Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
“Das ist der Rotkohl-Killer – Er hat das Baby seiner Freundin zu Tode gefüttert” – unter dieser Überschrift berichtet am 14. Januar 2006 eine Boulevardzeitung über einen 17 Monate alten Jungen, der an Überfütterung mit Rotkohl gestorben ist. Die Mutter und ihr Ex-Freund sitzen in U-Haft. Der Mann wird als “Killer Marcus V. (23)” mit Foto vorgestellt. Der Name der Mutter ist verfremdet. In dem Artikel heißt es: “Er presste dem kleinen Justin Rotkohl in den Mund. So lange, bis das Kind keine Luft mehr bekam. Es starb später im Krankenhaus. (…) Wer ist dieser junge Mann, der zum Kinder-Killer wurde?” Durch die Kombination von Foto, Überschriften, Bildtexten und Artikel hat die Zeitung nach Ansicht einer Blogger-Initiative massiv gegen das Vorverurteilungsverbot nach Ziffer 13 des Pressekodex verstoßen. Der Täter habe kein Geständnis abgelegt, sondern bestreite die Vorwürfe. Die Initiative wendet sich an den Deutschen Presserat. Unter Hinweis auf mehrere Agenturmeldungen hält sie die Berichterstattung für falsch, da die Staatsanwaltschaft Marcus V. nicht vorwerfe, das Kind in der geschilderten Weise gefüttert zu haben. Diese Tat lege die Anklagebehörde allein der Mutter zur Last. Der Lebensgefährte soll demnach der tödlichen Misshandlung tatenlos zugesehen haben. Die Darstellung der Zeitung sei vermutlich frei erfunden, in jedem Fall jedoch unzutreffend. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Beschwerde wegen Wiedergutmachung für erledigt, da das Blatt in seiner Ausgabe vom 3. November 2006 den Sachverhalt richtig gestellt habe. Den Anlass dazu bot das einen Tag zuvor ergangene Gerichtsurteil. Die Rechtsabteilung wirft dem Beschwerdeführer vor, selbst unlauter und sorgfaltswidrig gehandelt zu haben, indem er dem Presserat Agenturmeldungen vorgelegt habe, die Monate nach der Erstveröffentlichung erschienen seien und somit keinesfalls den Stand der Fakten zum Zeitpunkt der Berichterstattung Mitte Januar 2006 wiedergegeben hätten. Bei Erscheinen des ersten Artikels sei von einer “Täterschaft durch Unterlassen” noch nicht die Rede gewesen. (2006)
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„Ab heute! WM-Knaller von … - 6 Flaschen Bier + eine Tüte Erdnuß-Flips + 1 Deutschland-Fahne nur 99 Cents!“ steht als Aufmacher auf der Titelseite einer Boulevardzeitung, die die Aktion gemeinsam mit einem Discounter startet. Gegen einen Coupon, den die Zeitung abdruckt, bekommt man die angepriesenen Gegenstände im Laden. In Innenteil der Ausgabe steht ein weiterer Beitrag unter dem Titel „Das WM-Fan-Paket von … - Feiern wie die Weltmeister“. Auch dort wird darauf hingewiesen, dass man nur mit einem Coupon aus der Zeitung zum Discounter gehen müsse, um das Angebot zu bekommen. Dabei nennt die Zeitung auch die Biermarke, wobei von einem „köstlichen Pils“ die Rede ist. Zwei Leser der Zeitung sehen in diesen Veröffentlichungen einen krassen Fall von unlauterer Werbung. Die Beiträge seien nicht mit dem Hinweis „Anzeige“ gekennzeichnet worden. Damit verstoße die Redaktion gegen das in Ziffer 7 des Pressekodex definierte Trennungsgebot zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten. Die Rechtsabteilung der Boulevardzeitung vertritt die Auffassung, durch die Veröffentlichung erschließe sich ohne weiteres, dass es sich um eine Aktion im Sinne einer Werbemaßnahme handele. Der durchschnittlich informierte Verbraucher könne nur schwerlich zu der Überzeugung gelangen, dass es sich hier um einen redaktionellen Beitrag gehandelt habe. (2006)
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Eine Wochenzeitung veröffentlicht unter der Überschrift “Plump auf Pump” einen Beitrag über die wirtschaftliche Entwicklung in diversen Ländern durch die Politik ihrer Staatschefs. In einer Passage über Venezuela heißt es, dort wachse seit der Machtübernahme durch Präsident Chavez die Wirtschaft nicht mehr. Das Pro-Kopf-Einkommen in dem südamerikanischen Land sei seither gar um 45 Prozent gesunken. Der Beschwerdeführer kritisiert eine falsche Behauptung. Aktuelle Daten zum Zeitpunkt der Berichterstattung zeigten für Venezuela ein positives Wachstum der Wirtschaft und des Einkommens der Menschen. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsvertretung der Zeitung äußert die Vermutung, der Beschwerdeführer betreibe eine öffentliche Kampagne, um die Politik der venezolanischen Regierung zu unterstützen. Der Artikel kritisiere u. a. eine politische Entwicklung, konkret die Verstaatlichung von Öl und Gas ohne Auswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung. Der Autor habe sich auf die bis dahin aktuellen Zahlen der Vereinten Nationen gestützt. Danach ist das Bevölkerungseinkommen seit dem Jahr 1999 (Machtantritt von Präsident Chavez) bis 2003 – dem Jahr der zuletzt zur Verfügung stehenden Vergleichszahl – von 8000 auf 4800 Dollar gefallen. Ob die exakte Zahl von 45 Prozent rechnerisch richtig sei, sei dahingestellt. Die Tendenz sei entscheidend. Fest stehe, dass die venezolanische Wirtschaft in der Regierungszeit von Chavez drastisch gelitten habe. (2006)
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Mit der Frage, woran man eigentlich einen guten Zwei-Tages-Rucksack erkenne, befasst sich eine Zeitschrift. Am Beispiel des Modells eines bestimmten Herstellers wird beschrieben, welcher Kriterien es dazu bedarf. Dem Artikel sind Fotos beigefügt, auf denen das Modell und das Logo des Herstellers zu erkennen sind. Auch Preise sind genannt. Nach Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich in diesem Fall um Schleichwerbung, da der Rucksack der erwähnten Firma großzügig abgebildet und mit all seinen angeblichen Vorteilen beschrieben sei. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, ein Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex liege nicht vor, weil es sich nicht um eine bezahlte Veröffentlichung gehandelt habe. Die Rucksack-Firma sei in keiner Weise involviert; erst recht sei kein Geld geflossen. Im Hinblick auf den Vorwurf der Schleichwerbung meint die Rechtsabteilung, dass der abgebildete Rucksack keinesfalls beworben werde. Der abgebildete Rucksack stehe symbolisch für gute Produkte. Der Leser habe ein berechtigtes Interesse, zusammen mit einer Bewertung auch ein Foto mitgeliefert zu bekommen. Die Abbildung zu dem Beitrag sei nur deshalb zustande gekommen, weil der Autor sich in einigen Fachgeschäften habe beraten lassen. Mehrere Verkäufer hätten das erwähnte Modell unabhängig von einander als “gut” bezeichnet. (2006)
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Das Wochenend-Magazin einer überregionalen Zeitung veröffentlicht unter der Überschrift “Spaß im Gras” Hinweise auf diverse Produkte, die bei keinem Festival fehlen sollten. Dem Beitrag sind Fotos der Produkte, Angaben zur Bezugsquelle und die jeweiligen Preise beigefügt. Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag Schleichwerbung. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung antwortet, die Konsumseite im Wochenendmagazin wolle eine intelligente, genussbetonte und amüsante Form von Service und Leser-Blatt-Bindung bieten. Aus der bunten und überbordenden Warenwelt würden nützliche oder skurrile Konsumgüter ausgewählt und mit kurzen, auch humorvollen Texten vorgestellt. Wenn man so wolle, läge eine subtile Form von Konsum- und Konsumentenreflektion vor. Die Redaktion sieht in dem Beitrag einen ironisch-nutzwertigen Tangenten-Artikel zur Sittengeschichte des Rock-Festivals. Die journalistische Distanz werde zum Teil durch die Überschriften (Für Angeber) und den jeweils gefetteten Bewertungsbegriff (Sonderbar) gewahrt. Dadurch werde dezent zum Ausdruck gebracht, dass es manchmal einen Unterschied zwischen Schein und Sein gebe. (2006)
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Eine Programmzeitschrift veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift “Ein Team, das um den Titel spielt”. Angelehnt an die Aufstellung einer Fußballmannschaft werden im Umfeld der WM diverse Käsesorten vorgestellt. Auf Seite 2 oben enthält der Beitrag das Logo “CMA – Bestes vom Bauern”. Am Ende der Veröffentlichung wird ein Gewinnspiel vorgestellt, das die Zeitschrift gemeinsam mit dem “Informationsbüro Deutscher Käse”, einer CMA-Tochter, veranstaltet. Der Beschwerdeführer vermutet in der Veröffentlichung Werbung, die von der CMA bezahlt wurde. Die Werbung sei aber nicht als solche kenntlich gemacht. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Chefredakteur der Zeitschrift konstatiert, dass der Versuch, den Überschwang der “Fußballbesoffenheit” in Deutschland bei der WM nach Strich und Faden zu veräppeln, wohl schief gelaufen sei und man sich jetzt eine Nachfrage wegen angeblicher Schleichwerbung eingehandelt habe. Es sei allerdings so, dass die Veröffentlichung nicht von der CMA bezahlt worden sei. Auch habe man dem Thema entsprechend gleich elf Käsesorten erwähnt, von denen nicht einmal die Hälfte unter die Vermarktungshoheit der CMA falle. In der weiteren Stellungnahme der Chefredaktion kommt zum Ausdruck, dass die CMA bei der Wahl der Einzelheiten der Veröffentlichung mit im Boot gesessen habe. (2006)
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“So kriegen Sie die schönsten Sommer-Beine” überschreibt eine Boulevardzeitung einen Bericht über das Entfernen von Beinhaaren. Dabei werden Fotos und Preise von vier Produkten veröffentlicht. Nach Auffassung des Beschwerdeführers beinhaltet der genannte Artikel Schleichwerbung für vier Produkte. In dem Beitrag werde der redaktionelle Inhalt nicht klar von der Werbung für bestimmte Produkte getrennt. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist darauf hin, dass es sich um einen redaktionellen Beitrag und nicht um bezahlte Werbung handle. Der Artikel erfülle ein aktuelles Informationsinteresse. Soweit durch die positive Erwähnung bestimmter Produkte eine werbliche Wirkung entstehe, sei dies ein Nebeneffekt, der hinter dem Leserinteresse zurückstehen müsse. Der Verlag betont das öffentliche Interesse an dem Thema. Die Grenze zur Schleichwerbung sei in diesem Fall nicht überschritten worden. Auch werde Kritik geübt, so im Fall eines Enthaarungswachses, das nichts für “empfindliche Gemüter” sei, denn: “Es ziept”. (2006)
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Eine Wählergemeinschaft setzt sich kritisch mit anderen Parteien auseinander. Darüber berichtet eine Regionalzeitung, die am Ende ihres Artikels dem Vorsitzenden der Wählergemeinschaft das folgende Zitat zuschreibt: “Von einem Verkauf der Stadtwerke und einer Gefährdung der Arbeitsplätze kann keine Rede sein.” Dieser wendet sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat. Das Zitat stamme aus einem Leserbrief und sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Intention seiner Leserzuschrift werde durch die Verwertung einer Passage daraus in dem Artikel überhaupt nicht mehr deutlich. Sein Brief werde durch die Vermischung von Zitaten und redaktionellen Einfügungen verfälscht. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, die kritisierte Redaktion veröffentliche keine Leserbriefe politischer Parteien oder Wählergemeinschaften. Man entscheide im Einzelfall, ob deren Inhalt als Stellungnahme behandelt oder nur als Information der Redaktion gewertet werde. Die Veröffentlichung des in dieser Beschwerde angesprochenen Briefes habe sich überdies deshalb verboten, weil darin ein Ratsmitglied in diskriminierender und fast beleidigender Weise als “stadtbekannter Sprücheklopfer” und “Liebhaber nachweimarer Verhältnisse” bezeichnet worden sei. Auch von “Geißen und Böcken” sei – bezogen auf politische Gegenspieler – die Rede gewesen. Auf die Wiedergabe dieser Passagen habe die Redaktion verzichtet und sich darauf beschränkt, die Quintessenz des Briefes den Lesern in einem redaktionellen Beitrag mitzuteilen. (2006)
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Die Bezirksausgabe einer Regionalzeitung widmet sich unter den Überschriften “Saufen, bis der Notarzt kommt” und “Wilde Sauf-Party im Jugendzentrum” einer Party im Jugendtreff. Zwei Fälle werden geschildert. In einem der Berichte heißt es, der Treff sei schon früher durch Drogen- und Alkoholpartys aufgefallen. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Leitung des Jugendzentrums zu den Vorgängen nicht gehört worden sei. Die geschilderten Fälle – ein 13- und ein 18-jähriger sollen stark betrunken gewesen sein – hätten sich im Nachhinein relativiert. Der Jüngere habe seine Aussage, er habe den Alkohol im Jugendzentrum bekommen, zurückgenommen. Der Ältere sei von einer anderen Party, wo er getrunken habe, in den Jugendtreff gekommen. Die Formulierung “Drogenpartys” hält der Beschwerdeführer für eine Verleumdung; er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung beruft sich auf den Polizeibericht. Daraus gehe eindeutig hervor, dass die Jugendlichen in dem Treff Alkohol getrunken hätten. Auf den Polizeibericht müsse sich die Zeitung verlassen können. Die Polizei habe der relativierenden Darstellung des Leiters des Jugendzentrums ausdrücklich widersprochen. Zum Vorwurf, die Zeitung habe nicht bei der Leitung des Treffs recherchiert, stellt die Chefredaktion fest, dass diese seit geraumer Zeit jeglichen Kontakt zur Redaktion verweigere. Der bearbeitende Redakteur habe im Jugendtreff angerufen. Als er seinen Namen genannt habe, sei der Hörer aufgelegt worden. Schließlich sei der Treff bei der Polizei als Ort für Drogenkonsum bekannt. Von einer Verleumdung durch den Begriff “Drogenpartys” könne also keine Rede sein. (2006)
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