Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Vom Entführer zum Fremdenführer

Unter der Überschrift „Wild in der Wüste“ berichtet ein Nachrichtenmagazin über Stammesangehörige im Jemen, die im Rahmen eines deutschen Entwicklungshilfeprojekts („Sons of Marib“) zu Fremdenführern ausgebildet werden. Im Mittelpunkt des Beitrags steht der Vorsitzende des Vereins „Sons of Marib“, der als „Turki Saud“ bezeichnet wird und von dem es unter anderem heißt, er habe sein Haus und „seine drei Frauen“ gezeigt. Es wird von dem Gebiet berichtet, in dem Turki Saud, Sohn eines Stammesführers im Nordjemen, die Fremdenführungen durchführt und wie sein Stamm dort von anderen Stämmen bekämpft wird. Wörtlich heißt es: „Sie jagen Ölpipelines in die Luft, kidnappen Ausländer, um Druck auszuüben auf die Regierung in Sanaa, (…)“ Dies solle sich jetzt ändern, indem die Stammessöhne eine Art Umschulung zu Fremdenführern durchlaufen. Noch könnten die Söhne nicht von ihren neuen Jobs leben, aber es sehe so aus, als hätten sie eingesehen, dass sie sich mit den Entführungen selbst schadeten. Der Beschwerdeführer moniert, dass Turki Saud tatsächlich Turki bin Saud heißt und nicht mit drei Frauen, sondern mit einer verheiratet sei. Der Leser, der den Deutschen Presserat anruft, beanstandet darüber hinaus die pauschalisierende Berichterstattung, die nicht klar mache, ob bestimmte Stämme, alle Stämme oder jeder Stammesangehörige gemeint seien. Dass der Sprecher von „Sons of Marib“ zum Entführer gemacht werde, sei eine Verleumdung, weil Entführung im Jemen ein Verbrechen sei, auf das die Todesstrafe stehe. Vor allem werde er der deutschen Öffentlichkeit als Entführer und Verbrecher präsentiert. Er werde verurteilt ohne Chance auf Richtigstellung. In einen Entführungsfall sei Turki bin Saud zwar verwickelt gewesen, aber nur als Mittler zwischen den Entführern und der Regierung. Die Rechtsabteilung des Nachrichtenmagazins spricht von einem reportageähnlichen Bericht über gesellschaftliche Veränderungen im Jemen. Die Schreibweise des Namens sei übernommen worden von der Teilnehmerliste des „Sons of Marib“-Projekts. Der Zusatz „bin“ stehe für „Sohn“ und sei in der Übersetzung entbehrlich. Turki Saud sei in dritter Ehe verheiratet, seine beiden Ex-Frauen lebten weiterhin von und bei ihm. Die Formulierung „seine drei Frauen“ unterliege daher keinen Bedenken. Der Beitrag suggeriere nicht, das Turki Saud ein „Verbrecher“ sei, also persönlich für Entführungen verantwortlich gemacht werden könne. Es würden vielmehr anerkennend seine Bemühungen geschildert, zwischen den rivalisierenden Stämmen zu vermitteln und der Tradition der Entführungen Einhalt zu gebieten. (2007)

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Homosexualität als „heilbar“ bezeichnet

Unter der Überschrift „Heilung in Gottes Namen“ setzt sich eine Wochenzeitung mit einem Verein auseinander, der versuche, „Schwule von ihrer Homosexualität zu ´befreien´“. Es wird geschildert, dass die Vereinigung unter der Leitung eines 44-jährigen angeblichen Theologen stehe. Dessen Überzeugung sei es, dass Homosexualität Ausdruck eines Traumas sei und suchtartige Züge annehmen könne. Zum Glück sei sie nicht genetisch bedingt und damit „heilbar“. Der Vereinschef ziehe seine Leitsätze aus der Bibel und aus einem Buch, für dessen Autor Schwule schlicht verhaltensgestört seien. Ihm werde nachgesagt, dass er der amerikanischen Ex-Gay-Bewegung angehöre, die Schwule und Lesben mit Gebetssitzungen und stationären Therapien „umpole“. Der Beschwerdeführer vertritt den Verein. Er ruft den Deutschen Presserat an, weil der Artikel nach seiner Auffassung mehrere unwahre Tatsachenbehauptungen und Unterstellungen enthalte, die geeignet seien, den Ruf des Vereins und seines Vorsitzenden herabzuwürdigen. Es liege damit eine unwahre Berichterstattung vor, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowohl des Vereins als auch der Person des Vorsitzenden verletze. Im Wesentlichen – so der Beschwerdeführer – sei die gesamte Grundaussage des Artikels falsch. Der Verein versuche nicht, Schwule von ihrer Homosexualität zu „befreien“. Sein Anliegen sei es vielmehr, Ratsuchende beim Erreichen ihrer eigenen Ziele zu unterstützen. Darüber hinaus stelle die Zeitung eine Vielzahl von Details falsch dar. So habe der Verein nicht behauptet, dass Homosexualität eine Krankheit sei und suchtartige Züge annehmen könne. Falsch sei es auch, dass der Vorsitzende seine Leitsätze aus der Bibel und dem oben erwähnten Buch beziehe. Eine „Umpolung“ im Sinn einer Gehirnwäsche werde ebenfalls nicht betrieben. Der Beschwerdeführer nennt noch weitere Passagen des Textes, die nach seiner Darstellung falsch seien. Die Rechtsvertretung der Wochenzeitung weist darauf hin, dass für die Richtigkeit der Wortzitate die Autorin als Zeugin zur Verfügung stehe. Die Formulierung „…von ihrer Homosexualität zu befreien“ sei eine Zusammenfassung des Vereinsprogramms. Ein Band von dem Gespräch mit dem Vereinsvorsitzenden existiere nicht, da dieser die Aufzeichnung untersagt habe. Da der Beschwerdeführer darauf bestehe, „Traumatherapeut“ zu sein, sei die Interpretation zulässig, dass er Homosexualität zumindest als möglichen Ausdruck eines Traumas betrachte. Der Bezug zur „Überwindung“ von Suchtverhalten werde in der Selbstbeschreibung des Vereins und in eigenen Stellungnahmen hergestellt. (2007)

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Hinweis auf Sinti und Roma nicht erforderlich

„Falscher Prinz leimte Arzt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung von einer Betrugsmasche, auf die ein Mediziner hereingefallen ist. Zwei Männer hätten sich als „Prinzen“ ausgegeben und dem Arzt lukrative Geldwechselgeschäfte angeboten. Nachdem ein Geschäft erfolgreich verlaufen sei, hätten die Männer den Doktor bei einem weiteren Geschäft um einen hohen Geldbetrag betrogen. Die Zeitung veröffentlicht einen Warnhinweis der Polizei. Darin heißt es, dass die Männer vermutlich der Gruppe der Sinti und Roma angehörten. Der Zentralrat der Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) sowie Richtlinie 12.1. Die Minderheitenkennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung will der Zentralrat ein über die gegenwärtige Rechtslage hinausgehendes, so genanntes Diskriminierungsverbot erreichen. Die Beschwerde sei politisch motiviert. Dafür spreche der Zeitpunkt der Beschwerde. Die kritisierte Veröffentlichung liege fast ein Jahr zurück. Eine zeitnahe Reaktion, eventuell mit Korrektur, sei also gar nicht mehr möglich. (2007)

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Kindesentführer im Bild gezeigt

Eine Regionalzeitung berichtet über die Entführung eines Bankierssohns. Sie druckt Bilder zweier Brüder, die zum Zeitpunkt der Berichterstattung der Tat verdächtigt werden. Eines der Fotos zeigt einen der Entführer mit seiner Tochter in der Badewanne. Beide Verdächtige sind erkennbar. Ein Leser der Zeitung wendet sich an den Deutschen Presserat, weil nach seiner Meinung die Darstellung die Grenze des ethisch Vertretbaren überschreitet. Dabei bezieht er sich vor allem auf die Veröffentlichung der Fotos. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seien die beiden Brüder noch nicht verurteilt gewesen. Eine derartige Zurschaustellung mit Hilfe privater Fotos komme einer Vorverurteilung gleich. Vor allem bei dem Badewannenfoto handele es sich um eine Darstellung aus der Privatsphäre. Es hätte nicht veröffentlicht werden dürfen. Die Rechtsabteilung der Zeitung bezeichnet die Berichterstattung als vorurteilsfrei. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hätten keine Zweifel an der Täterschaft der Festgenommenen bestanden; beide seien voll geständig gewesen. Die Redaktion bezeichnet die Formulierungen im Artikel als angemessen. Auch einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) kann die Rechtsabteilung nicht erkennen. Die Redaktion habe die Tat ihrer Schwere und Verwerflichkeit nach dem Bereich der Kapitalverbrechen zugeordnet. Dabei stützte sie sich auf die Strafandrohung für Totschlag, die der im Fall von gemeinschaftlicher Geiselnahme – wie im vorliegenden Fall – entspreche. Die Redaktion habe sich für das Foto mit einem der Verdächtigen in der Badewanne entschieden, weil es im Zusammenhang mit der Straftat einen fast schon paradoxen Aussagegehalt habe. Die Rechtsvertretung räumt jedoch ein, dass die Redaktion das Badewannenbild heute nicht mehr veröffentlichen würde. (2006)

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Jan Ullrich als „Blutpanscher“ bezeichnet

Unter der Überschrift „daily dope (114)“ veröffentlicht eine überregionale Zeitung eine Kurzmeldung über eine Umfrage, mit der man herausbekommen wollte, ob die Öffentlichkeit trotz der Doping-Vorwürfe Jan Ullrich wieder im Radsport sehen möchte. Dabei bezeichnet die Zeitung Jan Ullrich als „Blutpanscher“. Ein Leser der Zeitung sieht in dieser Bezeichnung einen Verstoß gegen Ziffer 13 des Pressekodex. Danach muss die Berichterstattung über Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren frei von Vorurteilen sein. Es gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Diese Forderung sieht der Beschwerdeführer in diesem Fall verletzt, weshalb er den Deutschen Presserat anruft. Nach Auffassung der Chefredakteurin der Zeitung wurde nicht über ein Ermittlungs- bzw. Strafverfahren berichtet. Auch sei Jan Ullrich nicht als Täter bezeichnet oder seine Täterschaft auf sonstige Weise suggeriert worden. Die Zeitung sei mit dieser Meldung weit hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben, da es sich bei Jan Ullrich um den Protagonisten einer Sportart handele, die zum Zeitpunkt der Berichterstattung wie keine andere mit Vorwürfen des planmäßigen Dopings im großen Stil assoziiert werde. Es handele sich um ein Paradebeispiel der Tatbegehung unter den Augen der Öffentlichkeit, so dass Ullrich als Täter habe vorgestellt werden dürfen. Zudem sei die Zeitung nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden. Die Zeitung habe deutlich zwischen Verdacht und erwiesener Schuld unterschieden. Die Bezeichnung „Blutpanscher“ sei Ausdruck einer Meinungsäußerung, die noch keine Schmähkritik darstelle. Sie sei nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern auf die Dopingvorwürfe gegen Jan Ullrich bezogen. (2007)

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Mitgefangenem zwei Morde gestanden

„Er hat mir die Morde gestanden“ titelt eine Boulevardzeitung. Sie berichtet über die Aussage eines Zeugen in einem Mordprozess. Dieser – ein früherer Mitgefangener des Angeklagten – gibt dem Verfahren eine überraschende Wendung, als er aussagt, der Angeklagte habe ihm in der Haftanstalt gestanden, Frau und Tochter umgebracht zu haben. Der Beschwerdeführer wird von der Zeitung mit vollständigem Vornamen, abgekürztem Nachnamen und seinem Alter genannt. Außerdem wird er im Bild vorgestellt und als „Frauenmörder“ bezeichnet. Der Mann ist (nicht rechtskräftig) wegen Mordes an seiner Frau verurteilt. Der Beschwerdeführer, der sich an den Deutschen Presserat wendet, kritisiert die Veröffentlichung seines Fotos, auf dem er gut erkennbar sei. Er sieht sich in der Untersuchungshaft den Repressalien durch Mitgefangene ausgesetzt. Außerdem kritisiert er, dass ihn die Zeitung als „Frauenmörder“ bezeichnet habe. Er sei jedoch nicht rechtskräftig verurteilt. Nach Meinung der Rechtsabteilung der Zeitung ist die Abbildung des Beschwerdeführers zulässig. Der Prozess habe bundesweit Schlagzeilen gemacht. Der Zeuge habe sich wenige Tage vor Prozessbeginn ins Spiel gebracht. Diese Wendung stelle ein zeitgeschichtliches Ereignis dar. Er sei zu einem wichtigen Zeugen der Anklage geworden. Nicht die Zeitung, sondern der Beschwerdeführer selbst habe sich in die Gefahr möglicher Repressalien durch Mitgefangene gebracht, indem er ausgesagt habe. In der Erstveröffentlichung vor Prozessbeginn habe das Blatt weder ein Foto des Zeugen gedruckt noch seinen Namen genannt, eben um ihn vor Repressalien zu schützen. Eine andere Zeitung habe diese Rücksicht nicht genommen, wodurch er in einschlägigen Kreisen identifizierbar war. Spätestens nach seiner Zeugenaussage habe man identifizierend berichten dürfen. Dass die Staatsanwaltschaft den Aussagen des Zeugen großes Gewicht eingeräumt habe, mache ihn zu einer zeitgeschichtlichen Person. (2007)

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Ohne Erlaubnis keine Namensnennung

„Neues aus Neuseeland: Camping unterm Totenkopf“ – so überschreibt eine überregionale Tageszeitung ihre Glosse zu einem Bericht in einer neuseeländischen Zeitung. Diese hatte über einen namentlich genannten und aus Deutschland stammenden Campingplatzwart berichtet, der nun in der Glosse als „Aussteiger“ und „Öko“ bezeichnet wird. Der beschwert sich nun über diese Bezeichnungen und wendet sich an den Deutschen Presserat. Außerdem stört er sich an der Namensnennung. Dazu habe er der Autorin keine Erlaubnis gegeben. Diese verweist darauf, dass sie einen Meinungsartikel verfasst habe, der naturgemäß keine hart recherchierten Fakten enthalte und in Teilen übertreibe. Grundlage ihrer Glosse sei der Artikel in der neuseeländischen Zeitung gewesen. Darin sei der Beschwerdeführer mit vollem Namen genannt worden und auch, dass er vor 15 Jahren in Neuseeland mit dem Motorrad unterwegs gewesen und dort „hängen geblieben“ sei. Daraus habe sie einen „Aussteiger“ und „Öko“ gebastelt. Dies sei nicht als Beleidigung gemeint gewesen. Die Chefredakteurin der Zeitung teilt mit, der jetzige Campingplatzwart habe sich selbst in die Öffentlichkeit begeben, als er mit der neuseeländischen Zeitung sprach und nicht beanstandete, dass diese seinen Namen nannte. Die nunmehr beanstandete Glosse stelle den Mann wesentlich positiver dar, als dies in der neuseeländischen Zeitung der Fall war. Die Titulierung als „Aussteiger“ und „Öko“ sei als „extrem subjektiv geprägt“ hervorgehoben. Um eine Schmähkritik handele es sich dabei nicht. (2007)

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Kriminalstrukturen offen gelegt

Unter der Überschrift „Auto-Mafia kaufte Luxusschlitten zum Spartarif“ berichtet eine Regionalzeitung von einem Strafverfahren gegen zwei Italiener. Die Masche der beiden wird dargestellt. Sie haben hochwertige Autos erworben, indem sie gefälschte Lohnbescheinigungen und Personalpapiere vorlegten und nur geringe Anzahlungen leisteten. Weiter heißt es, die Italiener hätten „Sinti und Roma“ aus verschiedenen Ländern angeheuert, um die Autos nach Italien zu bringen. Dort wurden die Wagen dann in einem Autohaus mit frisierten Papieren angeboten. Der Zentralrat der Sinti und Roma sieht einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex sowie Richtlinie 12.1. Die Minderheitenkennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass in dem Beitrag Sinti und Roma nicht als Beschuldigte genannt worden seien. Vor allem sei es um die beiden Italiener gegangen. Dennoch sollte in dem Bericht dargestellt werden, dass die hinter den Italienern stehende Mafia die Sinti und Roma für ihre Machenschaften benutzt haben soll. Sinti und Roma würden in der Berichterstattung weder herabwürdigend dargestellt noch würden Vorurteile gegen sie geschürt. Dennoch sollte die Herkunft der Beteiligten genannt werden, um die Struktur der Organisation darzulegen. (2007)

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Nachbarn auf Papptafeln beleidigt

„´Aktivistin´ nervt den Richter“ titelt eine Regionalzeitung über ein Verfahren vor dem Landgericht. Es geht um eine Berufungsverhandlung, in der sich eine Frau – die Beschwerdeführerin, die sich an den Deutschen Presserat wendet – gegen die erstinstanzliche Verurteilung wegen Beleidigung wehrt. Ihr wird vorgeworfen, an einem Nachbarhaus beleidigende Papptafeln angebracht zu haben. Auch habe sie ihre Freude über das Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM gegen Italien kundgetan. Sie habe – so die Zeitung weiter – ihr Handeln damit verteidigt, dass sie ihr „Haus gestalten und sich ausprobieren“ wolle. Der Richter habe die Frau gefragt, ob sie sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Er brauche ein Gutachten, da bei ihr etwas auffällig zu sein scheine. Ein Gutachter solle gehört werden, um die Schuldfähigkeit der Frau beurteilen zu können. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Artikel, weil sie meint, er enthalte Lügen. Auch wendet sie sich gegen die Wiedergabe der Bemerkungen des Richters. Sie verweist auf ein Gegendarstellungsersuchen an die Zeitung, auf das sie keine Antwort bekommen habe. Auch habe sie im Landgericht niemals geäußert, sie wolle ihr Haus gestalten und sich ausprobieren. Auch habe sie nie ihre Freude über die deutsche Fußballniederlage auf Plakaten kundgetan. Der Mediendirektor der Zeitung teilt mit, ein Gegendarstellungsersuchen der Frau sei im Verlag nicht eingegangen. So könne man auf die Vorwürfe auch nicht reagieren. Die Korrektheit der Berichterstattung sei durch die Notizen des berichtenden Mitarbeiters zu belegen. (2006)

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„Todesmutter“ und „Grab der Schande“

„Das Horror-Geständnis der Todes-Mutter“ und „Haftbefehl! Hier bringen sie die Todes-Mutter in den Knast“ titelt eine Boulevardzeitung über den Haftbefehl gegen eine 24-jährige Arbeitslose, die auf der Toilette eines Krankenhauses ein Baby geboren und es später in ein Gebüsch geworfen haben soll. Die Zeitung druckt Fotos der Frau mit Gesichtsbalken. Zwei Ausgaben später wird über die Beerdigung des Babys unter der Überschrift „Das Grab der Schande“ berichtet. Es wird behauptet, daran habe niemand von der Familie teilgenommen. Neben dem Grab des Kindes wird erneut die junge Frau mit Gesichtsbalken gezeigt. Fünf Repräsentanten aus dem Ort – der Bürgermeister, ein Pfarrer, eine pastorale Mitarbeiterin, ein Journalist und ein Blog-Autor – wenden sich mit Beschwerden an den Deutschen Presserat. Sie sind der Auffassung, dass die Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte der Frau verletze, da sie trotz des Augenbalkens auf den veröffentlichten Fotos zu identifizieren sei. Außerdem nenne die Zeitung Haarfarbe, Statur, Nationalität, Wohnort und Lebenssituation der Frau. Die Tatsache, dass die Polizei im Zuge der Fahndung Informationen über die Frau und ein Fahndungsfoto veröffentlicht habe, rechtfertige diese Berichterstattung nicht. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass es sich wegen der Wortgleichheit in allen Fällen um eine und nicht um fünf Beschwerden handele. Die Frau sei eine relative Person der Zeitgeschichte. Diese Einschätzung ergebe sich aus der Fahndung, der Schwere und den Umständen der Tat sowie aus dem Geständnis der Abgebildeten. Die Erkennbarkeit ergebe sich nicht aus der Berichterstattung der Zeitung, sondern vielmehr aus dem Fahndungsaufruf der Polizei. Außerdem sei der Fall bereits Stadtgespräch gewesen. Es sei nicht wahrheitswidrig über die Abwesenheit von Familienmitgliedern bei der Beerdigung berichtet worden. Die Redaktion habe sich auf Informationen des Bestatters und Recherchen vor Ort gestützt. Für die Bezeichnung „Horror-Geständnis“ und „Todes-Mutter“ nimmt die Redaktion das Recht der freien Meinungsäußerung in Anspruch. Sie stützt sich damit auf die Tatsachengrundlage, die sich aus dem Artikel ergebe. (2007)

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