Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Erfahrungen am Rand der „Wagenburg“

Eine Sinti-Gruppe hat sich mit etwa 30 Wohnwagen auf dem Schützenplatz einer Stadt niedergelassen. Darüber berichtet die örtliche Zeitung. Viele Touristen überlegten es sich mittlerweile zweimal, ehe sie ihren Wohnwagen in der Nachbarschaft der „Wagenburg“ abstellen. Die klassischen Camping-Gäste seien verunsichert. Die Redaktion berichtet von einem campenden Ehepaar, das nach eigener Darstellung schon viele schlechte Erfahrungen gemacht hat. Der Mann berichtet, dass Gräben und Gebüsch oft als Toiletten missbraucht würden. Am schlimmsten sei der überall herumliegende Müll. Eine Vertreterin der Stadt äußert sich ebenfalls. In der Verwaltung habe man nichts dagegen, dass die Sinti auf dem Platz campierten. Weder habe man dort schlechte Erfahrungen gemacht noch irgendwelche Beschwerden erhalten. Ein Leser der Zeitung hält den Bericht für diskriminierend nach Ziffer 12 des Pressekodex. Es sei offensichtlich überhaupt nichts passiert. Trotzdem werde den Sinti eine für den städtischen Tourismus schädigende Wirkung nachgesagt. Auch die Aussage eines Campers, Gräben und Gebüsch würden als Toiletten missbraucht, schiebe man den Sinti in die Schuhe. Der Chefredakteur der Zeitung entgegnet, der kritisierte Beitrag arbeite nicht mit rassistischen Stereotypen. Die Redaktion habe vielmehr die Stimmungslage auf dem bei Touristen beliebten Schützenplatz wiedergegeben. Dies sei legitim. Die Zeitung habe dargestellt, warum sich zum fraglichen Zeitpunkt kaum andere Touristen auf dem Platz aufhielten.

Weiterlesen

Der vermeintliche Tod eines Sportlers

Der vermeintliche Tod eines populären Sportlers ist Thema in einer Regionalzeitung. In einer ersten Meldung wird mitgeteilt, dass der Mann bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt sei. Am nächsten Tag berichtet die Zeitung, der Sportler liege im Koma. Er habe den Unfall zwar überlebt, aber schwere Hirnverletzungen erlitten. Zugleich weist die Zeitung darauf hin, dass andere – nicht näher genannte – Medien anfangs ebenfalls „übereinstimmend“ berichtet hätten, der Mann sei gestorben. Einige Wochen später veröffentlicht die Zeitung eine Richtigstellung. Danach befindet sich der Verunglückte auf dem Wege der Besserung und wird nach Angaben seiner Familie wieder völlig gesund werden. Der Schwager des Mannes beklagt in seiner Beschwerde an den Presserat, dass der erste Bericht aus der Luft gegriffen gewesen und der zweite in jeder Hinsicht unwahr sei. Der Sportler habe nie schwere Hirnverletzungen erlitten. Die Behauptung der Zeitung, andere Medien hätten den Tod des Verunglückten gemeldet, sei ebenfalls falsch. Die Familie sei mit Beileidsbekundungen überhäuft worden. Sie warte noch immer auf eine Richtigstellung und Entschuldigung der Redaktion. Der Beschwerdeführer sieht schwere Verstöße gegen den Pressekodex. Ein Vertreter der Zeitung teilt mit, die Redaktion sei auf den angeblichen Tod des Sportlers „aufgrund mehrerer übereinstimmender Veröffentlichungen im Internet“ gestoßen. Auf diese Quellen habe die Redaktion verwiesen. Man habe sich beim Beschwerdeführer mehrmals telefonisch entschuldigt. Eine Woche später habe die Zeitung eine Klarstellung über den Gesundheitszustand des Verunglückten abgedruckt, die mit dem Beschwerdeführer abgestimmt worden sei. Autorisiert habe dieser die Zeilen trotz eines entsprechenden Angebots nicht. Die Zeitung schließt ihre Stellungnahme mit dem Hinweis, es stimme nicht, dass die Familie bis heute vergeblich auf eine Richtigstellung warte. Jedoch sei eine „sachliche Kontaktaufnahme“ zu den Angehörigen „auch seitens der Chefredaktion“ nicht möglich gewesen. Das bedauere man sehr. Inhaltlich kann die Zeitung nicht erkennen, welche weitere Korrekturen oder Anmerkungen sie hätte vornehmen können.

Weiterlesen

Intimsphäre eines Opfers nicht beachtet

Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online über ein Tötungsdelikt. Eine Frau sei im Treppenhaus eines Wohnhauses auf eine Blutspur gestoßen. Diese habe von der Wohnung einer Bolivianerin bis zur Haustür gereicht. In der Wohnung habe das fünf Monate alte Baby der Frau geschrien. Die Zeitung berichtet, mutmaßlicher Täter sei der Ex-Freund des Opfers, ein Geschäftsmann, der von seiner Frau getrennt lebe. Der Mann sei mit der Bolivianerin liiert gewesen und wohl auch der Vater des Babys. Der Artikel enthält ein Foto vom mutmaßlichen Täter und dem Opfer aus einem gemeinsamen Urlaub. Lediglich in der Online-Ausgabe ist das Foto des Mannes gepixelt. Die Printausgabe enthält zusätzlich ein Foto von Mutter und Tochter, auf dem das Gesicht des Kindes gepixelt ist, sowie eine Aufnahme vom Eingang des mit voller Adresse genannten Hauses. Es zeigt, wie drei Männer einen Leichensack wegtragen. Gedruckt und Online veröffentlicht die Zeitung das Faksimile eines Briefes, den der mutmaßliche Täter an der Außenfensterscheibe der Wohnung des Opfers angebracht hatte. Darin bittet er das Opfer, ihm die gemeinsame Tochter zu überlassen. Die Darstellung der Beteiligten, die mehrfach unverfremdet gezeigt werden, veranlasst einen Journalisten, sich mit einer Beschwerde an den Presserat zu wenden. Er sieht die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt. Das Opfer sei keine Person der Zeitgeschichte, was eine identifizierende Darstellung unter Umständen erlaubt hätte. Der genannte Vorname des Opfers sei in Deutschland so selten, dass eine Identifizierung leicht möglich sei. Auch das Kind werde – leicht verfremdet, aber erkennbar – im Bild gezeigt. Schließlich sei es presseethisch zu beanstanden, einen privaten Brief komplett und lesbar im Faksimile abzudrucken. Der Justitiar der Zeitung beruft sich auf das nach seiner Meinung bestehende erhebliche öffentliche Informationsinteresse an dem Familiendrama. Der mutmaßliche Täter habe das Verbrechen gestanden, so dass das Argument der Unschuldsvermutung nicht greife. Die Veröffentlichung seines unverpixelten Fotos sei nicht zu beanstanden. Als mutmaßlicher Totschläger oder Mörder sei er eine Person der Zeitgeschichte, die eine identifizierende Berichterstattung hinnehmen müsse. Das Foto des Kindes wurde nach Ansicht des Justitiars ausreichend verfremdet. Einem Opfer ein Gesicht zu geben – wie im Fall der Getöteten geschehen – verleihe der Berichterstattung über ein Tötungsdelikt mehr Authentizität und mache die Tragweite der Tragödie anschaulicher. Der von der Zeitung veröffentlichte Brief sei vom Verfasser im Fenster der Wohnung des Opfers bewusst so platziert worden, dass er öffentlich werden musste. Es handele sich also nicht um einen rein privaten Brief, der dem Einblick Dritter in der Regel nicht zugänglich sei. Da das Schreiben den Hintergrund der Tat beleuchte, bestehe an ihm ein öffentliches Interesse.

Weiterlesen

Bankname neunmal in einem Artikel

„250 Angebote auf einen Schlag“ titelt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Sie beschreibt Aktivitäten einer Großbank. Diese bietet gemeinsam mit einer Internet-Plattform Beratungen zur Immobilienfinanzierung an, ohne dass die Kunden dann auch die Finanzierung bei der Bank in Anspruch nehmen müssen. Das Geldinstitut wird in dem Artikel insgesamt neunmal beim Namen genannt. Eine Sparkasse in Norddeutschland wird zweimal mit Namen erwähnt – als Beispiel für einen Kreditanbieter. Deren Service wird in dem Beitrag jedoch nicht mit dem der mehrmals genannten Bank verglichen. Ein Nutzer der Online-Ausgabe kritisiert eine Verletzung der Richtlinie 7.2 des Pressekodex (Schleichwerbung). Eine sachliche Darstellung hätte nach seiner Auffassung die Möglichkeiten einer Baufinanzierung im Internet aufgelistet und vermerkt, dass einige lokale Banken mit den Internetanbietern zusammenarbeiten und damit mehr Service bieten. Der Redaktionsleiter der Zeitung teilt die Ansichten des Beschwerdeführers nicht und weist darauf hin, dass dieser das Wesen lokaler Informationen verkenne. Wer fordere, eine lokale Information über Baufinanzierung im Internet müsse die gesamte Information des Netzes zu diesem Thema auflisten, könne dies auch zu jedem anderen Thema verlangen. Das sei aber von einer Redaktion nicht leistbar. Der beanstandete Artikel, so der Redaktionsleiter weiter, sei geschrieben worden, weil es ungewöhnlich sei, dass ein Geldinstitut auf Angebote seiner Konkurrenten hinweise. Er kommt zu dem Schluss, dass dies hier kein Fall von Schleichwerbung sei. Die Zeitung habe einfach eine für die Verbraucher interessante Information veröffentlicht.

Weiterlesen

Artikel wie aus einem Werbe-Katalog

Die Online-Ausgabe einer Zeitschrift stellt unter der Rubrik „Outdoorteil der Woche“ die Stirnlampe eines bestimmten Herstellers vor. Der Preis der Lampe wird ebenso genannt wie die Website des Unternehmens. Ein Leser des Blattes sieht den Grundsatz der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex verletzt. Die Veröffentlichung wirke wie ein redaktioneller Beitrag. Eine Kennzeichnung als Anzeige finde nicht statt. Der Redaktionsleiter spricht von der Rubrik „Outdoorteil der Woche“ als einem Service für die Nutzer. Die Auswahl der darin vorgestellten Produkte werde von der Redaktion getroffen, die den Lesern nützliche Gegenstände für den Aufenthalt im Freien präsentiere. Im Fall der Stirnlampe habe sich die Redaktion nach eigenem Ermessen für die Veröffentlichung entschieden. Der Hersteller habe darauf keinen Einfluss gehabt. Die Darstellung im Text sei sachlich und habe keinen anpreisenden Charakter. Der Redaktionsleiter sieht keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Die Zeitschrift werde deshalb auch künftig so verfahren.

Weiterlesen

Abdruck des Fotos ist nicht zulässig

„Das ist der Peiniger von Rebecca (17)“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um einen Mann, der ein Mädchen entführt und mehrfach vergewaltigt hatte. Über ihn wird berichtet, dass er fast die Hälfte seines Lebens im Gefängnis verbracht, die Schule und eine Ausbildung abgebrochen, Drogen genommen und zu viel Alkohol getrunken habe. „Mario B.“ – Spitzname „Peppi“ – habe bereits im Alter von 14 Jahren ein Mädchen vergewaltigt. Die Zeitung berichtet, der Mann sei im August 2011 freigekommen und habe eine Kochlehre begonnen, diese jedoch wiederum abgebrochen. Später habe er einen Nachbarn mit einem Schlagring verprügelt. Das Opfer Rebecca habe Mario B. mit seinem Fahrrad angefahren. Er habe das Mädchen mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Er habe es gezwungen, mit ihm nach Hause zu gekommen. Dort habe er Rebecca gefesselt und immer wieder vergewaltigt. Nach Darstellung der Zeitung wurde der Mann dem Haftrichter vorgeführt. Er habe die Entführung gestanden. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Dem Artikel ist eine Fotostrecke beigefügt. Diese enthält eine Aufnahme des mutmaßlichen Täters im Profil. Er ist mit einer Kochjacke bekleidet. Ein Nutzer des Internet-Portals sieht Ziffer 8 des Pressekodex verletzt. Auch ein Straftäter habe ein Recht auf Privatsphäre und am eigenen Bild. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe der Betroffene die Entführung und mehrfache Vergewaltigung des Opfers bereits gestanden. Die Auffassung des Beschwerdeführers zur Veröffentlichung des Fotos stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung. So habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass, wer den Rechtsfrieden breche, grundsätzlich dulden müsse, dass das von ihm erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt werde. Auch und gerade im Hinblick auf das zum Zeitpunkt der Berichterstattung bereits abgelegte umfassende Geständnis sei die Veröffentlichung des Bildes nicht zu beanstanden. Es entspreche ständiger Spruchpraxis des Presserats, dass bei einem vorliegenden Geständnis auch identifizierend über Straftäter berichtet werden dürfe. Die Rechtsabteilung erinnert hierzu an die Entscheidung B 54/97. Abschließend verweist der Verlag auf die „besonderen Begleitumstände“ im Sinne der Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex, die in diesem Fall zweifelsfrei vorlägen.

Weiterlesen

„Bösartige Fehlinterpretation“

Nach einem Fußball-Länderspiel Schweden-Deutschland veröffentlicht eine Zeitung unter der Überschrift „Entsetzen nach der Gala“ ein Foto. Es zeigt, wie Miroslav Klose beginnt, sich das Trikot über den Kopf zu ziehen. Bildtext: „Zum Wegducken: Deutschlands doppelter Torschütze Miroslav Klose wollte sich nach dem 4:4 gegen die Schweden nur noch verstecken.“ Ein Leser der Zeitung vermutet einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Er sieht die Bildunterschrift als eine „bösartige Fehlinterpretation“ und eine „mutwillige bösartige Verfälschung“. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe das Bild ausgewählt, um der Enttäuschung und Fassungslosigkeit nach einem vergebenen 4:0-Vorsprung Ausdruck zu verleihen. Die Bildunterschrift treffe insoweit zu, als sich jeder deutsche Spieler nach der Blamage am liebsten versteckt hätte. Auch Miroslav Klose habe nach dem Spiel trotz seiner zwei Tore nicht glücklich sein können. Schließlich habe die Redaktion auch nur geschrieben, dass sich Klose verstecken wollte und nicht verstecken musste.

Weiterlesen

Wunderschöne Sonnenuntergänge im Angebot

Der geplante Neubau von drei Häusern mit Eigentumswohnungen ist Thema in einer Regionalzeitung. Der Verkaufsleiter des Bauträgers kommt zu Wort. Er betont, dass die Süd-West-Ausrichtung der Häuser „wunderschöne Sonnenuntergänge“ verspreche. Weiterhin ermögliche die Topografie des Grundstücks einen „tollen Ausblick“ in die Landschaft. Am Ende zitiert die Zeitung den Vertreter der Immobilienfirma, wonach es schwierig sei, eine Fläche wie diese zu finden. Sein Unternehmen jedoch sei “natürlich trotzdem auf der weiteren Suche“. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht in dem Beitrag Schleichwerbung für das Immobilienprojekt. Die Aussage, dass die Ausrichtung der Häuser wunderschöne Sonnenuntergänge verspreche, sei reine Werbung. Kritische Anmerkungen suche man in dem Artikel vergebens. Der stellvertretende Chefredakteur teilt mit, der kritisierte Beitrag sei von einem freien Mitarbeiter geschrieben worden. Es sei richtig, dass einige Angaben der Immobilienfirma unkritisch übernommen worden seien. Grundsätzlich müssten Artikel von freien Mitarbeitern von dem jeweils zuständigen Redakteur freigegeben werden, um derartige Fehler zu vermeiden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe dieser sonst eingespielte Mechanismus im vorliegenden Fall nicht funktioniert. Man habe den Fall zum Anlass genommen, alle Redakteure erneut für das Thema zu sensibilisieren.

Weiterlesen

Einem Menschen den Tod gewünscht

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Zeitung beschäftigt sich in einer Kolumne mit der Funktion und den Aufgaben eines Ausländerschutzbeauftragten. Hier eine Passage aus dem Beitrag: „So etwa die oberkruden Ansichten des leider erfolgreichen Buchautors Thilo S., den man, und das nur in Klammern, auch dann eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur nennen darf, wenn man weiß, dass dieser infolge eines Schlaganfalls derart verunstaltet wurde und dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.“ Die Kolumne schließt mit diesem Hinweis: „Korrektur: Die halbseitige Gesichtslähmung des erfolgreichen Buchautors Thilo S. ist nicht auf einen Schlaganfall zurückzuführen, sondern die Folge einer Operation, bei der ihm ein Tumor am Ohr entfernt wurde.“ 25 Beschwerdeführer kritisieren in erster Linie eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde). Einige von ihnen begründen ihre Beschwerde mit der von ihnen vermuteten Verletzung weiterer Ziffern des Pressekodex. Tenor der meisten Beschwerden: Der Autor verletze die Menschenwürde eines namentlich genannten Menschen dadurch, dass er diesem einen tödlichen Schlaganfall wünsche. Das sei menschenverachtend. Die Berichterstattung sei zudem beleidigend, ehrverletzend und diskriminierend. Einige Beschwerdeführer kritisieren auch einen Verstoß gegen das sittliche Empfinden. Der Justitiar der Zeitung weist darauf hin, dass in dem Beitrag von einem Thilo S. die Rede gewesen sei und nicht von Dr. Thilo Sarrazin. Sofern man in diesem anonymisierten Namen unbedingt Thilo Sarrazin erkennen möchte, habe dieser grundsätzlich kein Problem damit, dass seit Jahren fortgesetzt über seine Erkrankung berichtet werde. In einer Berichtigung habe die Zeitung klargestellt, dass Sarrazin keinen Schlagfanfall erlitten habe. Vielmehr sei seine rechte Gesichtshälfte aufgrund der Entfernung eines Tumors gelähmt. Diesen Fehler bitte die Zeitung zu entschuldigen. In einer ergänzenden Stellungnahme teilt der Autor des kritisierten Beitrages mit, dass es sich bei der von den Beschwerdeführern geäußerten Deutung, er wünsche einem gewissen Thilo S. den Tod, um „eine fernliegende Auslegung“ seines Beitrages handele. Die Redaktion hält im Übrigen an ihrer Auffassung fest, dass – sofern Thilo S. nach Auffassung einiger Leser identisch mit Thilo Sarrazin sein sollte – dieser sich die Berichterstattung gefallen lassen müsse. Dies deshalb, da er zunächst seine körperlichen Leiden der Öffentlichkeit präsentiert und anschließend seine berufliche Existenz darauf aufgebaut habe, abenteuerliche Theorien zu entwickeln, in denen er breite Bevölkerungsgruppen vornehmlich aufgrund ihres ethnischen oder religiösen Hintergrundes diffamiere. Mit der sprachlich drastischen, aber in diesem Fall zulässigen Zuspitzung sollte ein bei Thilo Sarrazin zutage tretender Widerspruch verdeutlicht werden. Einerseits habe dieser quasi gottgewollte Eigenschaften willkürlich geschaffener Minderheiten herbeigeschrieben. Andererseits gehöre er als seinerzeit schwer Erkrankter und davon dauerhaft Gezeichneter selbst einer Minderheit an. Er fordere vorurteilslose Rücksichtnahme ein, die er anderen gegenüber nicht zu üben bereit ist.

Weiterlesen

„Die stehen ganz, ganz weit rechts“

Die Online-Ausgabe einer Wochenzeitung berichtet unter der Überschrift „Rechtes Netzwerk in Österreichs Kasernen“ über einen Fallschirmspringerverein ehemaliger und gegenwärtiger Soldaten im Alpenland. Der private Verein aus Militärs und Polizisten übe das Schießen und gedenke der „Helden von Wehrmacht und Waffen-SS“. Auch deutsche „Kameraden“ seien mit von der Partie, schreibt die Zeitung weiter. Im Artikel wird der Präsident des Militär-Fallschirmspringer-Verbundes Ostarrichi (Milf-O) mit den Worten zitiert: „Wir sind ein ganz privater Verein und möchten den jungen Soldaten Fallschirmspringen als Abenteuer anbieten“. Im österreichischen Verteidigungsministerium sei man alarmiert. Der Milf-O sei auch dort einschlägig aufgefallen. Die Zeitung zitiert einen „hochrangigen deutschen Bundeswehrangehörigen“: „Die stehen ganz, ganz weit rechts“. Der Beschwerdeführer – es ist der Präsident des Milf-O - sieht mit dem Beitrag gleich mehrere Grundsätze des deutschen Presserechts verletzt. Für die Zeitung nimmt deren Rechtsberater Stellung. Der Satz im Beitrag, wonach man im österreichischen Verteidigungsministerium alarmiert sei, sei eine Bewertung der Tatsache, dass der österreichische Verteidigungsminister im Hinblick auf die Einladung des Milf-O zu einem internationalen Hochgebirgsmarsch eine Weisung erteilt habe, die u. a. die Teilnahme von Soldaten im Dienst und das Tragen von Uniformen verbietet. Die Weisung habe auch Unterstützungsleistungen des Bundesheeres untersagt und ausländischen Soldaten den Aufenthalt in Uniform nicht gestattet. Eine solche Weisung sei nicht üblich und werde nur selten erteilt. Sie beziehe sich ausdrücklich auf den „Militär Fallschirmspringer Verbund Östarrichi“. Zum Beleg der Äußerung „Denn der Milf-O (…) ist bereits in den vergangenen Jahren einschlägig aufgefallen“, verweist der Rechtsanwalt auf eine Stellungnahme des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes zur Person des Beschwerdeführers als dem Vorsitzenden des Milf-O. Daraus gehe hervor, dass der Beschwerdeführer schon vor Jahren eine rechtfertigende Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg und eine offenbare Identifikation mit der Propaganda im Ostfeldzug als Kampf gegen den Bolschewismus an den Tag gelegt habe. Im Jahr 2007 habe er eine Kampagne gegen die Seligsprechung des im Jahr 1943 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilten Widerstandskämpfers Franz Jägerstätter unterstützt. Die Äußerung des Beschwerdeführers, der Verein gedenke keiner „Helden der Wehrmacht und der Waffen-SS“, kontert der Rechtsanwalt mit dem Hinweis, dass der Milf-O zur „Heldengedenkfeier“ im Jahr 2011 eingeladen habe. An diesem Tag habe man des „heldenhaften Einsatzes der Fallschirmjägertruppe bei der Rückeroberung Feldbachs in der Osterwoche 1945“ gedenken wollen. Daran seien Wehrmachtsangehörige und SS-Truppen beteiligt gewesen.

Weiterlesen