Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Burschenschaft „ultrarechts“ und „NPD-nah“

Eine überregionale Zeitung berichtet unter den Überschriften „Neonazi arbeitete in RCDS-Spitze“ und „In SS-Montur zu Wolfstanz“ über Aktivitäten einer Burschenschaft in einer deutschen Universitätsstadt. Diese wird als „ultrarechts“ und „NPD-nah“ bezeichnet. Im letzten Absatz des Artikels mit der Überschrift „Neonazi arbeitete in RCDS-Spitze“ wird ein AstA-Mitglied einer anderen Universität zitiert: „Man sieht, dass … (die Burschenschaft) weiterhin ein Scharnier zwischen Rechtskonservativen und Rechtsradikalen ist.“ In dem Beitrag „In SS-Montur zu Wolfstanz“ wird berichtet, die Burschenschaft stehe im Visier des Verfassungsschutzes, weil die NPD einen Teil ihrer Wahlkämpfer und Fraktionsmitglieder aus dieser Burschenschaft rekrutiere. Ein Leser wendet sich an den Deutschen Presserat, weil er der Auffassung ist, dass die Burschenschaft wahrheitswidrig als “NPD-nah“ bezeichnet werde. Auch die zufällige Doppelmitgliedschaft weniger Personen in der Burschenschaft und in der NPD rechtfertige nicht die Behauptung, es handele sich um eine rechte Gruppe. Die Burschenschaft sei basisdemokratisch organisiert und den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. Auch die Behauptung, aus der Burschenschaft würden Wahlkämpfer und Fraktionsmitglieder der NPD rekrutiert, sei falsch und ehrverletzend. Die Rechtsabteilung der Zeitung beruft sich auf den Bericht des Landesverfassungsschutzes aus dem Jahr 2004. Darin wird unter anderem ein NPD-Funktionär zitiert, der sich öffentlich dahingehend geäußert haben soll, dass die Burschenschaft „national gesinnt“ sei und dass sein Kreisverband von der „Sogwirkung“ der Burschenschaft auf rechtsextreme Studenten profitiert habe. Außerdem habe die Landesregierung auf eine Anfrage eines Abgeordneten mitgeteilt, dass die Burschenschaft der rechtsextremen NPD nahe stehe. Zu dem zweiten beanstandeten Artikel teilt die Redaktion mit, dass sie sich auf den Bericht eines zuverlässigen Informanten gestützt habe. An dessen Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit bestünden keine Zweifel. (2006)

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Das Foto eines getöteten Jungen

Unter der Überschrift “Dieser Junge starb in der Terror-Hölle” berichtet eine Boulevardzeitung über den Tod eines zehnjährigen Jungen bei einem Terroranschlag in Ägypten. Sowohl auf der Titelseite als auch im Innern des Blattes wird ein Foto des Kindes abgedruckt. Unabhängig von einander kritisieren zwei Leser, dass das Bild mit unlauteren Mitteln beschafft worden sei. Ein Journalist habe sich als freier Mitarbeiter diverser Zeitungen ausgegeben und behauptet, von einer Lehrerin des Jungen geschickt worden zu sein. Auch bei Mitschülern des Kindes habe er sich nach einem Foto erkundigt. Die Zeitung habe das so erlangte Foto ohne weitere Nachforschungen und ohne das Gesicht des Getöteten unkenntlich zu machen, abgedruckt. Eine Einwilligung der Eltern zum Abdruck habe nicht vorgelegen. Die beiden Leser wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass nach ihrem Wissen das Foto ordnungsgemäß recherchiert worden sei. Der freie Mitarbeiter habe sich in seiner langjährigen Tätigkeit als verantwortungsbewusst und sorgfältig erwiesen. Man gehe deshalb davon aus, dass er sorgfältig recherchiert und nicht gegen die Richtlinien des Presserats verstoßen habe. Auf Nachfrage habe der Journalist glaubwürdig erklärt, dass er sich in keinem Fall als Mitarbeiter irgendwelcher Zeitungen ausgegeben habe. Es sei jedem Gesprächspartner klar gewesen, dass er für die Boulevardzeitung tätig war. Auf Nachfrage habe er auch sofort seinen Presseausweis vorgelegt. Die Rechtsabteilung weist darauf hin, dass sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gegenüber dem Vater des getöteten Jungen eine Unterlassungserklärung abgegeben habe. (2006)

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“Rückrufaktion” allgemeiner Sprachgebrauch

Eine Fachzeitschrift berichtet über die vermeintliche Rückrufaktion eines Motorradherstellers. Es geht um einen Fehler im Antiblockiersystem. In dem Artikel heißt es weiter, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen drei Manager des Herstellers im gleichen Zusammenhang eingestellt. Ein Leser der Zeitschrift teilt mit, dass es sich nicht um eine Rückrufaktion, sondern um eine freiwillig technische Aktion des Herstellers handle. Juristisch sei dies ein erheblicher Unterschied. Weiterhin kritisiert er, dass nicht darüber informiert wurde, dass zwar das Verfahren gegen die Manager eingestellt wurde, die Staatsanwaltschaft dann aber ein Verfahren gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet habe. Andere Medien hätten dies berichtet. Der Leser wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift hält es für unerheblich, ob es sich um einen freiwilligen oder einen angeordneten Rückruf gehandelt habe. Auch eine freiwillige Maßnahme des Herstellers zur Beseitigung von Gefahren werde zulässig und im Wortlaut aller einschlägigen Vorschriften entsprechend als Rückruf bezeichnet. Auch aus der weiteren Darstellung im Artikel ergebe sich der Umstand des freiwilligen Rückrufs zweifelsfrei. Eine Verpflichtung, über ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen Unbekannt zu informieren, habe für die Redaktion nicht bestanden. Die Aufnahme eines solchen Verfahrens in einen Artikel sei nicht durch eine Rechtsvorschrift geboten und stünde im alleinigen Ermessen der Redaktion. (2006)

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Von Mitschülern in den Tod getrieben

Ein junges Mädchen wird über einen längeren Zeitraum hinweg von Mitschülern gequält. Es scheidet freiwillig aus dem Leben. Über diesen Fall berichtet eine Jugendzeitschrift unter der Überschrift “Gewalt an der Schule – Lisa (15) hielt es nicht mehr aus!” Der Rektor der Schule hält die Berichterstattung für unangemessen sensationell und einseitig. Sie beruhe ausschließlich auf den Aussagen der Eltern des Mädchens. Die Schule und die Mitschüler würden ohne Berücksichtigung ihrer Sichtweise in Misskredit gebracht. Gleiches gelte für die Klassenlehrerin, über die es in dem Artikel heißt, nach einem Gespräch zwischen ihr und der Mutter des Mädchens sei “alles nur noch schlimmer” geworden. Der Schulleiter wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift teilt mit, das Blatt habe ein dringendes Gesellschaftsproblem aufgegriffen, um auf die Gewalt an deutschen Schulen hinzuweisen. Die Aktion habe “ein überragendes Medienecho” erfahren. Bei der Berichterstattung sei bewusst darauf geachtet worden, dass weder die Schule noch die Lehrer noch gewaltbereite Schüler namentlich genannt worden seien. Auch werde nicht der falsche Eindruck erweckt, als gebe es einen unmittelbaren, zeitlichen Zusammenhang zwischen der Selbsttötung und den Bemühungen der Mutter um eine Verbesserung des Klimas in der Klasse. Durch den Artikel werde deutlich, dass zwischen beiden Ereignissen noch zahlreiche andere Vorfälle lägen. So hätte es Gespräche mit dem Rektor und einem Psychologen, die Suche nach einer anderen Schule und den Versuch der Schülerin gegeben, sich mit den gewaltbereiten Mitschülern zu arrangieren. Eine sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität liege nach Auffassung des Beschwerdegegners nicht vor. Es sei Ziel des Artikels, Opfern von Gewalt an Schulen die Sinnlosigkeit einer Selbsttötung vor Augen zu führen und konkrete Hilfestellung anzubieten. (2006)

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Selbsttötung eines Familienvaters

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift “Familienvater warf sich vor Zug – tot” über den Suizid eines Familienvaters aus einem Ortsteil einer Kleinstadt. Ausführlich werden die letzten Lebensminuten des Selbstmörders geschildert. In dem Artikel wird der Vorname des Mannes vollständig und der Nachname gekürzt genannt, sein Alter angegeben und der Ortsteil benannt, in dem er mit seiner Familie wohnte. Der Beschwerdeführer prangert einen Verstoß gegen Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) in Verbindung mit Richtlinie 8.5 (Suizid-Berichterstattung) des Pressekodex an. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. In seiner Entgegnung auf die Beschwerde unterstellt der Stellvertretende Chefredakteur dem Beschwerdeführer Befangenheit, da er für eine andere Zeitung arbeite. Dennoch nimmt er inhaltlich Stellung. Er könne keinen Eingriff in die Intimsphäre des Verstorbenen erkennen. Da die in dem Artikel beschriebene Auseinandersetzung zwischen dem Verstorbenen und der Mutter der gemeinsamen Kinder in einem kleinen Dorf stattgefunden und sich dort sehr spektakulär und öffentlich abgespielt habe, sei insgesamt nur die Sozialsphäre berührt. Mit der Abkürzung des Familiennamens habe die Redaktion hinreichende Zurückhaltung geübt. Wegen der spektakulären Umstände des Selbstmordes sei der Verstorbene eine relative Person der Zeitgeschichte. Daraus ergebe sich ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Mann habe gerade eine Tötungsart und einen Tötungsort gewählt, angesichts derer er damit habe rechnen müssen, dass aufgrund der Sperrung der Bahnstrecke zahlreiche Dritte betroffen sein würden. Diese hätten ein Recht darauf zu erfahren, was die Verspätungen verursacht habe. (2006)

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Toten Polizisten im Internet verhöhnt

Eine Berliner Zeitung berichtet am Vorabend des 1. Mai über die zu erwartenden Demonstrationen in der Hauptstadt. Dabei ist von linksextrem eingestellten Personen die Rede, die auf einer Internetseite vor Zivilfahndern der Polizei warnen und dabei einen zuvor getöteten Polizisten verhöhnen. Die Zeitung bildet den Toten ab und nennt seinen vollen Namen. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die volle Namensnennung und fotografische Abbildung des Polizisten sei zu Unrecht erfolgt. Die Identität des Opfers sei für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit unerheblich. Der Abdruck erfolge nur für die Befriedigung des Sensationsbedürfnisses der Leser. Auch nach dem Tod gelte der Schutz der Persönlichkeitsrechte weiter. Der Geschäftsführende Redakteur der Zeitung weist darauf hin, dass das Foto des toten Polizisten seit der Tatnacht hundertfach veröffentlicht worden sei. Die Berichterstattung über die öffentliche Reaktion habe bereits damals ein überragendes öffentliches Interesse hervorgerufen. Der beanstandete Artikel nehme eindeutig Stellung gegen die Verunglimpfung des Andenkens des Polizisten. Eine Befriedigung der Sensationsgier sei weder erkennbar noch beabsichtigt. (2006)

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Gute Laune nach dem Ehrenmord

Unter der Überschrift “Verbrechen im Namen der Ehre” veröffentlicht ein Nachrichtenmagazin einen Beitrag, in dem es um das Urteil gegen drei Türken geht, die ihre Schwester umgebracht haben. Der familiäre Hintergrund wird ebenso dargestellt wie die auf das Urteil folgende öffentliche Diskussion. Mit dem Artikel werden auch Fotos der Geschwister des Opfers abgedruckt. Von einer Schwester des Opfers ist die Rede, die sich künftig um das Kind der Getöteten kümmern werde. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat, weil Familienangehörige von Opfer und Tätern im Bild gezeigt werden. Die Abbildung verletze deren Persönlichkeitsrechte. Auch die Abbildung des Opfers mit voller Namensnennung hält der Beschwerdeführer für unzulässig. Die Rechtsvertretung des Magazins rechtfertigt die Veröffentlichung des Fotos mit mehreren Familienangehörigen und Freunden des Opfers. Es sei kurz nach dem Urteil gegen die drei Brüder aufgenommen worden. Dass diese auf dem Bild beste Laune demonstrierten, mache deutlich, dass die Ermordung der Schwester bei der Familie offenbar zu keiner sichtbaren Trauer geführt habe. Der Beitrag, so die Rechtsvertretung des Magazins weiter, habe sich über das konkrete Beispiel hinaus mit den so genannten Ehrenmorden befasst, für die dieser Fall exemplarisch das überragende öffentliche Interesse an diesem Thema beweise. Zum Foto des Opfers verweist das Magazin auf die Besonderheiten dieses Falles. Dadurch, dass das Opfer auf dem Foto als fröhliche junge Mutter gezeigt werde, die sich äußerlich nicht von jungen europäischen Durchschnittsfrauen unterscheide, komme deren Lebenseinstellung für den Leser nachvollziehbar zum Ausdruck. Im Vergleich mit dem Bild ihrer Schwestern, die beide ein Kopftuch trügen, werde klar, dass sich eine junge Frau den Vorgaben ihrer Familie widersetzt habe. Die getötete junge Frau sei zum Symbol für die Opfer so genannten Ehrenmorde geworden und damit eine zeitgeschichtliche Person von überragendem öffentlichem Interesse. Diese Einschätzung teilten auch andere Medien. (2006)

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Täter sind oft zugleich auch Opfer

Der Polizei 80.000 Euro vermacht

“Oma vererbt 80.000 Euro – an die Polizei” - so überschreibt eine Sonntagszeitung einen Bericht über eine Erbschaft, mit der eine ältere Dame den Dienststellenleiter einer Polizeidirektion unter der Auflage bedacht hatte, das Geld für soziale Zwecke zu verwenden. Damit, so die Zeitung, habe die Frau den einzig legalen Weg gefunden, einer Behörde Geld zu vererben. Auf zwei Fotos ist die Erblasserin als junges Mädchen und als alte Dame zu sehen. Der Beschwerdeführer moniert, dass der Artikel die Intimsphäre der Frau missachte. Die mittlerweile verstorbene alte Dame sei ohne ihre Einwilligung in der Zeitung abgebildet worden. Und das, obwohl sie keine Person der Zeitgeschichte sei. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung kann keine Verletzung der Intimsphäre durch die Bildveröffentlichung erkennen. Es habe eine Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotos vorgelegen: Die Polizeidirektion, aufgrund des Erbes Rechtsnachfolgerin der alten Dame, habe der Redaktion die Fotos zur Veröffentlichung überlassen. Die Zeitung hält die Veröffentlichung allein schon wegen des öffentlichen Interesses für zulässig. Die Frau habe die Berichterstattung durch ihre ungewöhnliche und rechtlich brisante gute Tat, einer Polizeidirektion ihr Vermögen zu vermachen, selbst ausgelöst. (2006)

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Zurückhaltung bei jugendlichen Opfern