Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Minderjähriger Sohn ist identifizierbar

Die Online-Ausgabe eines illustrierten Magazins berichtet unter der Überschrift „Winnenden trauert: ´Ich will einfach nur schreien´“ über die Beerdigung eines der Opfer des Amoklaufs in der baden-württembergischen Kleinstadt. Zwei Schüler berichten, wie sie die Bluttat erlebt haben. „Thilo Sehne (18) und Felix Fuchs (18) sehen in dieser Hoffnung den einzigen Sinn in der ´Wahnsinnstat´, die über die Stadt ein ´Leichentuch´ ausgebreitet und Winnenden zu ´einer einzigen großen Trauergemeinde´ gemacht habe“. Über den jüngeren Bruder von Felix heißt es: „Sein jüngerer Bruder Jan (Anm.: Name von der Redaktion geändert) war in der Klasse 10d, als Tim K. in schwarzem Kampfanzug hineinstürmte, zwei Mädchen erschoss, hinausging, innerhalb von Sekunden wieder hinein kam und fünf weitere Kinder mit seiner 9mm-Beretta hinrichtete. Der Bruder musste alles mit ansehen, auch, dass drei Schüler aus dem dritten Stock der Albertville-Realschule hinaus in die Tiefe sprangen, sich dabei mehrere Knochen brachen“. Im Vorspann des Beitrags heißt es außerdem: „Jan war dabei, als seine Mitschülerin von Tim K. getötet wurde, musste mit ansehen, wie er ihr eine Kugel in den Kopf jagte. Jan ist nicht danach, zu schweigen: ´Ich will einfach nur schreien´“. Beschwerdeführerin ist die Mutter des 18-jährigen Felix und seines Bruders. Die beiden hätten nur einen Bruchteil dessen gesagt, was die Redaktion geschrieben habe. Sie hält die Passage mit den Schilderungen der Tat für unangemessen sensationell. Telefonisch sei dem Reporter ausdrücklich untersagt worden, den jüngeren Sohn zu interviewen oder im Text zu erwähnen. Die Überlebenden der Klasse 10d hätten beschlossen, nicht mit den Medien zu reden. Ihr Sohn – so die Mutter – werde für eine reißerische Darstellung missbraucht. Durch die volle Nennung des Namens des älteren Sohnes sei leicht auf die Identität des Jüngeren zu schließen. Die Rechtsvertretung des Verlags hält die Darstellung für weder reißerisch noch unwahr. Nach Rücksprache mit der Redaktion seien die Vorwürfe nicht nachvollziehbar. Der ältere Sohn sei volljährig. Er habe sich im Gespräch mit dem Redakteur offen mitgeteilt. Weder er noch seine Mutter hätten um eine Namensänderung gebeten. Das gelte auch für den jüngeren Sohn, doch habe die Redaktion dessen Namen von sich aus geändert. Als die Redaktion von der Beschwerde beim Presserat erfahren habe, sei auch der Name des älteren Sohns verändert worden. Dies sei geschehen, ohne die Beschwerde als begründet anzusehen. (2009)

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Blutüberströmte Frau im Bild gezeigt

„Gaza: Israel forciert Bodenoffensive“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins eine Fotostrecke mit 16 Bildern. Eines davon zeigt eine blutüberströmte Frau. In der Bildunterschrift heißt es: „Diese palästinensische Frau wurde bei einem Angriff der israelischen Armee schwer verletzt: Internationale Rufe nach einem Waffenstillstand werden immer lauter“. Zentrales Thema des Beitrages sind Gefechte zwischen Israelis und Palästinensern im Norden des Gaza-Streifens. Ein Leser sieht in dem Foto mit der verletzten Frau einen Verstoß gegen die Richtlinie 11.1 des Pressekodex. Es sei unangemessen sensationell. Nach seiner Auffassung sei das Foto nicht erforderlich, um den Beitrag verständlich zu machen. Die Rechtsabteilung des Magazins bestreitet die unangemessen sensationelle Darstellung. Die verletzte Frau werde nicht zum Objekt herabgewürdigt. Das Foto zeige den Lesern die Folgen des Krieges auf palästinensischer Seite. Da innerhalb der Fotostrecke auch israelische Opfer gezeigt würden, sei das kritisierte Bild für eine ausgewogene Berichterstattung notwendig. Die besondere Aussage der Fotos sei es, die verheerenden Folgen des Krieges auf beiden Seiten zu verstehen. Gegen einen Verstoß im Sinne der Ziffer 12 spreche auch, dass das kritisierte Foto an elfter Stelle einer Fotostrecke stehe und nicht als Aufmacherbild an hervorgehobener Stelle. Abschließend heißt es in der Stellungnahme, die Redaktion habe ein Foto ausgewählt, das die verletzte Frau so weit wie möglich unkenntlich zeige, um ihre Würde zu wahren. (2009)

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Vermisste Frau als psychisch krank bezeichnet

„Mutter und Kind sind wieder da!“ schreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung. Eine 34-Jährige und ihr zweijähriger Sohn wurden in einer mehrere hundert Kilometer entfernten Stadt wieder entdeckt. Die Zeitung berichtet, die Fahndung sei abgeschlossen und die Polizei habe sich bei den Medien für ihre Hilfe bedankt. Zum Bericht gehören drei Fotos, auf denen die Frau und das Kind erkennbar sind. Zu dem Artikel können Nutzer Kommentare abgeben. Einer schreibt, die gesuchte Frau stehe wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung. Ein Leser kritisiert die Abbildung der Personen. Zwar erlaube es der Pressekodex, vermisste Personen abzubilden, doch seien die Abgebildeten zum Zeitpunkt des Erscheinens schon nicht mehr vermisst worden. Einen Verstoß sieht der Beschwerdeführer auch in der Wiedergabe des Leserkommentars, in dem von der psychischen Erkrankung der Mutter die Rede sei. Die Redaktion räumt einen Fehler ein. Die von der Polizei zur Verfügung gestellten Bilder seien ursprünglich nur als Fahndungsfotos gedacht gewesen. Die Online-Redaktion habe sie aber nochmals gebracht. Als der Fehler bemerkt worden sei, habe man die Fotos umgehend entfernt. Zur Kommentarfunktion im Onlineforum ist die Redaktion der Ansicht, dass kein Verstoß gegen presseethische Grundsätze vorliege. Der konkrete Eintrag, der sich mit dem Gesundheitszustand der Mutter befasst habe, stamme nicht von der Redaktion. Ein Nutzer von außerhalb habe sich mit einem Kommentar am Forum beteiligt. Die Redaktion habe nun beschlossen, dass ihre Foren ebenso wie die Kommentarfunktionen nur noch nach vorheriger Anmeldung genutzt werden können. So solle verhindert werden, dass anonym oder im Namen anderer Leute Dinge geschrieben würden, die nicht in Ordnung seien. (2009)

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Polizist sieht sich als Willkür-Opfer

„Ist er Deutschlands faulster Polizist?“ titelt eine Boulevardzeitung. Es geht um einen krankgeschriebenen Beamten, einen ausgebildeten Hundeführer. Er soll in seiner Freizeit trotz der Krankschreibung als Gutachter für gefährliche Hunde tätig sein. Dem Beitrag ist ein altes Foto beigestellt, auf dem der Mann mit gepixeltem Gesicht und Diensthund gezeigt wird. Im Bildtext heißt es: „Gerald G. in den 80er Jahren mit Diensthund ´Kuno´.“ Der Polizeibeamte sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Durch das Bild und die Nennung des Vornamens und des abgekürzten Familiennamens sei er im Kollegen- aber auch im Bekanntenkreis identifizierbar. Nachdem der Beitrag erschienen sei, hätten ihn Vertreter mehrerer Medien angerufen. Daran sei erkennbar, wie leicht es gewesen sei, auf seine Person zu schließen, zumal es in der Stadt nur einen Polizeibeamten mit dem Namen Gerald G. gebe, der als Sachverständiger Hunde begutachte. Im Beitrag werde ihm auch unterstellt, dass er eine unerlaubte Nebentätigkeit ausübe. Er hält die Sachverhaltsschilderung im Artikel für einseitig, verkürzt, falsch und tendenziös. Berufsinterne und persönliche Informationen würden in einem falschen Kontext wiedergegeben. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass die Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt und eine Identifizierung des Beamten praktisch auszuschließen sei. Zur Möglichkeit der Identifizierung teilt die Zeitung mit, im Kollegenkreis sei der Fall allgemein bekannt und werde dort diskutiert. Diese Diskussion verlaufe allerdings nicht nach dem Wunsch des Betroffenen, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass die Polizeiführung seit mehr als drei Jahren „vorgeführt“ werde. Der Beschwerdeführer sehe sich selbst als Opfer und als „Beispiel für die Ohnmacht öffentlicher Bediensteter und die Willkür des Staatsapparates unter Ausnutzung seiner staatlichen Macht“. Im Übrigen habe die Redaktion mehrmals vergeblich versucht, mit dem Beamten Kontakt aufzunehmen.

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Grundsatz der Unschuldsvermutung gewahrt

Unter den Überschriften „Familiendramen vor Bildungskrise“ und „Verfahren gegen Mutter eingestellt“ berichtet eine überregionale Zeitung an aufeinander folgenden Tagen über einen Prozess vor dem Amtsgericht. Angeklagte ist Beschwerdeführerin in diesem Fall. Sie ist wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie Nötigung angeklagt. Darüber wird im ersten Artikel berichtet. Zunächst wird allgemein die Vernachlässigung von Kindern thematisiert und dann konkret über die Angeklagte berichtet. Im Beitrag wird erwähnt, dass die Frau aus einem wohlhabenden und behüteten Elternhaus stamme. Sie habe eine glückliche Kindheit erlebt. Anschließend wird über ihre zerrüttete Ehe berichtet und darüber, dass eine ihrer Töchter 2004 einen Suizidversuch unternommen habe. Ihr ehemaliger Lebensgefährte verbüße eine mehrjährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs dieser Tochter. Die nun gegen die Beschwerdeführerin erhobene Anklage beruhe darauf, dass sie ihrer jüngeren Tochter trotz Krankheit keine ärztliche Hilfe habe zukommen lassen. Das Strafverfahren wurde nach Erfüllung von Auflagen vom Gericht wegen geringer Schuld eingestellt. Darüber berichtet der zweite Artikel. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass ihr Ansehen beschädigt wurde. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Insbesondere sei die Schwere des Tatvorwurfs nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Zudem sei die Öffentlichkeit nicht ordentlich über den Verlauf des Verfahrens und dessen Abschluss informiert worden. Die Zeitung habe alle Richtlinien der Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) missachtet. Es sei der Eindruck entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und sei nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davon gekommen. Das Justitiariat der Zeitung ist der Ansicht, die Berichterstattung habe im öffentlichen Interesse gelegen und sei aus presseethischer Sicht nicht zu beanstanden. Sie erfolgte nach Ansicht der Zeitung vor dem gerichtlich festgestellten Hintergrund, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin eines ihrer Kinder sexuell missbraucht habe. Gegen Ziffer 13 sei schon deshalb nicht verstoßen worden, weil ausführlich über die Einstellung des Verfahrens berichtet worden sei. (2009)

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Leserkommentar nicht gleich Leserbrief

Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins veröffentlicht einen Beitrag über die Kämpfe in Gaza-Stadt. Auch das UN-Hilfswerk sei unter Beschuss geraten, heißt es im Text. Mehrere Leser kommen mit Kommentaren zu Wort. Unter der Überschrift „Gegen den Medienterror ist Israel chancenlos“ schreibt ein Leser unter anderem: “Die Hamasverbrecher tragen keine Uniformen, benutzen Frauen und Kinder als Schutzschilder und beherrschen das Geschäft der Medienmanipulation mit Hilfe rechter und linker Gutmenschen perfekt. Die überwiegende Anzahl der Getöteten waren Islamfaschisten. Das wird gern vergessen.“ Der Beschwerdeführer – selbst Moslem – fühlt sich durch den Begriff „Islamfaschisten“ diskriminiert. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe teilt mit, die Beschwerde richte sich nicht gegen einen redaktionellen Beitrag, sondern gegen einen Leserkommentar. Diese Kommentare würden von der Redaktion nicht komplett vorab kontrolliert. Sie seien insofern nicht mit gedruckten Leserbriefen vergleichbar, bei denen stets eine redaktionelle Auswahl vorgenommen werde. Gerade im Interesse einer lebhaften Diskussion werde im Online-Bereich auf eine Auswahl verzichtet. Die Leser würden ausdrücklich ermuntert, Hinweise zu geben, wenn Leserkommentare oder –berichte gegen die Nutzungsbedingungen verstießen. Dass es sich bei der Hamas um eine fundamentalistische islamistische Gruppe handele, sei unstreitig. Sie werde als terroristische Vereinigung angesehen. Sie strebe einen „Gottesstaat“ an. Selbst wenn die Onlineredaktion für den Leserkommentar so wie für einen gedruckten Leserbrief verantwortlich wäre, hätte sie den Begriff „Islamfaschisten“ stehen lassen. (2009)

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An zwei Stellen Angeklagte vorverurteilt

Eine überregionale Zeitung berichtet über einen Strafprozess vor dem Amtsgericht. Die Angeklagte ist Beschwerdeführerin im Presseratsverfahren. Unter der Überschrift „Unter Zwang“ schreibt die Zeitung, dass die Frau wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und Nötigung vor Gericht stehe. Sie habe eine ihrer beiden Töchter gezwungen, ein hundertseitiges Buch mit dem Titel zu schreiben „Die ersten zehn Jahre meines Lebens mit einem schrecklichen Vater“. Das Kind sei eingesperrt und mit der Drohung konfrontiert worden, wenn es nicht schreibe, müsse es beim Vater leben. Das Mädchen habe die hundert Seiten geschrieben. Später habe die Angeklagte ihre Töchter isoliert und ihnen Außenkontakte verboten. In einem weiteren Beitrag unter dem Titel „Etwas ganz Gruseliges“ berichtet die Zeitung über die Beweisaufnahme. Darin wird die Aussage einer Frau wiedergegeben, die – wie auch der Vater der Töchter – das Jugendamt eingeschaltet habe. Mit den Töchtern sei etwas „ganz Gruseliges“ und „Schlimmes“ passiert. In einem weiteren Bericht in der Online-Ausgabe der Zeitung ist davon die Rede, dass „das Verfahren gegen eine Mutter, die ihre beiden Tochter halb verhungern gelassen und gequält habe“ eingestellt worden sei. In der Printausgabe wird über die Einstellung des Verfahrens und die Begründung berichtet. Die Beschwerdeführerin sieht ihr Ansehen beschädigt. Die Berichterstattung sei nicht wahrheitsgemäß gewesen und beinhalte Vorverurteilungen. Die Öffentlichkeit sei nicht verständlich über die Schwere des Tatvorwurfs unterrichtet worden. Auch über den Abschluss des Verfahrens habe die Zeitung nicht korrekt berichtet. Die Chefredaktion der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen nur knapp und allgemein Stellung, da parallel ein Arbeitsgerichtsverfahren gegen die Beschwerdeführerin laufe. Deshalb sei mit der Berichterstattung auch eine nicht der Redaktion angehörende Kollegin beauftragt worden. Damit habe man dem denkbaren Vorwurf der Befangenheit begegnen wollen. (2009)

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Massenschlägerei mit 200 Beteiligten

„Massenschlägerei wegen gebrochenen Heiratsversprechens“ – überschreibt eine Nachrichtenagentur ihren Bericht über eine Auseinandersetzung in einem rumänischen Dorf. An der Keilerei in einem „Roma-Dorf“ hätten sich 200 Personen beteiligt. Auslöser: Ein Mädchen war – nach „Roma-Sitte“ – einem Jungen zur Ehe versprochen worden. Als die Mutter des Teenagers das Versprechen zurücknahm, kam es zu dem Austausch von handgreiflichen Argumenten. Im Bericht der Agentur heißt es erläuternd weiter: „Arrangierte Kinder-Ehen ohne offiziellen Trauschein sind bei Roma üblich“. In einer ersten Meldung war zunächst von einem „Sinti-Dorf“ die Rede gewesen. Zwei Stunden nach ihrer Verbreitung korrigierte sich die Agentur mit dem Hinweis auf ein „Roma-Dorf“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung). Den Roma würden allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes geschürt und diese stigmatisiert. Nach Auffassung der Agentur ist die kritisierte Meldung kein typischer Bericht über Straftaten. Hier gehe es um eine Schlägerei mit etwa 200 Beteiligten. Dies sei Anlass für die Berichterstattung gewesen und nicht die Frage, ob und gegebenenfalls welche Delikte von wem und gegen wen begangen wurden. Es stehe also das außergewöhnliche Ereignis und nicht die strafrechtliche Einordnung im Vordergrund. Die Nennung der Minderheit habe einen Sachbezug darin, dass es sich beim Brauchtum der arrangierten Ehen von Minderjährigen nicht um einen Einzelfall handele, sondern um ein Problem, das vor allem in einigen Regionen Südosteuropas, insbesondere unter Angehörigen der Roma, verbreitet sei. Die Rechtsabteilung verweist zur Untermauerung ihrer Argumente auf ein Projekt der Roma-Dichterin Luminita Cioaba unter dem Namen „Zwischen Tradition und Gesetz“ sowie einen bekannt gewordenen Fall von zwölf- bis fünfzehnjährigen Jugendlichen im Jahr 2003. Die angegriffene Behauptung, derartige Hochzeiten seien „üblich“, sei demnach keinesfalls unzulässig verallgemeinernd oder gar diskriminierend. Die Rechtsvertretung der Agentur verweist abschließend auf einen Unicef-Bericht von 2007 mit dem Titel „Zur Lage der Roma-Kinder in Südosteuropa“. (2009)

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Über Verfahrenseinstellung nicht berichtet

Unter der Überschrift „Eine schrecklich nette Familie“ berichtet eine Regionalzeitung über eine Gerichtsverhandlung. Angeklagt ist eine Frau, die in diesem Fall zugleich als Beschwerdeführerin auftritt. Die Familie der Frau wird als „progressiv und intellektuell inszeniert“ beschrieben. Der Autor stellt fest, in dem Verfahren „gefriere einem das Blut in den Adern“. Die Töchter werden ebenso beschrieben wie das Familienleben. Gegen die Angeklagte werde wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht verhandelt. Sie habe eine ihrer Töchter genötigt. Die Beschwerdeführerin sieht durch die Berichterstattung ihr Ansehen beschädigt. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Die Zeitung habe insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs nicht nachvollziehbar dargestellt. Sie habe sämtliche Richtlinien der Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) missachtet. Der Eindruck sei entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und sei nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davongekommen. Der Bericht sei vorverurteilend, beleidigend und unsachlich. Entlastende Aussagen würden nicht wiedergegeben. Die Chefredaktion der Zeitung ist nicht der Ansicht, dass sie die Beschwerdeführerin an den Medienpranger gestellt habe. Sie habe auch nicht vorverurteilend berichtet. Bei der Überschrift handele es sich um den Titel einer Fernseh-Serie. Unter Umständen entspreche dies nicht dem Geschmack der Beschwerdeführerin, doch sei darin kein Verstoß gegen den Pressekodex zu erkennen. Mit der Formulierung „vermeintlich bessere Kreise“ habe die Redaktion lediglich den in der allgemeinen öffentlichen Meinung als ungewöhnlich angesehenen Umstand angesprochen, dass sich bei einer gebildeten und promovierten Mutter das Jugendamt für das Wohl der beiden Kinder interessiere und deshalb zwei Mitarbeiterinnen zum Hausbesuch entsandt habe. Zu der unterbliebenen Folgeberichterstattung äußert sich die Chefredaktion nicht. (2009)

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Über Prozess-Einstellung nicht berichtet

„Ist sie wirklich eine Rabenmutter?“ titelt eine Boulevardzeitung. Es geht um den Prozess gegen eine Frau, die in diesem Fall als Beschwerdeführerin auftritt. Dem Artikel ist ein großformatiges Bild beigestellt, das die Frau mit Sonnenbrille und gepixeltem Gesicht zeigt. Im Bildtext ist die folgende Passage zu lesen: „… die angeklagte Journalistin Dr. Barbara M. (41)“, die als „ehemalige Edelfeder“ einer bestimmten Zeitung genannt wird. Die Frau steht wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie Nötigung einer ihrer Töchter vor Gericht. Die Beschwerdeführerin sieht ihr Ansehen geschädigt. Es sei nicht wahrheitsgemäß berichtet worden. Insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs sei nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Zudem sei die Öffentlichkeit nicht ordentlich über den Verlauf und vor allem den Abschluss des Verfahrens informiert worden. Die Zeitung hat nach Auffassung der Angeklagten sämtliche Richtlinien der Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) verstoßen. In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, sie habe ein Kapitalverbrechen begangen und komme nun als offensichtlich Schuldige mit einer Geldbuße davon. Nach Meinung der Rechtsabteilung der Zeitung wird die Erkennbarkeit der Beschwerdeführerin zumindest für große Teile der Öffentlichkeit durch Pixelung des Gesichts und Abkürzung des Namens vermieden. Dass sie für Teile der Bevölkerung dennoch identifizierbar sei, hänge mit der tragischen Vorgeschichte zusammen. Diese sei Grundlage für die jetzige Anklage und von der Frau selbst herbeigeführt worden. Die Rechtsabteilung kommt zu dem Schluss: „Die Beschwerdeführerin hat sich offensichtlich ihre eigene Wahrheit zu diesem Prozess und auch ihre eigene Wahrheit zu der gesamten Familientragödie erarbeitet“. (2008)

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