Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Ein Auschwitz-Foto zum Mainzer Bahnchaos

Die Leserbriefseite einer überregionalen Zeitung steht unter der Überschrift „Bahnchaos in Mainz – Auf dem Abstellgleis“. Sie ist bebildert mit einem Foto, das eine Weiche zeigt. Im Hintergrund sind Absperrzäune zu sehen. Bildtext: „Um die richtigen Weichen zu stellen, braucht die Bahn Personal. Doch genau das fehlt der-zeit in Mainz.“ Ein Leser der Zeitung hält die Wahl des Symbolfotos für völlig unangemessen und wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Es sei im Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau aufgenommen worden und zeige eine historische Ansicht der KZ-Lagereinfahrt. Das Foto wecke grauenhafte Assoziationen. Der Presserat behandelt den Fall unter der Ziffer 1 des Pressekodex (Ansehen der Presse). Die Redaktion wurde gebeten, auch unter diesem Aspekt Stellung zu nehmen. Die Rechtsabteilung der Zeitung bestätigt: Das kritisierte Foto stammt aus dem Vernichtungslager Auschwitz/Birkenau. Dies habe sich erst nach der Veröffentlichung herausgestellt. Die Zeitung habe den Fehler der Bildredaktion am nächsten Tag den Lesern mitgeteilt. Die Rechtsabteilung hält die Beschwerde jedoch für unbegründet. Es sei unverständlich, gegen welche presseethischen Grundsätze verstoßen worden sei. Es habe sich um ein Versehen der Redaktion gehandelt, für das diese sich öffentlich entschuldigt habe.

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Bei einer Razzia im Bordell gestürzt

Die Regionalausgabe einer Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online über die Folgen einer Bordell-Razzia. Dabei wird ein LKA-Beamter laut Bericht schwer verletzt. Der fordert – so die Zeitung – vom Bordell-Betreiber 100.000 Euro Schmerzensgeld. Zum Artikel in der Printausgabe ist ein passbildgroßes Foto gestellt. Es ist teilweise gepixelt. Der Bildtext lautet: „Der LKA-Beamte Hellmut M. wurde bei dem Razzia-Unfall schwer verletzt.“ Die Geschäftsstelle des Presserats merkt an: „Online ist der Artikel in der vom Beschwerdeführer kritisierten Form nicht mehr erreichbar. Dort taucht der LKA-Beamte mittlerweile als `Daniel T.` im Text auf. Ein Foto von ihm ist nicht mehr zu sehen“. Der Beamte ist Beschwerdeführer. Er lässt sich von einem Anwalt vertreten, der die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten dadurch verletzt sieht, dass die Zeitung ihn identifizierbar darstellt. Dafür habe kein berechtigtes Interesse bestanden. Der Hintergrund der Durchsuchung stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Unfall des Beschwerdeführers. Der war während der Razzia auf der Suche nach K. o.-Tropfen durch ein Loch im Boden vier Meter tief abgestürzt und hatte sich dabei erheblich verletzt. Den Vorwurf der identifizierenden Berichterstattung weist das Justiziariat der Zeitung zurück. Es handele sich hier um einen höchst ungewöhnlichen Vorgang von erheblichem öffentlichem Interesse. Bei der Abwägung im Sinne der Ziffer 8 überwiege das öffentliche Interesse etwaige entgegenstehenden Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls insoweit, als dieser es hinnehmen müsse, dass über ihn mit mit abgekürztem Nachnamen und vollständig gepixeltem Foto berichtet werde.

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Einverständnis der Eltern ist entscheidend

Ein deutscher Student, Praktikant bei einer Bank, wird tot in seiner Londoner Wohnung aufgefunden. Die Onlineausgabe einer Boulevardzeitung nennt den jungen Mann „Moritz E. (21)“. Ein aus Facebook stammendes Foto illustriert den Beitrag. Dieser enthält Angaben zur Person und nennt Schulausbildung, Studienort und Universität. Die Zeitung berichtet, dass im Internet heftig über die Gründe seines Todes spekuliert werde. Dabei werde auch die Frage gestellt, ob sich der junge Mann totgearbeitet habe. Ein Nutzer der Internetausgabe sieht die Persönlichkeitsrechte des Studenten durch die detaillierten Angaben zur Person verletzt. Die Todesursache sei unklar. Der Fall sei nicht von so hohem öffentlichem Interesse, dass eine identifizierende Berichterstattung gerechtfertigt wäre. Die Rechtsabteilung des Verlages sieht im Gegensatz zum Beschwerdeführer durchaus ein hohes öffentliches Interesse. Bei dem Toten handele es sich um einen Elite-Studenten, der einen außergewöhnlichen Lebenslauf gehabt habe. Er sei sehr ehrgeizig gewesen. Ein Praktikum bei der weltweit agierenden Bank habe ein hohes Ansehen und sei nur sehr schwer zu erhalten. Viele ehrgeizige junge Menschen stellten sich genau diese Ziele, die Moritz E. erreicht habe. Diese jungen Menschen und ihre Familien könne man durch die Berichterstattung vor den möglichen Folgen warnen. Selbst wenn die konkrete Todesursache nicht auf die völlige Erschöpfung nach drei durchgearbeiteten Tagen und Nächten zurückzuführen wäre, so handele es sich doch um ein Gesellschaftsproblem, das für die Öffentlichkeit von hohem Interesse sei. Die personenbezogenen Daten, so die Rechtsvertretung weiter, stammten aus einem sozialen Netzwerk, das allgemein zugänglich sei. In diesem Netzwerk („Seelio“) gehe es den Nutzern um die Vermarktung der eigenen Person und eigener Arbeiten. Die Angaben in „Seelio“ seien also bewusst nicht für private Kontakte gedacht, sondern vor allem für potentielle Arbeitgeber und sonstige Interessierte. Entscheidend für die presseethische Zulässigkeit der veröffentlichten Daten sei, dass der Vater von Moritz E. sich gegenüber der Zeitung über den tragischen Tod seines Sohnes geäußert habe. Er habe somit die Berichterstattung in Wort und Bild nicht nur gebilligt, sondern aus eigenem Antrieb die Diskussion noch intensiviert.

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„Nicht so hängen lassen, Mädels!“

In einer Boulevardzeitung erscheint online ein Artikel unter der Überschrift „Nicht so hängen lassen, Mädels!“ Bebildert ist der Beitrag mit Paparazzi-Fotos von Lady Gaga, Courtney Love, Britney Spears und anderen Damen, auf denen jeweils der Busen in einem eher unvorteilhaften Moment zu sehen ist. Als sexistisch und würdelos kritisiert ein Leser der Zeitung die Kommentierung der Dekolletés von Lady Gaga und Co. Er sieht darin eine Schmähkritik, mit der presseethische Grundsätze verletzt würden. Der Justiziar der Zeitung hält die Beschwerde für abwegig. Über die Kommentierung der Bilder könne man geschmacklich streiten. Darin jedoch eine „Schmähkritik“ sehen zu wollen, sei mehr als fernliegend. Zu den Charakteristika des Boulevards gehöre eine prägnante, manchmal auch frech-provokative Sprache. Im vorliegenden Fall habe die Redaktion über prominente Frauen geschrieben, die sicher nicht in völliger Unkenntnis der medialen Auswirkungen in bestimmten Situationen fotografiert worden seien, sondern vielmehr bewusst in dieser Weise das Licht der Fotografen gesucht hätten. Mit anderen Worten: Die abgebildeten Damen nutzten gezielt die Präsentation ihres Körpers, um von sich Reden zu machen und ihren Bekanntheitsgrad – und damit letztlich auch ihre Verdienstmöglichkeiten – zu steigern. Der Justiziar zitiert aus einem Landgerichtsurteil: „Hat eine prominente Person ihre Brüste der Öffentlichkeit in verschiedenen Zusammenhängen bewusst präsentiert, kann sie eine Fotoveröffentlichung, die sie mit entblößter Brust in einer Zeitung zeigt, nicht im gleichen Maße als verletzend empfinden, wie jemand, der sich bislang nicht entsprechend zur Schau gestellt hat.“ Mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit müsse es – so die Zeitung – den Medien erlaubt sein, die freizügigen Auftritte der prominenten Damen in der vorliegenden Art zu kommentieren.

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„Ein ganz schön schlaffes Bild“

„Schlaffes Bild: Wem gehört denn dieser Hängebusen?“ – titelt die Online-Ausgabe einer Tageszeitung. Der Beitrag ist mit mehreren Fotos von Lady Gaga bebildert. Direkt unter der Überschrift ist ein Bild der Unterhaltungskünstlerin platziert, das ihr Dekolleté zeigt. Ihr Gesicht ist nicht zu sehen. Im Text heißt es: „Sie ist gerade mal 27 Jahre alt. Da wirken Brüste von Natur aus noch prall und fest. Doch bei dieser Promi-Lady geben die Brüste ein ganz schön schlaffes Bild ab.“ Und weiter: „Lady Gaga, die Inhaberin des Hänge-Busens, präsentiert ihr mageres Dekolleté oft und gerne.“ Eine andere Passage: „Auffallen um jeden Preis ist ganz ihr Ding – und zumeist lenkt die 27-Jährige ja auch mit üppigen Accessoires von ihren weniger üppigen Brüsten ab.“ Am Rande erwähnt wird ein neues Video von Lady Gaga. Ein Nutzer des Internetauftritts hält die Kommentierung des Dekolletés von Lady Gaga für herabsetzend, sexistisch und würdelos, auch wenn sie sich sonst freizügig präsentiere. Nach Meinung des Chefredakteurs der Zeitung habe die Veröffentlichung nicht gegen den Pressekodex verstoßen. Lady Gaga müsse es sich gefallen lassen, dass diese Details aus ihrer Intimsphäre öffentlich erörtert würden. Sie habe diese schließlich selbst in öffentlichen Auftritten preisgegeben. Die Dame spreche mit Vorliebe in der Öffentlichkeit über Sex, Liebhaber und sonstige Details aus ihrer Intimsphäre. Darüber trete sie in Videos und Showveranstaltungen knapp bekleidet oder auch nackt auf. Aktuell sei bei Youtube ein Video abrufbar, in dem Lady Gaga gänzlich unbekleidet im Wald zu sehen sei. Es sei geradezu zu ihrem Markenzeichen geworden, sich in extrem verrückten Outfits und hemmungslos in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Kommentierungen im kritisierten Bericht seien nicht herabwürdigend.

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Verdacht: Dateien wurden manipuliert

Der Chefredakteur einer Modellbauzeitschrift bekommt Post von einem Leser. Der will wissen, ob das Blatt Testberichte von bestimmten Produkten, die ihn interessieren, veröffentlichen wird oder ob die Redaktion die Absicht hat, solche Berichte künftig abzudrucken. Der Chefredakteur antwortet, eine Berichterstattung über diese Produkte habe es nicht gegeben und sei auch nicht beabsichtigt. Deren Hersteller würden in der Zeitschrift keine Anzeigen schalten. Die Zeitschrift stelle nur Produkte vor, mit deren Hersteller sie geschäftlichen Kontakt habe. Der Beschwerdeführer in diesem Fall ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das eines der Produkte herstellt, nach denen sich der Leser erkundigt hat. Er sieht in der vom Chefredakteur dargelegten Praxis eine Verletzung des Trennungsgrundsatzes nach Ziffer 7 des Pressekodex. Der Chefredakteur nimmt Stellung und äußert Zweifel an der Authentizität des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftverkehrs. Er könne sich „mit dem verwendeten Schreibstil nicht völlig identifizieren“. Er äußert den Verdacht, dass es sich möglicherweise um manipulierte Dateien handele. Grundsätzlich lässt er den Presserat wissen, dass er in seiner über 40-jährigen journalistischen Tätigkeit sich mehr als viele andere an die entsprechenden Grundsätze gehalten habe. Er sei stolz darauf, weder beeinflussbar noch käuflich zu sein. Faire, geradlinige und kritische Berichterstattung sei in seiner Zeitschrift Standard. Der Chefredakteur berichtet aus seiner Sicht über den Beschwerdeführer. Dieser sei Mitinhaber eines Modellbauonlineversandhandels und versuche seit längerer Zeit, die Zeitschrift zu zwingen, seine von ihm massenhaft als E-Mail versendeten Informationen abzudrucken. Dies geschehe auch mit zum Teil merkwürdigen „Rundumschlägen“ per E-Mail, in denen er immer wieder die „Modellbaupresse“ diffamiere oder zu seinen persönlichen Gegnern erkläre. Der Chefredakteur äußert den Verdacht, dass der Beschwerdeführer gefälschte E-Mail-Accounts benutze. So gesehen stelle sich die dem Presserat vorgelegte Mail in einem anderen Licht dar. Der vom Beschwerdeführer genannte „Leser“ sei weder im Internet noch sonst wo ausfindig zu machen. Mysteriös sei auch die angeführte E-Mail-Adresse. Abschließend spricht der Chefredakteur von einem massiven Versuch der Geschäftsschädigung. Er behalte sich juristische Schritte gegen den Beschwerdeführer vor.

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Den Tod eines Polizisten „ausgeschlachtet“

Der Freitod eines Polizeibeamten ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Unter der Überschrift „Todesdrama auf Polizeiwache“ berichtet das Blatt, man habe den Beamten, der jahrelang Leiter seiner Dienststelle gewesen sei, blutüberströmt auf der Wache gefunden. Neben ihm habe seine Dienstwaffe gelegen. Die Ermittler gingen von „Selbstmord“ aus. Kollegen hätten einen Abschiedsbrief gefunden. Die Zeitung erwähnt den Dienstgrad, den Vornamen und den abgekürzten Nachnamen sowie das Alter des Verstorbenen. Zudem wird der Name des Dienstortes mitgeteilt, einer Kleinstadt mit etwa 14.000 Einwohnern. Dem Artikel beigestellt ist ein verpixeltes Foto. Ein Leser der Zeitung ist der Ansicht, die Berichterstattung verstoße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Durch den Artikel werde der Tod des leitenden Polizeibeamten „ausgeschlachtet“. Sein Tod gehöre nicht in die breite Öffentlichkeit. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Die Redaktion sei sich bewusst, dass die Berichterstattung über Suizide grundsätzlich Zurückhaltung gebiete. So sei in der Redaktion über die Art der Veröffentlichung ausführlich diskutiert worden. In Abwägung der unterschiedlichen Interessen halte die Redaktion die schließlich gewählte Art der Berichterstattung – ausgesprochen zurückhaltend und sachlich neutral – nicht nur für zulässig, sondern mit Blick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sogar für geboten. Die Fakten seien gründlich recherchiert worden. Die Aussagen bezögen sich allesamt auf Erkenntnisse der Kriminalpolizei. Die Würde des Toten sei nicht verletzt worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung schließt insbesondere eine Verletzung der Richtlinie 8.7 aus. Die gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen sei durch den sachlich neutralen, zurückhaltenden Stil und den Verzicht auf die Nennung des vollen Namens des Beamten, sowie die Pixelung des Fotos eingehalten worden. Obwohl dem berichtenden Journalisten die Begleitumstände des Todes bekannt gewesen seien, habe er sie bewusst nicht in die Berichterstattung aufgenommen.

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Ein Sportlehrer unter schwerem Verdacht

In einer Regionalzeitung erscheinen zwei Beiträge mit den Überschriften „Kinderpornos: Lehrer sitzt in U-Haft“ und „Schock an der Schule: Ist unser Sportlehrer pädophil?“. Ein Lehrer wird der Verabredung zum sexuellen Missbrauch von Kindern und des Besitzes kinderpornografischer Schriften verdächtigt. Die Zeitung berichtet, der Mann sei in den USA festgenommen worden, nachdem er auf ein Lockangebot des FBI hereingefallen sei. Die zuständige Oberstaatsanwältin habe die Ermittlungen bestätigt, aber keine weiteren Angaben gemacht. Ob bei einer Durchsuchung der Wohnung des Lehrers belastendes Material gefunden worden sei, wollte die Vertreterin der Anklagebehörde nicht sagen. Nach Informationen der Zeitung hat die Schwester des Beschuldigten die Schulleitung über den Vorfall informiert. Die Redaktion erwähnt den Vornamen und den abgekürzten Nachnamen sowie das Alter des Sportlehrers. Sie nennt auch Namen und Ort der Schule und die von dem Lehrer unterrichteten Fächer. Er habe zwei Jahre lang an der Schule gearbeitet und lebe allein. Die Zeitung nennt auch Name und Ort der Schule, an der er vorher unterrichtet habe. Der Betroffene sieht einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Er sei durch die Berichterstattung in einer Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern leicht identifizierbar. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hätten keine Beweise für eine Straftat vorgelegen. Die sensationslüsterne Berichterstattung verletze den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Er selbst oder ein von ihm beauftragter Anwalt kämen in der Berichterstattung nicht zu Wort. Der Chefredakteur der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Fall die Berichterstattung rechtfertige. Die Persönlichkeitsrechte des Mannes seien durch die Abkürzung des Namens gegenüber allen Lesern gewahrt worden, die nicht der Schulgemeinschaft angehörten. Den Wohnort des Lehrers – er liege außerhalb des Schulstandortes - habe man nicht genannt. Die Redaktion habe sich auf einen Rundbrief des Schulleiters gestützt, der im Einvernehmen mit dem Landeskultusministerium unter Nennung des vollen Namens des Festgenommenen und des konkreten Tatvorwurfs über die Festnahme informiert habe. Mit diesem Schreiben sei die Identität des Beschuldigten bei Hunderten von Familien am Schulstandort und in dessen Umgebung bekannt gewesen. Angesichts des schweren Vorwurfes und der Notwendigkeit, Hinweise auf mögliche Straftaten des Lehrers zu erhalten, sei dies auch wichtig gewesen.

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Die Frau hätte nicht gezeigt werden dürfen

Eine Geiselnahme im Rathaus einer süddeutschen Stadt ist Thema eines Artikels in einer Regionalzeitung. Der Täter habe einem der Opfer zuvor monatelang nachgestellt. Er sei wegen Körperverletzung und Bedrohungsdelikten bekannt; in der Stadtverwaltung habe er Hausverbot. Der Oberstaatsanwalt habe mitgeteilt, dass der Geiselnehmer wenige Wochen vorher zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. Der Artikel enthält ein Foto, das laut Bildunterschrift eine der beiden befreiten Geiseln zeigt, eine junge Frau, die in eine Decke gehüllt ist. Ihr Gesicht ist eindeutig zu erkennen. Ein Leser der Zeitung vermutet, das Foto sei wohl heimlich aufgenommen worden. Von einer Zustimmung der Frau, das Foto aufzunehmen oder gar zu veröffentlichen, sei nicht auszugehen. Opfer von Straftaten seien keine Person des öffentlichen Lebens und somit besonders zu schützen. Es gebe auch kein berechtigtes Leserinteresse an Fotos von fremden und nicht öffentlichen Personen. Im Gegensatz zum Opfer werde der Täter nicht im Bild gezeigt. Der Beschwerdeführer sieht Verletzungen mehrerer Kodex-Ziffern. Der Chefredakteur der Zeitung hält eine Behandlung der Beschwerde nur im Zusammenhang mit der Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) für denkbar. Er gibt dem Beschwerdeführer insoweit Recht, als die im Bild gezeigte Geisel keine Person der Zeitgeschichte ist. Ziffer 8 schreibt fest, dass das Privatleben zu schützen sei. Über das Privatleben der abgebildeten Frau habe die Redaktion jedoch nicht berichtet. Der Redaktion sei es lediglich darum gegangen, durch Rückgriff auf das an diesem Tag bundesweit verbreitete Agentur-Bildmaterial, das Geschehen durch ein authentisches fotografisches Element zu illustrieren. Der Chefredakteur vertritt die Meinung, dass die Verwendung des Bildes, auch mit Blick auf seine kleinformatige und zurückhaltende Platzierung, nicht gegen presseethische Grundsätze verstoße.

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Politiker in Misskredit gebracht

„Wahlanalyse im Schneckentempo“ – so überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über das schlechte Abschneiden eines CDU-Kandidaten bei einer Landratswahl. Der Autor teilt mit, dass die nach der Wahl angekündigte parteiinterne Analyse auch sechs Monate später noch nicht vorgelegt worden sei. Im Bericht ist von einer Fußverletzung des gescheiterten Kandidaten die Rede, die sich dieser nach eigenen Angaben beim Joggen zugezogen habe. Mittlerweile verdichteten sich jedoch die Anzeichen, dass die Verletzung von einem Fallschirmsprung stamme. Da könne es nicht verwundern, so die Redaktion, dass „die Glaubwürdigkeit des Kandidaten bis ins Mark erschüttert sei“. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Zeitung die politische Glaubwürdigkeit des Politikers in Frage stelle, indem sie auf die unklare Ursache einer Verletzung hinweise. Die Berichterstattung sei herabwürdigend und verletze das Persönlichkeitsrecht des Mannes. Der Chefredakteur sieht in dem Bericht kein Fehlverhalten seiner Redaktion. Wenn der Autor „das öffentliche Kaschieren“ der Verletzungsursache kritisch hinterfrage, so sei dies sowohl mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit vereinbar wie auch von der öffentlichen Aufgabe der Medien gedeckt. Es gehöre zu den Aufgaben der Medien, sich fundiert kritisch mit Vorgängen im politischen Leben zu befassen. Die Information, dass die Verletzung des gescheiterten Kandidaten auf ein Malheur beim Fallschirmspringen zurückzuführen sei, stamme aus glaubwürdiger Quelle. Sie stehe im Widerspruch zu der Darstellung, die Verletzung sei beim Joggen entstanden. Der Chefredakteur rundet seine Stellungnahme mit der Anmerkung ab, der Politiker selbst habe zu keiner Zeit der Darstellung im Artikel widersprochen noch rechtliche Schritte gegen die Zeitung eingeleitet. Eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sei daher nicht zu erkennen.

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