Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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7055 Entscheidungen
Lange zurückliegende Missbrauchsfälle an Kindern und Jugendlichen sind Thema in einer überregionalen Tageszeitung. Sie berichtet über die Aufklärung der Vorgänge an der Odenwaldschule aus den 60er Jahren und zitiert die Schulleiterin, die im Verlauf der Hundertjahrfeier der Schule zwei ehemaligen Schülern für ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit dankt. Beide hatten den Stein mit Aufklärungsbriefen ins Rollen gebracht. Die Schulleiterin nennt die Namen. Das Gleiche macht die Zeitung. Darüber beschwert sich einer der beiden einstigen Schüler. Er sieht durch die Namensnennung seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Beschwerdeführer berichtet, dass im Verlauf der Feier ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die Namen von Missbrauchsopfern nicht in der Presse genannt werden dürften. Die Namen seien zwar aus der Online-Ausgabe der Zeitung entfernt worden, doch sei die Ursprungsberichterstattung immer noch im Internet aufrufbar. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Es sei offen, ob die beiden Personen, darunter der Beschwerdeführer, Zeugen gewesen seien, die Vorwürfe nur vom Hörensagen kannten und was überhaupt ein „Aufklärungsbrief“ sei. Der Beschwerdeführer und sein Co-Autor seien Personen der Zeitgeschichte. Sie hätten mit ihren Vorwürfen eine breite Öffentlichkeit gesucht und müssten nunmehr auch die von ihnen als negativ empfundenen Folgen in Kauf nehmen. Die Öffentlichkeit habe jedenfalls ein Interesse zu erfahren, von wem derart weitreichende Vorwürfe stammten, die eine der heftigsten Debatten in der Bundesrepublik ausgelöst hätten. Am Ende der Stellungnahme erklärt die Rechtsvertretung der Zeitung, dass nicht auf Veranlassung des Rechtsanwalts des Beschwerdeführers und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht der Name des Beschwerdeführers aus der Online-Ausgabe des Blattes entfernt worden sei. Grund dafür sei gewesen, dass die Redaktion weiterhin ein publizistisches Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer habe und dieser nicht verprellt werden sollte. (2010)
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Sexueller Missbrauch in Familien ist das Thema eines Beitrages, der in einer überregionalen Zeitung unter der Überschrift „Eine Familie in Deutschland“ erscheint. Beleuchtet wird der Fall eines Mannes, der seine Kinder und Stiefkinder jahrelang sexuell missbraucht haben soll. Die Geschichte wird aus der Perspektive seiner inzwischen erwachsenen Tochter erzählt. Deren Name wurde von der Redaktion geändert. Vom Tatverdächtigen wird berichtet, er sei eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und habe sich als Aktivist für Menschenrechte und Diktaturopfer der DDR engagiert. Bei Mauergedenktagen sehe man ihn gemeinsam mit Politikern und kirchlichen Würdenträgern, die an die Verbrechen von einst erinnerten. Der Betroffene ist in diesem Fall Beschwerdeführer. Er sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Opfer seien korrekterweise anonymisiert worden. Er hingegen werde als Täter bezeichnet und nicht nur mit vollem Vornamen, sondern auch mit richtigem Kürzel des Nachnamens dargestellt. Durch die detaillierte Schilderung seines ehrenamtlichen Engagements sei er identifizierbar und damit einer öffentlichen Anprangerung ausgesetzt. Er wirft der Redaktion zudem eine tendenziöse Berichterstattung vor. Er habe keine Möglichkeit für eine eigene Darstellung erhalten. Entlastende Argumente würden nicht veröffentlicht, sondern nur Bestätigungen für die Vorwürfe. Der Missbrauch werde ohne Belege suggeriert. Der Chefredakteur der Zeitung weist auf einjährige Recherchen der Autorin des kritisierten Beitrages hin. Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs seien gerichtlich bestätigt. Er legt eine eidesstattliche Versicherung der Tochter über den Missbrauch vor, die sie vor dem Amtsgericht abgegeben habe. Die Redaktion habe schildern wollen, dass ein Mann, der sich an seiner Tochter vergangen habe und in der Öffentlichkeit als Anwalt von Maueropfern auftrete, unbehelligt bleibe, weil ihm das damals noch gültige Gesetz zu Hilfe gekommen sei. (2010)
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„Brandstifter von Sylt zum Haftrichter gebracht“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Der Mann, der festgenommen worden ist, steht im Verdacht, möglicherweise der Brandstifter zu sein. Als solcher wird er jedoch in der Überschrift und in der Unterzeile ohne eine Einschränkung wie etwa „mutmaßlich“ bezeichnet. Ein Nutzer des Internet-Auftritts hält die Berichterstattung für vorverurteilend. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, dass der Verdächtige unmittelbar nach einem Brand in der Nähe der letzten Tatorte festgenommen worden sei. Kurz nach seiner Festnahme habe er die Brandstiftung gestanden. Dies habe die Polizei im Rahmen einer Pressekonferenz mitgeteilt. Der Begriff „Brandstifter“ werde im Text durch die Formulierung ergänzt: „Der Brandstifter von Sylt ist offenbar gefasst“. Dadurch werde gegenüber dem Leser deutlich gemacht, dass es noch keine gerichtliche Verurteilung gab. Auch diverse andere Medien hätten den Festgenommenen in Überschriften als „Brandstifter“ bezeichnet. (2010)
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Eine Boulevardzeitung berichtet in ihrer Printausgabe und im Internet unter den Überschriften „Arzt hingerichtet: Er selbst war Drogenbaron“ und „Lieferte sich Udo S. wilde Schießerei mit seinem Killer?“ bzw. „Wilde Schießerei mit seinem Killer“ über den Mord an einem mit abgekürztem Namen, Alter und im Bild präsentierten Arzt. Die Zeitung behauptet, der Mann sei ein „Drogenbaron“ gewesen und habe eine eigene Ecstasy-Fabrik betrieben. Die Drogengeschäfte seien vermutlich das Motiv für den Mord. Die Familie des Betroffenen beschwert sich über die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Die Abbildung des Opfers und die Nennung seines Namens seien presseethisch nicht vertretbar. Die Angehörigen bestreiten außerdem den von der Zeitung behaupteten Hintergrund der Tat, nämlich den Zusammenhang mit Drogengeschäften. Die Rechtsabteilung des Verlages führt an, dass die Beschwerdeführer mehrere juristische Ansprüche gegen die Zeitung geltend gemacht hätten. Die gerichtlichen Verfahren seien jedoch noch nicht abgeschlossen, so dass eine Entscheidung des Presserates zum jetzigen Zeitpunkt präjudizierend wäre. Daraufhin beschließt der Presserat die Vertagung der Entscheidung auf die nächste Sitzung. Später stellt der Verlag einen Aussetzungsantrag, weil noch nicht alle zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschwerdeführern und Verlag abgeschlossen seien. (2010)
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Eine Boulevardzeitung berichtet in der Online-Ausgabe an zwei Tagen über eine Bluttat in Lörrach. Überschriften: „Das sind die Opfer der Amok-Läuferin“, „Das ist die Amok-Läuferin“ und „Lief Sabine R. Amok, weil ihr Mann eine neue Freundin hatte?“. Die Frau hatte ihren Mann und ihren kleinen Sohn in ihrer Wohnung getötet. Anschließend erstach sie im gegenüber liegenden Krankenhaus einen Krankenpfleger. Dort wurde sie von der Polizei erschossen. Die Beiträge sind mit Fotostrecken bebildert. Sie zeigen unter anderem die Täterin den getöteten Ehemann und den gemeinsamen Sohn Der Text unter den Bildern nennt die Vornamen der Abgebildeten. Ein Nutzer der Internet-Ausgabe sieht in der Berichterstattung mehrere Verstöße gegen den Pressekodex. Er wirft der Redaktion vor, persönliche Daten der Familie veröffentlicht zu haben. Weder Täterin noch Opfer seien unkenntlich gemacht. Als „besonders widerlich“ empfinde er die Darstellung des Kindes mit seinem Vater. Der Beschwerdeführer bezweifelt, dass die Redaktion die Erlaubnis zum Abdruck der Bilder gehabt habe. Gezeigt würden Privataufnahmen, die nur aus dem Besitz der Toten oder dem familiären Umfeld stammen könnten. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist den Vorwurf zurück, gegen presseethische Grundsätze verstoßen zu haben. Dies gelte auch im Hinblick auf den neuen Praxisleitfaden zur Amok-Berichterstattung. Der Fall habe aufgrund der Brutalität des Vorgehens und der Tatsache, dass erstmals eine Frau Täterin gewesen sei, große mediale Aufmerksamkeit gefunden. Die Redaktion habe versucht, Erklärungsansätze zu liefern und die Tat – auch mit Bildern der Familie – für die Öffentlichkeit begreifbarer zu machen. Bei der Beschaffung der Bilder seien keine unlauteren Methoden angewandt worden. Die Fotos seien von den Hinterbliebenen an die Presse übergeben worden. Dies hatte aus Sicht der Familie den Zweck, das Unfassbare ein wenig begreifbar zu machen. Die Frau sei eine relative Person der Zeitgeschichte gewesen, zu der sie als erste Amok laufende Frau geworden sei. Schließlich weist die Rechtsabteilung den Vorwurf der unangemessen sensationellen Darstellung zurück. (2010)
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Die Festnahme eines gesuchten Sexualstraftäters ist Thema in der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung. Überschrift: „Serienvergewaltiger gesteht bereit-willig seine Tat“. Zum Beitrag gehört eine Fotostrecke, in der auf Bild 2 eine Szene aus einer Pressekonferenz der Polizei abgebildet ist. Im Vordergrund ist ein Polizist zu sehen, im Hintergrund eine Leinwandpräsentation mit den vollen Namen des mutmaßlichen Täters. Ein Leser kritisiert, dass auf dem Foto der Name des Täters erkennbar ist. Er sieht dadurch einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Per-sönlichkeitsrechte). Der Täter werde öffentlich an den Pranger gestellt. Der stellver-tretende Chefredakteur der Zeitung teilt mit, das angesprochene Foto sei während einer Pressekonferenz der Polizei aufgenommen worden, einer privilegierten Quelle. Augenscheinlich habe die Kriminalpolizei ein besonderes Interesse an der Veröffentlichung des kompletten Namens des mutmaßlichen Täters gehabt. Somit sei auch die Redaktion zu dem Schluss gekommen, dass die Schwere der Straftat und ihre Begleitumstände eine Veröffentlichung des Fotos rechtfertigten. (2010)
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht in ihrer Print-Ausgabe unter der Überschrift „Mit der Erfüllung ihres Amtes überfordert“ einen Beitrag mit zwei Leseräußerungen. Thema ist unter anderem eine vorangegangene Stadtratsitzung. Im Vorspann erläutert die Redaktion, dass es sich hier um Meinungen aus der Online-Diskussion der Zeitung handelt. Zitiert werden zwei Leser: G. K. und Andy S. Beide kritisieren die Bürgermeisterin scharf: „Frau (…), Sie handeln wie der Totengräber der Stadt (…). Frau Bürgermeisterin, Sie wirken mit der Erfüllung Ihres Amtes überfordert, um noch größeren Schaden abzuwenden, stellen Sie Ihr Amt zur Verfügung. Treten Sie zurück!“ Einige Tage später veröffentlicht die Redaktion einen Leserbrief mit einem Autorenhinweis, der den vollständigen Namen der Verfasserin enthält. Die Einsendung setzt sich mit dem Konsolidierungskonzept der Stadt auseinander. Eine Woche später veröffentlicht die Redaktion den Hinweis, dass es die Einsenderin gar nicht gibt. Neben mehreren Lesern der Zeitung beschwert sich auch die angegriffene Bürgermeisterin über die Berichterstattung. Sie beklagt sich darüber, dass die Zeitung zwei anonyme Äußerungen gegen sie veröffentlicht habe. Diese enthielten falsche Tatsachen. Ihre Bemühungen, mit der Leserbrief-Einsenderin in Verbindung zu treten, seien fehlgeschlagen. Bei der Rückfrage in der Redaktion habe sich herausgestellt, dass Zweifel an der Identität der Frau bestünden. Die Korrektur habe die Zeitung eine Woche später gebracht. Sie sei wegen des zeitlichen Abstands für den Leser nicht mehr einzuordnen. Der Chefredakteur der Zeitung stellt klar, dass es nicht Art der Redaktion sei, Blog-Beiträge abzudrucken, die anonyme Diffamierungen enthielten. Er habe sich im persönlichen Gespräch bei der Bürgermeisterin entschuldigt. Um ähnliches künftig zu verhindern, habe die Redaktion eine interne Richtlinie zum Thema Blog-Abdruck erarbeitet. (2010)
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Unter der Überschrift „Mit der Erfüllung ihres Amtes überfordert“ veröffentlicht eine Lokalzeitung einen Beitrag mit zwei Leseräußerungen. Thema ist unter anderem die jüngste Stadtratssitzung. Im Vorspann erläutert die Redaktion, dass es sich hier um Meinungen aus der Online-Diskussion der Zeitung handelt. Zitiert werden zwei nur durch abgekürzte Namen bzw. Nicknamen gekennzeichnete Leser, die die Bürgermeisterin scharf kritisieren. Sie wirke wie der Totengräber der Stadt und sei mit der Erfüllung ihres Amtes überfordert. Um noch größeren Schaden vom Gemeinwesen abzuwenden, solle sie zurücktreten. Mehrere Leser beschweren sich über die Berichterstattung der Zeitung im Allgemeinen. Der Leser im vorliegenden Fall kritisiert, dass die Redaktion anonyme Online-Kommentare in der Print-Ausgabe veröffentliche, die nicht die Voraussetzungen eines Leserbriefes nach Ziffer 2, Richtlinie 2.6, des Pressekodex erfüllten. Der Leser erfahre nicht, wer hinter den Pseudonymen „G. K.“ und „Andy S.“ stehe. Damit werde der Leser getäuscht. Der Chefredakteur der Zeitung stellt klar, dass es nicht Stil des Blattes sei, Blog-Beiträge abzudrucken, die anonyme Diffamierungen enthalten. Er habe sich deshalb bei der Bürgermeisterin ausdrücklich entschuldigt. Eine Richtlinie, mit der derartige Vorfälle künftig vermieden werden sollen, habe er gemeinsam mit der Redaktion erarbeitet. Blog-Beiträge sollen demnach künftig nur noch in Ausnahmefällen abgedruckt werden. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Redaktion den Verlauf einer Online-Diskussion illustrieren wolle. Die Beiträge sollen grafisch abgehoben und mit einem einleitenden Erläuterungstext versehen werden, der auf die typischen Formen der Online-Kommunikation (Nicknamen etc.) verweise. Davon ausgeschlossen seien jedoch persönliche Angriffe und Auseinandersetzungen. (2010)
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Unter der Überschrift „Falsche Etiketten. Ein Kunstfälschungsskandal erschüttert das Vertrauen in die Experten“ berichtet eine Wochenzeitung über Kunstfälschungen. Der mutmaßliche Fälscher wird als „Wolfgang B.“ bezeichnet. Der Autor verweist auf einen Artikel, der 2006 in einem Nachrichtenmagazin erschienen sei. Darin war mit vollem Namen über Wolfgang B.´s Schönheitsoperation berichtet worden. Der Betroffene damals: „Nicht mal meine Freunde haben was gemerkt.“ Ein Leser der Zeitung meint, der mutmaßliche Kunstfälscher sei über das Zitat in Verbindung mit dem Magazin-Artikel identifizierbar, wo der komplette Name gestanden hatte. Dies sei mit Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex (Nennung von Namen/Abbildungen) nicht vereinbar. Der Rechtsanwalt der Wochenzeitung verweist auf das Nachrichtenmagazin und auf andere Medien, die den kompletten Namen des mutmaßlichen Kunstfälschers veröffentlicht hätten. Im jetzt kritisierten Artikel jedoch sei der Name nur abgekürzt wiedergegeben worden. Die Redaktion hätte auch sonst keine Hinweise gegeben, durch die der Mann hätte identifiziert werden können. Die Tatsache, dass er im Internet im Zusammenhang mit einem Kunstskandal namentlich genannt werde, sei nicht kausal auf die Wochenzeitung zurückzuführen. Der Artikel hätte auch unter voller Namensnennung gebracht werden können, da es sich um einen der größten Kunstskandale der letzten Jahre in Europa handele. (2010)
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Brummifahrer tot im Bordell“ über einen Lastwagenfahrer, der zu viel Viagra genommen hatte und im Bett einer Prostituierten starb. Über den Mann schreibt die Zeitung, dass er Reiner H. heißt, 55 Jahre alt wurde und aus […] in Sachsen-Anhalt stammt. Dieser Beitrag erschien auf der Titelseite. Die Berichterstattung wurde im Innenteil unter der Überschrift „Als diese Hure sich auszog, kippte der Trucker um“ fortgesetzt. Der Beitrag ist mit einem Bild von Reiner H. illustriert. Seine Augenpartie ist mit einem schwarzen Balken überdeckt. Ein Leser sieht in der Berichterstattung die Ziffer 11 des Pressekodex verletzt. Danach verzichtet die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Er sieht zudem die Würde des Verstorbenen missachtet. Unter dem Vorwand, auf die Gefahren von Viagra hinzuweisen, werde der Verstorbene zu einem Objekt herabgewürdigt. In der Vorprüfung erweitert der Presserat das Verfahren auf die Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte). Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe zunächst von einem „nicht natürlichen Todesfall eines 55-jährigen Mannes“ in einem stadtbekannten Bordell erfahren. Auf Nachfrage habe die Polizei eine Straftat ausgeschlossen. Wegen des fehlenden öffentlichen Interesses habe man zunächst auf eine Berichterstattung verzichtet. Zwei Tage später habe der Notarzt die Redaktion informiert, dass die Todesursache „Herzinfarkt, ausgelöst durch missbräuchliche Verwendung von Viagra“, gewesen sei. Daraufhin habe sich die Redaktion entschlossen, doch über den Fall zu berichten, um auf die Gefahren missbräuchlicher Verwendung von Potenzmitteln hinzuweisen. Wie richtig diese Entscheidung gewesen sei, belege das Schreiben des Viagra-Herstellers an die Redaktion. Der Pharma-Konzern habe den Todesfall als „Verdachtsfall einer unerwünschten Arzneinebenwirkung“ verzeichnet und bitte um weitere Informationen. Anders als vom Beschwerdeführer behauptet, sei der Hinweis auf die Schädlichkeit von Viagra in der Berichterstattung also nicht vorgeschoben, sondern vielmehr Kern der Berichterstattung. Dies ergebe sich bereits aus der Dachzeile „Zu viel Viagra“ sowie aus dem Info-Kasten „Wie gefährlich ist Viagra?“. Es bestehe somit ein öffentliches Interesse an dem Vorgang. (2010)
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