Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Unbestätigte Gerüchte verbreitet

„Keine Ruhe im Problemhochhaus“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung online über ein Gebäude, in dem überwiegend Armutseinwanderer leben. Die Zeitung nennt die genaue Adresse und teilt mit, dass in dem Hochhaus zurzeit „rund 1400 Rumänen und Bulgaren“ wohnen. Die Zeitung spricht von angeblich unhygienischen Zuständen. Wörtlich schreibt sie: „Täglich (manchmal mehrmals) versuchen die Wirtschaftsbetriebe, den Müllbergen Herr zu werden. (…) In den Tonnen findet sich bisweilen auch Ekliges wie Überreste von geschlachteten Tieren“. Und weiter: „Die Bewohner danach zu fragen, ist unmöglich. Wer das verdreckte und verschmierte Treppenhaus betritt und nicht dazu gehört, wird im günstigsten Fall nur beschimpft und bespuckt, im schlimmsten mit Kot beworfen.“ Eine andere Passage aus dem Bericht der Zeitung: „Ein kleines Kind, zwei Jahre vielleicht, saß unbekleidet im verdreckten Hinterhof des Gebäudekomplexes. (…) Um das Kind herum türmte sich der Müll. Auf dem Dach würden Schafe gehalten. Drei Leser der Online-Ausgabe wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Zeitung hat nach ihrer Ansicht falsch, einseitig und ohne ausreichend belegte Quellen berichtet. So sei es gar nicht möglich, in dem Gebäudekomplex 1400 Menschen unterzubringen. Die Redaktion habe bewusst Informationen dramatisiert. Glaube man der Zeitung, seien die dort untergebrachten Menschen Schuld an den Zuständen. Ihr Elend werde nicht thematisiert. Der Text schüre Vorurteile und diffamiere eine Bevölkerungsgruppe, indem der Autor Sinti und Roma aus Bulgarien bzw. Rumänien pauschal mit Diebstahl, Raub und unhygienischen Verhaltensweisen in Verbindung bringe. Über den Hintergrund dieser Menschen und ihre Probleme schweige die Zeitung. Für die Zeitung nimmt deren Chef vom Dienst Stellung. Der beanstandete Artikel unterscheide im Gegensatz zu den Behauptungen der Beschwerdeführer genau zwischen belegbaren Tatsachen, Vermutungen und Gerüchten. Nirgendwo im Beitrag stehe die beanstandete Passage, wonach die Bewohner des Hauses sich ihre Situation selbst zuzuschreiben hätten. Die beiden Verfasser des Artikels hätten bei zwei verschiedenen Gelegenheiten selbst erlebt, dass mit Kot verdreckte Windeln in ihre Richtung geflogen seien. Der Chef vom Dienst stellt die Frage, ob eine Leserin aus Bremen besser wisse, was in einem Hochhaus im Ruhrgebiet los sei. Der Vorwurf, Sinti und Roma zu diskriminieren, sei unbegründet. In dem Bericht sei lediglich von Bulgaren und Rumänen die Rede. Der Chef vom Dienst stellt fest, dass die im Bericht genannte Zahl von 1400 Hausbewohnern von der Polizei stamme. Er zitiert den Landesinnenminister, der anlässlich einer Demonstration gegen Rechtsextremisten vor dem Hochhaus gesagt habe, man müsse gegen Vermieter vorgehen, die eine Wohnung „an mehrere Dutzend Bewohner“ vermieteten.

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Begehrte Liste zum Großen Zapfenstreich

März 2012. Christian Wulff ist als Bundespräsident zurückgetreten. Die Bundeswehr verabschiedet ihn mit einem Großen Zapfenstreich. Die Gästeliste ist zunächst geheim. Deutschlandweit werden diese Fragen diskutiert: Wer steht – außer denen, die von Amts wegen quasi automatisch dazugehören – noch auf der Liste? Wer kommt, wer kommt nicht? Wer sagt zu, wer sagt ab? Wer sind die Leute, die Wulff auch nach dem Rücktritt so verbunden sind, dass er sie dabei haben will? Wer distanziert sich so von ihm, dass er oder sie beim Zapfenstreich gar nicht mehr dabei sein will? Die Online-Redaktion einer Boulevardzeitung schafft es, an die Liste heranzukommen. Sie veröffentlicht die Namen der Eingeladenen. Ein Leser der Zeitung sieht die Persönlichkeitsrechte der Genannten nach Ziffer 8 des Pressekodex verletzt. Er vermutet, dass die Eingeladenen nicht um die Einwilligung zur Veröffentlichung ihrer Namen gebeten worden seien. Die Rechtsabteilung der Zeitung kontert die Beschwerde mit der Anmerkung, die Redaktion habe das ihr obliegende Wächteramt geradezu vorbildlich ausgeübt. Auch und gerade durch die beharrlichen Recherchen der Zeitung seien Vorgänge aufgedeckt worden, die letztlich zur Aufhebung der Immunität des damaligen Bundespräsidenten und damit zu dessen Rücktritt geführt hätten. Dabei habe es sich – so die Zeitung weiter – um einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik gehandelt. Die beanstandete Berichterstattung habe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abgang Wulffs und dem Großen Zapfenstreich gestanden. Diese Veranstaltung habe in Deutschland eine rege öffentliche Diskussion ausgelöst. „In Folge einer investigativen Leistung“ sei die Redaktion an die im Bundespräsidialamt geführte Liste der Teilnehmer gelangt. Eine der Redaktion vorgeworfene Verletzung von Persönlichkeitsrechten scheide schon deshalb aus, weil durch die zahlreichen Medienvertreter vor Ort ohnehin bekannt geworden wäre, wer anwesend gewesen sei. Die Zeitung habe daher entsprechend der Chronistenpflicht über ein zeitgeschichtliches Ereignis berichtet.

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Auf Leserbrief folgt schriftliche Drohung

In einer Lokalzeitung erscheint ein Leserbrief. Es geht darin um ein lokales Thema. Unter dem Brief stehen der volle Name der Einsenderin und ihre vollständige Adresse. Die Frau ist in diesem Fall Beschwerdeführerin. Die Wiedergabe ihrer als Leserbrief bezeichneten E-Mail mit vollem Namen und Adresse verstoße gegen Richtlinie 2.6, Absatz 3, des Pressekodex. Nach der Veröffentlichung – so die Frau weiter – habe sie einen anonymen Drohbrief erhalten. Der Redaktionsleiter berichtet, es sei bei seiner Zeitung üblich, Leserbriefe mit voller Adresse abzudrucken. Außerdem stehe in der Zeitung bei Leserbrief-Veröffentlichungen regelmäßig der Zusatz, anonyme Briefe würden nicht abgedruckt. Der Redaktionsleiter glaubt nicht, dass sich die Beschwerdeführerin so sehr über den Abdruck ihrer vollständigen Adresse geärgert habe. Aus den Anlagen werde eher ersichtlich, dass sie mit der nachfolgenden Stellungnahme eines Redakteurs zu dem von ihr angeschnittenen Thema nicht einverstanden gewesen sei. Zum Vorwurf, gegen den Datenschutz verstoßen zu haben, äußert er lediglich, dass er der Beschwerdeführerin am Telefon gesagt habe, dass die Redaktion Leserbriefe nur mit vollem Namen und vollständiger Adresse veröffentliche.

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Hü und Hott bei der Namensnennung

Zwei Nachbarn streiten sich über die Aufstellung einer hölzernen Trennwand zwischen ihren angrenzenden Gärten. Ein Lokalblatt berichtet und nennt den Namen der Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Trennwand steht. Drei Fotos zeigen ihr Haus und ihren Garten. Die Frau wird mit ihrer Sicht der Dinge mehrfach wörtlich zitiert. Sie ist in diesem Fall die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin. Die Veröffentlichung der Fotos und die Nennung ihres vollen Namens seien nicht mit ihr abgestimmt worden. Im Gegenteil habe sie die Redaktion per E-Mail aufgefordert, den geplanten Artikel nicht zu veröffentlichen und ihren Namen nicht zu nennen. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, die Beschwerdeführerin habe sich an die Redaktion gewandt und der für ihren Bereich zuständigen Redakteurin den Nachbarschaftsstreit um die Trennwand geschildert. Die Redakteurin habe zugesagt, in dem Fall zu recherchieren, und darauf hingewiesen, dass im Falle einer Berichterstattung der volle Name der Beschwerdeführerin genannt würde. Damit sei die Frau einverstanden gewesen. Die Redakteurin habe daraufhin weiter recherchiert und sich auch vor Ort ein Bild gemacht. Die Beschwerdeführerin habe von ihrem Nachbarn als einem verurteilten Straftäter gesprochen und nunmehr aus Angst vor diesem darauf bestanden, dass ihr Name im Bericht doch nicht genannt werde. Nachdem die Redakteurin gesagt habe, dass unter diesen Umständen über den Fall nicht berichtet werde, habe die Frau um Bedenkzeit gebeten. Am nächsten Tag habe sie in die Namensnennung doch eingewilligt. Kurz vor der Veröffentlichung habe die Beschwerdeführerin in der Redaktion angerufen und gesagt, dass sie nunmehr keine Veröffentlichung mehr wünsche. Der Streit mit ihrem Nachbarn sei beigelegt, nachdem dieser eingelenkt habe. Die Redaktion habe vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin zunächst keine Einwände gegen die Namensnennung gehabt habe und in der Berichterstattung keinerlei nachteilige Formulierungen enthalten gewesen seien, keinen Anlass für einen Verzicht auf die Veröffentlichung gesehen.

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Redaktion fördert wirtschaftliche Interessen

In einer Großstadt wird ein Haus mit Eigentumswohnungen gebaut. Die örtliche Zeitung berichtet auf einer Seite, die mit „Immobilien & Wohnen“ überschrieben ist. Rechts oben auf der Seite steht ein Hinweis „Verlagssonderseite“. Im Beitrag wird das Objekt ausführlich und positiv beschrieben. Die Geschäftsführer der Baugesellschaft kommen zu Wort und loben ihr Projekt. Am Ende des Artikels ist ein Hinweis auf den Vertriebspartner des Bauträgers mit Telefonnummer und Website abgedruckt. Ein Leser der Zeitung sieht Richtlinie 7.1 des Pressekodex (Schleichwerbung) verletzt. Er geht davon aus, dass die Veröffentlichung nicht von der Redaktion stamme, sondern von dem Bauträger. Im Übrigen würde regelmäßig einmal in der Woche auf der Seite „Immobilien & Wohnen“ in der gleichen Form ein Objekt der Woche vorgestellt. Die Rechtsvertretung der Zeitung bestätigt die wöchentlichen Berichte über „Objekte der Woche“. Redakteure, die von der Zeitung beauftragt seien, sorgten für die Auswahl. Die Artikel lägen im Interesse der Leser und wiesen auf Projekte in unterschiedlichen Stadtteilen hin. Individualinteressen wirtschaftlich Beteiligter hätten auf die Auswahl keinen Einfluss. Die Rechtsvertretung weist auch auf die Kennzeichnung der Veröffentlichungen („Verlagssonderseite“) hin. Es diene ebenfalls dem Leser, wenn Ansprechpartner für die jeweiligen Projekte genannt würden. Das erspare ihnen eine aufwendige Recherche für den Fall, dass sie mit Bauträger und/oder Vertriebspartner Kontakt aufnehmen wollten. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die beteiligten Firmen der Redaktion lediglich die Fakten zulieferten. Die übrige Ausgestaltung erfolge ausschließlich durch die Redaktion.

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Tragik einer verbotenen Beziehung

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht die „tragische Geschichte einer verbotenen Liebe“. Es geht um die Beziehung zwischen einer Elfjährigen und einem 28-jährigen Mann. Beide sind zunächst verschwunden. Die Zeitung zitiert aus einem Liebesbrief, den der 28-Jährige an das Mädchen geschrieben hat. Die Polizei geht davon aus, dass dieses freiwillig bei dem Mann ist. Der leibliche Vater hat das Kind als vermisst gemeldet. Der Beitrag enthält mehrere Bilder, die den Mann mit dem Mädchen zeigen. Sein Gesicht ist gepixelt. Eine Nutzerin des Internetportals der Zeitung wirft dieser mehrere Verstöße gegen presseethische Grundsätze vor. Sowohl in der Überschrift als auch im Text spreche die Redaktion nicht von Kindesmissbrauch, sondern von „kranker Liebe“, „ungleichem Paar“ und „verbotener Liebe“. Sie verharmlose den Fall und versuche, auf Kosten des Kindes eine „Romeo und Julia“-Geschichte“ zu konstruieren. Auf den Fotos sei der Erwachsene gepixelt, das Kind jedoch identifizierbar dargestellt. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, mit dem Einverständnis von Eltern und Polizei sei auf die Anonymisierung des Kindes verzichtet worden. Die Berichterstattung habe das Ziel gehabt, Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu bekommen. Nachdem das Mädchen wieder bei seinen Eltern gewesen sei, habe man das entsprechende Foto verfremdet. Ein Kindesmissbrauch – so die Rechtsabteilung – habe nicht vorgelegen. Auch die Polizei sei nicht davon ausgegangen und habe deshalb erst sehr spät einen Haftbefehl gegen den Mann erwirkt. Es wäre unzulässig gewesen, mit der Berichterstattung Kinderschänder-Klischees zu bedienen.

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Mausoleum einer „Sinti- und Roma-Familie“

Bürger ärgern sich über eine Bauruine auf einem städtischen Friedhof. Es geht um ein Mausoleum, mit dessen Bau es nicht weitergeht. Die örtliche Zeitung berichtet über den Vorgang und zitiert die Leiterin des Grünflächenamtes. Diese gibt Auskunft über die Gründe für den unvollendeten Zustand des Bauwerkes und erwähnt in diesem Zusammenhang, dass das Mausoleum einer „Sinti- und Roma-Familie“ gehört. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, sieht Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) verletzt. Die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe habe nichts mit der eigentlichen Meldung zu tun. Im Gegenteil deute die Formulierung „Sinti- und Roma-Familie“ darauf hin, dass der Begriff „Zigeuner“ umschrieben werden sollte. Die Passage im Bericht, Bürger würden schikaniert, während andere tun und lassen dürften, was sie wollten, habe einen fahlen Beigeschmack. Die Zeitung suggeriere mit dieser Wiedergabe einer Bürgermeinung, dass sich bestimmte Menschen nicht an Gesetze halten müssten. Der Chefredakteur der Zeitung bezeichnet den Bau auf dem Friedhof als herausragend in Form und Dimension. Da sich dort Grabstätten christlicher, russisch-orthodoxer und vereinzelt auch muslimischer Familien befänden, sei die Rede im Gespräch mit der Amtsleiterin auf den ethnisch-religiösen Hintergrund des Auftraggebers gekommen. Hätte man auf diese Angabe verzichtet, wäre ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte weggefallen. Im Text – so der Chefredakteur weiter – werde in dem Artikel keinerlei Zusammenhang zwischen der Herkunft der Familie und negativen Eigenschaften hergestellt. Die Redaktion habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Familie keine Schuld an dem unvollendeten Bauzustand des Mausoleums trage.

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Zurückhaltung bei Suizid geboten

Auf der Titelseite und im Innern der Ausgabe berichtet eine Regionalzeitung unter der Überschrift „Junge (17) warf sich vor Zug – tot“ über den Suizid eines jungen Mannes. Der Vorgang wird ausführlich beschrieben. Ein Leser der Zeitung wirft dieser eine unangemessene Darstellung vor und kritisiert die „detaillierte Beschreibung des Selbsttötungsvorganges“. Überdies sei der Betroffene minderjährig gewesen. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung. Eben wegen des jugendlichen Alters des Jungen habe die Redaktion kein Bild gebracht und auf die Nennung selbst des abgekürzten Namens verzichtet. In dem Artikel sei kein Detail enthalten, das die Identifizierung des Toten ermöglichen könnte. Bei dem kritisierten Bericht handele es sich um eine klassische Nachricht ohne jegliches Beiwerk. Man sehe auf dem Bild lediglich eine Elektro-Lok in einem Bahnhof. Die „detaillierte Beschreibung des Selbsttötungsvorganges“ entpuppe sich – so der Chefredakteur – als ausführliche Beschreibung des Versuchs, Selbsttötungen zu verhindern. Dies sei nach seiner Auffassung geradezu das Gegenteil von dem, was der Beschwerdeführer beklage.

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Schüsse auf den Staatsanwalt

Eine Boulevardzeitung berichtet über den Mord an einem jungen Staatsanwalt in einem Gerichtssaal. „Das ist der Killer des Staatsanwalts“ titelt sie und zeigt in einer Bildergalerie ein Foto des mutmaßlichen Täters. Sein abgekürzter Name und sein Alter werden angegeben. Die Zeitung berichtet, nach einem Schlaganfall sei der Mann in seien Bewegungen stark eingeschränkt. Unter Berufung auf Zeugen schreibt die Redaktion, er sei im Gerichtssaal durch aggressives Verhalten aufgefallen. In der Bildergalerie wird auch das Foto des Opfers gezeigt. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Wiedergabe der Fotos des Opfers und des mutmaßlichen Täters. Das verstoße gegen Persönlichkeitsrechte. Im Bericht werde außerdem erwähnt, dass der mutmaßliche Täter einen Schlaganfall erlitten habe. Auch das sei ein Verstoß gegen den Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung spricht von einem besonderen zeitgeschichtlichen Ereignis von überregionaler Relevanz. Nicht nur, dass ein Vertreter der öffentlichen Anklage getötet worden sei. Die Medien hätten bundesweit – auch mit entsprechender Bebilderung – über den Fall berichtet. Das Ausmaß der Tat rechtfertige die Annahme „besonderer Begleitumstände“ im Sinne von Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex. Das gelte für den Todesschützen ebenso wie für den erschossenen Staatsanwalt. Auch die Textberichterstattung über den Schlaganfall des mutmaßlichen Täters sei nicht zu beanstanden. Es handele sich um eine Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, sich über Tat und Täter ein besseres Bild zu machen.

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Eine Frau erleidet ein Martyrium

Eine Regionalzeitung berichtet ausführlich und mit vielen Details über ein Verbrechen. Die Überschrift lautet „Lebensgefährtin vergewaltigt“. Der Täter sei äußerst brutal vorgegangen, habe gefährliches Werkzeug verwendet, das Opfer misshandelt und ihm gesundheitliche Schäden zugefügt. Die Zeitung schreibt, der Mann habe seine Lebensgefährtin brutal im Genitalbereich verletzt. Er soll gesagt haben: „Ich reiße Dich auf wie ein Westpaket“. Bei anderer Gelegenheit habe er sein Opfer in der Wohnung niedergeschlagen. Als die Frau habe flüchten wollen, habe der Mann sie am Hosenbund hochgehoben und dann fallenlassen, so dass sie sich einen Unterarm brach. Ihm wird außerdem vorgeworfen, die sich heftig wehrende Frau mit einem Gegenstand vergewaltigt zu haben. Das Missbrauchsopfer lässt sich bei seiner Beschwerde von einer Anwältin vertreten. Die Frau sieht ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Es bestehe kein öffentliches Interesse an den Tatdetails. Sie sei durch den Artikel für andere erkennbar. Arbeitskollegen hätten sie nach dem Erscheinen des Artikels auf den Fall angesprochen. Der Artikel diene nicht der Information, sondern ausschließlich der Befriedigung von Sensationsbedürfnissen. Die Rechtsvertretung der Zeitung beruft sich auf die in zunächst öffentlicher Sitzung erfolgte Verlesung der Anklageschrift. Es sei zulässig, darüber zu berichten. Die Zeitung weist den Vorwurf zurück, den gesamten Inhalt der Anklageschrift wiedergegeben zu haben. Nur die wesentlichen und das öffentliche Interesse begründeten Tatmerkmale seien kurz dargestellt worden. Dies sei jeweils sehr sachlich im Sinne einer klassischen Nachricht erfolgt. Im persönlichen Gespräch mit der Beschwerdeführerin habe sich die Redaktion bereit erklärt, den Bericht in der Online-Ausgabe zu löschen. Das sei auch im online zugänglichen Printarchiv der Zeitung geschehen. Die Redakteure der Zeitung seien erneut dafür sensibilisiert worden, bei der Berichterstattung über das Strafverfahren auf eine Identifizierbarkeit zu verzichten.

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