Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6869 Entscheidungen

Bild einer verkohlten Hand veröffentlicht

Eine Boulevardzeitung bebildert gedruckt und online einen Artikel unter der Überschrift „Die Bilder des Terrors“ mit Fotos von der Absturzstelle von MH17 in der Ost-Ukraine. Auf mehreren Fotos sind Leichen von Passagieren mit Hilfe von Weißraum unkenntlich gemacht. Auf einem Bild ist die nicht unkenntlich gemachte, verkohlte Hand einer Leiche zu sehen. Der Bildtext lautet: „GESPENSTISCH: Die völlig verkohlte Hand eines Opfers ragt aus einem Wrackteil. Viele Passagiere starben im Feuerball des explodierenden Treibstoffs.“ Zu dieser Veröffentlichung äußern sich mehrere Beschwerdeführer. Eine Leserin der Zeitung hält die Darstellung von tödlich verunglückten, verbrannten Menschen bzw. Körperteilen den Angehörigen der Opfer gegenüber für unzumutbar. Sie liefere auch keinerlei journalistischen Mehrwert oder zusätzlichen Informationsgehalt, der für das Verständnis der Situation und des Textes erforderlich wäre. Ein Beschwerdeführer hält die Darstellung von verkohlten Leichenteilen für menschenverachtend. Sie bringe keinen Mehrwert, wenn man von Klicks im Internet absehe, die von purer Sensationsgier veranlasst würden. Wiederum ein anderer Leser meint, als Erwachsener könne er wohl mit der Darstellung von Leichenteilen fertig werden. Anders sei wohl die Wirkung auf Kinder und Jugendliche einzuschätzen. Das Foto mit der gut sichtbaren verkohlten Hand sei pietät- und verantwortungslos. Die Rechtsvertretung der Zeitung beruft sich darauf, dass keines der Absturz-Opfer identifizierbar dargestellt worden sei. Ganz bewusst hätten sich Print- und Online-Redaktion entschieden, die Leichen vollständig unkenntlich zu machen. Dass die unter einem Flugzeugsitz hervorragende, verkohlte Hand einer Leiche bei manchen Lesern für Widerspruch gesorgt habe, sei nicht weiter verwunderlich. Es sei gut nachvollziehbar, dass es bei einem von Schrecken, Wut und Unverständnis belegten Thema zu Kritik an der Berichterstattung komme. Dieser wolle sich die Zeitung im Bewusstsein der eigenen besonderen journalistischen Verantwortung nicht verschließen. Angesichts einer Katastrophe mit 298 Toten hätten die Medien jedoch eine umfassende Informationspflicht. Dies umso mehr, als es sich bei der Katastrophe möglicherweise um einen Abschuss gehandelt habe. Die Art der Berichterstattung sei notwendig gewesen, um das Ausmaß der steigenden Gewaltbereitschaft und ihre Entwicklung klar und angemessen zu dokumentieren. Den Vorwurf der Pietätlosigkeit weist die Zeitung zurück. Das Foto sei eines von vielen und habe im Kontext der Berichterstattung nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

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Kommentar-Konflikt im gemeinsamen Verlag

In der Sonntagsausgabe einer Boulevardzeitung erscheint gedruckt und online ein Kommentar unter der Überschrift „Islam als Integrationshindernis“. Der Autor setzt sich äußerst kritisch mit dem Islam auseinander. Der Beitrag enthält diese Passage: „Mich stört die weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund. Mich stört die totschlagbereite Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle. (…) Nun frage ich mich: Ist Religion ein Integrationshindernis? Mein Eindruck: Nicht immer. Aber beim Islam ja.“ Einen Tag später setzt sich – nunmehr in der während der Woche erscheinenden Boulevardzeitung – deren Chefredakteur und Herausgeber kritisch mit der sonntäglichen Islam-Kritik auseinander. Im Verlag – so heißt es da – sei kein Platz für pauschalierende, herabwürdigende Äußerungen gegenüber dem Islam und den Menschen, die an Allah glaubten. In derselben Ausgabe bezieht sich Gastkommentator Özcan Mutlu, Mitglied des Bundestages, in seinem Kommentar „Judenhass bekämpft man nicht mit Islamhass“ ausdrücklich auf den Kommentar aus der Sonntagsausgabe. Er stellt fest: „Der Kommentar ist für mich jedoch Rassismus pur. Die Hasstiraden des Autors schüren ohne Not Vorurteile, Ängste und Menschenfeindlichkeit.“ 215 Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wenden sich im Zusammenhang mit dem Kommentar „Islam als Integrationshindernis“ an den Presserat, der diese Wortmeldungen als Sammelbeschwerde unter einem Aktenzeichen zusammenfasst. Im Kern werfen sie dem Kommentator eine pauschale Beschimpfung, Verächtlichmachung, Verleumdung, Beleidigung, Kriminalisierung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen vor. Der Kommentar sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Viele Beschwerdeführer verweisen auf eine ohnehin aufgeheizte und hoch-emotionalisierte „Nahost“-Debatte, eine Debatte um Flüchtlinge und auch über die Auswirkungen der NSU-Morde. Sie sehen eine ausgewogene und differenzierende Debatte als gefährdet an. In der Sammelbeschwerde werden viele Ziffern des Pressekodex angesprochen, vor allem jedoch die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde), 10 (Religion, Weltanschauung, Sitte) und 12 (Diskriminierungen) des Pressekodex. Der Autor des heftig kritisierten Kommentars nimmt zu den Beschwerden Stellung. Er konzentriert sich auf die Ziffern 10 und 12, hält seinen Beitrag jedoch selbst für eine Meinungsäußerung, die mit dem Pressekodex vereinbar sei. Aus seiner Sicht sind sämtliche Beschwerden in diesem Fall unbegründet. Scharfe Kritik an fraglichen Weltanschauungen müsse möglich sein. Der Autor betont die „Ich-Perspektive“ und verweist damit auf eine persönliche Meinungsäußerung. Zitat: „So nenne ich präzise die Dinge, die mich stören (Homophobie, ´Ehrenmorde´, ´Friedensrichter´, antisemitische Ausschreitungen, Frauenentrechtung)“. Über Fragen der persönlichen Einstellung, des individuellen Weltbildes und des Geschmacks entscheide der Presserat aus guten Gründen nicht. Der Kommentator bezieht sich auf die Spruchpraxis des Presserats. Danach lebe gerade die Meinungsfreiheit vom - auch scharfen – Pro und Contra. Nochmals ein Zitat: „Man muss eben auch die Frage stellen dürfen, ob eine Religion, die keine Aufklärung erlebt und in anderen europäischen Ländern bereits existierende Parallelgesellschaften errichtet hat, überhaupt mit unserer Grundordnung vereinbar ist.“ (2014)

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Opferschutz für die Toten von MH17

„Ruhet in Frieden!“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über die Opfer von Flug MH17, wobei nicht endgültig geklärt ist, ob das Flugzeug über der Ostukraine abgestürzt oder abgeschossen worden ist. Zitat aus dem Text: „298 Namen und Gesichter. Hinter jedem steckt eine Geschichte, doch all diese Leben wurden von einer Rakete russischer Bauart ausgelöscht.“ Das Online-Portal veröffentlicht zum Artikel Fotos von den toten Passagieren und stellt jeweils Bildunterschriften wie diese dazu: „Kurz vor dem Abflug machten Petra von Langeveld und ihr 15jähriger Sohn Gary Slok dieses Selfie an Bord von MH17. Die beiden Niederländer waren auf dem Weg in den Urlaub. Garys größtes Hobby: Fußballspielen. Er war Torwart im lokalen Sportverein Maassluis.“ Eine Leserin wendet sich mit ihrer Beschwerde an den Presserat. Sie sieht im Abdruck der Fotos der Opfer einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Bilder dienten nicht der Aufklärung der Katastrophe. Mit ihnen versuche die Zeitung, ihre Nutzer für den Text zu interessieren. Im Übrigen seien die Opfer keine Personen der Zeitgeschichte, was eine Veröffentlichung hätte rechtfertigen können. Ein weiterer Beschwerdeführer sieht in den fotografischen Abbildungen und Namensnennungen einen Verstoß gegen den in Richtlinie 8.2 definierten Opferschutz. Die Rechtsabteilung des Verlages spricht in ihrer Stellungnahme von einem globalen zeitgeschichtlichen Ereignis, so dass die Betroffenen auch Personen der Zeitgeschichte seien. Dieser Umstand rechtfertige die Berichterstattung in der vorliegenden Form. Die Redaktion habe es sich bei der Entscheidung über die Art der Berichterstattung nicht leicht gemacht. Sie sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die schließlich beschlossene Verfahrensweise presseethisch nicht zu beanstanden sei. Die Zeitung beruft sich auf den demokratischen Informationsauftrag, der eine „vollumfängliche Informations- und Chronistenpflicht“ zur Folge habe. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das Kodex-Gebot des Persönlichkeitsschutzes vor. Das öffentliche Informationsinteresse überwiege in diesem Fall etwaige schutzwürdige Belange der Abgebildeten bzw. ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen. Die beanstandeten Fotos – so die Rechtsabteilung – seien schon vor der beanstandeten Veröffentlichung in den niederländischen Printmedien abgedruckt worden. Alles in allem kommt die Zeitung zu dem Schluss, dass sie sich keines Verstoßes gegen presseethische Grundsätze schuldig gemacht habe.

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Fotogalerie verletzt Persönlichkeitsrechte

„Stoppt Putin jetzt!“ lautet die Überschrift auf dem Titel eines Nachrichtenmagazins. Die Seite enthält eine aus 50 Bildern bestehende Fotogalerie von Opfern der MH17-Katastrophe. Unter jedem Bild steht der Anfangsbuchstabe des Vornamens, der Nachname und als Todestag der 17. Juli 2014. Im Innern des Heftes berichtet das Magazin unter der Überschrift „Spätes Erwachen“ über die Katastrophe. Textpassage: „Es musste eine Boeing mit fast 300 Menschen an Bord abgeschossen werden, ehe die EU-Staaten zu ersten echten Wirtschaftssanktionen gegen Russland fanden“. Wie man mittlerweile so gut wie sicher wisse, sei Flug MH17 mit Raketen aus russischen Beständen abgeschossen worden. Diese wären ohne Putins Billigung wohl kaum in die Ukraine gelangt. Bislang habe Russlands Präsident eine direkte militärische Einmischung in der Ukraine vermieden. Er habe jedoch schweres Militärgerät über die Grenze zur Ukraine rollen lassen, nachdem die ukrainische Zentralregierung eine mehrtägige Waffenruhe ausgerufen habe. Mit den Luftabwehrraketen hätten die Separatisten den militärisch wichtigsten Vorteil der ukrainischen Armee ausgeglichen, die Luftüberlegenheit. Mehr als ein Dutzend Maschinen sei abgeschossen worden. Insgesamt 19 Beschwerden wenden sich gegen die Titelgeschichte. Zwölf Leser kritisieren dabei ausschließlich die Aufmachung der Titelseite. Sechs weitere richten sich gegen das Cover und die dazugehörigen Artikel. Einer beanstandet ausschließlich die Berichterstattung im Heft. Die Mehrheit der Beschwerdeführer kritisiert eine Instrumentalisierung der Opfer-Fotos auf dem Titel, um Stimmung gegen Russland und dessen Präsidenten zu machen bzw. für Sanktionen zu werben. Mehrere Leser des Magazins sehen eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Opfer durch die Fotos. Schließlich sind einige der Meinung, Russland und Putin würden durch die Veröffentlichung vorverurteilt, ohne dass Beweise für die Ursache der MH17-Katastrophe vorlägen. Die Rechtsvertretung des Magazins widerspricht den Beschwerdeführern und ist sicher, dass die Redaktion umfassend, ausgewogen und wahrheitsgemäß berichtet habe. Zum Vorwurf, die Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzt zu haben, erklärt das Magazin, auch vier Wochen nach der Veröffentlichung habe sich noch kein Opfer-Angehöriger an die Redaktion gewandt und eine Verletzung seiner Gefühle gerügt. Die Rechtsabteilung erklärt, ihr sei bewusst, dass der Presserat die Veröffentlichung von „Opfergalerien“ als Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Toten ansehe. Sie regt an, der Presserat möge seine Einschätzung gut be- und überdenken. Die Redaktion habe sich ausschließlich ohne irgendein Zugangshindernis öffentlicher Quellen bedient. Deshalb könnte die Veröffentlichung von Namen und Fotos aus der von den Opfern selbst gewählten Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre nach herkömmlichen Maßstäben auch nicht ansatzweise als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte angesehen werden.

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Schwere Vorwürfe gegen eine Schulleiterin

Gedruckt und online berichtet eine Lokalzeitung zweimal über die Zustände an einer Schule. Dort soll eine sehr schlechte Stimmung herrschen, unter anderem bedingt durch eine hohe Lehrerfluktuation. Eine Klasse sei zeitweise von einer Schulverwaltungsassistentin betreut worden. Es herrsche – so die Zeitung weiter – an der Schule ein Klima des Misstrauens. Die Schulleiterin soll angeblich Mobbing betrieben haben. Ein Ex-Lehrer soll bedroht worden sein. Im ersten Beitrag kommt die Schulleiterin selbst zu Wort. Im zweiten geht es überwiegend um anonyme Vorwürfe, zu denen offenbar keine Stellungnahme der Schule eingeholt worden ist. Ein Leser der Zeitung meint, die Artikel verletzten mehrere Ziffern des Pressekodex. Die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 habe die Zeitung mit der Behauptung verletzt, eine Verwaltungsassistentin habe zwischenzeitlich an der Schule unterrichtet. Dies stimme nicht. Die Frau habe lediglich Aufsicht geführt. Der Beschwerdeführer bemängelt auch, dass die Schulleiterin im Zusammenhang mit einem weiteren Artikel nicht gehört worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung teilt dazu mit, dass die Redaktion die Schulleiterin vergeblich um Rückruf gebeten habe. Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die Zeitung habe fälschlicherweise berichtet, der Unterricht sei zwischenzeitlich von einer Verwaltungsassistentin geleitet worden, stellt der Chefredakteur fest, die Bezirksregierung habe dies bemängelt. Die Zeitung habe also die Tatsachen richtig wiedergegeben.

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Alter Mann saß tot im Auto

„Nackter Mann saß tot im Auto“ titelt die Online-Regionalausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um einen Rentner, der mit heruntergelassener Hose in seinem Wagen aufgefunden worden war. Er wird von der Zeitung als „Wolfgang B.“ bezeichnet. Die Redaktion berichtet, der Gerichtsmediziner habe festgestellt, dass der Mann offenbar dabei war, „sexuelle Handlungen an sich selbst auszuüben“. Dabei soll er einen Herzinfarkt erlitten haben. Der Beitrag enthält drei Fotos. Auf dem größten ist unter anderem ein Sarg zu sehen, vor dem Angehörige des Mannes knien. Ein Nutzer des Internetauftritts sieht durch die Berichterstattung Intimsphäre und Persönlichkeitsrechte des Mannes verletzt. Auch gegen die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen habe die Zeitung verstoßen. Der Tote sei für sein Umfeld identifizierbar. Ein öffentliches Interesse an den Umständen des Todes sei nicht ersichtlich. Die Rechtsvertretung des Verlages verweist auf die regionale Verbreitung des Beitrages. In diesem Bereich sei der Vorgang von öffentlichem Interesse gewesen. Die Berichterstattung sei in vollem Umfang zutreffend. Der Gerichtsmediziner habe ausdrücklich bestätigt, dass der Mann ohne Zweifel während der Masturbation ums Leben gekommen sei. Somit sei ein Verstoß gegen die Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit) auszuschließen. Auch eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Toten und seiner Angehörigen liege nicht vor, da die Zeitung nicht identifizierend berichtet habe. Die Rechtsabteilung argumentiert abschließend, dass die Berichterstattung angesichts der außergewöhnlichen und feststehenden Umstände des Falles insgesamt als sehr zurückhaltend zu bezeichnen sei. Zunächst sei ein Verbrechen vermutet worden. Dabei habe die starke Polizeipräsenz, verbunden mit einem Hubschraubereinsatz, für Aufsehen und ein großes öffentliches Interesse gesorgt.

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Qualen eines Kindes detailliert geschildert

„43-jähriger soll Mädchen (4) auf dem Küchentisch missbraucht haben“ titelt eine Zeitung. Sie nennt den Vornamen des Kindes und schreibt: „Zweimal soll er sie bäuchlings auf den Küchentisch gelegt und Analverkehr vollzogen haben. Einmal soll er das zappelnde Kind zu Geschlechtsverkehr auf der Couch gezwungen haben.“ Eine Leserin der Zeitung sieht Ziffer 11 des Pressekodex verletzt. Sie meint, die Beschreibung des Missbrauchs sei viel zu detailliert, sensationsheischend und eigentlich eine perverse pornographische Darstellung. Besonders verwerflich sei dies, weil das Opfer ein Kind sei. Auch sei es überflüssig, dem Leser die Qual des Kindes durch Verwendung des Wortes „zappelnd“ noch bildlich vor Augen zu führen. Der Geschäftsführende Redakteur der Zeitung hält die Darstellung für zulässig. Dadurch werde die Brutalität der Straftat dokumentiert. Man würde die Brutalität mancher Straftäter verharmlosen und falsch darstellen, wenn es nicht mehr möglich wäre, ihr Vorgehen realistisch zu beschreiben.

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Täter muss Nennung seines Namens dulden

Eine Zeitung hält in ihrem Archiv einen etwa zwanzig Jahre alten Artikel vor. Dieser trägt die Überschrift „Ehemalige Skins wegen Mordes vor Gericht“ und beschreibt die Gerichtsverhandlung gegen zwei ehemalige Skinheads und einen Gastwirt, die sich damals wegen gemeinschaftlichen Mordes an einem 53-jährigen Arbeitslosen zu verantworten hatten. Den weitgehend geständigen Angeklagten sei vorgeworfen worden, ihr Opfer nach einem Trinkgelage mit Springerstiefeln zusammengetreten, mit hochprozentigem Alkohol übergossen und angezündet zu haben. Judenhass werde als Tatmotiv nicht ausgeschlossen, da die Angeklagten das Opfer als „Halbjuden“ bezeichnet hätten. Die Täter werden in dem Artikel mit vollem Namen genannt. Der Beschwerdeführer ist einer der damaligen Angeklagten. Er war damals zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Dass die Zeitung den Artikel immer noch in ihrem Online-Archiv vorhält, sieht er als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte an. Er ist nicht damit einverstanden, dass die Berichterstattung über das Gerichtsverfahren weiterhin veröffentlicht werde. Nach Auffassung der Zeitung, für die deren Rechtstabteilung Stellung nimmt, gehört die Berichterstattung über eine Straftat wie im vorliegenden Fall zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Das im Artikel beschriebene Verbrechen habe in der Bundesrepublik und auch im Ausland Aufsehen erregt. Der damalige Richter habe in seinem Urteil festgestellt, dass die Täter nach rechtsradikalem Muster gehandelt hätten. Aufgrund der deutschen Geschichte und des gesellschaftlichen Engagements gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus bestehe auch deshalb ein besonderes Informationsbedürfnis und Interesse der Allgemeinheit. Die Veröffentlichung eines Zeitungsartikels Jahre nach der Tat im Online-Archiv sei nicht geeignet, den Betroffenen „ewig an den Pranger zu stellen“. Der Artikel habe eine geringe Breitenwirkung und könne nur durch gezieltes Suchen gefunden werden.

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Verunglückten jungen Mann im Bild gezeigt

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Tod im Traumauto“ über einen schweren Unfall. Ein junger Mann war gegen einen Baum geprallt und gestorben. Der Artikel ist mit zwei Fotos bebildert. Eine Aufnahme zeigt das Autowrack, das andere den 20-jährigen Verunglückten. Der Vater des Toten kritisiert, dass die Zeitung ohne die Einwilligung der Eltern das Porträtfoto ihres Sohnes veröffentlicht habe. Ihm stelle sich auch die Frage, wie die Reporter an das Foto gelangt seien. Das fragliche Bild sei auf dem Handy des Sohnes gespeichert gewesen, das nach dem Unfall verschwunden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, Ursache des Unfalls sei nach Angaben der Polizei überhöhte Geschwindigkeit gewesen. Es bestehe der begründete Verdacht, dass der Unfall das Ergebnis eines illegalen Autorennens innerhalb der Stadt gewesen sei. An der Berichterstattung habe somit ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse bestanden. Ziel der Berichterstattung sei es gewesen, die Öffentlichkeit vor den Gefahren von zu hoher Geschwindigkeit zu warnen. Die Rechtsvertretung verweist darauf, dass das Porträtfoto des Verunglückten lediglich klein oben links im Beitrag platziert worden sei. Es falle dem Leser auf den ersten Blick kaum ins Auge. Das Foto zeige den Getöteten als sympathischen Mann. Er werde in der Berichterstattung trotz anderer Vermutungen der Polizei gerade nicht als Raser dargestellt. Vielmehr werde Empathie beim Leser geweckt. Gerade mit Rücksicht auf die Angehörigen habe die Zeitung äußerst zurückhaltend berichtet.

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Unter Verdacht wegen Giftmüll-Entsorgung

In einer Tageszeitung erscheinen zwei Artikel über ein Unternehmen, gegen dessen Chef und einige Mitarbeiter wegen eines Umweltvergehens (Entsorgung von Giftmüll) ermittelt wird. Zunächst veröffentlicht die Redaktion einen Bericht, bei dem es um die offenbar guten Kontakte des Firmenchefs zum örtlichen Rathaus geht. Der Mann wird namentlich genannt und im Bild gezeigt. Eine Passage aus dem Text: „Es gibt nicht wenige (…), die dem (…)-Geschäftsführer, (Name genannt) die betrügerischen Machenschaften zutrauen.“ Die Zeitung zitiert auch Stimmen, die sich sehr positiv über den Mann äußern. Knapp zwei Wochen später erscheint ein weiterer Bericht, der mit dem Satz eingeleitet wird: „Um die offensichtlich betrügerischen Machenschaften der Firma (sie wird mit vollem Namen genannt) komplett durchleuchten zu können, hat sich jetzt die Sonderkommission ´Entsorgung´ mit zwanzig Kripobeamten im Polizeipräsidium (…) gebildet.“ Die Rechtsvertretung des Firmenchefs und Beschwerdeführers vertritt die Auffassung, dass der erste Artikel die Persönlichkeitsrechte ihres Mandanten missachtet. Dieser werde von der Zeitung massiv in seiner Ehre verletzt und herabgewürdigt. Der zweite Artikel beginnt nach Auffassung der Rechtsvertretung mit einer Vorverurteilung. Darin werde der falsche Eindruck erweckt, dass einzelnen Beschuldigten bereits ein betrügerisches Handeln nachgewiesen worden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung spricht von einer zulässigen Berichterstattung zu einem Thema mit brisantem Bezug, nämlich der Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung durch illegale Giftmüllverklappung. Der Autor des Beitrages teilt mit, bis heute gelte ein Beschluss des zuständigen Landratsamtes, der die sofortige Einstellung des Betriebs der Entsorgungsfirma wegen massiven Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften verfügt habe. Das Unternehmen befindet sich mittlerweile in der Liquidation. Auch die Polizei spreche von einem Umweltskandal, ohne dies bis heute zu korrigieren. Die Zeitung legt Wert auf die Feststellung, dass die Kriterien einer Verdachtsberichterstattung erfüllt seien. Zudem bestehe ein hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an den Vorgängen um eine nicht genehmigte Entsorgung von Giftmüll. Der Autor der Beiträge habe einen Verdacht geschildert. Eine Vorverurteilung liege nicht vor. (2012)

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