Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Beschwerde über „schreckliche Titelseite“

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Hier stirbt der Amok-Killer“ über ein Video mit den letzten Sekunden im Leben des Amokläufers von Winnenden. Die Zeitung zeigt auf ihrer Titelseite drei Bilder aus der Videosequenz. Bild 1 zeigt den Täter auf einem Parkplatz. Bildunterschrift: „Die letzten Sekunden im Leben des Tim K.: Auf einem Autohaus-Parkplatz liefert er sich ein Feuergefecht mit Polizisten. Bild 2 zeigt, wie der Junge zusammensackt. Bildtext: „Plötzlich bricht der Attentäter zusammen – getroffen von einer Polizeikugel. Tim K. sackt zusammen.“ Bild 3 zeigt den am Boden liegenden Amokläufer. Bildtext: Wenige Augenblicke, nachdem er getroffen wurde, liegt Tim K. tot auf dem Asphalt: Er hat sich mit seiner Pistole selbst gerichtet. Neben der Überschrift ist ein Foto des Jungen zu sehen. Bildtext: „Der Amokläufer von Winnenden: Tim K. (17)“. Im Beitrag wird auf die Online-Ausgabe der Zeitung hingewiesen, die das komplette Video veröffentlicht. Drei Leser des Blattes wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. BK1-113/09: Der Beschwerdeführerin zufolge gehört das Bild eines sterbenden Menschen nicht in die Medien. Geburt und Tod eines Menschen seien intime Momente, die auch intim bleiben sollten. BK1-114/09: Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Redaktion das Sterben eines 17-Jährigen auf der Titelseite als Bildergeschichte zeigt. Dies sei mit einer öffentlichen Hinrichtung vergleichbar. Der Leser bittet den Presserat eindringlich, gegen eine solche Art der Berichterstattung vorzugehen. Er sieht den Pressekodex und hier vor allem Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) verletzt. BK1-115/09: Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung der drei Bilder. Diese „schreckliche Titelseite“ widerspricht nach seiner Meinung dem Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung für gerechtfertigt. Die Redaktion habe authentisch und ungeschönt in einer zunächst völlig ungewissen Nachrichtenlage ein außerordentlich hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu bedienen gehabt. Zu der Ungewissheit habe auch die Frage gehört, wo und auf welche Weise der Täter getötet worden war. Die Präsentation des Ereignisses auf dem Titel entspreche dem mit der Bedeutung und Tragweite der Tat verbundenen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Dies schließe Art und Weise der gesamten Aufmachung mit ein. Es sei zu berücksichtigen, dass die Presse bei der Gestaltung von Überschriften einen besonderen Freiraum besitze. (2009)

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Absprache um wörtliche Aussagen

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „(…) Oper unter Haushaltssperre“ Kernaussagen eines Interviews mit der Intendantin eines Opernhauses. Dabei ist die Rede von einem Haushaltsdefizit in Höhe von 800.000 Euro. Aufgrund dessen sei eine Haushaltssperre ausgesprochen worden. Das komplette Gespräch erscheint einen Tag später. Das Pressebüro der Oper kritisiert das Verhalten der Zeitung. Mit der Interviewerin sei eine Autorisierung des Interviews vereinbart worden. Zu diesem Zweck habe die Redaktion den Text an das Pressebüro geschickt. Da sei aber die Vorabmeldung bereits in der Printausgabe der Zeitung erschienen. Dadurch, dass vorab nicht freigegebene Interviewinhalte zusammengefasst veröffentlicht worden seien, habe die Zeitung das Verfahren der Autorisierung ad absurdum geführt. Die Rechtsvertretung der Zeitung berichtet, die Autorin habe das Pressebüro der Oper unmittelbar nach dem Interview darüber informiert, dass die Zeitung eine Vorabmeldung über das Gespräch bringen werde. Dagegen habe der Pressesprecher keine Einwände erhoben. Er habe auch keine Bedingung gestellt. Für die Absprache – so die Autorin – gebe es Zeugen. Anlass der Beschwerde sei ihrer Meinung nach eine falsche Formulierung in den aus der Vorabmeldung resultierenden Meldungen verschiedener Agenturen und Zeitungen. Darin sei von einer Haushaltssperre die Rede gewesen, die die Intendantin im Interview mehrfach bestätigt habe. Allerdings sei diese Haushaltssperre bereits eine Woche vor dem Interview aufgehoben worden. Da der Pressesprecher den Sachverhalt nicht korrigiert habe, vermutet die Redakteurin, dass sein Ärger daher komme, dass eine Information ungewollt nach außen gedrungen sei. Intendantin und Pressesprecher bestritten auch nicht, dass die als sehr sorgfältig bekannte Autorin nach dem Interview die Vorabmeldung für den gleichen Abend angekündigt habe.

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Minderjähriger Sohn ist identifizierbar

Die Online-Ausgabe eines illustrierten Magazins berichtet unter der Überschrift „Winnenden trauert: ´Ich will einfach nur schreien´“ über die Beerdigung eines der Opfer des Amoklaufs in der baden-württembergischen Kleinstadt. Zwei Schüler berichten, wie sie die Bluttat erlebt haben. „Thilo Sehne (18) und Felix Fuchs (18) sehen in dieser Hoffnung den einzigen Sinn in der ´Wahnsinnstat´, die über die Stadt ein ´Leichentuch´ ausgebreitet und Winnenden zu ´einer einzigen großen Trauergemeinde´ gemacht habe“. Über den jüngeren Bruder von Felix heißt es: „Sein jüngerer Bruder Jan (Anm.: Name von der Redaktion geändert) war in der Klasse 10d, als Tim K. in schwarzem Kampfanzug hineinstürmte, zwei Mädchen erschoss, hinausging, innerhalb von Sekunden wieder hinein kam und fünf weitere Kinder mit seiner 9mm-Beretta hinrichtete. Der Bruder musste alles mit ansehen, auch, dass drei Schüler aus dem dritten Stock der Albertville-Realschule hinaus in die Tiefe sprangen, sich dabei mehrere Knochen brachen“. Im Vorspann des Beitrags heißt es außerdem: „Jan war dabei, als seine Mitschülerin von Tim K. getötet wurde, musste mit ansehen, wie er ihr eine Kugel in den Kopf jagte. Jan ist nicht danach, zu schweigen: ´Ich will einfach nur schreien´“. Beschwerdeführerin ist die Mutter des 18-jährigen Felix und seines Bruders. Die beiden hätten nur einen Bruchteil dessen gesagt, was die Redaktion geschrieben habe. Sie hält die Passage mit den Schilderungen der Tat für unangemessen sensationell. Telefonisch sei dem Reporter ausdrücklich untersagt worden, den jüngeren Sohn zu interviewen oder im Text zu erwähnen. Die Überlebenden der Klasse 10d hätten beschlossen, nicht mit den Medien zu reden. Ihr Sohn – so die Mutter – werde für eine reißerische Darstellung missbraucht. Durch die volle Nennung des Namens des älteren Sohnes sei leicht auf die Identität des Jüngeren zu schließen. Die Rechtsvertretung des Verlags hält die Darstellung für weder reißerisch noch unwahr. Nach Rücksprache mit der Redaktion seien die Vorwürfe nicht nachvollziehbar. Der ältere Sohn sei volljährig. Er habe sich im Gespräch mit dem Redakteur offen mitgeteilt. Weder er noch seine Mutter hätten um eine Namensänderung gebeten. Das gelte auch für den jüngeren Sohn, doch habe die Redaktion dessen Namen von sich aus geändert. Als die Redaktion von der Beschwerde beim Presserat erfahren habe, sei auch der Name des älteren Sohns verändert worden. Dies sei geschehen, ohne die Beschwerde als begründet anzusehen. (2009)

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Blutüberströmte Frau im Bild gezeigt

„Gaza: Israel forciert Bodenoffensive“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins eine Fotostrecke mit 16 Bildern. Eines davon zeigt eine blutüberströmte Frau. In der Bildunterschrift heißt es: „Diese palästinensische Frau wurde bei einem Angriff der israelischen Armee schwer verletzt: Internationale Rufe nach einem Waffenstillstand werden immer lauter“. Zentrales Thema des Beitrages sind Gefechte zwischen Israelis und Palästinensern im Norden des Gaza-Streifens. Ein Leser sieht in dem Foto mit der verletzten Frau einen Verstoß gegen die Richtlinie 11.1 des Pressekodex. Es sei unangemessen sensationell. Nach seiner Auffassung sei das Foto nicht erforderlich, um den Beitrag verständlich zu machen. Die Rechtsabteilung des Magazins bestreitet die unangemessen sensationelle Darstellung. Die verletzte Frau werde nicht zum Objekt herabgewürdigt. Das Foto zeige den Lesern die Folgen des Krieges auf palästinensischer Seite. Da innerhalb der Fotostrecke auch israelische Opfer gezeigt würden, sei das kritisierte Bild für eine ausgewogene Berichterstattung notwendig. Die besondere Aussage der Fotos sei es, die verheerenden Folgen des Krieges auf beiden Seiten zu verstehen. Gegen einen Verstoß im Sinne der Ziffer 12 spreche auch, dass das kritisierte Foto an elfter Stelle einer Fotostrecke stehe und nicht als Aufmacherbild an hervorgehobener Stelle. Abschließend heißt es in der Stellungnahme, die Redaktion habe ein Foto ausgewählt, das die verletzte Frau so weit wie möglich unkenntlich zeige, um ihre Würde zu wahren. (2009)

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Vermisste Frau als psychisch krank bezeichnet

„Mutter und Kind sind wieder da!“ schreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Eine 34-Jährige und ihr zweijähriger Sohn wurden in einer mehrere hundert Kilometer entfernten Stadt wieder entdeckt. Die Zeitung berichtet, die Fahndung sei abgeschlossen und die Polizei habe sich bei den Medien für ihre Hilfe bedankt. Zum Bericht gehören drei Fotos, auf denen die Frau und das Kind erkennbar sind. Zu dem Artikel können Nutzer Kommentare abgeben. Einer schreibt, die gesuchte Frau stehe wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung. Ein Leser kritisiert die Abbildung der Personen. Zwar erlaube es der Pressekodex, vermisste Personen abzubilden, doch seien die Abgebildeten zum Zeitpunkt des Erscheinens schon nicht mehr vermisst worden. Einen Verstoß sieht der Beschwerdeführer auch in der Wiedergabe des Leserkommentars, in dem von der psychischen Erkrankung der Mutter die Rede sei. Die Redaktion räumt einen Fehler ein. Die von der Polizei zur Verfügung gestellten Bilder seien ursprünglich nur als Fahndungsfotos gedacht gewesen. Die Online-Redaktion habe sie aber nochmals gebracht. Als der Fehler bemerkt worden sei, habe man die Fotos umgehend entfernt. Zur Kommentarfunktion im Onlineforum ist die Redaktion der Ansicht, dass kein Verstoß gegen presseethische Grundsätze vorliege. Der konkrete Eintrag, der sich mit dem Gesundheitszustand der Mutter befasst habe, stamme nicht von der Redaktion. Ein Nutzer von außerhalb habe sich mit einem Kommentar am Forum beteiligt. Die Redaktion habe nun beschlossen, dass ihre Foren ebenso wie die Kommentarfunktionen nur noch nach vorheriger Anmeldung genutzt werden können. So solle verhindert werden, dass anonym oder im Namen anderer Leute Dinge geschrieben würden, die nicht in Ordnung seien. (2009)

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Polizist sieht sich als Willkür-Opfer

„Ist er Deutschlands faulster Polizist?“ titelt eine Boulevardzeitung. Es geht um einen krankgeschriebenen Beamten, einen ausgebildeten Hundeführer. Er soll in seiner Freizeit trotz der Krankschreibung als Gutachter für gefährliche Hunde tätig sein. Dem Beitrag ist ein altes Foto beigestellt, auf dem der Mann mit gepixeltem Gesicht und Diensthund gezeigt wird. Im Bildtext heißt es: „Gerald G. in den 80er Jahren mit Diensthund ´Kuno´.“ Der Polizeibeamte sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Durch das Bild und die Nennung des Vornamens und des abgekürzten Familiennamens sei er im Kollegen- aber auch im Bekanntenkreis identifizierbar. Nachdem der Beitrag erschienen sei, hätten ihn Vertreter mehrerer Medien angerufen. Daran sei erkennbar, wie leicht es gewesen sei, auf seine Person zu schließen, zumal es in der Stadt nur einen Polizeibeamten mit dem Namen Gerald G. gebe, der als Sachverständiger Hunde begutachte. Im Beitrag werde ihm auch unterstellt, dass er eine unerlaubte Nebentätigkeit ausübe. Er hält die Sachverhaltsschilderung im Artikel für einseitig, verkürzt, falsch und tendenziös. Berufsinterne und persönliche Informationen würden in einem falschen Kontext wiedergegeben. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass die Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt und eine Identifizierung des Beamten praktisch auszuschließen sei. Zur Möglichkeit der Identifizierung teilt die Zeitung mit, im Kollegenkreis sei der Fall allgemein bekannt und werde dort diskutiert. Diese Diskussion verlaufe allerdings nicht nach dem Wunsch des Betroffenen, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass die Polizeiführung seit mehr als drei Jahren „vorgeführt“ werde. Der Beschwerdeführer sehe sich selbst als Opfer und als „Beispiel für die Ohnmacht öffentlicher Bediensteter und die Willkür des Staatsapparates unter Ausnutzung seiner staatlichen Macht“. Im Übrigen habe die Redaktion mehrmals vergeblich versucht, mit dem Beamten Kontakt aufzunehmen.

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Grundsatz der Unschuldsvermutung gewahrt

Unter den Überschriften „Familiendramen vor Bildungskrise“ und „Verfahren gegen Mutter eingestellt“ berichtet eine überregionale Zeitung an aufeinander folgenden Tagen über einen Prozess vor dem Amtsgericht. Angeklagte ist Beschwerdeführerin in diesem Fall. Sie ist wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie Nötigung angeklagt. Darüber wird im ersten Artikel berichtet. Zunächst wird allgemein die Vernachlässigung von Kindern thematisiert und dann konkret über die Angeklagte berichtet. Im Beitrag wird erwähnt, dass die Frau aus einem wohlhabenden und behüteten Elternhaus stamme. Sie habe eine glückliche Kindheit erlebt. Anschließend wird über ihre zerrüttete Ehe berichtet und darüber, dass eine ihrer Töchter 2004 einen Suizidversuch unternommen habe. Ihr ehemaliger Lebensgefährte verbüße eine mehrjährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs dieser Tochter. Die nun gegen die Beschwerdeführerin erhobene Anklage beruhe darauf, dass sie ihrer jüngeren Tochter trotz Krankheit keine ärztliche Hilfe habe zukommen lassen. Das Strafverfahren wurde nach Erfüllung von Auflagen vom Gericht wegen geringer Schuld eingestellt. Darüber berichtet der zweite Artikel. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass ihr Ansehen beschädigt wurde. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Insbesondere sei die Schwere des Tatvorwurfs nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Zudem sei die Öffentlichkeit nicht ordentlich über den Verlauf des Verfahrens und dessen Abschluss informiert worden. Die Zeitung habe alle Richtlinien der Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) missachtet. Es sei der Eindruck entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und sei nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davon gekommen. Das Justitiariat der Zeitung ist der Ansicht, die Berichterstattung habe im öffentlichen Interesse gelegen und sei aus presseethischer Sicht nicht zu beanstanden. Sie erfolgte nach Ansicht der Zeitung vor dem gerichtlich festgestellten Hintergrund, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin eines ihrer Kinder sexuell missbraucht habe. Gegen Ziffer 13 sei schon deshalb nicht verstoßen worden, weil ausführlich über die Einstellung des Verfahrens berichtet worden sei. (2009)

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Leserkommentar nicht gleich Leserbrief

Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins veröffentlicht einen Beitrag über die Kämpfe in Gaza-Stadt. Auch das UN-Hilfswerk sei unter Beschuss geraten, heißt es im Text. Mehrere Leser kommen mit Kommentaren zu Wort. Unter der Überschrift „Gegen den Medienterror ist Israel chancenlos“ schreibt ein Leser unter anderem: “Die Hamasverbrecher tragen keine Uniformen, benutzen Frauen und Kinder als Schutzschilder und beherrschen das Geschäft der Medienmanipulation mit Hilfe rechter und linker Gutmenschen perfekt. Die überwiegende Anzahl der Getöteten waren Islamfaschisten. Das wird gern vergessen.“ Der Beschwerdeführer – selbst Moslem – fühlt sich durch den Begriff „Islamfaschisten“ diskriminiert. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe teilt mit, die Beschwerde richte sich nicht gegen einen redaktionellen Beitrag, sondern gegen einen Leserkommentar. Diese Kommentare würden von der Redaktion nicht komplett vorab kontrolliert. Sie seien insofern nicht mit gedruckten Leserbriefen vergleichbar, bei denen stets eine redaktionelle Auswahl vorgenommen werde. Gerade im Interesse einer lebhaften Diskussion werde im Online-Bereich auf eine Auswahl verzichtet. Die Leser würden ausdrücklich ermuntert, Hinweise zu geben, wenn Leserkommentare oder –berichte gegen die Nutzungsbedingungen verstießen. Dass es sich bei der Hamas um eine fundamentalistische islamistische Gruppe handele, sei unstreitig. Sie werde als terroristische Vereinigung angesehen. Sie strebe einen „Gottesstaat“ an. Selbst wenn die Onlineredaktion für den Leserkommentar so wie für einen gedruckten Leserbrief verantwortlich wäre, hätte sie den Begriff „Islamfaschisten“ stehen lassen. (2009)

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An zwei Stellen Angeklagte vorverurteilt

Eine überregionale Zeitung berichtet über einen Strafprozess vor dem Amtsgericht. Die Angeklagte ist Beschwerdeführerin im Presseratsverfahren. Unter der Überschrift „Unter Zwang“ schreibt die Zeitung, dass die Frau wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und Nötigung vor Gericht stehe. Sie habe eine ihrer beiden Töchter gezwungen, ein hundertseitiges Buch mit dem Titel zu schreiben „Die ersten zehn Jahre meines Lebens mit einem schrecklichen Vater“. Das Kind sei eingesperrt und mit der Drohung konfrontiert worden, wenn es nicht schreibe, müsse es beim Vater leben. Das Mädchen habe die hundert Seiten geschrieben. Später habe die Angeklagte ihre Töchter isoliert und ihnen Außenkontakte verboten. In einem weiteren Beitrag unter dem Titel „Etwas ganz Gruseliges“ berichtet die Zeitung über die Beweisaufnahme. Darin wird die Aussage einer Frau wiedergegeben, die – wie auch der Vater der Töchter – das Jugendamt eingeschaltet habe. Mit den Töchtern sei etwas „ganz Gruseliges“ und „Schlimmes“ passiert. In einem weiteren Bericht in der Online-Ausgabe der Zeitung ist davon die Rede, dass „das Verfahren gegen eine Mutter, die ihre beiden Tochter halb verhungern gelassen und gequält habe“ eingestellt worden sei. In der Printausgabe wird über die Einstellung des Verfahrens und die Begründung berichtet. Die Beschwerdeführerin sieht ihr Ansehen beschädigt. Die Berichterstattung sei nicht wahrheitsgemäß gewesen und beinhalte Vorverurteilungen. Die Öffentlichkeit sei nicht verständlich über die Schwere des Tatvorwurfs unterrichtet worden. Auch über den Abschluss des Verfahrens habe die Zeitung nicht korrekt berichtet. Die Chefredaktion der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen nur knapp und allgemein Stellung, da parallel ein Arbeitsgerichtsverfahren gegen die Beschwerdeführerin laufe. Deshalb sei mit der Berichterstattung auch eine nicht der Redaktion angehörende Kollegin beauftragt worden. Damit habe man dem denkbaren Vorwurf der Befangenheit begegnen wollen. (2009)

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Massenschlägerei mit 200 Beteiligten

„Massenschlägerei wegen gebrochenen Heiratsversprechens“ – überschreibt eine Nachrichtenagentur ihren Bericht über eine Auseinandersetzung in einem rumänischen Dorf. An der Keilerei in einem „Roma-Dorf“ hätten sich 200 Personen beteiligt. Auslöser: Ein Mädchen war – nach „Roma-Sitte“ – einem Jungen zur Ehe versprochen worden. Als die Mutter des Teenagers das Versprechen zurücknahm, kam es zu dem Austausch von handgreiflichen Argumenten. Im Bericht der Agentur heißt es erläuternd weiter: „Arrangierte Kinder-Ehen ohne offiziellen Trauschein sind bei Roma üblich“. In einer ersten Meldung war zunächst von einem „Sinti-Dorf“ die Rede gewesen. Zwei Stunden nach ihrer Verbreitung korrigierte sich die Agentur mit dem Hinweis auf ein „Roma-Dorf“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung). Den Roma würden allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes geschürt und diese stigmatisiert. Nach Auffassung der Agentur ist die kritisierte Meldung kein typischer Bericht über Straftaten. Hier gehe es um eine Schlägerei mit etwa 200 Beteiligten. Dies sei Anlass für die Berichterstattung gewesen und nicht die Frage, ob und gegebenenfalls welche Delikte von wem und gegen wen begangen wurden. Es stehe also das außergewöhnliche Ereignis und nicht die strafrechtliche Einordnung im Vordergrund. Die Nennung der Minderheit habe einen Sachbezug darin, dass es sich beim Brauchtum der arrangierten Ehen von Minderjährigen nicht um einen Einzelfall handele, sondern um ein Problem, das vor allem in einigen Regionen Südosteuropas, insbesondere unter Angehörigen der Roma, verbreitet sei. Die Rechtsabteilung verweist zur Untermauerung ihrer Argumente auf ein Projekt der Roma-Dichterin Luminita Cioaba unter dem Namen „Zwischen Tradition und Gesetz“ sowie einen bekannt gewordenen Fall von zwölf- bis fünfzehnjährigen Jugendlichen im Jahr 2003. Die angegriffene Behauptung, derartige Hochzeiten seien „üblich“, sei demnach keinesfalls unzulässig verallgemeinernd oder gar diskriminierend. Die Rechtsvertretung der Agentur verweist abschließend auf einen Unicef-Bericht von 2007 mit dem Titel „Zur Lage der Roma-Kinder in Südosteuropa“. (2009)

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