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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

„Die kleinen Augen wirken kalt“

„Verriet das Handy Mircos Killer?“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Bericht über die erfolgreiche Suche der Polizei nach einem Mann, dem die Tötung eines Zehnjährigen vorgeworfen wird. Dem Bericht ist ein Bild des Verdächtigen beigestellt. Es ist ungepixelt. Der Bildtext: „Auf dem Foto aus dem Knast wirkt Mircos Killer aufgedunsen, hat die Lippen aufeinander gepresst. Die kleinen Augen wirken kalt, blicken teilnahmslos in die Kamera“. Ein Leser übt Kritik daran, dass die ungepixelte Darstellung des mutmaßlichen Täters gegen dessen Persönlichkeitsrechte verstoße. Der Mann sei klar zu identifizieren. Die Bildunterschrift spreche von purer Sensationslust. Die Zeitung – so der Beschwerdeführer weiter – mache sich auch der Vorverurteilung schuldig, wenn sie den Mann als „Mircos Killer“ bezeichne. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf besondere Umstände im „Fall Mirco“. Der Fall habe bundesweites Interesse gefunden. Nach der Entführung des Kindes habe die Polizei den Täter in ganz Deutschland gesucht. Es sei eine der größten Suchaktionen in der deutschen Kriminalgeschichte gewesen. Schließlich sei ein 45-jähriger Familienvater festgenommen worden, der den Jungen sexuell missbraucht und dann getötet habe. Die Öffentlichkeit stelle sich die Frage, warum ein treusorgender Familienvater einen wehrlosen Jungen getötet habe. Vor diesem Hintergrund habe ein überragendes Informationsinteresse am Abdruck des Fotos bestanden. Ein entscheidender Grund für diese Art der Berichterstattung sei das umfassende Geständnis gewesen, das der mutmaßliche Täter abgelegt habe. Mit Blick auf die Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) weist die Zeitung daraufhin, dass die Presse eine Person als Täter bezeichnen dürfe, wenn ein Geständnis abgelegt sei und zudem Beweise gegen sie vorlägen. Beides sei im „Fall Mirco“ der Fall gewesen. Den Vorwurf, mit der Bildunterschrift gegen Ziffer 1 des Pressekodex zu verstoßen, weist die Rechtsabteilung zurück. Eine unangemessen sensationelle Darstellung liege nicht vor. Die Redaktion habe lediglich wiedergegeben, wie das veröffentlichte Foto des Tatverdächtigen auf sie gewirkt habe. (2011)

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Lehrer muss sich wegen Missbrauchs verantworten

„Lehrer sitzt in U-Haft“ und „Pädagoge soll elfjähriges Mädchen belästigt haben“ – unter diesen Überschriften berichtet eine Regionalzeitung über einen 48-jährigen Lehrer, der wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Mädchens in Untersuchungshaft sitzt. Die Zeitung berichtet, der Vorfall habe sich in einem Schwimmbad abgespielt. Sie nennt den Ort, aus dem der Mann kommt und wo er heute in einer Zweitwohnung lebt. Der Lehrer unterrichte an einer bestimmten Schule mit angeschlossenem Internat. Mit Missbrauchsfällen in deren Umfeld sei er nicht in Verbindung zu bringen. Die Mitarbeitervertretung der Schule sieht diese durch die Berichterstattung in Verruf gebracht. Die angebliche Tat habe nicht in der Schule, sondern in einem Schwimmbad stattgefunden. Trotzdem werde jedoch die Schule genannt und mit dem Hinweis auf das Internat, eine von der Schule getrennte Einrichtung, in Verbindung gebracht. Außerdem sei der betreffende Lehrer durch detaillierte Angaben identifizierbar gemacht worden. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass der Beschwerdeführer die Darstellung des Sachverhalts in den Beiträgen nicht bestreite. Gleichzeitig betont sie, dass der betreffende Pädagoge nach derzeitigem Kenntnisstand wegen des Vorfalls angeklagt und rechtskräftig verurteilt worden sei. Dem Mann sei bereits Wochen vor Prozessbeginn von der Schule gekündigt worden. Unabhängig vom konkreten Fall sei er schon ein Jahr zuvor in einem Schwimmbad aufgefallen, wo er sich Kindern genähert haben soll. Bereits damals sei er von der Kriminalpolizei vernommen worden. Der Schule sei auch bekannt, dass der Mann eine Sexualtherapie begonnen habe. Die Rechtsabteilung argumentiert weiter, die Redaktion habe auf die Nennung des Namens des Betroffenen verzichtet. Die kritisierte Veröffentlichung von Einzelheiten sei gerechtfertigt, da ein dringender Tatverdacht vorgelegen habe. Dieser habe zur Untersuchungshaft geführt. Hinzu komme ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesem Fall, da es im Nachbarinstitut der Schule, dem Internat, in der jüngeren Vergangenheit Missbrauchsfälle gegeben habe. (2011)

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Die Leser hätten informiert werden müssen

Unter der Überschrift „Grundrecht gebrochen“ kommentiert eine Regionalzeitung den Beschluss eines Studentenparlamentes, das Studenten verboten habe, für die studentischen Medien zu arbeiten. Der Kommentator sieht Parallelen zu den umstrittenen Beschlüssen zur Beschränkung der Pressefreiheit in Ungarn. Die Zeitung informiert am Ende des Kommentars darüber, dass der Autor an der Uni studiert, über deren Studentenparlament er schreibt. Eine Leserin wirft der Zeitung vor, dass der Kommentator eine Praxis beschreibe, von der der selbst als Einziger betroffen sei. Es handele sich um den ehemaligen Chefredakteur des studentischen Monatsmagazins, dem ein Publikationsverbot auferlegt worden sei, weil er sich gegenüber einem AStA-Referenten öffentlich falsch verhalten habe. Das Verbot sei nach einer Woche wieder aufgehoben worden. Es sei ein Unding, dass die Zeitung den Kommentar abdrucke, ohne den Hintergrund des Autors zu überprüfen und zu erläutern. Dadurch sei die Glaubwürdigkeit, die Objektivität und die Sorgfaltspflicht -der Zeitung in Frage gestellt worden. Die Zeitung lässt den Autor auf die Beschwerde antworten. Er bestätigt, dass er in Folge einer privaten Auseinandersetzung vom Studierendenparlament mit einem Publikationsvorbehalt belegt worden sei. Dieser sei von der Rechtsabteilung der Universität zurückgewiesen worden. Seine Beiträge hätten veröffentlicht werden können. Daraufhin sei der Vorbehalt vom Studierendenparlament durch eine Rüge und den folgenden Beschluss ersetzt worden: „Das Studierendenparlament erwartet, dass für die …-Medien nur Redakteure schreiben dürfen, die die grundsätzliche Ausrichtung der Studentenschaft teilen“. Sein Kommentar – so der Autor weiter – habe sich nur auf diesen Satz des neuen Beschlusses bezogen. Beispielsweise dürfe ein Student nicht mehr in einem studentischen Medium für Studiengebühren argumentieren, da sich die Studierenden gegen sie positioniert hätten. Ziel sei es gewesen, auf diesen Umstand kritisch hinzuweisen. Die Chefredaktion ergänzt die Stellungnahme mit der Information darüber, dass es sich in diesem Fall um Beiträge handele, die ausschließlich von Studenten geschrieben würden. Die subjektive Sicht der Dinge sei beabsichtigt. (2011)

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Ein Bürgermeister geht auf Tauchstation

Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein fiktives Interview mit dem Bürgermeister einer Stadt im Verbreitungsgebiet. Nachdem dieser wieder einmal nicht für ein Gespräch zur Verfügung stand, habe die Redaktion die eigentlich an das Stadtoberhaupt gerichteten Fragen selbst beantwortet. Der verantwortliche Redakteur sagt dazu: „Dabei legten wir bekannte Tatsachen zugrunde und nutzten frühere Aussagen (…).Manche Antworten in unserem fiktiven Interview ergeben sich indes aus einem logischen Zusammenhang.“ Ein Leser hält es für einen Verstoß gegen den Pressekodex, wenn eine Zeitung ein fiktives Interview mit einer real existierenden Person veröffentlicht. Nach Darstellung des Chefredakteurs geht es um eine Ferienanlage, ein ehrgeiziges Projekt des Bürgermeisters. Bei diesem Thema sei die Leserschaft seit Jahren in Befürworter und Gegner gespalten. Im Lauf der Zeit habe sich herauskristallisiert, dass sich wohl kein Investor für das Projekt finden werde. Je düsterer die Lage geworden sei, umso mehr sei der Bürgermeister der Redaktion gegenüber auf Tauchstation gegangen. Interviews seien erst zu- und dann wieder abgesagt worden. Schriftlich eingesandte Fragen seien unbeantwortet geblieben. Die Redaktion habe sich schließlich zu dem fiktiven Interview entschlossen, das die unbeantworteten Fragen habe dokumentieren sollen. Der Antwortpart des Bürgermeisters wäre dann mit sattem Weißraum zu erkennen gewesen, um dessen Sprachlosigkeit zu dokumentieren. Alternativ habe es den Plan gegeben, die sich am meisten aufdrängenden Fragen zum Thema aufzulisten und aus dem Kenntnisstand der Redaktion zu beantworten. Im Laufe des Produktionstages seien beide Stilformen von der Redaktion vermischt worden und dann – in Überschrift und Vorspann eindeutig ausgewiesen – als fiktives Interview veröffentlicht worden. Von vielen Lesern sei diese Form akzeptiert worden. Andere hätten empört reagiert. Die Zeitung habe sich noch am Erscheinungstag in ihrer Online-Ausgabe und tags darauf in allen Printausgaben entschuldigt. Der Chefredakteur spricht von einem Fehler, den die Redaktion gemacht habe. Auch habe es ein Kommunikationsproblem zwischen Lokal- und Chefredaktion gegeben. Der Chefredakteur stellt fest, dass er nur die Version ohne Antworten gesehen habe. Er halte beide Versionen für statthaft, aber auch ein wenig frech. Das komplett fiktive Interview gehe ihm zu weit, selbst wenn es als solches kenntlich gemacht worden sei. Es sei jedenfalls kein Stilmittel, das die Zeitung künftig wieder nutzen werde, sondern Ergebnis einer Panne und als solche für die Redaktion abgehakt. (2011)

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Interview-Mittelpunkt: Der Brotaufstrich

Ein Spieler der Fußball-Bundesliga verbringt fünf Tage in Südafrika, um dort einen Werbespot zu drehen. Das beworbene Produkt ist ein Brotaufstrich. Eine Boulevardzeitung führt mit dem Spieler in Spanien ein Interview. Dabei wird der Brotaufstrich in der Überschrift und im Text genannt. Zum Beitrag gestellt sind zwei Fotos, die den Interviewer mit dem Fußball-Profi beim gemeinsamen Frühstücksgespräch zeigen. Gut sichtbar auf dem Tisch: Wiederum ein Glas mit dem Logo des Brotaufstrichs. In der Bundesausgabe der Zeitung erscheint am gleichen Tag eine Meldung, wonach der Spieler dem Interviewer gegenüber geäußert habe, seinen Verein nicht verlassen zu wollen, um zu einem anderen Club zu gehen. Ein Leser der Zeitung sieht Schleichwerbung für den Hersteller des Brotaufstrichs. Die Rechtsabteilung der Zeitung räumt ein, dass die Redaktion einen Fehler gemacht habe. Zwar machten mehrere Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Werbung für den Aufstrich und seien damit in der Öffentlichkeit bekannt. Auch sei es in dem Interview um sportliche Themen gegangen und nicht um das genannte Produkt. Dennoch hätte die penetrante Nennung des Erzeugnisses nicht sein dürfen. Die Chefredaktion habe den Beitrag umgehend moniert. Leider sei dieser zu diesem Zeitpunkt bereits von der Online-Ausgabe übernommen worden. Die Mitteilung in der Bundesausgabe, wonach der Spieler sich anlässlich eines Werbedrehs über seinen „Nicht-Wechsel“ zu einem anderen Verein geäußert habe, sei aus Sicht der Zeitung jedoch unbedenklich. (2011)

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„Rauchen“ trotz des Rauchverbots

„Mit Wasserdampf ums Rauchverbot“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Beitrag, in dem es um eine elektronische Zigarette geht, die ein Tüftler aus Bayern entwickelt hat. Es handelt sich um eine Art Mini-Wasserpfeife, die wie eine Zigarette aussieht und ähnlich schmeckt. Der Beitrag enthält Informationen über das Produkt und den Hersteller. Die Internetadresse des Herstellers fehlt ebenso wenig wie exakte Preisangaben. Ein Leser wirft der Zeitung Schleichwerbung vor. Nach seiner Ansicht ist das ein klarer Fall von Product Placement. Die Redaktion habe überdies unzureichend recherchiert. Der Leser wirft der Redaktion schließlich vor, dass durch die Löschung von Leserkommentaren der Eindruck erweckt werde, als wolle die Redaktion die Aufklärung der Öffentlichkeit über den Vorgang verhindern. Der Chefredakteur weist eingangs darauf hin, dass die Zeitung für die Veröffentlichung kein Geld bekommen habe. Das Rauchverbot sei gerade in Bayern ein beherrschendes Thema. Zudem sei Rauchen vor allem zum Jahreswechsel immer wieder Anlass für Diskussionen. Ein Konzept, das den Rauchern trotz Rauchverbots den Konsum von Nikotin auch in Gaststätten erlaube, sei eine interessante Idee und als solche auch berichtenswert. Den Hinweis auf die Internetseite des Herstellers sieht der Chefredakteur als Leserservice. Von einem angeblichen „dubiosen oder gar kriminellen Hintergrund“ des Anbieters sei dem Verlag nichts bekannt. Unhaltbar sei auch der Vorwurf, die Zeitung verhindere in ihrem Forum eine Aufklärung zu dem Produkt. Entfernt worden seien nur Kommentare, die die Ebene sachlicher Kritik verlassen hätten (2010)

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Redaktion bereitet „Ping-Pong-Spiel“ ein Ende

Der Streit zwischen zwei Kommunalpolitikern – einer von der Linkspartei, der andere von der CDU – ist Thema mehrerer Leserbriefe und redaktioneller Beiträge, die in einer Lokalzeitung erscheinen. Der Fall spielt sich in einer kleinen Gemeinde ab. In der Auseinandersetzung zwischen den beiden geht es darum, dass der CDU-Mann dem Linken vorwirft, er sei Mitglied einer Partei, die der SED mit der Zwischenstufe PDS nachgefolgt sei. Der Linke kontert in einem Leserbrief, der CDU-Kontrahent unterstelle ihm, er habe „die alte DDR“ propagiert. Er stellt fest, das habe er nicht getan, das tue er nicht und das werde er nicht tun, und er wirft der CDU vor, gegen die Linkspartei Propaganda zu betreiben. Unter der Überschrift „Fakten verdreht und Neid geschürt“ berichtet die Redaktion über eine erneute Reaktion des CDU-Mannes. Dieser wirft seinem Kontrahenten „ideologische Verbohrtheit“ vor. Den Vorwurf einer Hetze der CDU gegen die Linke weist er erneut zurück. Nun meldet sich ein Dritter zu Wort. Der schreibt im Leserbrief: „Wissen Sie, was Demagogen sind, Herr (…)? Es sind Hetzer, Aufrührer, deren Vorgehen auf Klasseninstinkte abgestellt ist. Und ein solcher sind Sie!“ Der Angegriffene spricht von diskriminierenden Äußerungen. Nach seiner scharfen, aber sachbezogenen Kritik an Äußerungen des CDU-Politikers sei er im Leserbrief eines Dritten öffentlich diskreditiert worden. Die Redaktion habe den Brief veröffentlicht, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, in Form eines Leserbriefes zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, die Redaktion habe mehrere ausufernde Leserbriefe in E-Mail-Form vom angegriffenen Vertreter der Linkspartei bekommen. Dieser sei gebeten worden, seine Beiträge zu kürzen. Mehrfach habe er selbst zusätzliche Korrekturen nachgesendet. Insgesamt sei jede der beiden Seiten mit jeweils zwei Stellungnahmen berücksichtigt worden. Er - der Chefredakteur – habe den gegnerischen Parteien daraufhin mitgeteilt, dass die Redaktion nunmehr das „Ping-Pong-Spiel“ beende. Die Zeitung wolle die Leserbrief-Rubrik nicht als Plattform für Grundsatzdiskussionen zwischen zwei Lesern über die Einordnung der Linken oder anderer Parteien zweckentfremden. (2010)

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Ein schwer zu ertragendes Geständnis

Die Online-Ausgabe einer Illustrierten berichtet über den Mord an zwei Kindern mit ausführlichen Schilderungen des Tatgeschehens durch den mutmaßlichen Täter. Es wird detailliert beschrieben, wie er ein Mädchen angesprochen und es dann gewürgt hat. Die Zeitschrift beschreibt, wie das Mädchen um sein Leben gefleht habe. Es folgen entsetzliche Einzelheiten – unter anderem die, dass der Täter das Blut seines Opfers aufgeleckt habe. Im weiteren Verlauf des Berichts wird beschrieben, wie der Mann kurz darauf ein zweites Kind tötete. Der Beschwerdeführer – ein Nutzer der Online-Ausgabe – sieht einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Der Beitrag enthalte eine unangemessene Darstellung von Gewalt und Brutalität. Die detaillierten Aussagen des Angeklagten seien nichts als Effekthascherei. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift und die Autorin des Beitrages antworten auf die Beschwerde. Die Redaktion habe vor der Veröffentlichung sorgfältig abgewogen, welche Details des langen und kaum zu ertragenden Geständnisses des Angeklagten berichtet werden sollten. Hier habe ein junger Mensch eine nicht zu fassende Gräueltat begangen. An der Berichterstattung bestehe ein übergeordnetes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Beitrag überschreite die dabei gegebenen Grenzen nicht. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Ziffer 11 sei daher nicht zu erkennen. Auch die Autorin des Beitrages nimmt Stellung. Sie schildert, wie sie aus dem neunzehnseitigen und von Blut und Abscheulichkeiten strotzenden Geständnis nur die unbedingt notwendigen Details wiedergegeben habe, um den Fall in seiner einzigartigen Dimension zu dokumentieren. Dabei habe sie viele Grausamkeiten weggelassen. Sie sei sich dennoch bewusst, dass bei ihrer Schilderung die Ekelgrenze von manchen Menschen überschritten worden sei. Insgesamt wolle sie mit ihrer Arbeit über Verbrechen aufklärend berichten, um die Mitmenschen zu sensibilisieren und im besten Fall dazu beizutragen, dass sich Verbrechen nicht wiederholen. (2011)

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Name des alten Mannes darf genannt werden

Ein Mann (85) arbeitet im Garten. Seine Kleidung fängt Feuer. Der alte Herr stirbt. Die örtliche Zeitung berichtet und nennt seinen vollen Namen. Er sei verwitwet und als Feldgeschworener tätig gewesen. Auch habe er viele Jahre lang das örtliche Raiffeisen-Lager geleitet. Eine Leserin der Zeitung sieht die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen verletzt. Die Nennung seines Namens sei nicht von öffentlichem Interesse. Die Chefredaktion der Zeitung erwidert, der Mann sei ein beliebter und ortsbekannter Bürger gewesen, den viele Leute in den Nachbarorten gekannt hätten. Dies schon aufgrund der Tatsache, dass der Mann als Feldgeschworener tätig gewesen sei. Feldgeschworene seien eine Vereinigung der Grenzwächter, die in Landkreisen zusammenwirkten. Sie hätten in Bayern eine traditionelle Bedeutung. Gleich nach dem Ableben des alten Herrn habe ihn der Bürgermeister gewürdigt. Die dabei genannten Einzelheiten seien – so der Chefredakteur – in den Bericht eingeflossen. Die Redaktion bedauere, wenn die Veröffentlichung des Namens die Angehörigen erneut geschmerzt habe. Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Der Lokalzeitung sei die Bedeutung des Toten aber ausreichend gewesen, den Namen zu nennen. Überdies hätten die ungewöhnlichen Umstände beim Tod des bekannten Mannes für Gesprächsstoff gesorgt. (2011)

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Hinweis auf Pressemitteilung erst am Schluss

In einer Regionalzeitung erscheint ein Bericht, der sich detailliert mit den Vorzügen der geplanten Biogas-Anlage einer bestimmten Firma befasst. Am Ende des Beitrages weist die Redaktion auf die Unterzeichner der von ihr wiedergegebenen Pressemitteilung hin. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Redaktion eine ausreichende Kennzeichnung des Beitrages als Pressemitteilung versäumt habe. Erst der letzte Satz lasse den Schluss zu, dass es sich um die Wiedergabe einer Pressemitteilung handeln könnte. Der Beitrag suggeriere, die Informationen seien recherchiert. Auch entstehe der Eindruck, der Baubeginn der Biogas-Anlage stehe fest, obwohl die Genehmigungen noch nicht erteilt worden seien. Der Leser hält es für bedenklich, die Pressemitteilung eines Investors angesichts eines Vorhabens dieser Größenordnung ungeprüft und unkommentiert abzudrucken. Der Leiter der Lokalredaktion, unter deren Verantwortung der Beitrag abgedruckt wurde, antwortet auf die Beschwerde. Er verweist auf den redaktionell bearbeiteten Wortlaut der Pressemitteilung, die auf Wertungen verzichte und stattdessen mit Fakten aufwarte, die zum Teil öffentlich bekannt seien. Der Text ende mit einem Infoblock, in dem auf die Verfasser der Pressemitteilung hingewiesen werde. Es sei nicht Absicht der Redaktion gewesen, die Leser in die Irre zu führen. Vielmehr habe die Zeitung widergespiegelt, dass jeder Betroffene eine breite Möglichkeit der Informationsbeschaffung habe, sich selbst ein Bild zu machen. Der Bau der Biogas-Anlage beschäftige die Region seit Monaten. Die Redaktion habe insgesamt 27 Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht. Die geplante Investition habe Gegner und Befürworter mobilisiert. Beide Seiten hätten Gelegenheit gehabt, sich zum Thema zu äußern. (2011)

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