Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Sinti durften im Bericht als solche bezeichnet werden

„Die Schrott-Mafia machte lukrative Geschäfte“ titelt eine Regionalzeitung. Sie informiert über die Anklage und den Prozess gegen zwei Männer, die von der Staatsanwaltschaft der räuberischen Erpressung sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschuldigt werden. Im Bericht findet sich das folgende Zitat: „Nicht nur mehrere Dutzend Familienangehörige der Angeklagten, es handelt sich bei ihnen um Sinti, auch zahlreiche Vertreter ihrer Volksgruppe auf Landes- und Bundesebene verfolgten als Zuhörer den Prozess. Mehrere Sprecher äußerten sich besorgt, dass die Polizei voreingenommen ermittelt hat, weil die Angeklagten Sinti sind“. Ein Vertreter der Gipsy Conference Board e. V. tritt als Beschwerdeführer auf. Nach seiner Ansicht erwähnt die Zeitung die ethnische Zugehörigkeit der Angeklagten, ohne dass hierfür ein begründbarer Sachbezug besteht. Das schüre Vorurteile gegen Minderheiten. Der Bericht sei geeignet, Angehörige der Volksgruppe der Sinti und Roma als gewaltbereite, mittellose Personengruppe zu kennzeichnen. Die Zeitung verstoße zudem gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Die vor Gericht verhandelte Tat sei schließlich nicht abschließend bewiesen. Der Autor hätte deshalb die Tat als „angeblich oder möglicherweise geschehen“ bezeichnen müssen. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung sei die Bezeichnung der Angeklagten als Sinti nicht in diskriminierender Absicht erfolgt, sondern vom Informationsbedürfnis der Leser gedeckt. Die Volksgruppenzugehörigkeit sei nur deshalb genannt worden, um die Leser journalistisch korrekt, umfassend und wahrheitsgemäß über das Geschehen zu informieren. Die Redaktion habe die entsprechenden Rechtsgüter sorgfältig gegeneinander abgewogen und die mutmaßlichen Täter deshalb weitgehend anonymisiert. Die Erwähnung der Volksgruppenzugehörigkeit sei schon deshalb notwendig gewesen, weil viele Sinti im Gerichtssaal gewesen seien und deren Vertreter den Verdacht geäußert hätten, die Justiz arbeite diskriminierend. Dadurch habe die strafrechtliche Beurteilung auch eine politische Dimension erhalten. Die Zeitung widerspricht dem Beschwerdeführer, wenn er von einer Vorverurteilung spricht. Im Bericht sei von „Angeklagten“ die Rede und von „mutmaßlichen Tätern“. Die Redaktion habe geschrieben, die Täter „sollen“ die Tat begangen haben. Dies alles lasse für den Leser erkennen, dass die Schuld eben noch nicht erwiesen ist. (2009)

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„Die Dicken mit den bunten Röcken“

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Vorsicht, Betrug!“ über Trickbetrügereien in einer Stadt im Verbreitungsgebiet. Danach treiben angeblich seriöse Teppichhändler ihr Unwesen. Ein Polizeibeamter wird zitiert. Ihm zufolge handelt es sich bei den mutmaßlichen Tätern um „die Dicken mit den bunten Röcken“. Es seien zumeist Sinti und Roma, die umherzögen und Leute mit billigen Teppichen übers Ohr hauen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 sowie gegen Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Diskriminierung). Die Minderheitenbezeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Chefredaktion stellt fest, in dem kritisierten Beitrag werde nicht behauptet, dass nur Sinti und Roma oder gar alle Sinti und Roma in derartige Betrügereien verstrickt seien. Im Bericht werde lediglich festgestellt, dass es im fraglichen Zeitraum zumeist Sinti und Roma waren, die an derartigen Betrügereien beteiligt waren. Ferner könne die flapsig anmutende Aussage des Polizisten kritisiert werden, doch sei sie durchaus geeignet, von den Lesern verstanden zu werden. (2008)

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Auf der Jagd nach einem „Phantom“

Unter der Überschrift „Jagd nach der Frau ohne Gesicht“ berichtet eine großstädtische Zeitung von einem Kriminalfall. Die DNA der Frau taucht seit Jahren immer wieder nach Morden und Einbrüchen auf. Ihr Fall wird als einer der rätselhaftesten der deutschen Kriminalgeschichte bezeichnet. Im Bericht wird erwähnt, dass 2005 DNA-Spuren der Gesuchten bei einer Schießerei in einer Sinti-Familie nachgewiesen worden seien. Dazu wird die Frage aufgeworfen: „Gehört das Phantom einem Sinti-Clan an, was auch das Reisen erklären würde?“ Ein Polizeibeamter wird mit den Worten zitiert: „Wir können nichts ausschließen“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 sowie gegen Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Sinti und Roma würden allgemein kriminelle Verhaltensweisen unterstellt. Vorurteile gegen Minderheiten würden geschürt. Die berichtete Kriminalität habe jedoch nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Nach Auffassung des Chefredakteurs der Zeitung sei die Minderheitenkennzeichnung erforderlich gewesen, weil die Ermittler die berichtete Straftat für eine familiär-kulturell bedingte Auseinandersetzung gehalten hätten. Nur durch den Hinweis auf die Minderheitenzugehörigkeit seien der Sachverhalt und damit die Fahndungsarbeit der Ermittler verständlich. Der Hinweis auf das Klischee, dass das Reisen ein Abstammungs- oder Kulturmerkmal der Sinti und Roma sei, sei durch die ermittelnden Behörden getroffen und veröffentlicht worden. Durch den Artikel selbst sei diese Kausalität gar nicht hergestellt worden. Insgesamt widerspreche der Artikel nicht dem Verbot einer diskriminierenden Berichterstattung. Insbesondere entspreche er der Richtlinie 12.1, wonach in Berichten über Straftaten die Zugehörigkeit eines Verdächtigen zu einer Minderheit nur dann erwähnt werden dürfe, wenn ein Sachbezug für das Verständnis des Vorganges bestehe. Diesen Sachbezug habe es gegeben. Zum Vorwurf, das viele große Medien auf eine solche Kennzeichnung verzichtet hätten, führt der Chefredakteur Gegenbeispiele an. Viele Printmedien hätten wie seine Zeitung berichtet. (2008)

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Das Phantom, das es nie gab

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Auf der Jagd nach dem Phantom“ über die „Heilbronner Polizisten-Mörderin“. Sie sei noch immer eine Unbekannte. Laut einer Stellungnahme des Leiters der Heilbronner Sonderkommission wird die Täterin seit 15 Jahren gesucht. Sie begehe immer wieder an ganz verschiedenen Orten Straftaten. Im Artikel heißt es, eine mögliche Erklärung für die „Reiseroute“ der Gesuchten könne sein, dass sie Mitglied eines Sinti- oder Roma-Clans sei. Wenn die Frau im Sinti- oder Roma-Milieu beheimatet sei, so die Zeitung weiter, „warum macht sie sich dann die Mühe, in Kleingartenhäuser einzubrechen, um dort zu übernachten?“ Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 und Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Durch die Formulierungen würden den Roma und Sinti allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile gegen Minderheiten geschürt und diese stigmatisiert. Kriminalität wie die hier beschriebene hätte nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, die Redaktion stehe vorbehaltlos hinter dem Pressekodex und hier vor allem hinter der Regelung in Richtlinie 12.1. Bei dem Artikel handele es sich um eine fundierte und journalistisch-handwerklich vorbildliche Berichterstattung über einen der spektakulärsten und zugleich mysteriösesten Kriminalfälle, die sich in den vergangenen Jahren in Deutschland ereignet hätten. Die Autorin habe mehr als zwei Wochen lang intensiv zahlreiche Quellen und Hintergründe recherchiert. Nach Ansicht der Redaktion sei der Text nicht geeignet, weder auszugsweise noch von seiner Intention her Vorurteile gegen Sinti und Roma zu schüren. Der Chefredakteur abschließend: „Nach unserer Überzeugung ist es in der von uns gewählten und sorgfältig abgewogenen differenzierten Darstellungsweise vertretbar, reale und von den Fahndern geäußerte, begründete Verdachtsmomente hinsichtlich der möglichen Zugehörigkeit einer Zielperson zu einer ethnischen Minderheit als Möglichkeit anzudeuten“. Eine Veröffentlichung des vom Zentralrat vorgegebenen Textes („Korrigierender Artikel“) sei für die Zeitung nicht in Frage gekommen. (2008)

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Täterin trat als „Krankenschwester“ auf

„Ältere Frauen schamlos ausgeraubt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Lokalzeitung über den Prozess gegen eine Betrügerbande. Dabei habe sich eine der Täterinnen als Krankenschwester ausgegeben und sich so Zutritt zu der Wohnung einer Geschädigten verschafft, um diese zu bestehlen. Die Zeitung berichtet, das zuständige Landgericht habe „drei weibliche und zwei männliche Sinti- und Roma-Angehörige“ verurteilt. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 sowie Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Zuschreibungen von Straftaten könnten allgemein dazu führen, dass Sinti und Roma strafbare Handlungen unterstellt würden. Das schüre Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes und stigmatisiere sie. Die beschriebene Kriminalität habe nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Die Chefredaktion der Zeitung bedauert die Formulierung „Sinti- und Roma-Angehörige“ in dem Artikel. Sie entspreche nicht der Praxis der Zeitung. Grundsätzlich gebe man mit Ausnahme von Folklore und Musik keine Hinweise auf landsmannschaftliche und ethnische Herkunft.(2008)

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Sozialbetrug nicht an Ethnien gebunden

Unter der Überschrift „Stadt und Polizei decken Tricks der Sozialbetrüger auf“ berichtet eine Regionalzeitung über ein „Roma-Paar“, das im Laufe der Jahre „111.000 Euro an Sozialhilfe und Wohngeld erschlichen hat“. Die Pressemitteilung der Stadt und der Polizei deute, so der Bericht, die ethnische Herkunft „Josef G.´s und Maria K.´s nur dezent an“. Dann heißt es weiter: „Schließlich wollen die Behörden keinen Ärger mit dem Zentralverband der Sinti und Roma, der jeden Bericht zum Anlass für Rügen und Proteste nimmt, der Verfehlungen Angehörigen dieser Volksgruppen zuordnet.“ Der Zentralverband sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 sowie Richtlinie 12.1 (Diskriminierung) des Pressekodex. Zuschreibungen von Straftaten könnten allgemein dazu führen, dass Romas straf-bare Handlungen unterstellt würden. Das schüre Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes und stigmatisiere sie. Kriminalität wie die im Bericht beschriebene habe nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass der im Artikel beschriebene Sozialbetrug nur deshalb möglich gewesen sei, weil das beschuldigte Paar nach Roma-Ritus getraut worden sei. Erst dieser Umstand habe das Erschleichen von Sozialhilfe und Wohngeld ermöglicht. (2008)

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Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch

Unter der Überschrift „Missbrauch an Tochter gestattet“ berichtet eine Regionalzeitung über einen Strafprozess, in dem eine Frau wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch ihrer zehn- bzw. elfjährigen Tochter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Im letzten Absatz des Berichts wird erwähnt, dass die Angeklagte einer Sinti-Familie entstamme und das jüngste von zehn Geschwistern gewesen sei. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 in Verbindung mit Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Diskriminierung). Derartige Berichte könnten allgemein dazu führen, dass den Roma strafbare Handlungen unterstellt würden. Das schüre Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes und stigmatisiere sie. Kriminalität wie im vorliegenden Fall habe nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Die Redaktionsleitung der Zeitung verweist auf ihre Haltung zu Ziffer 12 des Pressekodex und ihre Praxis. Sie verfahre sowohl in Gerichts- als auch in Polizeiangelegenheiten so, dass Nationalitäten- und Minderheitennennungen nur dann zulässig seien, wenn sie für das Verständnis des Hergangs unverzichtbar seien. Der erfahrene Autor habe bei der Erörterung der Biografie der Angeklagten den Umstand erklären wollen, dass sie erst mit elf Jahren eingeschult worden sei. „Wenn dies Ihrer Ansicht nach nicht den Maßstäben des Presserats entsprechen sollte, bitte ich Sie, dies zu entschuldigen“, fährt die Redaktionsleitung in ihrer Stellungnahme fort. Sie hat nach ihrer Darstellung den Vorgang mit den Redakteuren diskutiert und sie erneut für das Thema sensibilisiert. (2008)

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Blaulicht-Fahrten im Zwielicht

Eine Großstadtzeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe unter der Überschrift „Senator greift ein“ über die Prüfung von Blaulicht-Fahrten. Hintergrund sind schwere Vorwürfe gegen Blaulicht-Raser eines Rettungsdienstes. Die Zeitung berichtet darüber, wer das Recht auf Blaulichtfahrten hat. Wörtlich heißt es: „Ob im konkreten Fall mit Blaulicht gefahren werden darf, entscheidet die jeweilige Organisation selbst. Beim (…) wurde es bei Organ- und Bluttransporten nach (unseren) Informationen selbstherrlich von Leitern zweier Rettungswachen entschieden, nur damit sie mehr Fahrten pro Tag verbuchen konnten. Ein Mitarbeiter wurde inzwischen abgelöst.“ Der Beschwerdeführer sieht eine falsche Aussage in der Passage über die Blaulicht-Fahrten bei dem betreffenden Rettungsdienst. Die Blaulicht-Fahrten, auf die sich die Zeitung beziehe, würden durch die anfordernden Ärzte in den jeweiligen Krankenhäusern bestimmt und nicht durch den Rettungsdienst selbst. (2009)

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Unterstützte SPD-Mann eine CDU-Frau?

Innerhalb der SPD in einer Stadt ihres Verbreitungsgebietes gibt es Streit, Anlass für die regionale Zeitung, in Print und Online über den Vorfall zu berichten. Es geht darum, dass angeblich ein SPD-Kommunalpolitiker eine Kandidatin der CDU im Wahlkampf unterstützt habe. Die Zeitung berichtet von Gerüchten, denen zufolge der SPD-Mann auf dem Wahlkampf-Stand der CDU-Frau aufgetreten sei. Er – ein früherer Bürgermeister der Stadt – bestreitet die Richtigkeit dieser Behauptung. Der Ehemann der CDU-Kommunalpolitikerin kritisiert, dass die Zeitung den Eindruck erwecke, seine Frau habe als Bürgermeisterkandidatin die Hilfe des SPD-Mannes in Anspruch genommen. Diese Behauptung sei falsch. Der Ex-Bürgermeister sei in dem kritisierten Beitrag zu Wort gekommen, seine Frau jedoch nicht. Er wirft der Redaktion mangelhafte Recherche vor. Auch die Kandidatin der CDU hätte zu den Vorwürfen gefragt werden müssen. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, gegen den Grundsatz der journalistischen Sorgfaltspflicht verstoßen zu haben. Die angebliche Wahlkampfhilfe des Ex-Bürgermeisters habe in dessen Partei – der SPD – für Verdruss gesorgt. Die Vorsitzende der örtlichen SPD habe der Redaktion bestätigt, dass es entsprechende Hinweise und Verdächtigungen gebe. Der Ex-Bürgermeister weise die Vorwürfe in dem Beitrag zurück, lasse aber erkennen, dass er durchaus Sympathien für die CDU-Bewerberin gehegt habe. Die Frau wäre eine gute Bürgermeisterin gewesen. Im Mittelpunkt der Berichterstattung – so die Chefredaktion – habe der Streit innerhalb der SPD gestanden. Die CDU-Frau habe nur mittelbar eine Rolle gespielt. (2008)

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Stichworte „infame Hetze“ und „Lynchjustiz“

„Gegen das Allgemeinwohl“ – so überschreibt eine Regionalzeitung einen Kommentar. Es geht um das Scheitern eines touristischen Projekts. Der Autor gibt dem Geschäftsführer des Landesnaturschutzbundes (NABU) wegen dessen Normenkontrollklage die Schuld an dem Flop. Der Kommentator stellt die Frage, wie sich der Naturschützer wohl fühle, wenn er durch die Fußgängerzone gehe und den Bürgern ins Gesicht sehe, denen „er die Zukunft zu verbauen droht“. Die persönlichen Vorwürfe werden mehrfach variiert. Der Geschäftsführer nehme der Stadt die Chance auf mehrere hundert Arbeitsplätze und blase in der Wirtschaftskrise eines der letzten Lichter aus. Der Autor wirft der Stadt vor, beim Aufstellen des Bebauungsplanes angesichts der „Argusaugen der Naturschützer“ nicht die nötige Expertise eingeholt zu haben. Den Presserat erreichen in diesem Fall vier Beschwerden. BK1-104/9: Der Beschwerdeführer vermisst jegliche Sachlichkeit. Der Geschäftsführer des NABU werde unter Missachtung der journalistischen Verantwortung persönlich attackiert. Er spricht von einer „infamen Hetze“ gegen einen Menschen, der lediglich im Auftrag einiger zehntausender Mitglieder von drei Naturschutzverbänden gehandelt habe. Passagen des Kommentars sieht der Beschwerdeführer als Aufforderung an die Bürger zu aggressivem Verhalten gegen den Geschäftsführer. BK1-105/09: Der NABU-Chef habe das gesetzlich verbriefte Recht auf Naturschutz eingefordert. Der Kommentar könne bei den Lesern einen „Wunsch nach Lynchjustiz“ auslösen. BK1-106/09: Auch hier sieht der Beschwerdeführer eine Hetze. Er vermisst die erforderliche Sachlichkeit. BK1-107/09: Auch dieser Beschwerdeführer sieht in dem Kommentar einen persönlichen Angriff gegen den NABU-Vorsitzenden. Er spricht von einem „Traktat der übelsten Sorte“. Die Redaktionsleitung teilt mit, sie habe in Berichterstattung und Kommentar die tiefe Betroffenheit vieler Menschen aus der Region aufgegriffen. Die strukturschwache Region wäre ihrer einzigen Entwicklungsperspektive, dem Bau einer großen Ferienanlage, beraubt worden. Ob dieser massive Nachteil hinzunehmen sei, habe der Kommentator zum Thema gemacht. Wenn sich der NABU-Geschäftsführer öffentlich und massiv für die Normenkontrollklage engagiere, müsse er auch hinnehmen, dass sein Name in diesem Zusammenhang Gegenstand einer kritischen Betrachtung sei. (2009)

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