Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung berichtet über den Streifzug eines Journalisten durch ein Dorf. Dort throne ein neugotisches Schloss gewaltig und bestimmend über dem Ort, eine Art Neuschwanstein in Norddeutschland. Allerdings stehe es leer, es drohe der Verfall und seit zwei Jahren habe der neue und gräfliche Besitzer den Klotz mitten im Ort zu allem Überfluss mit Stacheldraht und Sichtblenden abgeriegelt. Das sei ein Ärgernis im Dorf. Der namentlich genannte Adelige, der sich von einem Anwalt vertreten lässt, ist mit der Berichterstattung nicht einverstanden und wendet sich an den Deutschen Presserat. Er habe das Schloss mit dem Ziel erworben, es vor dem Verfall zu bewahren. Dies koste Zeit und viel Geld. Das Schloss sei mit einem Maschendrahtzaun umgeben worden, um es vor unbefugten Besuchern zu schützen und Unfälle zu vermeiden. Der Berichterstatter habe seine subjektiven Eindrücke geschildert, ohne sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Die namentliche Nennung ist nach seiner Auffassung nicht zulässig. Sie treffe ihn in seinem sozialen Geltungsanspruch und schädige seinen Ruf. Die Namensnennung habe im öffentlichen Interesse gelegen und sei deshalb zulässig gewesen, entgegnet der Chefredakteur der Zeitung. Das Schloss dominiere den Ort. Schon deshalb hätten Zustand und äußeres Erscheinungsbild erheblichen Einfluss auf die Befindlichkeit der Menschen. Als Tourismusfaktor sei das Schloss auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Außerdem habe zuvor schon der Ortsanzeiger über den neuen Besitzer mit vollem Namen berichtet. Der Autor des Beitrages habe alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen genutzt, doch habe sich der Graf verweigert. Auch sei nicht geschrieben worden „das Schloss verfalle“, sondern „der Verfall drohe“. Der Redaktion erschließe sich nicht, inwieweit der Graf durch den Artikel stigmatisiert werde und in seiner Menschenwürde verletzt worden sei. (2007)
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Der Überfall auf ein chinesisches Restaurant, bei dem sieben Menschen ermordet wurden, ist Thema eines Beitrags in einem Nachrichtenmagazin. Die polizeilichen Ermittlungen werden detailliert wiedergegeben. Es werden Fotos vom Tatort, den beiden Angeklagten sowie den Leichen gezeigt. Die Zeitschrift veröffentlicht mit namentlicher Nennung Porträtfotos der sieben Opfer. Zwei Leser und die evangelische Kirchengemeinde des Ortes, in dem das Massaker geschah, wenden sich an den Deutschen Presserat. Einer der Beschwerdeführer sieht durch die detaillierte Darstellung die Ehre der Opfer und auch das Empfinden der Leser verletzt. Ein anderer moniert Verstöße gegen die Ziffern 1, 4, 9 und 11 des Pressekodex. Die Veröffentlichung der Bilder verstoße gegen die Menschenwürde. Da es sich offensichtlich um Fotos aus der Tatnacht handele, liege der Verdacht nahe, dass die Bilder nicht auf legale Art beschafft worden seien. Diese Fotos dienten nicht der erläuternden Ergänzung des Wortbeitrages, sondern verletzten die Ehre der Opfer und ihrer Angehörigen. Der Beschwerdeführer spricht von einer üblen Art der Sensationsberichterstattung. Die Kirchengemeinde kritisiert, dass mit der Wiedergabe der Fotos aus der Tatnacht die Wahrung der Menschenwürde nach Ziffer 1 des Pressekodex nicht beachtet worden sei. Diese gelte auch für tote Menschen und die Erinnerung an sie. Der Beschwerdeführer fragt nach einem Verstoß gegen Ziffer 4 (Grenzen der Recherche), da eine Reihe von Fotos ohne Herkunftsangabe wiedergegeben worden sei. Er sieht auch Ziffer 9 (Schutz der Ehre) verletzt. Auch eine unangemessene sensationelle Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex sei gegeben. Für den Chefredakteur der Zeitschrift geht es in den Beschwerden um die Frage, wie die Informationsaufgabe der Presse bei Unglücksfällen oder schweren Verbrechen so erfüllt werden könne, dass die Würde der Opfer gewahrt bleibe. Nach seiner Ansicht träfen die erhobenen Vorwürfe nicht zu. Sein Blatt habe nach wochenlangen Recherchen über eines der schwersten in Deutschland je verübten Verbrechen berichtet. Insbesondere sei es darum gegangen, den Opfern, deren Biografie ausgelöscht schien, ihre Geschichte wiederzugeben. Der Beitrag respektiere die Würde der Toten. Er berichte von ihrem Leben, rekonstruiere ihr Schicksal und versuche gerade dadurch, das Ausmaß des Verbrechens zu verdeutlichen. (2007)
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Eine überregionale Zeitung berichtet über eine Debatte zur alten und neuen Form der katholischen Messe. Konkretes Thema der Diskussion war, dass Papst Benedikt XVI. die Feier der vorreformierten Messe am 7. Juli 2007 allgemein zugelassen hatte. Vier Redner kamen in der Diskussion zu Wort; einer von ihnen ist der Beschwerdeführer. Die Zeitung schreibt über seine Äußerungen unter anderem wie folgt: „Jetzt verteidigt er tapfer und schlecht gelaunt das nicht näher erläuterte Gute an der Reform der 60er Jahre wie ein SED-Vordenker nach dem Mauerfall die Errungenschaften der DDR“. Der Diskussionsteilnehmer empfindet den SED-Vergleich in hohem Maße als ehrenrührig. Dieser widerspreche Ziffer 9 des Pressekodex (Schutz der Ehre). Die Passage werde inzwischen so kolportiert: „… spricht wie ein Kommunist nach dem Fall der Mauer“. Die Geschäftsführung der Zeitung stellt sich hinter den Bericht über eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde, in der sich die vier Teilnehmer in Sache und Stil scharf voneinander abgehoben hätten. Dies zu charakterisieren, sei sozusagen „Chronistenpflicht“ gewesen. Der kritisierte Satz sei ausdrücklich und ausschließlich auf das Auftreten des Beschwerdeführers an diesem Abend bezogen gewesen. Der Vergleich mit dem Mauerfall habe sich aufgedrängt, denn der Mainstream der deutschen Wissenschaft mit dem Beschwerdeführer als Sprecher habe nun einmal jahrelang „gemauert“. Die Grundlage für den Vergleich sei auch im Artikel beschrieben. Darin sei ein zwar pointiertes, aber auch mit Bedacht gefälltes und wohl abgewogenes Urteil abgegeben worden. Der Autor habe den Beschwerdeführer dann auch ohne Ironie als tapfer und nicht etwa als starrsinnig oder uneinsichtig beschrieben. Als Vergleich habe er bewusst den SED-Vordenker und nicht etwa den SED-Chefideologen oder das SED-Politbüromitglied herangezogen. Es dürfe nicht von vornherein ehrenrührig sein, die katholische Kirche einschließlich der theologischen Wissenschaft und den „wissenschaftlichen Sozialismus“ miteinander zu vergleichen. (2007)
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Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift „Finale Phantasie“ über den Mord an einem Ehepaar. Die beiden jugendlichen Täter werden mit Vornamen und abgekürzten Familiennamen sowie ungepixelten Fotos dargestellt. Die besondere Grausamkeit der Tat wird dadurch deutlich, dass die Täter die Eltern eines ehemaligen Freundes „niedergemetzelt“ hatten. Den Vater hatten sie mit 66 Messerstichen umgebracht, die Mutter mit einer nicht mehr exakt feststellbaren Zahl von Messerstichen getötet und ihr Gesicht „bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt“. Ein Leser des Magazins sieht in der erkennbaren Darstellung der jugendlichen Täter einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Er beruft sich dabei auf den besonderen Schutz, unter den das Persönlichkeitsrecht Jugendlicher gestellt sei. Die Täter seien durch die Fotos deutlich zu erkennen. Nach Auffassung der Rechtsabteilung des Magazins könne die Regel, dass jugendliche Straftäter besonders schützenswert seien, nicht ausnahmslos gelten. Die Redaktion habe sich die Entscheidung, die Täter zu zeigen, nicht leicht gemacht. Wegen ihrer Geständnisse könne es keinen Zweifel an ihrer Täterschaft geben. Jeder in dem 400-Einwohner-Ort wisse, wer die Täter seien, wie sie aussehen und wo sie wohnen. Es habe somit nichts zu schützen gegeben. Die beanstandeten Fotos seien bei der Festnahme entstanden. Sie zeigten zwei normale, entspannt wirkende Jugendliche. Unbegreifliche Gewalt ohne erkennbaren Anlass breche immer häufiger aus. Die Stellungnahme der Rechtsabteilung endet mit dem Hinweis, das Magazin habe eine Unterlassungserklärung abgegeben, die Fotos nicht erneut zu veröffentlichen. (2007)
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Zwei Männer stehen wegen Totschlags bzw. gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die berichtende Zeitung nennt die Angeklagten mit dem Vornamen, dem abgekürzten Familiennamen und ihrem Alter. Im Artikel werden die beiden mehrfach als „Türken“ bezeichnet. Es heißt, einer der Täter habe sein Opfer gegen die Schläfe geschlagen und dabei gesagt: „So müsse man allen Deutschen den Schädel spalten“. In einem weiteren Bericht – diesmal über die Urteilsbegründung – werden die Angeklagten im Bild (mit Augenbalken) gezeigt. Auch diesmal werden beide als Türken bezeichnet. Einige Tage später bringt die Zeitung einen Kommentar, der sich mit ausländerfeindlichen Ausschreitungen in einer Kleinstadt beschäftigt. Der Autor thematisiert die Ermordung eines Mannes, der von Türken mit einer Bierflasche erschlagen worden sei. Ein Leser der Zeitung beschwert sich über die wiederholte Nennung der türkischen Herkunft der beiden Angeklagten. Dieses Detail sei für das Verständnis des Berichteten nicht erforderlich gewesen. Die Täter hätten das deutsche Opfer nicht auf Grund seiner Nationalität attackiert. Der Beschwerdeführer kritisiert auch die Passage im Kommentar, in der von der „Ermordung“ eines Mannes die Rede gewesen sei. Das Urteil des Gerichts habe auf Körperverletzung mit Todesfolge und nicht auf Mord gelautet. Der Chefredakteur hält an der Nennung der Nationalität fest. Täter ausländischer Herkunft bestimmten, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, überproportional die Kriminalitätshäufigkeit in Deutschland. Er beruft sich auf amtliche Polizeistatistiken. Die Presse sei verpflichtet, die besorgte Öffentlichkeit „offen und umfassend über die Täter bzw. Urheber vor allem auch schwerer und schwerster Verbrechen zu informieren“. Polizei und Ermittlungsbehörden praktizierten dies, indem sie in ihren Mitteilungen an die Presse die Herkunft von Tätern bzw. dringend tatverdächtigen Personen auswiesen. Es sei absurd – so der Chefredakteur - von einer freien und unabhängigen Presse zu verlangen, die Herkunft von Verbrechern zu verschweigen. Diese abstruse Logik würde im Umkehrschluss bedeuten, dass sich auch gebürtige Deutsche durch die Nennung ihrer Nationalität und Herkunft diskriminiert fühlen könnten. (2007)
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Eine Regionalzeitung berichtet unter dem Titel „Blaue Briefkästen für Kunden der …-Post“ über ein privates Postunternehmen. In der Berichterstattung werden das Angebot des Dienstes sowie Annahmestellen ausführlich beschrieben. Weiterhin werden eine Internetadresse und eine Service-Telefonnummer genannt. Ein Leser der Zeitung bemängelt, dass der Leser nicht darüber informiert werde, dass das Unternehmen eine Tochter des Verlagshauses sei, das auch die Regionalzeitung herausgebe. Das Eigeninteresse des Verlages werde nicht deutlich. Er sieht einen Verstoß gegen das Trennungsgebot, das in Ziffer 7 des Pressekodex definiert ist. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt zu dem beanstandeten Beitrag mit, dass es sich dabei nicht um Werbung handele, sondern um einen an den Interessen der Leserschaft ausgerichteten Beitrag. Dieser enthalte keinerlei unsachliche werbliche Anpreisungen der Leistungen des Briefdienstes. Die Zeitung rechtfertigt die Berichterstattung mit dem Hinweis auf ein begründetes öffentliches Interesse. Den Lesern sei die Verbindung von Zeitung und Briefdienst durchaus bekannt, da dieser regelmäßig in der Zeitung mit Anzeigen beworben werde. (2007)
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Der Chefredakteur einer Regionalzeitung führt ein Interview mit den Herausgebern eines neuen Magazins, das sich in erster Linie an Studenten richtet. Gleich zu Beginn fällt der Satz: „Gestern brach in den Mensen der Universität quasi ein neues Informationszeitalter an“. In einem zum Interview gestellten Kasten wird mitgeteilt, dass das bisherige Magazin jahrelang ein Quasi-Monopol hatte, wenn Studenten etwas verkaufen wollten oder einen Job suchten. Dieses Monopol werde nun durch das neue Magazin aufgebrochen. Die beiden Magazine dürften sich einen erbitterten Kampf um den Markt der 50.000 Studenten der Universität und um die Kleinanzeigen liefern. Der Beschwerdeführer ist Herausgeber des bislang konkurrenzlosen Studentenmagazins. Er sieht in dem Interview eine Verletzung des Trennungsgrundsatzes nach Ziffer 7 des Pressekodex. Die Leser würden nicht darüber informiert, dass das neue Blatt wirtschaftlich eng mit dem Verlag der Zeitung verbunden sei. 100 der 105 Kleinanzeigen aus dem Bereich „Wohnen“ seien in Wort und Reihenfolge aus dem Datenbestand der Regionalzeitung übernommen worden. Mit dieser Datenüberlassung sei den Machern des neuen Magazins überhaupt erst der Markteintritt ermöglicht worden. Der Beschwerdeführer merkt an, dass das vom Chefredakteur angekündigte „neue Informationszeitalter“ aus Werbung und getarnter PR bestehe. Die Veröffentlichung sei von keinerlei journalistischem Interesse geleitet, sondern entspreche dem Willen des Verlegers, mit dem neuen Wochenheft Marktanteile für den eigenen Verlag zu gewinnen. Der Chefredakteur der Zeitung hält seinen Beitrag für eine angemessene Berichterstattung über eine wichtige Neuerung in der lokalen studentischen und städtischen Medienszene. Sie sei von öffentlichem Interesse. Das neue Studentenmagazin reklamiere für sich ein anderes redaktionelles Konzept und suche andere Vertriebswege. Der Chefredakteur teilt mit, er habe dem Beschwerdeführer angeboten, auch mit ihm ein Interview zu führen. Der habe jedoch nicht auf das Angebot geantwortet, sondern einen für die Redaktion nicht erklärlichen Kommentar übersandt. Abschließend stellt der Chefredakteur fest, dass seine Zeitung bzw. der herausgebende Verlag an der neuen Zeitschrift in keiner Weise gesellschaftsrechtlich beteiligt sei. (2007)
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Der Kommentar einer Regionalzeitung erscheint unter der Überschrift „Genossen in Absurdistan“. Es geht um einen Änderungsvorschlag zur bereits beschlossenen Planung für den Ausbau des Werksbüros eines Unternehmens am Ort. Der Gemeinderat entscheidet sich mehrheitlich für die Planungsvariante eines ortsansässigen Architekten. Über diesen heißt es im Kommentar: „Da macht sich der Architekt … die Mühe, als Einwohner von … unentgeltlich diesen Trakt gestalterisch zugunsten des Ortsbildes zu verbessern“. In dem Kommentar wird das Abstimmungsverhalten von zwei SPD-Gemeinderäten scharf kritisiert. Sie hatten gegen die Pläne des Architekten gestimmt. Der Autor nimmt besonders einen der beiden aufs Korn: „…setzt noch eins drauf, indem er sich kurzerhand über den gültigen Bebauungsplan hinwegsetzen wollte“. Dieses Gemeinderatsmitglied ruft den Deutschen Presserat an, da er in dem Kommentar einen Verstoß gegen die Ziffern 2 (journalistische Sorgfaltspflicht) und 3 (Richtigstellung) sieht. Der Kommunalpolitiker wirft dem Autor des Kommentars neben schlechter Recherche und unprofessionellem journalistischen Verhalten falsche Darstellungen vor. Nach Auffassung des Beschwerdeführers entspricht es nicht der Wirklichkeit, dass der Architekt unentgeltlich arbeite. Vielmehr habe dieser seinen Beitrag als Einstieg für weitergehende Aufträge gesehen. Den Vorwurf, der Beschwerdeführer wolle sich über den gültigen Bebauungsplan hinwegsetzen, weist dieser zurück. Der Chefredakteur der Zeitung weist hingegen die Anschuldigung, die Redaktion habe einseitig und nicht ausreichend recherchiert, zurück. Er habe dem Beschwerdeführer auf seinen Brief geantwortet und ihm signalisiert, ihn in Form eines Interviews oder einer Pressemitteilung zu Wort kommen zu lassen. Eine vom Beschwerdeführer geforderte Richtigstellung jedoch lehnt der Chefredakteur ab. (2007)
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Eine Regionalzeitung berichtet über einen laufenden Anwaltshaftungsprozess gegen den Beschwerdeführer. In der Überschrift wird er „Schill-Anwalt“ genannt. Diese Bezeichnung rührt daher, dass er in anderen Angelegenheiten den früheren Hamburger Senator Ronald Schill vertritt. Im laufenden Verfahren spielt Schill keine Rolle. In dem Beitrag wird dargestellt, dass der Beschwerdeführer in erster Instanz wegen eines Anwaltsfehlers verurteilt wurde. Das Urteil in zweiter Instanz werde für die kommende Woche erwartet. Einen Tag nach Veröffentlichung des Beitrages wird das Urteil der zweiten Instanz verkündet, durch das das erstinstanzliche Urteil aufgehoben wird. Dieses Gericht verneint den angeblichen Anwaltsfehler. Darüber berichtet die Zeitung nicht. Der Beschwerdeführer hält die Berichterstattung für unfair. In dem Beitrag würden nur die für ihn negativen Aspekte aus der ersten Instanz behandelt. Über den für ihn positiven Ausgang des Verfahrens sei nicht berichtet worden. Er sieht seine berufliche Reputation gefährdet. Eine ergänzende Berichterstattung hätte sich aus seiner Sicht im Zusammenhang mit dem Abdruck einer von ihm erstrittenen Gegendarstellung angeboten. Inzwischen hat der Beschwerdeführer auch eine ergänzende Berichterstattung erstritten. Für die Rechtsabteilung der Zeitung ist es unklar, gegen welche Regelungen im Pressekodex die Redaktion verstoßen haben soll. Die Berichterstattung sei zutreffend und journalistisch korrekt gewesen. Ein Recht auf ergänzende Berichterstattung erkennt sie nicht. Gegen das entsprechende Urteil sei man daher in die Berufung gegangen. (2007)
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„Der Kannibale im TV: ´Menschenfleisch schmeckt recht gut´“ – titelt eine Boulevardzeitung. In dem Beitrag geht es um einen Auftritt des Mannes, der als „Kannibale von Rotenburg“ bekannt wurde. Den Fernsehbeitrag sahen mehr als eine Million Zuschauer. Das Blatt veröffentlicht wörtliche Aussagen. Dabei heißt es unter anderem: „Das Fleisch schmeckt ähnlich wie Schweinefleisch, etwas herber, kräftiger. Es schmeckt recht gut“. Auf die Frage des Reporters, ob er glücklich sei, sein Opfer nun in sich zu haben, wird der Mann mit den Worten zitiert: „Nach meiner Vorstellung ist er nun auch ein Teil von mir. Das ist ein guter Gedanke“. Ein Leser des Blattes hält den Bericht für geschmacklos, abscheulich und pervers. Er sieht Verstöße gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) und wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung des Verlags spricht von einem der spektakulärsten Fälle der deutschen Strafrechtsgeschichte. Über die Tat und den Prozessverlauf sei ausführlich berichtet worden. Noch Jahre danach beschäftige die Frage die Öffentlichkeit, wie es zu einer derartigen Tat kommen konnte. Anlass für die Berichterstattung sei eines von drei neuen Büchern gewesen, die den Fall des „Kannibalen von Rotenburg“ zum Thema hätten. Über das gleiche Buch sei auch tags zuvor im Fernsehen berichtet worden. Der Verlag verhehlt nicht, dass die zitierten Äußerungen geschmacklos, pervers und abscheulich seien. Die Zeitung trage nicht die Verantwortung für das Gesagte; sie habe nur wahrheitsgemäß berichtet. Die berichteten Zitate seien Teil einer zeitgeschichtlichen Dokumentation, über die die Öffentlichkeit ebenso informiert werden dürfe wie über die Straftat sechs Jahre zuvor. Zum Vorwurf, gegen Ziffer 11 des Pressekodex verstoßen zu haben, erklärt der Verlag, dass die Wiedergabe der Äußerungen nicht unangemessen sensationell sei. Die Zeitung habe mit der Form der Gesamtdarstellung zugleich Distanz gewahrt und mache sich auch nicht zum Werkzeug des verurteilten Straftäters. (2007)
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