfD-Allianz“ wird berichtet, dass dem unabhängigen Herausforderer Frank Richter bei der Wahl nur wenige Stimmen gefehlt hätten. Im ersten Wahlgang habe er noch geführt. Dann habe der AfD-Kandidat zurückgezogen und zur Wahl des CDU-Kandidaten Raschke aufgerufen. Passage aus dem Text: „Die AfD rief zur Wahl Raschkes als dem ´kleineren Übel´ auf und startete ebenso wie der nationalistische Gedenkverein für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft eine Diffamierungskampagne gegen Richter. In Zweifel gezogen wurde insbesondere seine friedenstiftende Rolle während des Umbruchs in der DRR 1989.“ Der Beschwerdeführer, Mitglied des Vereins für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft, macht mit seiner Beschwerde beim Presserat einen Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 9 (Schutz der Ehre) des Pressekodex geltend. Er wehrt sich dagegen, dass die Zeitung den Verein als nationalistisch bezeichnet. Dies sei unwahr und zutiefst diffamierend. Der Autor des Beitrages nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er weist die Vorwürfe zurück und steht zu seinem Artikel.

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Frau tot – Ehemann unter Verdacht

„Frau (54) tot aufgefunden – Ehemann unter Verdacht“ titelt eine Boulevardzeitung online. Sie berichtet über eine Frau, die tot in ihrer Wohnung in Berlin aufgefunden worden sei. Die Redaktion nennt den Stadtbezirk und die Straße, in der die Frau gelebt hatte. Auf einem beigestellten Foto des Wohnhauses ist die Hausnummer zu erkennen. Der Autor des Beitrages informiert darüber, dass die Frau vermutlich Opfer einer Gewalttat geworden sei. Die Ermittlungen richteten sich laut Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen den 48-jährigen Ehemann. Ein Leser der Zeitung kritisiert eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes der toten Frau und ihres Ehemannes nach Ziffer 8 des Pressekodex. Beide würden durch die Berichterstattung identifizierbar gemacht. Dem widerspricht der Chefredakteur der Zeitung. In einem typischen Berliner Wohnhaus, bestehend aus Vorderhaus, Hinterhaus sowie zwei Seitenflügeln, lebten nicht selten 40 Mietparteien. Vor diesem Hintergrund könne er sich nicht vorstellen, dass Leser auf die Identität des Ehepaares schließen könnten. Um eine Identifizierung des Wohnsitzes vollständig auszuschließen, habe die Redaktion den Namen der Straße, in dem sich die Wohnung der Toten befindet, aus dem Online-Artikel entfernt. Selbst, wenn ein Verstoß gegen den Kodex vorliegen sollte, müsste dieser im Sinne der Beschwerdeordnung ausreichend in Ordnung gebracht worden sein.

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Vorwürfe gegen Ex-Erzbischof

Eine Regionalzeitung berichtet über den Verdacht von Missbräuchen in den Jahren 1997 und 2004 durch den Ex-Erzbischof Francisco José Cox. Am Tag darauf berichtet die Zeitung, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz nicht gegen den Ex-Erzbischof vorgehen werde, da das mutmaßliche Opfer zum Tatzeitpunkt bereits 17 Jahre alt und kein Schutzbefohlener gewesen sei. Zudem sei die Tat verjährt. In beiden Artikeln wird der mutmaßliche Täter namentlich genannt. Die Redaktion informiert auch darüber, dass der 84-Jährige an Demenz leidet und pflegebedürftig ist. Eine Leserin sieht in den Veröffentlichungen einen „komplexen Verstoß gegen den Pressekodex“. Der Name des Beschuldigten sei veröffentlicht worden. Dabei sei der Ex-Erzbischof bereits 1997 von seinem Amt zurückgetreten. Der Vorfall, um den es gehe, habe sich im Jahr 2004 zugetragen. Außerdem erfülle das geschilderte Verhalten laut Staatsanwaltschaft Koblenz, die die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt habe, keinen Straftatbestand. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Beschuldigte sei kein unbekannter Dorfpfarrer, sondern emeritierter Erzbischof von La Serena (Chile) und damit eine Person des öffentlichen Lebens. Damit sei die Namensnennung gerechtfertigt. Der vollständige Name sei auch von der Pressestelle des Vatikans und den Nachrichtenagenturen dpa und epd verbreitet worden. Der Hinweis auf die Demenzerkrankung des Beschuldigten – so der Chefredakteur weiter - ergebe sich aus einer DPA-Meldung. Wörtliche Passage: „Auf Wunsch der Bischofsversammlung in Rom wurde der Mann im Zentralhaus der Schönstatt-Patres in Vallendar aufgenommen. Sein Gesundheitszustand sei schlecht, er zeige Anzeichen von Demenz.“ Der Chefredakteur hält diesen Hinweis für das Verständnis des Vorgangs für erforderlich. Die Erkrankung von Cox, der inzwischen vom Papst in den Laienstand versetzt worden sei, sei der Grund für die Aufnahme in Vallendar gewesen.

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Unbekannter Toter im Bild gezeigt

„Unbekannter Toter aufgefunden – Wer kennt die abgebildete Person?“ titelt ein Nachrichtenmagazin online. Die Redaktion informiert über den Fund der Leiche eines Mannes in der Nähe von Bonn. Beigestellt ist ein Foto des Toten, mit dem die Polizei dessen Identität feststellen will. Das Bild zeigt das Gesicht des Mannes in Großaufnahme. Eine Leserin des Magazins sieht eine Verletzung des Jugendschutzes, da Kinder und Jugendliche ohne Vorwarnung über einen Link auf die Seite mit dem Bild der Leiche gelangen könnten. Auf das schockierende Foto, das sich hinter dem Link verbirgt, hätte die Redaktion vorher hinweisen müssen. Der verantwortliche Redakteur merkt an, dass der kritisierte Beitrag nicht von der Redaktion stamme. Es handele sich um eine automatisiert veröffentlichte Polizei-Pressemitteilung. Der Beitrag sei unabhängig davon auch presseethisch nicht zu beanstanden. Die Abbildung sei im Rahmen eines polizeilichen Mithilfeersuchens erfolgt. Das Foto zeige zwar einen toten Menschen, der aber keinerlei sichtbare Verletzungen aufweise. Ohne die Abbildung des Gesichts könne der Zweck – die Identifizierung – nicht erfüllt werden. Die Redaktion könne den Vorwurf einer unangemessen sensationellen Darstellung nicht nachvollziehen. Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Jugendschutz merkt der Vertreter der Redaktion an, es sei kein Gebot der Presseethik, die Berichterstattung generell so auszulegen, dass sie auch für Kinder und Jugendliche jeden Alters tauglich sei. Es sei Sache der Erziehungsberechtigten, den Umgang ihrer Kinder mit Medien zu begleiten. Das beanstandete Foto habe nicht auf der Titelseite gestanden. Vielmehr sei es nur durch einen gezielten Aufruf des Beitrags sichtbar geworden.

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Meldung war doppelt abgesichert

Eine Nachrichtenagentur veröffentlicht eine Meldung unter der Überschrift „40-Jährige verletzt sich schwer bei Kletterunfall – Hand abgetrennt“. Im Bericht heißt es, dass eine Frau mit einer Ausbildungsgruppe der Bundeswehr unterwegs gewesen sei. Dabei sei sie so schwer gestürzt, dass ihr eine Hand habe abgetrennt werden müssen. Beschwerdeführer ist der Deutsche Presserat. Er bezieht sich dabei auf eine Beschwerde gegen eine auf der Agenturmeldung beruhende Berichterstattung der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Darin war die Rede davon, dass die Hand nicht abgetrennt, sondern die Verunglückte nur schwer verletzt worden sei. Die Beschwerde gegen die Zeitung wurde wegen des Agenturprivilegs als unbegründet bewertet. Die Redaktion konnte sich demnach auf die Korrektheit der Agenturmeldung verlassen. Um die Angelegenheit zu klären, hat der Presserat eine Beschwerde gegen die Agentur eingeleitet. Der Leiter Recht der Agentur teilt in seiner Stellungnahme mit, dass es zwei Quellen für die Angabe zu der abgetrennten Hand gab: Zum einen eine Pressemitteilung der bayerischen Bergwacht, in der von einer schweren Amputationsverletzung die Rede war. Zum anderen das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West in Kempten, das auf Anfrage mitgeteilt habe, dass die Hand des Unfallopfers abgetrennt worden sei. Für die Redaktion habe es wegen der absolut als seriös einzustufenden Quellen keinen Grund gegeben, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Warum sowohl die Bergwacht als auch das Polizeipräsidium übereinstimmend von einer Amputation ausgegangen seien und sich dies nun womöglich als falsch herausstellt, vermag die Agentur nicht zu beurteilen, da neuerliche Angaben der Behörden wegen des Datenschutzes nicht zu bekommen seien. Nach reiflicher Überlegung habe sich die Agentur nun dazu entschlossen, die fragliche Meldung zu sperren, da ein offenbar nicht mehr aufklärbarer Zweifel an der Ursprungsmeldung bestehe.

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Frau berichtet über Geschlechtsumwandlung

Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Frau Bea rät“. Darin wird berichtet, wie die Transgender Bea Knecht ihre äußere Geschlechtsumwandlung vorbereitet und durchgeführt habe. Die Redaktion berichtet zudem über ihre Erfahrungen. Dabei sei es unter anderem darum gegangen, wie sie in der Arbeitswelt als augenscheinlicher Mann und später als Frau behandelt worden sei und behandelt werde. Zwei Beschwerden erreichten den Presserat. Eine Beschwerdeführerin moniert diese Passage im Bericht: „Seit sechs Jahren lebt Bea Knecht nun als Frau, ihr Projekt ist so gut wie abgeschlossen. Eine letzte Operation, die sie endgültig vom Penis befreit, steht noch aus. Vielleicht ist es ihr einfach nicht wichtig genug. Was plant sie für ihre private Zukunft? Diese eine Frage muss erlaubt sein.“ Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass über den Penis wie ein „Schmankerl“ am Rande berichtet werde. Damit würden gleich mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Der andere Beschwerdeführer sieht ebenfalls Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Es sei jetzt schon mindestens das zweite Mal, dass das Nachrichtenmagazin gegen den Kodex verstoße, wenn es um das Thema Transgender gehe. Die Autorin sei mit ihrem Artikel über Bea Knecht, einer erfolgreichen Unternehmerin, zu weit gegangen. Dies sei traurig und geschmacklos zugleich. Es hätten sich schon Menschen für weniger Rufmord umgebracht. Der Presserat beschränkt das Verfahren auf Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Das Justiziariat des Nachrichtenmagazins stellt fest, dass die Berichterstattung im Einvernehmen und mit Zustimmung von Frau Knecht erfolgte. Diese habe die wörtlichen Zitate ausdrücklich autorisiert. Im Nachgang zur Veröffentlichung habe Frau Knecht keine Einwände gegen die Berichterstattung gehabt. Vielmehr habe sich ihre Pressesprecherin per Mail ausdrücklich bedankt „für das Porträt von Bea Knecht“. Es sei eine „sehr gelungene Annäherung an ihre besondere Persönlichkeit und Geschichte“ gewesen. Später habe Bea Knecht – so die Autorin – einen Sinneswandel vollzogen. Diesen respektiere die Redaktion ungeachtet einer zunächst vorliegenden Einwilligung von Frau Knecht in die Berichterstattung. Die Redaktion habe die später beanstandete Fassung in ihrer digitalen Fassung korrigiert. Sie laute jetzt so: „Seit sechs Jahren lebt Bea Knecht nun als Frau, ihr Projekt ist so gut wie abgeschlossen. Was planen Sie für die Zukunft? Diese eine Frage muss erlaubt sein.“

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Eltern misshandeln ihre Tochter

„Eltern quälten ihre Tochter mit Tritten und Peperoni“ titelt eine Boulevardzeitung. Im Beitrag geht es um einen Gerichtsprozess gegen die Eltern einer heute 27-Jährigen wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen. Das Gericht war der Zeitung zufolge überzeugt, dass die Eltern das Mädchen eingesperrt und es nachts zu Kniebeugen gezwungen hätten. Die Tochter sei genötigt worden, eine eingenässte Unterhose über den Kopf zu ziehen und diese – mit Salz präpariert – wieder anzuziehen. Ferner sollen die Eltern das Mädchen gezwungen haben, scharfe Peperoni zu essen. Dies alles sei geschehen, wenn die Eltern der Meinung waren, das Mädchen habe gelogen. Angeblich habe die junge Frau Vater und Mutter geschlagen und getreten. Die Zeitung berichtet, die Eltern hätten nach einem umfassenden Geständnis eine Bewährungsstrafe erhalten. Sie druckt ein Foto des Ehepaares ab. Die Verurteilten wenden sich gegen die Fotoveröffentlichung und richten eine Beschwerde an den Presserat. Sie sprechen darin von einer unzumutbaren Persönlichkeitsverletzung. Die Veröffentlichung sei vor Eintreten der Rechtskraft unzulässig. Die Zeitung behaupte im Übrigen zu Unrecht, die Eltern hätten ihre Tochter in eine Abstellkammer eingesperrt. Eine solche gebe es in ihrer Wohnung nicht. Die Chefredaktion der Zeitung beantragt, die Behandlung der Beschwerde auszusetzen. Begründung: Die Anwälte der Verurteilten hätten sich mit einer Schmerzensgeldforderung an die Zeitung gewandt. Es entspreche guter Tradition, laufende rechtliche Auseinandersetzungen nicht durch eine presseethische Entscheidung zu präjudizieren. Der Beschwerdeausschuss stimmt dem Antrag zu. Später teilt die Chefredaktion mit, dass der Rechtsstreit mit dem Ehepaar mittlerweile abgeschlossen sei. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die kritisierte Berichterstattung presseethisch nicht zu beanstanden sei. Die Redaktion beruft sich auf das öffentliche Interesse, das der Fall in der Öffentlichkeit erregt habe und begründet ihre Haltung mit Hinweis auf Richtlinie 8.1, Absatz 2, Satz 1, des Pressekodex.

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