Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Über Verfahrenseinstellung nicht berichtet

Unter der Überschrift „Eine schrecklich nette Familie“ berichtet eine Regionalzeitung über eine Gerichtsverhandlung. Angeklagt ist eine Frau, die in diesem Fall zugleich als Beschwerdeführerin auftritt. Die Familie der Frau wird als „progressiv und intellektuell inszeniert“ beschrieben. Der Autor stellt fest, in dem Verfahren „gefriere einem das Blut in den Adern“. Die Töchter werden ebenso beschrieben wie das Familienleben. Gegen die Angeklagte werde wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht verhandelt. Sie habe eine ihrer Töchter genötigt. Die Beschwerdeführerin sieht durch die Berichterstattung ihr Ansehen beschädigt. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Die Zeitung habe insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs nicht nachvollziehbar dargestellt. Sie habe sämtliche Richtlinien der Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) missachtet. Der Eindruck sei entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und sei nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davongekommen. Der Bericht sei vorverurteilend, beleidigend und unsachlich. Entlastende Aussagen würden nicht wiedergegeben. Die Chefredaktion der Zeitung ist nicht der Ansicht, dass sie die Beschwerdeführerin an den Medienpranger gestellt habe. Sie habe auch nicht vorverurteilend berichtet. Bei der Überschrift handele es sich um den Titel einer Fernseh-Serie. Unter Umständen entspreche dies nicht dem Geschmack der Beschwerdeführerin, doch sei darin kein Verstoß gegen den Pressekodex zu erkennen. Mit der Formulierung „vermeintlich bessere Kreise“ habe die Redaktion lediglich den in der allgemeinen öffentlichen Meinung als ungewöhnlich angesehenen Umstand angesprochen, dass sich bei einer gebildeten und promovierten Mutter das Jugendamt für das Wohl der beiden Kinder interessiere und deshalb zwei Mitarbeiterinnen zum Hausbesuch entsandt habe. Zu der unterbliebenen Folgeberichterstattung äußert sich die Chefredaktion nicht. (2009)

Weiterlesen

Über Prozess-Einstellung nicht berichtet

„Ist sie wirklich eine Rabenmutter?“ titelt eine Boulevardzeitung. Es geht um den Prozess gegen eine Frau, die in diesem Fall als Beschwerdeführerin auftritt. Dem Artikel ist ein großformatiges Bild beigestellt, das die Frau mit Sonnenbrille und gepixeltem Gesicht zeigt. Im Bildtext ist die folgende Passage zu lesen: „… die angeklagte Journalistin Dr. Barbara M. (41)“, die als „ehemalige Edelfeder“ einer bestimmten Zeitung genannt wird. Die Frau steht wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie Nötigung einer ihrer Töchter vor Gericht. Die Beschwerdeführerin sieht ihr Ansehen geschädigt. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs sei nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Zudem sei die Öffentlichkeit nicht ordentlich über den Verlauf und vor allem den Abschluss des Verfahrens informiert worden. Die Zeitung hat nach Auffassung der Angeklagten sämtliche Richtlinien der Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) verstoßen. In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und komme nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davon. Nach Meinung der Rechtsabteilung der Zeitung wird die Erkennbarkeit der Beschwerdeführerin zumindest für große Teile der Öffentlichkeit durch Pixelung des Gesichts und Abkürzung des Namens vermieden. Dass sie für Teile der Bevölkerung dennoch identifizierbar sei, hänge mit der tragischen Vorgeschichte zusammen. Diese sei Grundlage für die jetzige Anklage und von der Frau selbst herbeigeführt worden. Die Rechtsabteilung kommt zu dem Schluss: „Die Beschwerdeführerin hat sich offensichtlich ihre eigene Wahrheit zu diesem Prozess und auch ihre eigene Wahrheit zu der gesamten Familientragödie erarbeitet“. (2008)

Weiterlesen

Beispiele für Hartz IV-Missbrauch

Beispiele für Hartz IV-Missbrauch sind Thema in einer Boulevardzeitung. So berichtet sie über einen besonders gravierenden Fall, in dem eine Frau Leistungen erhalten hat und unter Betrugsverdacht steht. In dem Artikel wird mitgeteilt, dass es sich dabei um „Mirija S. (25), Mutter von zwei Kindern, Roma, deutsche Staatsbürgerin“ handele. Sie habe Hartz IV-Leistungen vom Jobcenter bekommen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 (Diskriminierung), hier Richtlinie 12.1, des Pressekodex. Den Roma würden durch diese Art der Berichterstattung pauschal strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch werden Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes geschürt und diese stigmatisiert. Derartige Kriminalität – so der Zentralrat – habe nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Beschwerde für offensichtlich missbräuchlich, da der Zentralrat schon vor Anrufung des Presserats Kontakt mit der Zeitung aufgenommen habe mit dem Ziel, dieser vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme und zu einem korrigierenden Artikel zu geben. Dieses Ansinnen habe der Verlag zurückgewiesen. Unter Hinweis auf die Auseinandersetzung zweier Repräsentanten der Sinti anlässlich einer Holocaust-Gedenkfeier im Bundesrat müsse davon ausgegangen werden, dass es dem Zentralrat allein darum gehe, seinen Führungsanspruch gegenüber der „Sinti-Allianz Deutschland“ zu behaupten. Dem Beschwerdeführer gehe es nicht um die Wahrung des Pressekodex, sondern um die Einschüchterung bereits im Vorfeld. Man wolle offenbar eine publizistische Plattform für eigene Ziele erhalten. (2009)

Weiterlesen

Vorwurf wegen Insolvenzverschleppung

Der Geschäftsführer einer Klinik wird wegen Insolvenzverschleppung angezeigt. Eine Regionalzeitung vermutet einen Racheakt und bringt diese Annahme in der Überschrift eines Artikels zu diesem Fall zum Ausdruck. Der Betroffene kommt in dem Beitrag zu Wort. Er vermutet den ehemaligen und inzwischen entlassenen Geschäftsführer hinter der Anzeige. Nach seiner Auffassung geht es bei der Anzeige um ein „Nachtreten“. Die Klinik sei nicht in finanziellen Schwierigkeiten. Der entlassene Geschäftsführer ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er sieht in der Berichterstattung die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Die Zeitung hätte auch ihn hören müssen, bevor sie die „Rachevorwürfe“ des derzeitigen Geschäftsführers veröffentlichte. Die Autorin des Beitrages hätte durch entsprechende Recherchen leicht herausfinden können, dass die Klinik tatsächlich Probleme gehabt hätte. Er selbst werde durch den Bericht in Misskredit gebracht. Die Rechtsabteilung der Zeitung berichtet, die Klinik sei seit ihrer Gründung immer wieder Gegenstand der Berichterstattung gewesen. Anlass seien die finanzielle Situation und diverse Personalien gewesen. Es sei unstrittig, dass die zur Beschwerde führende Anzeige tatsächlich erstattet worden sei. Die Meinung des derzeitigen Geschäftsführers, die Anzeige sei ein „Nachtreten“ seines Vorgängers, habe nicht recherchiert werden müssen. Dies sei nur bei Tatsachenbehauptungen erforderlich. Der Vorwurf mangelnder Recherche im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung könne der Redaktion ebenfalls nicht gemacht werden, weil dies nicht Gegenstand der Berichterstattung gewesen sei und sich insbesondere auch nicht auf den Beschwerdeführer beziehe. (2009)

Weiterlesen

Nennung der Ethnie ist diskriminierend

Eine Großstadtzeitung berichtet über einen Strafprozess. Der Richter verurteilt der Zeitung zufolge den „Sinti Harri W. (49)“, zu einer Geldstrafe von 3000 Euro wegen Wuchers. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dieser Passage des Artikels einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Diskriminierung). Den Sinti und Roma würden allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes geschürt und diese stigmatisiert. Kriminalität wie in diesem Fall habe nichts mit der Minderheitenzugehörigkeit zu tun. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Beschwerde für offensichtlich missbräuchlich, da der Zentralrat bereits vor der Anrufung des Presserats Kontakt mit der Zeitung aufgenommen habe mit dem Ziel, dieser vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme und zu einem korrigierenden Artikel zu geben. Dieses Ansinnen habe der Verlag zurückgewiesen. Unter Hinweis auf die Auseinandersetzung zweier Repräsentanten der Sinti anlässlich einer Holocaust-Gedenkfeier im Bundesrat müsse davon ausgegangen werden, dass es dem Zentralrat allein darum gehe, seinen Führungsanspruch gegenüber der „Sinti-Allianz Deutschland“ zu behaupten. Dem Beschwerdeführer gehe es nicht um die Wahrung des Pressekodex, sondern um Einschüchterung bereits im Vorfeld. Man wolle offensichtlich eine publizistische Plattform für eigene Ziele erhalten. Der Zentralrat habe es unterlassen, im Kontext der Berichterstattung bei dem Täter Harri W. und dessen namentlich benannten Strafverteidiger nachzufragen. Beide hätten sicherlich mitgeteilt, dass die Bezeichnung „Sinti“ mit ausdrücklichem Einverständnis erfolgte. (2009)

Weiterlesen

SED-Vergangenheit gegen APO aufgerechnet

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Was erlauben Nolle?“ über einen Landtagsabgeordneten in einem der neuen Bundesländer. Dieser recherchiert die SED-Vergangenheit von CDU-Abgeordneten und prangert sie an. Die Zeitung schreibt, der Politiker sei Ende der 60er Jahre in der Bundesrepublik Aktivist der APO (Außerparlamentarische Opposition) gewesen, die von der KPD finanziert worden sei. Deren Mitglieder hätten Steine geworfen und Brandanschläge verübt. Nolle jedoch verschweige seine APO-Aktivitäten. Der Betroffene kommt in dem Artikel auch zu Wort. Er teilt mit, dass er über seine APO-Zeit auf seiner Homepage berichte. Nolle sieht gegen sich eine Kampagne inszeniert. Er sieht sich unter dem Vorwurf, kriminelle Handlungen verübt zu haben, in Misskredit gebracht. Er sei im Übrigen kein APO-Aktivist gewesen, sondern habe sich seinerzeit friedlich an Demonstrationen beteiligt. Der Artikel enthalte falsche Tatsachenbehauptungen. Er – der Beschwerdeführer - verschweige keine Details seiner Biographie, sondern stelle sie im Internet ausführlich dar. Nach Auffassung der Rechtsabteilung des Verlags ist unstrittig, dass sich der Beschwerdeführer an Demonstrationen der Schüler- und Studentenbewegung APO beteiligt habe. Es sei also nicht zu beanstanden, wenn er als APO-Aktivist bezeichnet werde. Als solcher werde gemeinhin jemand bezeichnet, der in besonderer Weise für die Durchsetzung bestimmter Ziele eintrete. Den Vorwurf der Kampagne weist die Zeitung zurück. Tatsache sei, dass der Politiker mehrfach mit eigenen Recherchen über die DDR- und SED-Vergangenheit von Politikern an die Öffentlichkeit getreten sei. Wer sich medial so verhalte, müsse es sich gefallen lassen, dass dann auch seine eigene Vergangenheit kritisch beleuchtet werde. (2009)

Weiterlesen

Betrügerbande zockt Rentner ab

„Betrüger zockten Rentner ab“ titelt eine Boulevardzeitung. Thema ist das Vorgehen einer Betrügerbande, deren Mitglieder sich als Bankangestellte ausgegeben und unter anderem eine 84-jährige Frau bestohlen haben. In dem Bericht werden die mutmaßlichen Täter als „Bande von Sinti und Roma“ bezeichnet. Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex sowie gegen Richtlinie 12.1 (Diskriminierung, Berichterstattung über Straftaten). Den Sinti und Roma würden allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile geschürt und eine Minderheit stigmatisiert. Kriminalität wie in diesem Fall habe nichts mit der Zugehörigkeit zu einer Minderheit zu tun. Die Rechtsabteilung des Verlags hält die Beschwerde für offensichtlich missbräuchlich, da der Zentralrat bereits vor der Anrufung des Presserats Kontakt mit der Zeitung aufgenommen habe mit dem Ziel, dieser vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme und zu einem korrigierenden Artikel zu geben. Der Verlag habe abgelehnt. Unter Hinweis auf die Auseinandersetzung zweier Repräsentanten der Sinti anlässlich einer Holocaust-Gedenkfeier im Bundesrat müsse davon ausgegangen werden, dass es dem Zentralrat allein darum gehe, seinen Führungsanspruch gegenüber der „Sinti-Allianz Deutschland“ zu behaupten. Dem Beschwerdeführer gehe es nicht um die Wahrung des Pressekodex, sondern um die Einschüchterung bereits im Vorfeld. Man wolle offenbar eine Plattform für eigene Ziele erhalten. (2009)

Weiterlesen

Trotz Unterlassungserklärung Behauptung wiederholt

Ein Lokalpolitiker arbeitet an einem Buch über Friedrich Schiller. Eine Boulevardzeitung berichtet darüber und teilt mit, der Mann sei dadurch bekannt geworden, dass ihn ein Parteikollege mit Nazi-Sprüchen belegt habe. Ein Verfahren gegen diesen sei gegen Zahlung eines Bußgeldes eingestellt worden. Die Behauptung zu dem Bußgeld war auch schon in einer früheren Ausgabe aufgestellt worden. Auf Betreiben des Betroffenen hatte die Zeitung damals bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben. Der Sohn des namentlich nicht genannten „Parteikollegen“ teilt zur neuerlichen Veröffentlichung mit, dass sein Vater kein Bußgeld habe zahlen müssen. Das Verfahren sei eingestellt worden, weil sich nicht einmal ein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung ergeben habe. Trotz der Unterlassungserklärung habe die Zeitung ihre Behauptung wiederholt. Die Rechtsabteilung der Zeitung räumt ein, dass der kritisierte Beitrag auf einem Irrtum des Autors beruhe. Gegen den Beschwerdeführer sei noch in einer anderen Angelegenheit ein Strafbefehl erlassen worden. Dieses Verfahren sei gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt worden. Der Verfasser habe dieses Verfahren mit dem im Artikel geschilderten verwechselt. Daraufhin habe der Verlag eine Unterlassungserklärung abgegeben. Diese sei in der nunmehr kritisierten Veröffentlichung nicht beachtet worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin eine Schmerzensgeldzahlung nach einem Amtsgerichtsurteil erhalten. Anders als vom Beschwerdeführer behauptet, habe dieser zwar anfänglich den Abdruck einer Richtigstellung gefordert, sie aber später selbst nicht mehr gewünscht. Sein Interesse habe nur noch dem finanziellen Ausgleich gegolten. Die Rechtsabteilung betont, dass nur noch die zweite Berichterstattung angreifbar sei, da die erste verjährt sei. Die Zeitung bedauert die Verkettung zweier Fehler zum Nachteil des Beschwerdeführers. (2008)

Weiterlesen

Äußerung nicht durch Interview-Wortlaut gedeckt

Die Online-Ausgabe einer Tageszeitung mit dem Leitthema Finanzen veröffentlicht unter den Überschriften „Deutsche Kaupthing-Anleger vor Totalverlust“ und „Island lässt deutsche Anleger abblitzen“ zwei Interviews mit identischem Text. Die Beiträge beschäftigen sich mit Aussagen des isländischen Staatspräsidenten zur Rückzahlung der Einlagen deutscher Sparer durch die Kaupthing-Bank. Im ersten Satz der Beiträge heißt es, der Staatspräsident lehne eine Entschädigung deutscher Sparer durch die Bank ab. Der Beschwerdeführer, der das Kaupthing-Deutschland-Forum vertritt, bezeichnet die Darstellung der Präsidenten-Äußerungen als reißerisch und falsch. Vor allem die Überschriften gäben die derzeitige Lage nicht korrekt wieder. Der Staatspräsident habe keinerlei Handlungsbefugnis, da die Rückzahlungen rein privatrechtlicher Natur seien. Entsprechend habe das isländische Staatsoberhaupt die Darstellung später zurückgewiesen. Auch von einer „Entschädigung“ deutscher Sparer könne nicht gesprochen werden. Es gehe lediglich um die Rückzahlung von Einlagen. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die kritisierten Veröffentlichungen für sorgfältig recherchiert. Der Redakteur habe das Interview mit dem Präsidenten selbst geführt. Er habe das Gespräch mit dem Hinweis eingeleitet, er komme gerade von der Gläubigerversammlung der Kaupthing-Anleger, und gefragt, wie der Politiker denn dazu stehe, dass die deutschen Anleger nach wie vor auf ihr Geld warteten. Der Staatspräsident habe daraufhin die Forderung der deutschen Anleger mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass viele Isländer als Folge des Bankenzusammenbruchs alles verloren hätten. Die an den Präsidenten gerichtete Frage sei demnach ganz korrekt auf die Kaupthing-Anleger bezogen gewesen. Der Vorwurf, die ablehnende Äußerung des Politikers sei aus dem Zusammenhang gerissen, gehe daher ins Leere. Zu den Überschriften merkt die Rechtsvertretung an, dass eine gewisse Verkürzung manchmal erforderlich sei, um den Inhalt eines Artikels plakativ darzustellen. Eine Sinnentstellung liege aber nicht vor. Der Beitrag mit der Überschrift „Deutsche Kaupthing-Anleger vor Totalverlust“ habe nur etwa zwei Stunden lang online gestanden. Dann sei die Überschrift geändert worden. Im Übrigen sei die Verwendung des Begriffs „Entschädigung“ korrekt. Auch BaFin und Finanzministerium hätten ihn benutzt. (2009)

Weiterlesen

Wann ist eine Frau eine Frau?

Der Internet-Auftritt einer Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag über das Dschungelcamp unter der Überschrift „´Dschungelcamp´: Es ist wieder was im Busch“. In der TV-Kritik über den Serienstart heißt es über Lorielle London: „Dann der Transvestit Lorielle London, der einst an `Deutschland sucht den Superstar teilnahm und sich extra den Busen aufpumpen ließ“. Eine Leserin sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Eine transsexuelle Frau sein kein Mann. Daher sollte Lorielle London auch als Frau angesprochen werden. Zuschauer könnten denken, Transsexuelle seien „diese verrückten Männer“, doch gerade transsexuelle Frauen bedürften eines besonderen Schutzes, egal wie schrill und schräg sie manchmal aussähen. Die Benutzung des falschen Personalpronomens sei diskriminierend und führe zu Transphobie. Die Leserin gibt sich mit dem Ergebnis der Vorprüfung des Ausschuss-Vorsitzenden und der zuständigen Referentin, wonach die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen sei, nicht zufrieden. Sie sieht vor allem einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht).In allen kritisierten Beiträgen werde über Lorielle London gesagt, dass diese ein Transvestit bzw. eine Transe sei. Dies sei falsch. Tansvestitismus trete bei Männern auf und sei etwas völlig anderes als Transsexualität. Bei Transvestitismus gehe es um das Tragen der Kleidung des weiblichen Geschlechts. Tansvestiten seien Männer, transsexuelle Frauen seien Frauen. Das geschlechtliche Selbstverständnis sei ein völlig anderes. Da Lorielle London von sich sage, sie sei eine Frau, sei sie eben kein Transvestit, der ab und zu mal weibliche Kleidung trage, sondern eine transsexuelle Frau. Für das Justitiariat der Zeitung geht es im Grunde nur um einen einzigen Satz, der sich mit Lorielle London befasse. In erster Linie gehe es um eine umstrittene Show im Privatfernsehen. Im Rahmen dieser Berichterstattung seien die Kandidaten vorgestellt worden. Dass in diesem Zusammenhang Lorielle London als Transvestit und in der maskulinen Form bezeichnet worden sei, sei allenfalls falsch, nicht jedoch herabwürdigend. Zu bedenken sei, dass die Dschungelcamp-Teilnehmerin im Rahmen einer Casting-Show als Mann Bekanntheit erlangt habe. Ferner habe sie die eigene Transsexualität medienwirksam vermarktet, indem etwa die medizinischen Schritte der Geschlechtsumwandlung exklusiv von TV-Kameras begleitet worden seien. Im Rahmen der Berichtsform „TV-Kritik“ sei die kritisierte Darstellung zulässig. (2009)

Weiterlesen