Wie hat der Presserat entschieden?
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7055 Entscheidungen
Der Absturz der Germanwings-Maschine im März 2015 in den französischen Alpen ist Thema eines Berichts in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Er trägt die Überschrift „Er zerriss seinen Krankenschein und flog“. Die Rede ist von Andreas Lubitz, der das Flugzeug abstürzen ließ und 149 Menschen mit in den Tod riss. Die Vorgeschichte könne so gewesen sein: Die Krankheit. an der der Pilot litt, ist von außen nicht erkennbar. Ein Arzt schreibt ihn krank. Lubitz jedoch ist unsicher, hat vielleicht Angst, seinen Job zu verlieren. Fliegen ist seine Leidenschaft. Er zerreißt den Krankenschein und tut so, als sei alles in Ordnung. Angeblich – so berichtet die Zeitung – sei Lubitz während seiner Ausbildung zeitweise als flugunfähig gelistet gewesen. 2009 sei bei ihm eine abgeklungene schwere depressive Episode diagnostiziert worden. Eine Zeitung habe unter Berufung auf nicht namentlich genannte Informanten berichtet, dass Lubitz in der Uniklinik Düsseldorf wegen Depressionen in Behandlung gewesen sei. Der Todespilot sei offensichtlich ein kranker Mann gewesen. Mehrere Beschwerdeführer sehen in der Berichterstattung eine unzulässige Vorverurteilung. Der Leser werde mit einer Verdachtsberichterstattung konfrontiert. Da die Unschuldsvermutung gelte, dürfe auch nicht identifizierend über Lubitz berichtet werden. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf das überragende Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie wolle erfahren, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Dabei spiele der von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte Hinweis eine wichtige Rolle, wonach der Co-Pilot krankgeschrieben gewesen sein soll. Die Rechtsabteilung weist auch den Vorwurf zurück, die Redaktion habe nicht korrekt berichtet. Die Redaktion hat den Namen und Fotos von Lubitz veröffentlicht, weil die Öffentlichkeit ein Recht habe zu wissen, wer für das Verbrechen verantwortlich sei, welcher Mensch die Tat begangen habe, wie er aussehe, was er vorher getan habe oder welche Krankheiten er möglicherweise gehabt habe. Dieses Wissen sei für die historische und emotionale Aufarbeitung des Geschehens erforderlich. Pressethische Grundsätze seien durch die Berichterstattung nicht verletzt worden.
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Unter der Überschrift „Extra-Schub der Triebwerke sorgte für große Explosion“ berichtet die Online-Ausgabe einer Großstadtzeitung über das Germanwings-Unglück, bei dem in den französischen Alpen 149 Menschen Opfer des durch den Co-Piloten absichtlich herbeigeführten Absturzes wurden. Die Zeitung zitiert einen Experten. Diesem zufolge gäben die Triebwerke noch weiter Schub, solange diese intakt seien, auch dann noch, wenn andere Teile des Flugzeugs bereits zerstört seien. Dies könne die gewaltige Explosion und die Verteilung der kleinen Trümmerteile über eine große Fläche erklären. Eine beigestellte Grafik zeigt einen Berg und ein Flugzeug, das Kurs auf diesen hält. Ein weiteres Flugzeug ist zu sehen, das gerade an dem Berg zerschellt. In den Trümmern ist noch das Heck des Flugzeuges zu erkennen. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Foto einen Verstoß gegen Richtlinie 11.1 des Pressekodex. Er meint, man solle den Absturz eines Flugzeuges nicht in „derart billig animierter, aber doch äußerst drastischer Form“ darstellen, zumal zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht Klarheit über die Absturzursache geherrscht habe. Die Chefredaktion der Zeitung nimmt Stellung. Nach ihrer Ansicht hätten die Zitate von Experten und Augenzeugen zum damaligen Zeitpunkt diese Art der Darstellung zugelassen. Man könne darüber streiten, ob die Grafik gelungen sei oder nicht. Sie sei jedoch kein Verstoß gegen presseethische Grundsätze.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über die Durchsuchung des Elternhauses von Andreas Lubitz, dem Germanwings-Co-Piloten, der in den französischen Alpen ein Flugzeug mit 150 Menschen an Bord hat abstürzen lassen. Die Zeitung berichtet, eine besondere Rolle könne dabei der Computer von Lubitz spielen, der bei der Durchsuchung sichergestellt worden sei. Der Beitrag enthält Fotos von der Durchsuchung des Elternhauses in Montabaur (Westerwald) und der Wohnung in Düsseldorf, wo der Pilot gelebt hat. Ein Leser der Zeitung wirft dieser eine Vorverurteilung des Co-Piloten vor. Darüber hinaus würden die Angehörigen des Mannes durch die Nennung seines vollständigen Namens identifizierbar und dadurch zur Zielscheibe. Der Bericht sei gefährlich für Leib und Leben der Angehörigen. Die Rechtsabteilung der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Nach den Mitteilungen der Staatsanwaltschaften in Marseille und Düsseldorf könne von einer Vorverurteilung nicht die Rede sein. Die Behörden hätten den Namen des Piloten genannt und dessen alleinige Schuld an der Katastrophe festgestellt. Diese Einschätzung hätten die Medien wiedergeben können und müssen. Den Pressekonferenzen sei ein rechtsstaatliches Ermittlungsverfahren vorausgegangen. Auch liege keine unangemessene Darstellung im Sinne der Ziffer 11 vor. Lubitz als „Amok-Piloten“ zu bezeichnen und über seine Krankheitsgeschichte zu schreiben, habe nichts mit Sensationslust zu tun. Die Bezeichnung treffe den Kern dessen, was geschehen sei.
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Eine regionale Boulevardzeitung berichtet auf ihrer Titelseite über den Germanwings-Todesflug 4U9525 und zeigt den Co-Piloten, der die Maschine mit 150 Menschen an Bord bewusst in den Tod geflogen hat, mit einem unverfremdeten Bild. Die Überschrift zum Artikel lautet: „Wieso durfte so einer noch fliegen?“ Weiter ist zu lesen: „Der Amok-Pilot: Psychisch krank und Sehstörungen!“ Unter der Überschrift steht der Satz: „Das Kontroll-System hat versagt, die Angst bleibt…“ Nach Meinung eines Lesers der Zeitung sind die Tatsachenbehauptungen auf der Titelseite nicht durch juristische Voraussetzungen abgedeckt. Er kritisiert auch die Bezeichnung „so einer“. Er selbst fühle sich durch eine derartige Darstellung in seinen menschlichen Gefühlen zutiefst verletzt. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung sei es der Redaktion nicht darum gegangen, die Würde des Co-Piloten zu verletzen. Ihr Anliegen sei es vielmehr gewesen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf offensichtliche Lücken im Kontrollsystem zu lenken. Die Chefredaktion bedauere es, wenn sie durch die Gestaltung der Titelseite Gefühle der Leser bzw. des Beschwerdeführers verletzt habe. Die Chefredaktion ergänzt die Stellungnahme der Rechtsabteilung durch den Hinweis, nach der Germanwings-Katastrophe seien immer mehr Details herausgekommen. Spätestens mit der Nachricht, dass der Co-Pilot schon einmal eine depressive Episode durchlebt und an massiven Seh-Problemen gelitten habe, sei klar geworden, dass das Kontrollsystem bei der Lufthansa-Tochter Germanwings total versagt habe. Als Konsequenz daraus habe die Redaktion in der Überschrift die Frage gestellt, warum so einer noch habe fliegen können. Die Zeitung habe eine Diskussion angestoßen, in deren Verlauf auch die Frage aufgeworfen worden sei, ob Piloten-Ärzte anderen Schweige-Rechtsregeln unterworfen sein müssten als andere Mediziner.
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„Um Himmels Willen, öffne die Tür!“ titelt eine Online-Zeitung. Im Bericht ist die Rede von einer angeblichen Mitschrift der Gespräche auf dem Voice-Recorder des abgestürzten Germanwings-Flugzeuges (Flugnummer 4U9525). Demnach liege dem französischen Magazin „Paris Match“ nicht nur ein Video aus dem Unglücksflugzeug vor, sondern auch besagtes Gesprächsprotokoll. Dieses habe die Zeitschrift nicht als Audio-Datei. Sie zitiere vielmehr aus einem Gespräch, dass die Redaktion mit einem Ermittlungsbeamten geführt habe. Es spreche für die Authentizität der Wiedergabe, dass sich der Inhalt mit den Angaben der Staatsanwaltschaft Marseille bei deren Pressekonferenz decke. Im Artikel folgt auf diese Erläuterungen ein Protokoll der Geschehnisse bis zum Aufprall. Es enthält auch wörtliche Zitate des Co-Piloten und des ausgesperrten Piloten der Maschine. Aus Sicht eines Nutzers der Online-Zeitung verletzt die Veröffentlichung von vermutlich genauen Gesprächsprotokollen aus dem Flugzeug presseethische Grundsätze. Die Zeitung lasse die Achtung vor der Trauer der Angehörigen der Opfer vermissen, wenn sie scheibchenweise angebliche Wahrheiten veröffentliche. Die Chefredaktion der Zeitung vertritt hingegen die Meinung, die Redaktion habe in journalistisch geradezu mustergültiger Weise dargelegt, dass es eine Bestätigung für die Authentizität der Angaben nicht gebe, dass aber die Übereinstimmung mit Angaben der Staatsanwaltschaft für die Richtigkeit spreche. Angesichts der zunächst unklaren Hintergründe des Flugzeugunglücks sei es die selbstverständliche Aufgabe der Medien gewesen, alle seriösen Informationen weiterzugeben, auch wenn ihr Wahrheitsgehalt noch nicht abschließend geprüft werden konnte. So habe sich die Öffentlichkeit ein Bild des aktuellen Standes der Ermittlungen machen können. Ein sachliches Wortprotokoll könne nicht als unangemessen sensationell angesehen werden.
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„Amok-Pilot steckte in persönlicher Lebenskrise“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Beitrag geht es um die Frage, warum Andreas Lubitz die Germanwings-Maschine beim Flug 4U9525 mit 150 Menschen an Bord hat abstürzen lassen. Erste Hinweise habe es gegeben, wonach der Co-Pilot psychisch krank gewesen sei. Von Depressionen sei die Rede. Die Zeitung stellt die Frage, ob zu der Erkrankung auch noch eine Beziehungskrise hinzugekommen sei. Bei dieser Vermutung beruft sich die Redaktion auf Quellen in Sicherheitskreisen. Eine Arbeitskollegin, mit der Lubitz ein Verhältnis gehabt haben soll, wird sinngemäß zitiert. Danach war ihr damaliger Freund zuweilen jähzornig. Einmal habe er gesagt, dass er eines Tages etwas tun werde, was das ganze System verändern werde. Alle würden dann seinen Namen kennen und ihn in Erinnerung behalten. Die Redaktion zitiert britische Medien, denen zufolge sich Lubitz und seine Freundin am Tag vor der Katastrophe getrennt hätten. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen den Pressekodex, weil auch der Co-Pilot möglicherweise nur Opfer gewesen sei. Die Brandmarkung als Amok-Pilot sei durch nichts zu rechtfertigen. Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist auf die weltweit live übertragene Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Marseille. Dabei sei sein Name genannt und ihm die alleinige Schuld am Absturz der Maschine gegeben worden. Da der Pressekonferenz ein rechtsstaatliches Ermittlungsverfahren vorausgegangen sei, könne von einer Vorverurteilung nicht die Rede sein. Für ein überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung des Namens und des unverfremdeten Fotos spreche das außergewöhnlich schwere und in seiner Dimension besondere Verbrechen. Wer ein Flugzeug abstürzen lässt und 149 Menschen mit in den Tod reiße, begehe ein Verbrechen von historischen Ausmaßen. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wer dafür die Verantwortung trage. Die Bezeichnungen des Co-Piloten als „Amok-Pilot“ oder „Massenmörder“ träfen den Kern dessen, was passiert sei, so die Rechtsvertretung weiter.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Eltern von Massenmördern weiterleben. Der Artikel ist untergliedert in die Schilderung des Elternschicksals nach spektakulären Verbrechen der letzten Jahre. Es beginnt mit dem Todespiloten Andreas Lubitz. Ein Trauma-Experte wird zitiert. Ihm zufolge stünden die Eltern unter Schock und machten sich große Vorwürfe. Sie würden sich fragen, was sie falsch gemacht hätten. Nächster Fall ist Anders Behring Breivik, der in Norwegen 77 junge Menschen bei einem Amoklauf auf einer kleinen Insel ermordete. Dessen Mutter habe vor langer Zeit das Sozialamt um Hilfe gebeten, weil sie überfordert gewesen sei, als sie mit ihrem zweijährigen Sohn nicht mehr fertig wurde. Die Mutter von Tim Kretschmer, der in Winnenden 15 Menschen umbrachte, wird mit dem Satz zitiert, sie habe ihren Sohn schon vor dem Jahr 2009 verloren. Den Tim Kretschmer, der die Tat begangen habe, kenne sie nicht. Die Mutter von Robert Steinhäuser, dem in Erfurt 16 Menschen zum Opfer fielen, sagte einer Zeitung, sie könne vor der Erinnerung nicht mehr fliehen. Diese würde sie an jedem Ort der Welt einholen, wohin sie auch fliehen wolle. Die Zeitung zeigt die vier jungen Männer, ohne die Fotos unkenntlich zu machen. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung und Rechtsanwalt, kritisiert die Berichterstattung, weil die Angehörigen „eines lediglich Tatverdächtigen“ einer nicht vertretbaren und öffentlich bloßstellenden Verfolgung ausgesetzt würden. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Vorwürfe für unbegründet. Die Thematisierung des familiären Hintergrundes des Co-Piloten Andreas Lubitz verstoße nicht gegen den Pressekodex. Das Interesse der Öffentlichkeit überwiege entgegenstehende Interessen des Co-Piloten deutlich. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, zu wissen, wer für das Verbrechen verantwortlich ist, welcher Mensch die Tat begangen habe, wie er aussehe, was er vorher getan habe oder welche Krankheiten er möglicherweise gehabt habe. Dieses Wissen sei essenziell für die historische und emotionale Aufarbeitung. Die Identifizierbarkeit der Eltern sei eine unvermeidbare Begleitfolge der Kriminalberichterstattung über ihren Sohn. Dadurch, dass dessen Name und Wohnort genannt würden, sei die Identifizierung der Eltern unvermeidbar. Dabei dürfe es keine Rolle spielen, dass die Größe der Stadt Montabaur die Identifizierung der Eltern möglicherweise erleichtere. Dies ändere nichts an dem Schrecken des Verbrechens. Die Entscheidung der Redaktion, den Co-Piloten in eine Reihe zu stellen mit anderen Tätern, sei legitim und nicht zu beanstanden. Die Bezeichnung „Massenmörder“ sei eine zutreffende Beschreibung dessen, was in all diesen Fällen vorgefallen sei. Ein Massenmörder sei kriminalwissenschaftlich eine Person, die binnen kurzer Zeit eine Vielzahl von Menschen töte. Der Vorwurf der Vorverurteilung sei abwegig. Es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der Co-Pilot den Germanwings-Absturz vorsätzlich verursacht habe.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Bericht mit dem Titel „Deutsche Schulklasse stirbt bei Flugzeugkatastrophe in den Alpen“. Über dem Text ist ein Bild platziert. Es zeigt trauernde Angehörige am Flughafen in Barcelona, von wo aus der Germanwings-Flug 4U9525 gestartet war. Die Angehörigen werden unverfremdet gezeigt. Die identifizierende Darstellung der Angehörigen von Opfern verstößt nach Auffassung eines Lesers der Zeitung gegen presseethische Grundsätze des Pressekodex. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung bekennt, dass die Veröffentlichung des Fotos ein Fehler gewesen sei. Die Redaktion habe dazu noch am gleichen Tag online eine Erklärung abgegeben und ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht. Auch in der Print-Ausgabe habe die Erklärung tags darauf gestanden.
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„Copilot war krankgeschrieben – Vor Arbeitgeber wohl verheimlicht“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Nachrichtenagentur über den Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525. In der Wohnung des Co-Piloten, der mutmaßlich die Unglücksmaschine mit 150 Menschen an Bord absichtlich an einem Berg zerschellen ließ, seien offenbar zerrissene Krankenscheine gefunden worden. Diese Krankmeldungen seien dem Arbeitgeber offensichtlich nicht mitgeteilt worden. Im Bericht wird weiter erwähnt, der 27-jährige Andreas Lubitz stehe im Verdacht, den Piloten aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht zu haben. Ein Leser hält die Nennung des vollen Namens des Co-Piloten für unzulässig. Die Agentur antwortet auf die Beschwerde mit dem Hinweis, zum Zeitpunkt der Verbreitung der kritisierten Meldung und danach hätten alle Ermittlungsergebnisse darauf hingedeutet, dass der Co-Pilot das Flugzeug zum Absturz gebracht habe, um dabei offensichtlich sich selbst und die anderen 149 Menschen an Bord zu töten. Nach Richtlinie 8.7 des Pressekodex (Selbsttötung) ist üblicherweise bei der Berichterstattung Zurückhaltung zu üben. Angesichts von 149 Opfern spiele der mutmaßliche Suizid des Co-Piloten jedoch eine untergeordnete Rolle. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine außergewöhnlich schwere Tat im Sinne der Richtlinie 8.1. Gerade der Beruf des Piloten genieße in der Öffentlichkeit großes Vertrauen. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen habe Andreas Lubitz dieses Vertrauen missbraucht. Die Ausnahme der Richtlinie 8.2, wonach bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit auf eine identifizierende Berichterstattung zu verzichten sei, greife in diesem Fall nicht, meint die Agentur. Weder eine etwaige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Tattag noch die generelle Erkenntnis um depressive Neigungen könnten ein ausreichender Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit sein. Die Redaktion der Agentur habe sich nach eingehender Abwägung zur Nennung des vollen Namens entschlossen und stehe nach wie vor zu dieser Entscheidung.
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Die Internet-Plattform einer Wirtschaftszeitung berichtet über den Umgang der Medien mit der Identität des Co-Piloten der abgestürzten Germanwings-Maschine. Es wird aufgezählt und mit Bildern illustriert, ob und wann welche deutschen und internationalen Medien den vollständigen Namen des Co-Piloten genannt und Fotos von ihm ohne Verfremdung gezeigt hätten. Die Plattform selbst nennt den vollständigen Namen des Unglücks-Piloten und zeigt ihn unverfremdet im Bild. Ein anonymisierter Beschwerdeführer kritisiert den Beitrag. Nach seiner Meinung würden unter dem Deckmantel einer objektiven Dokumentation personenbezogene Merkmale unzulässig verbreitet. Die Rechtsabteilung der Internet-Plattform vertritt die Ansicht, der Co-Pilot spiele bei einer der schwersten Tragödien unserer Zeit eine entscheidende Rolle. Der Germanwings-Absturz sei ein Ereignis von großer zeitgeschichtlicher Bedeutung gewesen. Dieses sei für die Öffentlichkeit unfassbar, was wiederum ein hohes Bedürfnis nach Aufklärung und Verarbeitung begründe. Die jetzt kritisierte Berichterstattung stelle nicht das Ereignis selbst in den Vordergrund, sondern seine Aufarbeitung in den Medien. Auch werde der Kontrast zu den anglo-amerikanischen Medien aufgezeigt, die in solchen Fällen weniger Zurückhaltung übten, als dies in Deutschland üblich sei. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe es bereits hinreichende Anzeichen für einen durch den Co-Piloten herbeigeführten Absturz gegeben. Es habe sich um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Dimension besondere Tat gehandelt. Auch besteche der Widerspruch zwischen der Funktion des Verdächtigen als Pilot einer Passagiermaschine und dem Vorwurf, diese bewusst mit 150 Menschen an Bord zum Absturz gebracht zu haben.
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