Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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7055 Entscheidungen
Unter der Überschrift „Scheibchenweise die Wahrheit“ berichtet eine Regionalzeitung über den Prozess gegen einen 39-Jährigen, der unter der Anklage steht, seine Nichte sexuell missbraucht zu haben. Der Autor beschreibt den Angeklagten sehr detailliert. Auch werden dessen Wohn- und der Tatort genannt. Der Mann soll seine Stiefnichte mehrfach unsittlich berührt und versucht haben, sie gegen ihren Willen zu küssen. Bei einem Schlachtfest auf dem Hof seines Vaters soll er sich vor dem Mädchen entblößt und die Hand des Mädchens an seinen Penis geführt haben. Die Zeitung beschreibt eine weitere Situation, aus der das Mädchen sich habe befreien können. Die Betroffene ist Beschwerdeführerin. Sie lässt sich von einer Anwältin vertreten. Diese vertritt vor Gericht die Auffassung, dass ihre Mandantin durch die Art der Berichterstattung identifizierbar sei. Auch die Beschreibung der Schlachtfest-Örtlichkeit führe dazu, dass die junge Frau für einen erweiterten Personenkreis erkennbar sei. Das Opfer sei noch minderjährig und werde durch die beschriebenen Details aus der Gerichtsverhandlung in einer unzumutbaren Weise in seinem gesellschaftlichen Leben nachhaltig beeinträchtigt. Der Chefredakteur der Zeitung bedauert in seiner Stellungnahme, dass die Beschwerdeführerin sich durch die Berichterstattung verletzt sieht. Er sieht jedoch keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Gerichtsbericht sei stark anonymisiert. Auf die genaue Ortsangabe hätte man wohl verzichten können. Dadurch werde jedoch die generelle Anonymisierung nur geringfügig geschmälert. Es sei davon auszugehen, dass die Straftat auch ohne Zutun der Zeitung in dem kleinen Ort nicht im Verborgenen geblieben wäre.
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Das neue Album von Bruce Springsteen ist Thema einer Rezension in der Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Im Beitrag heißt es: „Bruce Springsteen spielt mit seinem neuen Album leider allen Vollidioten in die Hände, die seine Musik noch nie verstanden haben“. Im weiteren Verlauf des Beitrages heißt es erneut, dass immer dann, wenn Springsteen eine neue LP veröffentliche, man von „kompletten Vollidioten“, die den Künstler noch nie live erlebt hätten, auf der Straße zugelabert werde. Das Album spiele diesen „Deppen und Medientrotteln“ in die Karten. Ein Leser des Magazins ist der Ansicht, dass die Redaktion in der Rezension alle Menschen, die kein tiefgreifendes Wissen über den Künstler hätten, als komplette Vollidioten und Hohlköpfe beschimpfe. Dies gehe über die Meinungsfreiheit in einem Kommentar hinaus. Die Beleidigung der Leser erfolge grundlos. Grundlos deshalb, weil der Autor nicht erwarten könne, dass sich jedermann tiefgreifend mit der Vita des angesprochenen Künstlers auskenne. Die Rechtsvertretung des Magazins verweist auf eine stilistische Kritik an dem Beitrag, die möglich sei und auch nicht in Abrede gestellt werde. Daraus leite sich jedoch kein Verstoß gegen den Pressekodex ab. Es sei für jeden Leser ersichtlich, dass es sich weder um eine ernst gemeinte Diskriminierung noch eine Schmähung handele. Der Autor habe lediglich umgangssprachlich für eine jüngere Zielgruppe zum Ausdruck bringen wollen, dass ein zu fokussierter Blick auf Springsteens Schaffen gänzlich unvertretbar sei. Dabei sei für jedermann ersichtlich, dass die vermeintlich ausgesprochene herabwürdigende Tendenz ebenso wenig ernst gemeint sei, wie es unter Jugendlichen übliche umgangssprachliche Wendungen und Begrüßungen wie „Dicker“, „Alter“ etc. seien.
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Der Prozess gegen den norwegischen Massenmörder ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Diese berichtet über die Verlesung der Anklageschrift und geht detailliert auf Einzelheiten des grausigen Geschehens ein. Es werden Opfernamen genannt. So heißt es in einem Fall: „(…, 18) – Er muss das Blutbad der anderen Opfer im kleinen Cafésaal mit ansehen. Dann wird er mit acht Schüssen hingerichtet. Zwei Projektile treffen seinen Kopf, einer schlägt durch die Stirn ins Hirn. Der andere dringt durch den linken Mundwinkel ein, bleibt im oberen Teil der Wirbelsäule stecken“. Ein Leser der Zeitung kritisiert einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Die Todesopfer der Gewalttaten würden namentlich und mit ihrem Alter genannt. Die detaillierten Schilderungen seien beispielslos in ihrer Sensationsgier und hätten keinerlei Relevanz für das Verständnis der Taten. Die Opfer würden ohne öffentliches Interesse zu bloßen Objekten herabgewürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung mit dem hohen Informationsinteresse an der Prozessberichterstattung. Dazu gehöre auch die Schilderung grausamer Realitäten. Nach Abwägung aller Kodex-Anforderungen habe sich die Redaktion zu dieser Art der Darstellung entschlossen und damit in verantwortlicher Weise berichtet. Es seien lediglich Informationen aus der in öffentlicher Verhandlung verlesenen Anklageschrift wiedergegeben worden. Auch die norwegischen Zeitungen hätten die Opfer namentlich genannt und Einzelheiten von Verletzungen und Todesursachen geschildert. Das überragende öffentliche Interesse an dem Prozess um den Mord an 77 Menschen erstrecke sich auch auf die Identität der Opfer. Die Personalisierung der Berichterstattung konkretisiere die Dimension des Ereignisses. Ohne Einbeziehung ihrer Identität würden die Opfer auf anonyme Zahlen in der Verbrechens-Statistik reduziert. Die Wiedergabe der Details habe nichts mit Sensationslust zu tun. Vielmehr verberge sich dahinter der Wunsch, einer breiten Öffentlichkeit das Ausmaß der Tragödie zu vermitteln.
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Der Beschwerdeführer, Leser der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung, sammelt fünf Monate lang 12 Beiträge über Straftaten oder Gerichtsverhandlungen, die sich in einer süddeutschen Großstadt oder in ihrem Umland abspielen. In allen Beiträgen wird die Nationalität des jeweiligen Täters einmal oder mehrfach genannt („Der Russlanddeutsche“, „Der Spätaussiedler“, „Die Spätaussiedler-Gruppe“, „Der Deutschtürke“ etc.). Namen werden nicht genannt. Der Beschwerdeführer kritisiert an allen Beiträgen, dass die ethnische Herkunft der Täter ohne zwingenden Grund genannt werde. Er ist der Meinung, dass dies Vorurteile gegen die jeweilige Minderheit schüren könne. Er sieht die Richtlinie 12,1 des Pressekodex verletzt. Darin ist festgehalten, dass in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt wird, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Alle Artikel dokumentierten, dass im Zusammenhang mit Straftaten die tatsächlichen oder vermeintlichen Täter aus dem Kreis der Spätaussiedler stammten. Dies zu verschweigen, würde einen gesellschaftlichen Konflikt unter den Teppich kehren und eine „heile Welt“ suggerieren. In keinem der Fälle sei ein Betroffener namentlich genannt worden, so dass keine Diskriminierung vorliege.
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„Suff-Fahrer: Hier weint der Vater um seinen toten Sohn“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Ein beigestelltes Foto zeigt den Mann, der vor der Leiche seines Sohnes kniet. Sein Gesicht ist gepixelt. Eine Leserin sieht die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen massiv beeinträchtigt. An dieser Beurteilung könne auch die Verfremdung des Gesichts des Vaters nichts ändern. Sie sieht es als beschämend und geschmacklos an, dass das Leid der Familie in dieser Form dargestellt wird. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist auf die Intention der Redaktion hin, auf die schrecklichen Folgen von Alkohol am Steuer hinzuweisen. Verkehrsteilnehmern müssten die Konsequenzen deutlich gemacht werden. Es sei unstrittig, dass solche Darstellungen die Unfallzahlen senken. Auch die Deutsche Verkehrswacht weise mit Plakaten drastischen Inhalts auf die Folgen von Alkohol am Steuer hin. Im Übrigen habe die Polizei zu dem aktuellen Fall eine ausführliche Presseinformation herausgegeben. Die Veröffentlichung verletze nicht die Würde des trauernden Vaters. Insgesamt ist die Rechtsvertretung der Auffassung, dass die Veröffentlichung nicht gegen presseethische Grundsätze verstößt.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Beitrag mit Foto unter der Überschrift „Schau her, du Suffraser!“ Die Unterzeile lautet: „Hier nimmt ein Vater Abschied von seinem Sohn, der von einem betrunkenen Fahrer auf der Straße totgefahren wurde.“ Dem Text beigestellt ist ein Foto, das eine abgedeckte Leiche zeigt, vor der weinend der Vater des Opfers kniet. Es gibt aus dem Leserkreis drei Beschwerden gegen die Veröffentlichung des Fotos. Die Kritiker halten es für unnötig und unzulässig, trauernde Eltern und Geschwister zu zeigen. Die Zeitung respektiere nicht die Gefühle der Angehörigen der Opfer. Die Beschwerdeführer monieren eine unangemessen sensationelle Darstellung des Leids einer ganzen Familie. Es sei unsäglich, ihre Trauer bildlich darzustellen. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist auf die Intention der Redaktion hin, die schrecklichen Folgen deutlich zu machen, die Alkohol am Steuer haben kann. Es sei unstrittig, dass weniger Unfälle passieren würden, wenn man Verkehrsteilnehmern die Konsequenzen risikoreicher Verhaltensweisen vor Augen führe. Daher warne auch die Deutsche Verkehrswacht auf ihren Plakaten mit drastischen Unfalldarstellungen. Ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) liege nicht vor, da keiner der Abgebildeten oder Unfallbeteiligten erkennbar sei. Auch ein Verstoß gegen Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung) liege nicht vor. Das Foto zeige einen trauernden Vater, der die Hand seines toten Sohnes halte. Trauernde Menschen anonymisiert im Foto darzustellen, sei gängige Praxis in den Medien. Wäre die Abbildung eines trauernden Menschen bereits eine unangemessen sensationelle Darstellung von Leid, könnte eine Berichterstattung über Unglücksfälle kaum noch stattfinden.
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In einer Tiefkühltruhe wird die Leiche einer Frau gefunden. Der Fall beschäftigt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Die Überschrift lautet: „Der Bruder des Killers gab den entscheidenden Tipp“. Die Tote ist die Prostituierte Olga P. (23) aus der Ukraine. Unter Tatverdacht – so die Zeitung – stehe ein ehemaliger Freier, mit dem die Frau eine Affäre gehabt haben soll. Zwei Fotos zeigen die Frau zu Lebzeiten bzw. nach ihrem Tod. Zwei Beschwerden aus dem Leserkreis der Zeitung erreichen den Presserat. In beiden wird der Abdruck der Fotos kritisiert. Beide Beschwerdeführer sehen zudem eine unangemessene und reißerische Sensationsberichterstattung, die aus ihrer Sicht gegen die Ziffer 11 des Pressekodex verstößt. Sie stören sich auch an der Bildunterschrift. Diese lautet: „Die Tote aus der Tiefkühltruhe“. Die Beschwerdeführer sehen auch eine Verletzung der Menschenwürde der Toten nach Ziffer 1 des Pressekodex. Die Rechtsvertretung teilt mit, bei der Abbildung der Leiche habe es sich um ein offizielles Foto gehandelt, das die Mordkommission zusammen mit der Staatsanwaltschaft zu Fahndungs- bzw. Ermittlungszwecken herausgegeben habe. Die Aufnahme sei in vielen regionalen und überregionalen Zeitungen sowie in diversen Newsportalen erschienen. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei die Identität der Toten noch nicht bekannt gewesen. Der Ausnahmetatbestand, der die Veröffentlichung des Fahndungs- bzw. Ermittlungsfotos rechtfertige, habe also noch in vollem Umfang bestanden.
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In einer Tiefkühltruhe wird die Leiche einer Frau gefunden. Der Fall beschäftigt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Die Überschrift lautet: „Der Bruder des Killers gab den entscheidenden Tipp“. Die Tote ist die Prostituierte Olga P. (23) aus der Ukraine. Unter Tatverdacht – so die Zeitung – stehe ein ehemaliger Freier, mit dem die Frau eine Affäre gehabt haben soll. Zwei Fotos zeigen die Frau zu Lebzeiten bzw. nach ihrem Tod. Zwei Beschwerden aus dem Leserkreis der Zeitung erreichen den Presserat. In beiden wird der Abdruck der Fotos kritisiert. Beide Beschwerdeführer sehen zudem eine unangemessene und reißerische Sensationsberichterstattung, die aus ihrer Sicht gegen die Ziffer 11 des Pressekodex verstößt. Sie stören sich auch an der Bildunterschrift. Diese lautet: „Die Tote aus der Tiefkühltruhe“. Die Beschwerdeführer sehen auch eine Verletzung der Menschenwürde der Toten nach Ziffer 1 des Pressekodex. Die Rechtsvertretung teilt mit, bei der Abbildung der Leiche habe es sich um ein offizielles Foto gehandelt, das die Mordkommission zusammen mit der Staatsanwaltschaft zu Fahndungs- bzw. Ermittlungszwecken herausgegeben habe. Die Aufnahme sei in vielen regionalen und überregionalen Zeitungen sowie in diversen Newsportalen erschienen. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei die Identität der Toten noch nicht bekannt gewesen. Der Ausnahmetatbestand, der die Veröffentlichung des Fahndungs- bzw. Ermittlungsfotos rechtfertige, habe also noch in vollem Umfang bestanden.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht Beiträge mit den Überschriften „Hier kämpft ein Sanitäter um ein Menschenleben“ (Print) und „Der Täter lauerte ihr im Tunnel auf“ (Online). Im Beitrag geht es um einen Mord, den ein Mann an einer jungen Frau verübt hat. Zum Beitrag gehören mehrere Fotos. Auf einem ist zu sehen, wie Einsatzkräfte die verfremdet dargestellte Frau zu retten versuchen. Auch die Tatwaffe – ein Messer – wird gezeigt. Auf einem dritten Foto ist der ebenfalls verletzte mutmaßliche Täter zu sehen. Auch sein Gesicht ist gepixelt. Er liegt auf einer Trage. Auch hier sieht man ein Notfallteam, das sich um den Mann kümmert. In der Online-Version sind noch mehrere zusätzliche Fotos platziert, die weitere Rettungsszenen zeigen. Ein Leser bzw. Nutzer des Angebotes der Zeitung erkennt einen Verstoß gegen die Menschenwürde sowie eine unangemessen sensationelle Darstellung. Durch die Fotos werde der Eindruck erweckt, dass der Leser dem Sterben eines Menschen gleichsam beiwohnen könne. Die Online-Version habe zwar eine andere Überschrift, erscheine ihm aber ebenso unangemessen sensationell. Die Rechtsvertretung der Zeitung stellt fest, dass die schwer verletzte junge Frau auf keinem der Fotos in einer ihre Würde antastenden Situation gezeigt werde. So sei nicht nur das Gesicht, sondern der ganze Oberkörper gepixelt worden. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liege auf den Rettungsbemühungen der Sanitäter. Die bildliche Darstellung degradiere die Frau nicht zu einem Objekt, sondern diene dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, unter deren Augen sich das Geschehen abgespielt habe. Falsch sei der Vorwurf, dass der Leser dem Sterben beiwohnen könne. Die junge Frau sei erst im Krankenhaus gestorben. Wichtig sei auch, dass die Familie des Opfers die Berichterstattung in der gewählten Form ausdrücklich begrüßt habe. Die Angehörigen hätten der Redaktion am Tag nach dem Anschlag weitere Fotos und Informationen für eine Folgeberichterstattung zur Verfügung gestellt.
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