Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Der Fürstin Lebensgefahr angedichtet

Eine Zeitschrift, die im Bereich der Regenbogenpresse aktiv ist, schreibt über den Urlaub der monegassischen Fürstin Charlene unter der Überschrift „Lebensgefahr im Traum-Urlaub!“ Die Frau von Fürst Albert sei auf der Karibik-Insel St. Barth dem Tod ganz nah gewesen. Sie sei am Strand barfuß und mit Shorts unterwegs gewesen. Sie habe sich dabei der Gefahr ausgesetzt, von einer dort lebenden Mücke gestochen zu werden. Dieser werde nachgesagt, sie übertrage das unter Umständen tödliche Dengue-Fieber. Ein Leser der Zeitschrift wirft dem Blatt vor, unangemessen sensationell über die Situation berichtet zu haben. Für die Fürstin habe das gleiche Risiko bestanden wie für jeden anderen Karibik-Urlauber auch. Eine potentielle Ansteckungsgefahr mit Formulierungen wie „dem Tod ganz nah“ und „Lebensgefahr“ zu beschreiben, sei eine absolut übertriebene Darstellung. Von der Zeitschrift kommt keine Stellungnahme.

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Redaktion war sich des Problems nicht bewusst

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung veröffentlicht in einem Lokalteil des Blattes einen Artikel unter der Überschrift „Vermieter darf Markise nicht verbieten“. Es geht um die Frage, ob an Mietwohnungsbalkonen Markisen angebracht werden dürfen oder nicht. Als Beispiel dient der Fall einer Frau, die im Text als Sabine F. bezeichnet wird. Ihr Wohnort wird genannt. Der Artikel ist illustriert mit einem Foto, das die Frau auf ihrem Balkon zeigt. Sabine F. ist in diesem Fall Beschwerdeführerin. Mit dem Redakteur der Zeitung sei vereinbart worden, dass ihr voller Name nicht genannt werde. Über die Google-Bildersuche sei ihr Name jedoch anhand des im Artikel verwendeten Fotos zu erfahren. Umgekehrt sei es möglich, das verwendete Foto auf der Suche nach ihrem Namen zu finden. Sie habe die Redaktion ohne Erfolg gebeten, das Foto zu entfernen. Die Rechtsvertretung der Zeitung stellt fest, die Frau wende sich mit ihrer Beschwerde nicht gegen die Berichterstattung an sich. Vielmehr kritisiere sie, dass man bei Eingabe ihres Namens und Wohnortes die seinerzeit für die Berichterstattung angefertigten Fotos finden könne. Sie sei seinerzeit damit einverstanden gewesen, dass die Zeitung sie im Text mit dem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben ihres Familiennamens genannt werde. Daran habe sich die Redaktion gehalten. Ein redaktionelles Fehlverhalten liege danach nicht vor. Weshalb die Fotos bei Eingabe des vollständigen Namens bei Google gleichwohl auffindbar seien, erschließe sich auch unter technischen Gesichtspunkten nicht. Mit einem zweiten Schreiben teilt die Rechtsvertretung mit, dass das Foto der Beschwerdeführerin als Bilddatei mit vollem Namen im Online-Archiv des Verlags gespeichert worden sei. Dies sei mittlerweile aufgefallen. Wer diese Speicherung vorgenommen habe, sei nicht mehr nachvollziehbar. Es sei jedoch davon auszugehen, dass es sich dabei um ein Versehen nach einem Kommunikationsfehlers gehandelt habe. Man habe im Verlag Vorkehrungen getroffen, dass sich derartiges nicht wiederholen werde. Bild und Artikel seien umgehend gelöscht und auch Google zur Löschung aufgefordert worden.

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„Flüchtlinge mit Zombies gleichgesetzt“

Griechenlands Minister drohen Europa mit einer Flüchtlingswelle. Von Nordkorea bis Indonesien ist der Migrant ein erfolgreiches Druckmittel. Ein Beitrag mit diesen Aussagen erscheint unter der Überschrift “Massenverschickungswaffen“ in der Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung. Ein beigestelltes Foto zeigt menschliche Körper, die wie in einer Masse eine Wand hinaufklettern. Das Bild hat keinen Fotovermerk. Ein Leser der Zeitung beklagt, der Artikel schüre durch eine unkorrekte Darstellung Emotionen gegen die griechische Regierung. Er objektiviere und dämonisiere Flüchtlinge zugleich in entwürdigender Weise. Dies geschehe durch die falsche Aussage, Griechenlands Minister hätten Europa gedroht. Korrekt sei, dass lediglich ein Minister diesen Gedanken ausgesprochen habe. Mit der Überschrift „Massenverschickungswaffen“ seien zweifellos die Flüchtlinge gemeint. Diese würden damit zu bedrohlichen Objekten stilisiert. Der Beschwerdeführer kritisiert ferner die „abscheuliche und geschmacklose“ Unterlegung des Artikels mit einem Bild aus dem Film „World War Z“, das eine Zombie-Horde zeige, wie sie an einer Mauer hochklettere. Die Flüchtlinge würden damit nicht einmal suggestiv mit solchen Zombies gleichgesetzt. Die Szene versinnbildliche deren „Ansturm“ auf Europa. Die Zeitung verletze mit diesem Beitrag eklatant die Ziffer 1 des Pressekodex. Es handele sich um eine massive Missachtung der Wahrhaftigkeit und der Würde des Menschen. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt Stellung. Zunächst stellt sie fest, dass mehrere griechische Minister mit einer Flüchtlingswelle gedroht hätten. Die Redaktion zählt drei Namen auf. Die Überschrift „Massenverschickungswaffen“ könne nur im Kontext des Beitrages verstanden werden. Aus dem Artikel ergebe sich genau das Gegenteil dessen, was der Beschwerdeführer beanstande. Der teils zynische Unterton des Beitrags ergebe sich allein aus der Rhetorik der Politik und mache deutlich, wie zum Teil auf politischer Ebene Flüchtlinge weniger als Menschen, sondern viel mehr als Instrument zur Durchsetzung von Interessen behandelt würden. Zum kritisierten Foto sagt die Zeitung, es veranschauliche einen Gedanken, der im Beitrag zutreffend referiert und abgelehnt werde.

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Tötungsdelikt wegen verschmähter Liebe?

„Tötete Sandro, weil sie seine Liebe verschmähte?“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Ein junger Mann werde verdächtigt, seine Nachbarin mit einem Messer erstochen zu haben. Wegen Totschlags sei ein Haftbefehl ergangen. Er habe gestanden, die junge Frau erstochen und ihre Leiche verbrannt zu haben. Nach Auskunft des Oberstaatsanwalts habe der mutmaßliche Täter die Leiche in einem Gebüsch abgelegt. Etwa 19 Stunden nach der Tat sei er zum Tatort zurückgekehrt, um die Leiche mit Hilfe eines Brandbeschleunigers anzuzünden. Dort sei die noch brennende Leiche der jungen Frau gefunden worden. Das Opfer habe nur aufgrund seiner DNA, seines Mobiltelefons und seiner Schuhe identifiziert werden können. Der mutmaßliche Täter und das Opfer werden von der Zeitung jeweils mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und Alter genannt. Die Redaktion nennt den Beruf des Mannes. Auch die Mutter des Opfers wird mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und einer Äußerung zu der Tat erwähnt. Dem Artikel sind fünf Fotos beigestellt. Eines zeigt das Opfer und den mutmaßlichen Täter im Porträt. Ein weiteres das Wohnhaus, in dem beide gewohnt hatten. Ein drittes Bild zeigt Vater, Mutter und kleinere Schwester des Opfers. Zwei weitere Fotos zeigen den Fundort der Leiche bzw. ein weiteres Porträtfoto des Opfers mit einem Trauerspruch. Ein Leser der Zeitung sieht in der Benutzung eines privaten Fotos des mutmaßlichen Täters, das sich die Autorin offensichtlich von dessen privatem Facebook-Account besorgt habe, einen Verstoß gegen die Richtlinie 8.1 des Pressekodex (Identifizierende Berichterstattung). Nach seiner Ansicht besteht dafür kein öffentliches Interesse. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, die außergewöhnlich schwerwiegende Tat habe eine identifizierende Berichterstattung gerechtfertigt. Das Foto des Opfers habe die Redaktion mit Zustimmung der Eltern veröffentlicht.

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Über einen von fünf Optikern berichtet

„Gelassene Stimmung in (…): Sonnenfinsternis läuft eher nebenher“ – so überschreibt eine Regionalzeitung einen Bericht über die bevorstehende Sonnenfinsternis. Zum Artikel gestellt ist das Foto eines örtlichen Optikers. In der Unterzeile weist die Redaktion darauf hin, dass dieser Schutzbrillen für das gefahrlose Betrachten der Finsternis führe. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines anderen Optiker-Geschäftes am Ort. Sie sieht in der Berichterstattung Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex für den Wettbewerber. Sie betreibe eines von fünf Optiker-Geschäften in der Stadt. Auch bei ihr und den anderen Optikern habe man die Brillen kaufen können. Durch den Artikel werde jedoch der Eindruck vermittelt, dass nur der genannte Optiker die Schutzbrillen führe. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass die örtliche Redaktionsleiterin und die Beschwerdeführerin ein klärendes Gespräch geführt hätten. Die Optikerin habe davon überzeugt werden können, dass die Zeitung nicht gegen den Pressekodex verstoßen habe. Vielmehr handele es sich bei dem Foto des Optikers um eine exemplarische Illustration, die auch eindeutig als solche gekennzeichnet gewesen sei. Die Beschwerdeführerin bestätigt, dass ein Gespräch stattgefunden habe. Nach ihrer Darstellung ist man dabei aber nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Sie erhalte ihre Beschwerde aufrecht.

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Krebs Todesursache, nicht Giftschlangen

„Er hielt sich Giftschlangen, nun ist er tot!“ titelt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Im Beitrag geht es um einen Mann, der gestorben ist und giftige Schlangen und Spinnen in seiner Wohnung hinterlassen hat. Der Artikel ist mit einem elf Jahre alten Bild des Mannes illustriert. Es zeigt ihn auf dem Krankenbett. Er wird von der Zeitung als Frank B. (54) bezeichnet. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass durch die Überschrift der falsche Eindruck erweckt werde, als sei der Mann gestorben, weil er Giftschlangen hielt. Er sei jedoch an Krebs verstorben. Der Beschwerdeführer moniert auch die Veröffentlichung des alten Fotos. Sie sei nicht mehr durch eine mögliche damalige Zustimmung zu einer Veröffentlichung gedeckt. Hier werde der Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen verletzt. Die Rechtsvertretung der Zeitung erläutert, dass das kritisierte Foto seinerzeit mit Zustimmung des Abgebildeten entstanden sei. Es habe damals der Illustration eines Artikels gedient, in dem berichtet worden sei, dass der Mann von einer Giftschlange gebissen worden sei. Er selbst habe der Redaktion davon berichtet und erzählt, dass er zu Hause Giftschlangen halte. Auch der nun kritisierte Artikel befasse sich mit dem Hobby des mittlerweile Verstorbenen. Somit habe die Zeitung das Foto veröffentlichen dürfen, weil weder der Betroffene noch seine Angehörigen die damalige Zustimmung zur Veröffentlichung widerrufen hätten. Die Überschrift dürfe man nach Auffassung der Zeitung nicht isoliert vom Text sehen. Im Artikel werde unmissverständlich mitgeteilt, dass der Mann nicht durch einen Schlangenbiss, sondern wegen eines Krebsleidens gestorben sei. Der Beitrag sei zudem von öffentlichem Interesse, da die Nachbarn des Mannes Angst vor einer möglichen Gefährdung durch die Schlagen gehabt hätten. Auch finde keine Dramatisierung des Geschehens statt.

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Frauenzeitschrift: „Amoktrips sind Männersache“

Die Online-Ausgabe einer Frauenzeitschrift veröffentlicht einen Text unter der Überschrift „Frauenquote fürs Cockpit!“. Vor dem Hintergrund der Germanwings-Katastrophe während des Fluges 4U9525 schreibt die Autorin, Amoktrips seien Männersache. Bei der Lufthansa seien 84 der Piloten Männer. Das solle die Fluggesellschaft ändern. 14 der 16 im Airbus zerschellten „Schüler“ seien Schülerinnen und die zwei „Lehrer“ seien Lehrerinnen. Die Opfer seien überwiegend Frauen. Die Selbstmordquote sei bei Männern viermal so hoch wie bei Frauen. Die Lufthansa könne also das Risiko, dass ihre Piloten das Flugzeug zu Selbstmord und vielfachem Mord missbrauchen, mit jeder Frau, die sie zur Pilotin mache, ganz erheblich reduzieren. Amokläufe und sogenannte Familienauslöschungen seien Verbrechen, die nahezu ausschließlich von Männern begangen würden. Für Amokflüge gelte dasselbe. Auf die naheliegende Lösung, nämlich die Frauenquote im Cockpit zu erhöhen, komme jedoch niemand. Der Grund dafür sei wohl der gleiche blinde Fleck, der aus den Schülerinnen Schüler und aus Lehrerinnen Lehrer gemacht habe. Zahlreiche Beschwerdeführer aus dem Leserkreis wenden sich gegen mehrere Passagen des Kommentars. Die Aussage, die Opfer des Germanwings-Unglücks seien überwiegend Frauen, sei nicht belegt. Dies werde aber durch die Hervorhebung der weiblichen Opfer suggeriert. Andere kritisieren, der Text sei eine sexistische und pauschale Diffamierung von Männern als Amokläufer. Weitere Beschwerdeführer kritisieren, männliche Piloten würden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, indem die Autorin ihnen unterstelle, potentielle Amokläufer zu sein. Ein Leser hält es für einen Verstoß gegen die Menschenwürde, dass ein solches Unglück für Thesen wie „Amoktrips sind Männersache“ instrumentalisiert werde. Eine andere in Beschwerdeform gefasste Meinung: Durch die Instrumentalisierung des Unglücks für feministische Zwecke würden die Angehörigen erneut zu Opfern gemacht. Die Redaktion erklärt, dass es sich im vorliegenden Fall um den Nachdruck eines Textes aus einem Blog handele. Darüber hinaus verweist sie lediglich auf einen Text in der folgenden Ausgabe. Darin heißt es, die Redaktion sei nur der Überbringer der schlechten Nachricht, dass es männerspezifische Gewalt gebe. Die Selbstmordrate bei Männern sei viermal so hoch wie bei Frauen. Daraus habe die Autorin den Schluss gezogen, dass mehr Pilotinnen im Cockpit mehr Sicherheit bedeuten würden. Die Stellungnahme schließt mit dem Hinweis, dass Männer eher dazu neigten, „andere mitzunehmen“, wenn sie sich das Leben nähmen.

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Germanwings: 140 Beschwerden beim Presserat

Im März 2015 fliegt ein Co-Pilot der Fluglinie Germanwings absichtlich 149 Menschen in den Tod. Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online mehrfach an mehreren Tagen über die Katastrophe. Etwa 140 Beschwerdeführer wenden sich mit Kritik an der Berichterstattung an den Presserat. Vor allem monieren sie die Veröffentlichung von unverfremdeten Fotos des Co-Piloten und die Nennung seines vollständigen Namens. Einige Beispiele: Da ist die Bezeichnung „Amok-Pilot“. Die Rede ist von Andreas L., doch zeigt die Zeitung ein unverfremdetes Bild des Mannes. Sie veröffentlicht ein Bild des Elternhauses von Andreas L. in Montabaur. Tags darauf wird der volle Name Andreas Lubitz (27) genannt. Im Text ist von dem „Massenmörder“ Lubitz die Rede. Das Interview mit einem Psychotherapeuten ist illustriert mit einem Foto von Lubitz ohne Verfremdung. “In unseren schlimmsten Albträumen hätten wir uns das nicht vorstellen können“ – dieses Zitat stammt aus einer Pressekonferenz der Lufthansa. Auch hier wird der volle Name genannt. In einem weiteren Bericht ist unter voller Namensnennung davon die Rede, der Co-Pilot habe seinen grausam Plan in die Tat umgesetzt. Dann berichtet die Zeitung über die polizeiliche Durchsuchung des Elternhauses des Piloten im Westerwald-Städtchen Montabaur. Weiter berichtet die Zeitung über die gesundheitlichen Probleme von Andreas L. Er sei am Tattag krankgeschrieben gewesen. Auch hier wieder der volle Name und ein unverfremdetes Bild. Die Zeitung fragt den Leiter der Kriminologischen Gesellschaft, ob die Bezeichnung „Massenmord“ im Zusammenhang mit der Germanwings-Katastrophe zutreffend sei. Auch hier wieder der volle Name und ein unverfremdetes Foto des Mannes. Fazit aller Berichte: die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Nennung des vollen Namens und die Veröffentlichung identifizierbarer Fotos. Ein großer Teil der Kritiker beanstandet, dass Andreas L. als Täter dargestellt wird, obwohl seine Schuld noch nicht mit letzter Klarheit festgestellt ist. Andere befürchten, durch die identifizierbare Darstellung der Eltern des Co-Piloten könnten diese Racheakten wütender Menschen ausgesetzt sein. Die Rechtsabteilung der Zeitung spricht vom schwersten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wegen des bislang unbekannten Ausmaßes der Tragödie sei der Fall von größtem öffentlichem Interesse und herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung. Die Presse habe dabei eine vollumfassende Informations- und Chronistenpflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Die Identifizierbarkeit des mutmaßlichen Täters verstoße nicht gegen den Pressekodex. Begründung: Das Interesse der Öffentlichkeit überwiege in diesem Fall entgegenstehende Interessen des Co-Piloten deutlich. Die Staatsanwaltschaft Marseille habe den vollen Namen des Co-Piloten öffentlich gemacht und ihm die alleinige Schuld am Absturz gegeben. Diese Einschätzung hätten die Medien wiedergeben können und müssen.

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Öffentliches Informationsinteresse überwiegt

Wiederholt berichtet die Online-Ausgabe einer Illustrierten über den Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525 in den französischen Alpen. Der Name des Co-Piloten, der absichtlich die Maschine zum Absturz brachte und dabei 149 Menschen mit in den Tod riss, wird vollständig genannt. Fotos zeigen den Mann unverfremdet. Außerdem werden persönliche Daten genannt. Beispiel 1: Der Nachname wird abgekürzt; ein Foto des Co-Piloten wird unverfremdet gezeigt. Beispiel 2: Ein weiterer Artikel enthält kein Foto des Mannes. Sein Name wird abgekürzt. Im Beitrag wird sein Herkunftsort genannt und der Flugsportverein, in dem er Mitglied ist. Beispiel 3: Die Illustrierte nennt den vollständigen Namen des Co-Piloten. Mehrere Beschwerdeführer kritisieren die Veröffentlichungen. Ihnen geht es um den Abdruck des Fotos des Co-Piloten, durch das er eindeutig identifizierbar wird. Die Namensnennung kritisieren mehrere Leser des Magazins, weil das Geschehen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht klar und die Schuldfrage damit nicht geklärt war. Ein anderer Beschwerdeführer kritisiert die Namensnennung, weil es sich um eine Selbsttötung gehandelt und es Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit gegeben habe. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitschrift kann es als gesichert angesehen werden, dass der Co-Pilot die Maschine absichtlich habe abstürzen lassen. Andreas Lubitz, dessen Namen die Staatsanwaltschaft Marseille genannt und sogar buchstabiert habe, habe die Maschine nach Mitteilung der Behörde wissentlich abstürzen lassen. Lubitz sei durch die Tragödie zu einer Person der Zeitgeschichte geworden. Infolgedessen überwiege das öffentliche Interesse seine Persönlichkeitsrechte und diejenigen seiner Angehörigen. Eine Vorverurteilung – so die Rechtsabteilung weiter – liege nicht vor. Es gebe keinen Zweifel, das Andreas Lubitz kein Opfer des Absturzes gewesen sei, sondern ihn bewusst herbeigeführt habe. Im Hinblick auf den Schutz der Angehörigen verweist die Rechtsvertretung auf die Tatsache, dass die Zeitschrift weder die genaue Adresse des elterlichen Wohnhauses genannt noch dieses erkennbar im Bild gezeigt habe. Die Nennung des Wohnortes Montabaur sei deshalb wichtig, weil Lubitz in dem dort ansässigen Luftsportclub seine Segelfluglizenz erworben habe. Es liege im öffentlichen Interesse zu erfahren, um wen genau es sich bei dem Co-Piloten handele.

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Opfer-Angehörige unverpixelt gezeigt

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht mehrere Artikel zum Absturz der Germanwings-Maschine beim Flug 4U9525. In den darin enthaltenen Bilderstrecken werden die Angehörigen der Opfer unverpixelt gezeigt. Mehrere Beschwerdeführer kritisieren die Zeitung wegen dieser Verfahrensweise. Sie sehen Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze: Schutz der Persönlichkeit, Opferschutz (Richtlinie 8.4) und Berichterstattung über Unglücke und Katastrophen (Richtlinie 11.3). Die Rechtsabteilung der Zeitung spricht von der Germanwings-Katastrophe als einem Ereignis von größtem öffentlichem Interesse und herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung. Die Zeitung reklamiert dabei für die Presse und damit auch für sich eine „vollumfassende Informations- und Chronistenpflicht gegenüber der Öffentlichkeit.“ In der Redaktion habe es eine intensive Diskussion über die Art der Bilder-Präsentation gegeben. Ergebnis: Die Fotos seien aus dem Netz genommen worden. Sie seien exakt 53 Minuten lang online gewesen. Der durch die Fotos ausgelöste redaktionsinterne Prozess sei auch und besonders unter presseethischen Gesichtspunkten wichtig. Eine Sanktion des Presserats würde diese kritische Kultur grundlegend in Frage stellen.

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