Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Altes Klischee gegen Tschechen eingesetzt

„Tschechische Diebe rasen mit Jeep in ein Autohaus“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um den Diebstahl von zwei Autos, einem Transporter und vielen Radios durch – wie die Zeitung schreibt – „tschechische Diebe“. Sowohl in der Überschrift als auch im Text wird die Nationalität der mutmaßlichen Täter genannt. Im weiteren Text heißt es, dass die Polizei gegen 3.15 Uhr „zwei Tschechen (26 und 33 Jahre) schnappen“ konnte. Die Zeitung schreibt auch, dass die beiden in einem Nachbarort in ein Autohaus eingebrochen seien und aus dem Verkaufsraum mehrere Autoradios gestohlen hätten. Ein Leser der Zeitung kritisiert die wiederholte Nennung der Staatsangehörigkeit der mutmaßlichen Täter. Alles, was damit erreicht werde, sei die Zementierung von Grenzen. Andersartigkeit werde hervorgehoben und Unsicherheitsgefühle gegenüber den EU-Mitbürgern aus der Tschechischen Republik würden geschürt. Die Überschrift setze gezielt ein altes Klischee über die Menschen aus Osteuropa ein. Nach Darstellung der Redaktionsleitung sei es im konkreten Fall keineswegs darum gegangen, die mutmaßlichen Verantwortlichen schwerer Straftaten zu diskriminieren. Die Nennung der Staatsangehörigkeit sei jedoch für das Verständnis des Vorgangs von Bedeutung gewesen. Die Tatorte lägen in unmittelbarer Nähe der tschechischen Grenze. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen hätten die Straftaten in Grenznähe zugenommen, wobei die Polizei immer wieder davor warne, die Taten ohne Beweise tschechischen oder anderen osteuropäischen Staatsangehörigen anzulasten. Dies habe die Zeitung auch stets berücksichtigt. Wenn jedoch Staatsbürger aus Tschechien die mittlerweile völlig offenen Grenzen dazu nutzten, auf der deutschen Seite des Grenzgebietes Straftaten zu verüben, dann sei es aus Sicht der Redaktionsleitung für den Sachverhalt relevant, dass die Tatverdächtigen im konkreten Fall aus dem Nachbarland kamen. Damit werde jedoch kein Stereotyp gegen Menschen aus dem Osten Mitteleuropas bedient. Ganz im Gegenteil sei es ein Anliegen der im Grenzgebiet erscheinenden Zeitung, beim Abbau derartiger Klischees ihren Beitrag zu leisten. So berichte – so der Redaktionsleiter weiter – sein Blatt über die Vorteile, die die offenen Grenzen beiden Seiten brächten. Auch beim Thema Grenzkriminalität mache es sich die Zeitung nicht leicht, sondern recherchiere umfassend und berichte ausgewogen. (2008)

Weiterlesen

Ein Wesen zwischen Mann und Frau

Die Beschwerde im vorliegenden Fall richtet sich gegen mehrere Beiträge in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um eine Dschungelcamp-Kandidatin, die hier als „Super-Transe“ bezeichnet und stets mit ihrem ehemaligen männlichen Vornamen „Lorenzo“ benannt wird. Einmal heißt es: „Pralle Brüste, lange Beine, sexy Mähne – doch zwischen den Beinen noch ein ganzer Kerl. Das ist Super-Transe …, ein Wesen irgendwo zwischen Mann und Frau. Versext ES jetzt das RTL-Dschungelcamp?“ In einem weiteren Beitrag wird die Kandidatin erneut als „Super-Transe“ bezeichnet sowie ihr männlicher Name genannt. Der Begriff wird auch noch in der weiteren Berichterstattung verwendet. Eine Leserin sieht mit den Beiträgen mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Eine transsexuelle Frau sei kein Mann. Daher sollte die Kandidatin auch als Frau bezeichnet werden. Zuschauer könnten denken, Transsexuelle seien „diese verrückten Männer“, doch gerade transsexuelle Frauen bedürften eines besonderen Schutzes, egal wie schrill und schräg sie manchmal aussehen. Die Benutzung des falschen Personalpronomens sei diskriminierend und führe zu Transphobie. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist darauf hin, dass die Dschungelcamp-Kandidatin die kritisierten Begriffe selbst mehrfach in Interviews verwendet habe. Ihre operative Verwandlung sei von ihr selbst zum Medienspektakel gemacht worden. Die damit einhergehende „Prominenz“ – so die Zeitung weiter – sei für die Kandidatin die berufliche und finanzielle Grundlage. Wenn sich die Beschwerdeführerin auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts berufe, wonach zur Würde des Menschen gehöre, dass der Mensch über sich selbst verfüge und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten könne, so habe die Dschungelcamp-Teilnehmerin von eben diesem Grundrecht Gebrauch gemacht. Die in diesem Fall kritisierte Berichterstattung bilde nur ab, was die Protagonisten aus eigenem Antrieb im Rahmen eines bestimmten Fernsehformats öffentlich machen wollten. (2009)

Weiterlesen

Ein Begriff jenseits von Gut und Böse

„Hier küsst Lorenzo Giulia Siegel“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Sie berichtet in Wort und Bild über das RTL-Format Dschungelcamp. „Lorenzo“ ist in Wahrheit Lorielle London. Der Kuss zwischen den beiden Frauen wird als „Ekel-Prüfung“ bezeichnet. Über Lorielle heißt es: Super-Transe Lorenzo (25) nahm sich die schöne Giulia Siegel (34) zur Brust…“ Eine Leserin sieht Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) verletzt. Transsexuelle fühlten sich teilweise schon von Geburt an dem biologisch entgegengesetzten Geschlecht zugehörig. Daher sollte Lorielle London auch als Lorielle und nicht als „Lorenzo“ und somit mit „sie“ und nicht mit „er“ beschrieben werden. Der Begriff „Super-Transe“ sei zudem jenseits von Gut und Böse. Die Fotoveröffentlichung – so die Rechtsabteilung der Zeitung – sei mit ausdrücklicher Zustimmung der Beteiligten nach einem Pressetermin erfolgt. Die beiden sähen jedenfalls ihre Menschenwürde durch den Bericht nicht verletzt. Soweit in der Berichterstattung Lorenzo bzw. Lorielle London als “Supertranse“ bzw. „Transsexuelle“ bezeichnet werde, sei darauf hinzuweisen, dass Lorielle diesen Begriff mehrfach selbst in Interviews benutzt habe. Ihre operative Verwandlung habe sie als Medienspektakel inszeniert, weil die damit einhergehende Prominenz ihre berufliche und finanzielle Existenzgrundlage sei. Die hier angegriffene Berichterstattung bilde nur ab, was die Protagonisten aus eigenem Antrieb im Rahmen dieses Fernsehformats hätten öffentlich machen wollen. (2009)

Weiterlesen

Der Mensch verfügt über sich selbst

In diesem Fall beschwert sich eine Leserin der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über mehrere Veröffentlichungen rund um das RTL-Fernsehformat Dschungelcamp“. Es geht um die Camp-Kandidatin Lorielle London, die als „Super-Transe“ bezeichnet und mal als Lorielle und dann wieder als „Lorenzo“ genannt wird. Die Rede ist auch von einem Kuss als „Ekel-Prüfung“, den „Lorielle“ bzw. „Lorenzo“ mit Giulia Siegel ausgetauscht hat. Über Lorielle London schreibt die Online-Ausgabe: „Pralle Brüste, lange Beine, sexy Mähne – doch zwischen den Beinen noch ein ganzer Kerl. Das ist Super-Transe Lorielle London (25): Ein Wesen irgendwo zwischen Mann und Frau. Versext ES jetzt das RTL-´Dschungelcamp´?“ In dem Beitrag „So sieht eine(r) aus, dem RTL Känguru-Penis serviert hat“ wird unter dem Foto von Lorielle London der Dschungelcamp-Teilnehmer erneut als Lorenzo bezeichnet. In einem weiteren Artikel wird die London als „putzige Transe mit den Würstchenlippen“ bezeichnet. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verstößt die Berichterstattung gegen die Menschenwürde. Sie mache transsexuelle Menschen lächerlich. Transsexuelle würden als lächerliche Männer dargestellt, die gerne Frauen wären. Das sei Hetze gegen Minderheiten. Die Rechtsabteilung der Online-Ausgabe weist darauf hin, dass die Beteiligten vor allem mit der Bildberichterstattung ausdrücklich einverstanden gewesen seien. Die im Zusammenhang mit Lorielle benutzten Begriffe seien von dieser selbst in Interview und auch sonst in der Öffentlichkeit benutzt worden. Auch Lorielle habe von dem Grundrecht Gebrauch gemacht, demzufolge der Mensch sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten könne. (2009)

Weiterlesen

Kein Anspruch auf Veröffentlichung

Die Internetplattform einer Regionalzeitung löscht einen Beitrag. Der Verfasser hält die Löschung für ungerechtfertigt. Er habe einen neuen Thread (Englisch für Faden, Strang oder auch Gedankengang) eröffnet, um die Löschung zu thematisieren. Auch dieser sei nach kurzer Zeit kommentarlos entfernt worden. Das sei Zensur. Administratoren dürften nicht willkürlich Textbeiträge zensieren und löschen, wenn kein Verstoß gegen die Forenregeln vorliege. Eine Nutzerin, die zum gleichen Thema den Presserat habe einschalten wollen, sei gesperrt worden. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, in der Internetplattform habe es einen Beitrag mit dem Titel „Türken sind mit Abstand am schlechtesten integriert“ gegeben. Diese Diskussion sei inzwischen wegen wiederholter rassistischer Beiträge gelöscht worden und deshalb nicht mehr abrufbar. Der Beschwerdeführer habe sich auch nicht zum Thema geäußert, sondern sich mit der Frage beschäftigt, ob ein zuvor gesperrter User namens „balu“ nun unter dem Pseudonym „DerGeistDerStetsVerneint“ aktiv sei. Die folgenden Beiträge hätten diese Spekulationen aufgegriffen. Sie seien gelöscht worden, weil sie nichts mehr mit dem eigentlichen Thema des Threads zu tun gehabt hätten. Es seien also lediglich themenfremde Beiträge entfernt worden. Die Begleitung der einzelnen Foren erfolge durch „Moderatoren“. Diese könnten Beiträge editieren und löschen. Das Forum unterliege den Allgemeinen Nutzungsbedingungen des Internetportals. Diese regelten unter Ziffer 4.5, dass Nutzer eigene Inhalte einstellen dürften. Es werde allerdings klargestellt, dass ein Anspruch auf Veröffentlichung der Beiträge ausdrücklich nicht bestehe. (2009)

Weiterlesen

„10.000 Euro OP-Kosten stecken in ihm/ihr“

In einer Boulevardzeitung erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „1. Ekel-Prüfung im Dschungel-Camp“. Laut Dachzeile haben sich Lorielle London und Giulia Siegel geküsst. In einem Anreißer auf der Titelseite bezeichnet die Zeitung diesen Kuss als „Ekel-Prüfung“. Über Lorielle London heißt es: „Super-Transe Lorenzo (25, l.) nahm sich gleich die schöne Giulia Siegel (34) vor.“ In der Kurz-Vorstellung der Lorielle stehen die Sätze: „Super-Transe Lorenzo (25) – in ihm/ihr stecken über 10.000 Euro OP-Kosten, z.B. neuer Busen (…) Nun unterzieht er sich einer Hormon-Therapie, um ganz zur Frau zu werden. Lorenzo packt ein: Makeup und Lidschatten“. Ein Leser sieht eine Verletzung der Menschenwürde dadurch, dass ein Kuss zwischen einer Transsexuellen und einer heterosexuellen Frau als „Ekel-Prüfung“ bezeichnet wird. Das Wort „Ekel“ beziehe sich dabei eindeutig auf Lorielle London. Damit bediene die Zeitung in populistischer Weise eine Sexualmoral, deren Verfechter Minderheiten als „abartig“ und deren Sexualpraktiken als „eklig“ bezeichneten. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung für zulässig, weil alle Beteiligten mit ihr einverstanden gewesen seien. Zumindest die beiden betroffenen Personen sähen ihre Menschenwürde nicht verletzt. Lorielle London habe die der Zeitung vorgeworfenen Begriffe selbst in der Öffentlichkeit benutzt. Ihre operative Verwandlung habe sie als Medienspektakel inszeniert. Von solchen und ähnlichen Auftritten und Aktionen lebe sie. Lorielle habe von dem Grundrecht Gebrauch gemacht, über sich selbst zu verfügen und ihr Schicksal eigenverantwortlich zu gestalten. (2009)

Weiterlesen

Wenn Männer schrill durch die Gegend gackern

Die Online-Ausgabe eines illustrierten Magazins berichtet unter der Überschrift „Und am Ende siegt immer das Tuntige“ über das RTL-Dschungel-Camp. Unter einem Foto steht: „Lorielle London (…) könnte vom Tuntentrend profitieren.“ Im Text heißt es über sie: „Der Sieger steht ohnehin schon fest – denn Deutschland hat ein Herz für Tuntiges“. Weitere Zitate aus dem Text: „Sie kreischen, heulen, jaulen, stöhnen, jubeln und laufen selbst bei den profansten Dingen vor Emotionen über wie normale Menschen nicht bei der Geburt des ersten Kindes oder dem Gewinn der ersten Goldmedaille: Tunten, oder wie Wikipedia sie definiert ´Schwule, die durch ein besonders affektiertes Verhalten auffallen´“. Lorielle wird als „halbe Frau“ bezeichnet. Des Weiteren wird behauptet, der Deutsche liebe seine Tunten. Wenigstens an ihnen könne er liberale Gesinnung und Toleranz praktizieren. „Das Herz des Bundesbürgers schlägt höher, wenn Männer Handtaschen schwingen, Stöckelschuhe tragen oder schrill durch die Gegend gackern“. Die Aktion Transsexualität und Menschenrechte e. V. verwahrt sich dagegen, dass eine transsexuelle Frau als „Tunte“ bezeichnet wird. Dieser Begriff beziehe sich jedoch auch auf verkleidete schwule Männer. Transsexuelle Frauen seien keine tuntigen Männer. Die Beschwerdeführerin sieht darin eine Diskriminierung transsexueller Frauen. Der Respekt vor der geschlechtlichen Identität transsexueller Frauen sei in den deutschen Medien ein großes Problem. Dort würden transsexuelle Frauen als „schwule Männer“ bezeichnet, was nicht den Tatsachen entspreche. Die Rechtsabteilung des Magazins sieht in diesem Fall keine Diskriminierung. Insbesondere werde die Menschenwürde der Dschungelcamp-Kandidatin nicht missachtet. Lorielle London werde nicht als „schwuler Mann“ bezeichnet. Das Dschungel-Camp wie auch die ironische Berichterstattung darüber könnten im Einzelfall die Grenze des guten Geschmacks überschreiten, gegen den Pressekodex verstießen sie jedoch nicht. (2009)

Weiterlesen

Amoklauf Winnenden: „Realschule holt auf“

Die Online-Ausgabe eines Satiremagazins berichtet über den Amoklauf von Winnenden. Unter der Überschrift „Realschule holt auf“ stellt die Redaktion ein Schul-Ranking zwischen Realschulen und Gymnasien auf, an denen Verbrechen verübt wurden. Genannt werden die Amokläufe von Meißen (1999), Erfurt (2002), Emsdetten (2006) und Winnenden (2009). Für jedes Todesopfer steht in der Auflistung eine Pistole. Unter der Überschrift „Amok-Ankündigung“ veröffentlicht die Redaktion ein vorgefertigtes Formular, in dem potentielle Amokläufer Tatort, Tatmotiv, Absender und Empfänger ankreuzen bzw. eintragen können. Vier Leser bzw. ein Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart schicken Beschwerden an den Presserat. BK1-109/09: Nach Ansicht des Beschwerdeführers geht die Zeitschrift geschmacklos und menschenverachtend mit den Ereignissen an den genannten Schulen um. Die Würde der Opfer, der Angehörigen und jedes anderen Menschen werde mit Füßen getreten. Die Opfer der Tragödien würden durch die Abbildung „Schulranking“ zu „skurrilen Trophäen“. BK1-110/09: Satire müsse Grenzen haben. Die kritisierte Darstellung sei geschmacklos. Ein ganzes Land sei geschockt, und das Satiremagazin mache darüber perverse Scherze. BK1-111/09: Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass Satire in diesem Fall zu weit gehe. BK1-112/09: Das Stuttgarter Regierungspräsidium reicht seine Beschwerde im Namen der Opfer und der Angehörigen ein. Das Magazin habe sich in beschämender, geschmackloser und unwürdiger Weise über den Amoklauf und die Todesopfer lustig gemacht. In dem Beitrag „Das neue Schulranking ist da: Realschule holt auf“ würden die Opfer des Amoklaufes in Form von Pistolen dargestellt und aufgelistet. Die Darstellung sei menschenverachtend. Durch das „Amok-Ankündigungsformular“ werde die Problematik der Trittbrettfahrer ins Lächerliche gezogen. Das Satire-Magazin nimmt zu den Beschwerden nicht Stellung. (2009)

Weiterlesen

Beschwerde über „schreckliche Titelseite“

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Hier stirbt der Amok-Killer“ über ein Video mit den letzten Sekunden im Leben des Amokläufers von Winnenden. Die Zeitung zeigt auf ihrer Titelseite drei Bilder aus der Videosequenz. Bild 1 zeigt den Täter auf einem Parkplatz. Bildunterschrift: „Die letzten Sekunden im Leben des Tim K.: Auf einem Autohaus-Parkplatz liefert er sich ein Feuergefecht mit Polizisten. Bild 2 zeigt, wie der Junge zusammensackt. Bildtext: „Plötzlich bricht der Attentäter zusammen – getroffen von einer Polizeikugel. Tim K. sackt zusammen.“ Bild 3 zeigt den am Boden liegenden Amokläufer. Bildtext: Wenige Augenblicke, nachdem er getroffen wurde, liegt Tim K. tot auf dem Asphalt: Er hat sich mit seiner Pistole selbst gerichtet. Neben der Überschrift ist ein Foto des Jungen zu sehen. Bildtext: „Der Amokläufer von Winnenden: Tim K. (17)“. Im Beitrag wird auf die Online-Ausgabe der Zeitung hingewiesen, die das komplette Video veröffentlicht. Drei Leser des Blattes wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. BK1-113/09: Der Beschwerdeführerin zufolge gehört das Bild eines sterbenden Menschen nicht in die Medien. Geburt und Tod eines Menschen seien intime Momente, die auch intim bleiben sollten. BK1-114/09: Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Redaktion das Sterben eines 17-Jährigen auf der Titelseite als Bildergeschichte zeigt. Dies sei mit einer öffentlichen Hinrichtung vergleichbar. Der Leser bittet den Presserat eindringlich, gegen eine solche Art der Berichterstattung vorzugehen. Er sieht den Pressekodex und hier vor allem Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) verletzt. BK1-115/09: Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung der drei Bilder. Diese „schreckliche Titelseite“ widerspricht nach seiner Meinung dem Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung für gerechtfertigt. Die Redaktion habe authentisch und ungeschönt in einer zunächst völlig ungewissen Nachrichtenlage ein außerordentlich hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu bedienen gehabt. Zu der Ungewissheit habe auch die Frage gehört, wo und auf welche Weise der Täter getötet worden war. Die Präsentation des Ereignisses auf dem Titel entspreche dem mit der Bedeutung und Tragweite der Tat verbundenen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Dies schließe Art und Weise der gesamten Aufmachung mit ein. Es sei zu berücksichtigen, dass die Presse bei der Gestaltung von Überschriften einen besonderen Freiraum besitze. (2009)

Weiterlesen

Absprache um wörtliche Aussagen

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „(…) Oper unter Haushaltssperre“ Kernaussagen eines Interviews mit der Intendantin eines Opernhauses. Dabei ist die Rede von einem Haushaltsdefizit in Höhe von 800.000 Euro. Aufgrund dessen sei eine Haushaltssperre ausgesprochen worden. Das komplette Gespräch erscheint einen Tag später. Das Pressebüro der Oper kritisiert das Verhalten der Zeitung. Mit der Interviewerin sei eine Autorisierung des Interviews vereinbart worden. Zu diesem Zweck habe die Redaktion den Text an das Pressebüro geschickt. Da sei aber die Vorabmeldung bereits in der Printausgabe der Zeitung erschienen. Dadurch, dass vorab nicht freigegebene Interviewinhalte zusammengefasst veröffentlicht worden seien, habe die Zeitung das Verfahren der Autorisierung ad absurdum geführt. Die Rechtsvertretung der Zeitung berichtet, die Autorin habe das Pressebüro der Oper unmittelbar nach dem Interview darüber informiert, dass die Zeitung eine Vorabmeldung über das Gespräch bringen werde. Dagegen habe der Pressesprecher keine Einwände erhoben. Er habe auch keine Bedingung gestellt. Für die Absprache – so die Autorin – gebe es Zeugen. Anlass der Beschwerde sei ihrer Meinung nach eine falsche Formulierung in den aus der Vorabmeldung resultierenden Meldungen verschiedener Agenturen und Zeitungen. Darin sei von einer Haushaltssperre die Rede gewesen, die die Intendantin im Interview mehrfach bestätigt habe. Allerdings sei diese Haushaltssperre bereits eine Woche vor dem Interview aufgehoben worden. Da der Pressesprecher den Sachverhalt nicht korrigiert habe, vermutet die Redakteurin, dass sein Ärger daher komme, dass eine Information ungewollt nach außen gedrungen sei. Intendantin und Pressesprecher bestritten auch nicht, dass die als sehr sorgfältig bekannte Autorin nach dem Interview die Vorabmeldung für den gleichen Abend angekündigt habe.

Weiterlesen