Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7053 Entscheidungen
“Feierabend, wenn die Gäste kommen…” – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über das nun frühere Ende des Biergartenbetriebes in der Innenstadt. Als Grund nennt die Zeitung, dass sich eine Anwohnerin in einem Verwaltungsstreitverfahren durchgesetzt habe. Obwohl die Frau nicht namentlich genannt wird, ist die Wohnlage detailliert beschrieben. In dem Artikel heißt es weiter, die Anwohnerin lege keinen großen Wert auf nachbarschaftlichen Frieden, denn sie habe schon anderen Gewerbetreibenden das Leben schwer gemacht. In einem späteren Artikel werden diese Behauptungen als unzutreffend dargestellt. Für die Anwohnerin enthält der Artikel unrichtige Tatsachenbehauptungen und Ehrverletzungen. Sie kritisiert, dass sie durch die Berichterstattung identifizierbar sei und wendet sich durch ihren Anwalt an den Deutschen Presserat. Der Anwalt der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass diese den Pressekodex eingehalten habe. Die Darstellung sei wahrheitsgetreu. Er verweist darauf, dass der Pressrat keinesfalls die Funktion einer “Superrevisionsinstanz” einnehmen dürfe. Die Beschwerdeführerin habe einen Prozess gegen den Verlag und die verantwortlichen Redakteure geführt und verloren. In dem Urteil heiße es: “Dem Schmerzensgeldanspruch steht bereits entgegen, dass auch aufgrund des Artikels die Klägerin nicht identifiziert werden kann. Im Anwesen … wohnt nicht nur die Klägerin, sondern auch andere Mieter. Auch durch die Anordnung auf dem Klingelschild kann nicht festgestellt werden, wer denn im 2. Stock mit dem Schlafzimmer gegenüber dem Biergarten wohnt”. Die Urteilsgründe wiesen die Formulierung, dass die Nachbarin auf den Hausfrieden offenbar keinen großen Wert lege, als Werturteil aus, das keine Formalbeleidigung darstelle. (2005)
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“Der perverse Mosi-Mörder”, “Mörder” und “Killer von Rudolph Moshammer” schreibt eine Boulevardzeitung, als sie über den Mord an dem Münchner “Modezaren” Rudolph Moshammer”, die Ermittlungen der Polizei und die Festnahme des Verdächtigen Herisch A. berichtet. Die Zeitung und ihre Online-Version berichten laufend über das Ereignis und bezeichnen den Verdächtigen in der oben genannten Weise. Ein Leser des Blattes sieht in der Berichterstattung eine Vorverurteilung des Tatverdächtigen. Es gebe noch kein gerichtliches Urteil. Es möge zwar wahrscheinlich sein, dass der Verdächtige als Mörder verurteilt werde, da er ja der Polizei zufolge ein Geständnis abgelegt habe. Dennoch sei es ohne entsprechendes Urteil nicht vereinbar mit dem Pressekodex, den Tatverdächtigen in präjudizierender Weise als Mörder zu bezeichnen. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung verneint die ihr zum Vorwurf gemachte Vorverurteilung. Wegen der spektakulären Umstände der Tat sei der mutmaßliche Täter eine relative Person der Zeitgeschichte. Zum anderen sei er geständig und anhand klarer Beweise unzweifelhaft überführt. Der Begriff “Mörder” werde zudem nicht im rechtstechnischen Sinn benutzt, sondern sei allein umgangssprachlich so zu verstehen, dass es sich um einen überführten Täter handelt. Die Zeitung beruft sich auch auf “sämtliche deutsche Medien”, die den Ausdruck “Mörder” in diesem Fall benutzt hätten. (2005)
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Die Vergewaltigung einer Frau beschäftigt eine Boulevardzeitung über mehrere Tage hinweg. In der Berichterstattung ist immer wieder die Rede von dem Opfer als Tochter eines Landesministers. Deren Name wird in keinem der Berichte genannt. Der Minister jedoch wird mit vollem Namen und im Bild dargestellt. Die Überschriften lauten “(…)-Minister-Tochter vergewaltigt?”, “Sex-Prozess – Minister-Tochter unglaubwürdig?” Die Berichte stützen sich zum Teil auf Angaben des Politikers und außerdem auf Beobachtungen im laufenden Strafprozess. Die Betroffene, die sich von einem Anwalt vertreten lässt, sieht in der Berichterstattung einen Eingriff in ihr Privatleben und in ihre Intimsphäre. Allein wegen der Prominenz ihres Vaters sei sie aus der Anonymität gerissen worden. Sie selbst wollte zu keinem Zeitpunkt, dass ihr soziales Umfeld von der Tat erfahre. Die Frau sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex und wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass an dem Strafprozess ein grundsätzliches öffentliches Berichterstattungsinteresse bestanden habe. Im Anschluss an den Prozessauftakt habe die Frau einen Mitarbeiter der Zeitung in ihrer Wohnung empfangen. Dabei habe sie weder ihren Unmut über die bereits erfolgte Berichterstattung zum Ausdruck gebracht, noch habe sie darum gebeten, von weiteren Berichten abzusehen. Der Vater der Beschwerdeführerin sei fotografiert worden, nachdem er der Zeitung ein Interview gegeben und gegen eine Berichterstattung keinen Einwand erhoben habe. In keinem der Artikel seien Name, Vorname oder Wohnort der Frau oder der Tatort genannt worden. Eine Identifizierung der Beschwerdeführerin ohne Angabe ihres Wohnorts und ihres Vornamens sei allein durch die Nennung des Familiennamens und der Position des Vaters nicht möglich gewesen. Auf eine Veröffentlichung der “auf dem Markt” angebotenen Fotos der Frau sei – so die Rechtsabteilung des Blattes – bewusst verzichtet worden. (2005)
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Die PDS-Fraktion der Stadt habe sich seit Beginn der neuen Legislaturperiode geweigert, die eigenen Abgeordneten auf frühere Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit überprüfen zu lassen, schreibt die Zeitung am Ort. Das Blatt teilt seinen Leserinnen und Lesern in zwei Beiträgen mit, es seien Papiere aufgetaucht, die eine PDS-Stadträtin der wissentlichen oder unwissentlichen Arbeit für die Stasi verdächtigten. Die Außenstelle der Birthler-Behörde in Dresden besitze eine “Handakte für GMS” mit der Archivnummer 237/74, die als handschriftlichen Zusatz den Namen der arbeitslosen Ingenieurin trage, die als Parteilose in der zweiten Legislaturperiode für die PDS im Stadtrat und erstmals auch im Kreistag sitze. Nach den Aufzeichnungen solle die Betroffene von 1971 bis 1974 als so genannter “Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit (GMS)” für die Stasi gearbeitet haben. Im Detail erwähnt das Blatt, die heutige Kommunalpolitikerin sei vor allem im Rahmen der 10. Weltfestspiele 1973 in Berlin für das MfS tätig geworden, räumt aber ein, dass Unterlagen eines Geheimdienstes nicht den letzten Beweis für eine bewusste Zusammenarbeit liefern. Die 56-Jährige bestreite eine solche wissentliche Tätigkeit. Daran könne sie sich nicht erinnern. Der Fall habe eine zweite, eine tragische Dimension, schreibt der Autor. Der Ehemann der Betroffenen arbeite heute als geachteter Geschichtslehrer und sei Mitbegründer des Geschichtslehrerverbandes im Land. Er habe in Zeiten von Gorbatschow und Perestroika häufiger Nein gesagt. Am Ende habe er arbeitslos mit einer strengen Parteirüge zu Hause gesessen, zitiert das Blatt den Mann. Seiner Frau habe er immer geraten, offensiv mit dem Stasi-Verdacht umzugehen. Warum sollte ich, frage diese heute. Das sei doch 35 Jahre her. In ihrem Bericht über eine Sondersitzung des Stadtrates gibt die Zeitung eine Stellungnahme der Stadträtin zu den Vorwürfen ausführlich wieder. Richtig sei, dass sie 1971 für das MfS geworben werden sollte, dies aber abgelehnt habe. Die jetzt aufgetauchten Akten hätten dem Prüfungsausschuss der Stadt vorgelegen und seien als unbedenklich befunden worden. Sie selbst und ihr Mann hätten in ihrer Jugend die Ideale des Sozialismus vertreten, wären aber in einem Reifeprozess später zu anderen Ansichten gelangt. Das betroffene Ehepaar wendet sich an den Deutschen Presserat und beklagt, dass die Zeitung mit Halbwahrheiten und sensationsgestalteten Verleumdungen die Arbeit des Stadtrates erschwere. Zudem handele es sich bei dem ersten Beitrag über angebliche Stasi-Verwicklungen um Rufmord. Der Artikel sei aus Indiskretionen unter Missachtung der Schweigepflicht und längst geprüften Unterlagen gespeist worden. Die Zeitung hält, anwaltlich vertreten, die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses zum Redaktionsdatenschutzes für nicht gegeben. Soweit die Berichterstattung den Beschwerdeführer betreffe, so gehe diese auf dessen eigene, freiwillige Einlassungen zurück. Bei der Beschwerdeführerin handele es sich um eine Mandatsträgerin im Sinne der Richtlinie 8.1, Absatz 6, des Pressekodex. Weil sich die PDS der Stadt geweigert habe, sich einer Überprüfung auf Mitarbeit für die Stasi zu stellen, habe der Autor der Artikel bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Stasi zu Zwecken der journalistischen Berichterstattung Einsicht in eine etwaige Täterakte u.a. der Beschwerdeführerin beantragt. Die BStU habe dem Antrag erst im Jahre 2005 stattgegeben und Einsicht in die Täterakte der Beschwerdeführerin gewährt. Die Beschwerde sei unbegründet, stellt der Anwalt der Zeitung fest. Sie stelle nach Ansicht der Redaktion einen weiteren Versuch einer “stasi”-belasteten PDS-Amtsträgerin dar, die Justiz und den Presserat zu missbrauchen. Die Berichterstattung über eine Stasi-Verstrickung eines Lokal- und Regionalpolitikers umfasse auch die Mitteilung derjenigen Umstände, die für oder gegen eine Verstrickung sprechen, ebenso wie die Mitteilung derjenigen Umstände, die den Grad, die Intensität und die Dauer der etwaigen Verstrickung beurteilen lassen. Der Beitrag enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass die Stasi-Tätigkeit der Beschwerdeführerin keineswegs als erwiesen gelten kann. Die Begründung, mit der die Beschwerdeführerin diesen Verdacht zu entkräften versuche, habe die Redaktion ohne entwertende Zusätze ebenfalls wiedergegeben. Im Ergebnis liege hier also eine rechtlich wie publizistisch zulässige Verdachtsberichterstattung vor. Dabei sei die Nennung des Namens der Politikern nicht nur erforderlich, sondern auch zulässig gewesen. (2005)
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Eine Deutsche, Ehefrau eines inzwischen verstorbenen Tschechen, die im nördlichsten Zipfel Tschechiens, im früheren Sudentengau, lebt, ärgert sich darüber, dass ihr die Zeitschrift der Heimatvertriebenen aus Nordböhmen unter Angabe ihrer Daten zum 65. Geburtstag gratuliert. Auf Anraten des tschechischen Datenschutzamtes wendet sie sich an den Deutschen Presserat und bittet diesen um Hilfe, dass “solche Sachen” in Zukunft unterbleiben. Im Jahre 2000 habe man ihr in dem Blatt schon einmal gratuliert. Die Folge seien verschiedene “Liquidationsschreiben” von Personen gewesen, die schon ihre Eltern und deren politische Einstellung gekannt hätten. Sie habe sich in einem Schreiben an den Chefredakteur künftige Gratulationen verbeten und fünf Jahre sei dann Ruhe gewesen. Nun sei eine neuerliche Veröffentlichung mit genauer Adressenangabe erfolgt. Daraufhin habe sie den Anruf eines Mannes erhalten, der ihr gedroht habe, sie gehöre nicht unter die Landsleute. Es wäre besser gewesen, so der Anrufer, man hätte sie mit dem ersten Badewasser in den Dorfbach geschüttet. Reden dieser Art seien in ihrer Gegend gebräuchlich, jedoch nur für sehr schlechte Leute. Fragt die Beschwerdeführerin: “Bin ich etwa ein Verbrecher ?” Der Leiter des Verlags erklärt in seiner Stellungnahme, die Beschwerdeführerin sei ihm persönlich bekannt. Sie erhalte die Zeitschrift im Geschenkabonnement und habe die Redaktion über einen längeren Zeitraum mit Nachrichten aus ihrer Region versorgt. Ihren Geburtstag und den ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes habe sie der Zeitschrift wohl selbst kundgetan. Sie habe aber erst in einem Brief vom 6. Juni 2005 dem Verlag mitgeteilt, dass sie nicht mehr ihren Geburtstag erwähnt haben und die Zeitschrift nicht mehr beziehen möchte. Nach Ansicht des Verlagsleiters handelt es sich bei der Beschwerde um eine unbedachte und absolut nicht nachvollziehbare Aktion der Beschwerdeführerin. (2005)
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Eine Regionalzeitung informiert ihre Leserinnen und Leser, dass der sogenannte “Satansmörder von Sondershausen” eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis beantragt habe. Der Betroffene wird mit vollem Namen genannt. Der Artikel erinnert daran, dass der heute 29-Jährige 1993 einen 15-jährigen Mitschüler erdrosselt habe. Die Jugendstrafe von acht Jahren sei vorzeitig zur Bewährung ausgesetzt worden. Nach zwei weiteren Verurteilungen, u.a. wegen Zeigens des Hitlergrußes und der Verhöhnung seines Mordopfers, sei die Bewährung wieder aufgehoben worden. Als Quelle weist der Beitrag die Meldung einer Nachrichtenagentur aus. Der Vater des jungen Mannes beschwert sich, auch im Namen seines Sohnes, beim Deutschen Presserat. Durch die Nennung des vollen Namens würden die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt. Dessen Interesse an einer Resozialisierung würden nicht berücksichtigt. Ein öffentliches Interesse an seiner Person bestehe auch nicht. Es sei allenfalls durch die Dauerberichterstattung hervorgerufen. Die Chefredaktion der Zeitung betont, sie habe sich bei der Aufnahme der bemängelten Meldung auf das gestützt, was renommierte und zuverlässige Agenturen zur Verwendung verbreitet hätten. Die Redaktion sei davon ausgegangen, dass der Inhalt der Meldung, also auch die Namensnennung, sorgfältig recherchiert und “abgeklopft” worden seien. Es entspreche auch nicht der gewöhnlichen Übung, Meldungen namhafter deutscher Presseagenturen nachzurecherchieren, solange diese nicht erkennbar diffamierende oder unwahre Inhalte enthielten. Die Redaktion bedauere die Auswirkungen der in gutem Glauben und im Vertrauen auf die Richtigkeit abgedruckten Agenturmeldung. Sie versichere, dass mit der Namensnennung keinesfalls die Resozialisierung des Beschwerdeführers gestört oder beeinträchtigt werden sollte. Auf Bitte um Aufklärung zu Herkunft und Verwendung der Agenturmeldung erläutert die Redaktion, dass zwei der von der Redaktion bezogenen Agenturen am Produktionstag über den Vorgang berichtet hätten, aber nur eine den vollen Namen des Betroffenen genannt habe. In den Artikel sei Material aus beiden Agenturmeldungen eingeflossen, durch ein Versehen aber nur eine der Agenturen genannt worden. (2005)
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Wegen Amtsanmaßung hat sich ein Jurastudent vor Gericht zu verantworten. Die Zeitung am Ort berichtet über die Verhandlung. Als verschmähter Liebhaber habe der 25-Jährige versucht, seine frühere Freundin zurück zu erobern. Auf einem Computer der Universität habe er ein Schreiben mit dem Briefkopf “Kriminalpsychologischer Dienst beim Polizeipräsidenten Würzburg” verfasst und dieses seiner Angebeteten zugesandt. Im Brief sei sinngemäß zu lesen gewesen, dass ihr Verflossener von dieser Dienststelle als Opfer eines Gewaltverbrechens betreut werde. Um das traumatische Erlebnis besser aufarbeiten zu können, sei es sinnvoll, dass die Empfängerin sich mit Herrn W. “in lockerer Atmosphäre” zu einem Gespräch treffen würde. Den Brief habe der Student mit einem erfundenen Namen unterschrieben und diesen mit dem Zusatz “Diplom-Psychologe” versehen. Der Versuch sei wohl doch zu plump gewesen, denn die junge Frau sei nicht darauf herein gefallen. “Sie haben ja ´nen Knall”, habe der Vorsitzende des Gerichts festgestellt und das Verfahren im Einvernehmen mit der Staatsanwältin und mit dem Angeklagten wegen Geringfügigkeit gegen Zahlung einer Geldbuße von 150 Euro eingestellt. Der Artikel nennt den Namen des Angeklagten nicht, umschreibt ihn allerdings als “Konrad W. (Name geändert)”. Sein Alter wird genannt, er wird als angehender Jurist im zehnten Semester bezeichnet, der sein Studium überwiegend durch nebenberufliche Tätigkeit bei einem Rettungsdienst finanziere. Der Betroffene wehrt sich gegen den Gerichtsbericht durch eine Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er sei so detailliert beschrieben, dass eine eindeutige Identifizierung seiner Person nicht nur möglich, sondern auch tatsächlich erfolgt sei. Die Angaben von Alter, Fachsemester, Universität, Stadt und Nebentätigkeit trügen nach seiner Ansicht nicht zum Verständnis des Vorganges bei. Mit der Veröffentlichung werde sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Eine derartige Identifizierung könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Informationen in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung erörtert worden seien. In Anbetracht der Tatsache, dass das Verfahren eingestellt worden sei, die Verhandlung nicht einmal zehn Minuten gedauert und von der Straftat nur eine “Bagatelle” im Raum gestanden habe, habe kein öffentliches Interesse daran bestanden, seine Person derart detailgetreu und unreflektiert zu beschreiben. Der Chefredakteur der Zeitung erklärt in seiner Stellungnahme, das öffentliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer habe die Redaktion wegen seiner Besonderheit interessiert. Ein nicht ganz unerfahrener Jura-Student begehe eine ziemliche Dummheit aus Liebeskummer, die ihn vor Gericht bringe. Die Zeitung habe den Namen geändert und auf die übrigen Sachverhalte hingewiesen, soweit sie zum Verständnis des Vorganges und des Urteils notwendig gewesen seien. (2005)
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Eine Nachrichtenagentur berichtet, dass der sogenannte “Satansmörder von Sondershausen” eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis beantragt habe. Der Betroffene wird mit vollem Namen genannt. Seine reguläre Haftzeit laufe bis Ende April 2007, heißt es in der Meldung. Die zuständige Staatsanwaltschaft habe ein Gutachten vorgelegt, in dem vor einer vorzeitigen Entlassung des heute 29-Jährigen gewarnt werde. Die Agenturmeldung erinnert daran, dass der Betroffene 1993 einen 15-jährigen Mitschüler erdrosselt habe. Die Jugendstrafe von acht Jahren sei vorzeitig zur Bewährung ausgesetzt worden. Der junge Mann habe sich danach der Neonazi-Szene angeschlossen. Nach zwei weiteren Verurteilungen, u.a. wegen Zeigens des Hitlergrußes und der Verhöhnung seines Mordopfers, sei die Bewährung wieder aufgehoben worden. Der Mann habe versucht, sich der Haft durch Flucht in die USA zu entziehen. Er sei jedoch Mitte 2001 ausgeliefert worden. Der Vater des jungen Mannes beschwert sich, auch im Namen seines Sohnes, beim Deutschen Presserat über einen Zeitungsartikel, der unter Verwendung des Agenturmaterials erschienen ist. Durch die Nennung des vollen Namens würden die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt. Dessen Interesse an einer Resozialisierung würden nicht berücksichtigt. Ein öffentliches Interesse an seiner Person bestehe auch nicht. Es sei allenfalls durch die Dauerberichterstattung hervorgerufen. Der Presserat schließt in das Beschwerdeverfahren auch die Nachrichtenagentur ein. Deren Chefredaktion erklärt in ihrer Stellungnahme, der Fall rage in eine Grauzone hinein, die immer dann entstehe, wenn der Betroffene sich bewusst und in der Absicht, Publizität zu erlangen, zuerst in die Öffentlichkeit stelle, um sich dann später reuig daraus zurückzuziehen. Dies sei bei dem Betroffenen der Fall. Die Dokumente, die über ihn im Internet aufzufinden seien und die ihn in ein rechtsextremes Umfeld setzten, datierten allerdings einige Jahre zurück. Nur weil ihm seine eigene, selbst geschaffene Publizität plötzlich unangenehm werde, könne er nicht darauf bestehen, dass umgehend und automatisch auch die Medien zum Schweigen kommen. Die äußeren Umstände des Falles hätten dazu geführt, dass die Bezeichnung “Satansmörder” gebräuchlich geworden sei. Die Agentur bedauert dennoch lebhaft, das “Etikett” und den Namen des Täters zusammen verwendet zu haben. Sie wolle daher künftig nur noch über den “so genannten ‚Satansmord‘-Fall” schreiben oder eine ähnlich “weiche” Formulierung verwenden und den Täter auch anonymisiert nicht mehr direkt als “Satansmörder” bezeichnen. Was die Namensnennung im Zusammenhang mit dem sogen. “Satansmord”-Fall betreffe, genieße der Sohn des Beschwerdeführers als relative Persönlichkeit der Zeitgeschichte nach angemessener Zeit ein Recht auf Schutz vor beständiger Öffentlichkeit, die einem “Medien-Pranger” gleich komme. Daran will sich die Nachrichtenagentur halten in der Hoffnung, dass der 29-Jährige die Chance auf Resozialisierung entsprechend nutze. (2005)
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Ein Anzeigenblatt berichtet auf seinen Seiten 1 und 3 über angebliche Tätlichkeiten eines Lehrers während einer Klassenfahrt seiner Hauptschule nach Borkum. Am Abend vor der Heimreise hätten drei 15-jährige Jungen eine Art Mutprobe ausgeheckt, schreibt das Wochenblatt. Einer von ihnen habe den Lehrer, der mit Vornamen Rudolf heiße, laut “Rudi” genannt. Daraufhin solle der Klassenleiter ins Zimmer gestürmt sein, dem Übeltäter eine Ohrfeige verpasst und ihn als “Saukrüppel” beschimpft haben. Anschließend solle der wütende Pädagoge den Jungen sogar noch aus dem Bett gezerrt und mehrere Male getreten haben. Das mutmaßliche Opfer wird zusammen mit einem der beteiligten Klassenkameraden zweimal im Foto gezeigt. Beide werden wie ihr Lehrer mit vollem Namen genannt. Ausführlich schildert das Blatt die Auswirkungen des Vorfalls. Mütter von Schülern werden zitiert, die Rektorin der Schule wird erwähnt. Der Pressesprecher der zuständigen Bezirksregierung habe mitgeteilt, dass Vorermittlungen angeordnet seien. Der Sprecher der zuständigen Kriminalpolizei habe bestätigt, dass gegen den Lehrer drei Anzeigen laufen, eine wegen Beleidigung und zwei wegen Körperverletzung. Inzwischen hätten auch andere Eltern Anzeige erstattet, meldet das Blatt. Einmal wegen andauernder Beschimpfung einer Schülerin, zum anderen wegen eines weiteren tätlichen Angriffs gegen einen Siebtklässler vor drei Jahren. Die Eltern wollten, dass der Mann suspendiert werde. Der Beschuldigte habe es auf Anraten seines Anwalts abgelehnt, im Wochenblatt zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen: “Es ist ein laufendes Ermittlungsverfahren. Anklage ist bis dato nicht erhoben. Deshalb werde ich dazu nichts sagen.” Der dbb beamtenbund und tarifunion beantragt in Wahrnehmung der Interessen des Hauptschullehrers beim Deutschen Presserat, dem Anzeigenblatt eine Rüge zu erteilen. Der Betroffene werde vorverurteilt, und zwar zu einem Zeitpunkt des Verfahrens, zu dem die Verteidigung noch nicht einmal Einsicht in die Ermittlungsakte habe nehmen können. Durch die Nennung des vollen Namens werde der Lehrer in seinem Privatleben und in der Ausübung seines Berufs beeinträchtigt. Allein die Art und Weise der Aufmachung des Presseartikels unter Abbildung der vermeintlichen Opfer dürften im Ergebnis als sensationelle Darstellung bezeichnet werden. Der Redaktionsleiter des Anzeigenblatts räumt ein, einen schwerwiegenden Fehler gemacht zu haben. Die zuständige Redakteurin habe ihn am Tag nach dem Druck der Ausgabe angerufen und gesagt, sie wisse selbst nicht, wie ihr das habe passieren können. Die Redaktion habe den Lehrer unmittelbar nach dem Vertrieb der Ausgabe ein Entschuldigungsschreiben geschickt. Er, der Redaktionsleiter, habe mit ihm selbst telefoniert und ihm größtmögliches Entgegenkommen zugesichert. Außerdem habe das Anzeigenblatt in den folgenden Ausgaben ausführlich über Schüler berichtet, die sich hinter den Betroffenen stellen. Auch habe es zahlreiche gegen die Berichterstattung gerichtete Leserbriefe abgedruckt. In der Sache selbst habe man mit dem betroffenen Lehrer vereinbart, nicht mehr weiter zu berichten. (2005)
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Eine Lokalzeitung berichtet, dass das private Insolvenzverfahren gegen den ehemaligen Besitzer mehrerer Kaufhäuser in der Region vor dem Abschluss stehe. Sie teilt ihren Leserinnen und Lesern mit, das zuständige Amtsgericht habe mangels Privateigentums die Schlussverteilung der pfändbaren Barschaft beschlossen. Der Kaufmann sei nach Einschätzung des Insolvenzgerichts pleite. Ein neues Gewerbegebiet habe ihn in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht und Millionen-Umsätze gekostet. Im Detail wird darüber informiert, dass der Geschäftsmann als persönlich haftender Gesellschafter nach der Insolvenz der Kaufhäuser auch privat Insolvenz habe anmelden müssen. Er verfüge jetzt lediglich noch über 2.700 Euro, von denen auch die Kosten des Insolvenzverfahrens zu begleichen seien. Die Insolvenzforderungen der Gläubiger in Höhe von 2,922 Millionen Euro könnten damit nicht befriedigt werden. In den nächsten sechs Jahren müsse der ehemalige Manager nur die Summe auf ein Treuhandkonto überweisen, die über der Pfändungsgrenze liege. Danach werde die Restschuld erlassen. Der betroffene Geschäftsmann trägt dem Deutschen Presserat vor, dass er durch die Veröffentlichung sein Persönlichkeitsrecht und insbesondere sein Recht auf Datenschutz verletzt sieht. Durch die Darstellung seiner privaten finanziellen Situation und die Wiedergabe der Verhaltensmaßregeln für die nächsten sechs Jahre würden sein Privatleben und seine Intimsphäre missachtet. Die immensen Auswirkungen auf Familie und Beruf blieben unreflektiert, seine derzeitige, ohnehin fast unerträgliche Situation bleibe unberücksichtigt. Der Artikel sei Rufmord. Die Veröffentlichung sei unzulässig, da nicht über die Geschäftsinsolvenz, sondern über seine private Insolvenz berichtet werde. Daran bestehe aber kein öffentliches Interesse. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung erklärt in seiner Stellungnahme, der Beschwerdeführer sei eine lokale Person der Zeitgeschichte, über die in den letzten Jahren immer wieder ausführlich berichtet worden sei. So habe sich der Betroffene in der von der Stadt initiierten Arbeitsgruppe “Stadtmarketing” als einer der Sprecher engagiert. Unzweifelhaft sei die Berichterstattung über mehrere Geschäftsinsolvenzen von öffentlichem Interesse, da diese insbesondere Auswirkungen auf die Belegschaft, deren Familien und die Gläubiger hätten. Die Redaktion halte nach der erforderlichen Interessenabwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht des Betroffenen die Berichterstattung über die Privatinsolvenz des Beschwerdeführers für zulässig. Der Beschwerdeführer hafte auf Grund entsprechender Vereinbarungen mit den Banken als Geschäftsführer auch mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten seiner Kaufhäuser. Aus diesem Grund stehe sein persönliches Insolvenzverfahren in direktem Zusammenhang mit den Insolvenzen seiner Kaufhäuser. Die Öffentlichkeit sei davon insofern betroffen, als die örtliche Sparkasse neben anderen Gläubigern einen nicht unerheblichen Forderungsverlust erleide. Insoweit handele es sich nach Auffassung der Redaktion um eine zulässige Darstellung des Falles, die weder reißerisch noch in tendenziöser Form aufgemacht sei. Der verantwortliche Redakteur habe die Informationen einer allgemein zugänglichen Quelle entnommen. Es handele sich um die offizielle Website des Justizministeriums des Landes, auf der über eine Suchfunktion sämtliche Insolvenzgerichte – soweit sie dort eingestellt seien – abgefragt werden könnten. (2004)
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