Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6869 Entscheidungen
Unter der Schlagzeile “Heute weinen alle Eltern – Terroristen schossen den fliehenden Schülern in den Rücken” dokumentiert eine Boulevardzeitung am 4. September 2004 das Geiseldrama in Beslan in Südrussland. Der Beitrag enthält viele Fotos, die Soldaten im Einsatz, verletzte Kinder und Helfer bei der Rettung der Opfer zeigen. Im Text wird das Geschehen minutiös geschildert. Die Klasse 6 eines Gymnasiums und deren Religionslehrerin wenden sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat: “Uns stört, dass die Zeitung zu große Fotos auf die Titelseite setzt, die zu brutal, gewalttätig und beängstigend sind. Die Kinder sind verstört und werden von Reportern belästigt, andauernd befragt und fotografiert. Die Kinder und auch die bedrohten Erwachsenen benötigen Hilfe und keine Reporter, die ihr großes Leiden fotografieren. Das Privatleben der Kinder wird gestört, der private Bereich muss aber geschützt werden, besonders wenn es sich um eine derartige Angst- und Gefahrensituation handelt. Großes Leiden, verblutende, schwer verletzte Kinder sollten nicht farbig riesengroß zur Schau gestellt werden.” Der Chefredakteur der Zeitung erklärt, in seinen Augen seien die Fotos über das Geiseldrama keine unangemessen sensationelle Darstellung, wie sie Ziffer 11 des Pressekodex verbiete. Als Begründung fügt er an, dass der seit Jahren andauernde Tschetschenienkrieg bislang schätzungsweise 200.000 Zivilisten das Leben gekostet habe und die Verbrechen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit begangen würden, weil Russland eine unabhängige Berichterstattung nicht zulasse. Das Geiseldrama in der Schule der südrussischen Stadt Beslan als Ausriss des lang anhaltenden Tschetschenienkrieges sowie des international wachsenden Terrorismus habe weltweit Entsetzen und eine umfangreiche Diskussion über die Umgangsweise des russischen Präsidenten mit dem Tschetschenienkrieg ausgelöst. Nach dem Geiseldrama seien drei Journalisten verhaftet worden. Man habe ihnen teilweise untersagt, sich öffentlich zu dem Vorfall zu äußern. Seine Zeitung, betont der Chefredakteur, habe sich seit jeher einer zensierten Berichterstattung widersetzt. Kriege und terroristische Anschläge seien grausam, eine Zensur der Berichterstattung jedoch unangemessen. Immer wieder würden Journalisten und Fotografen versuchen, den Einschränkungen der Pressefreiheit entgegenzuwirken und unter Einsatz ihres Lebens wahrhaftig über humanitäre Katastrophen zu berichten. Die umfangreiche Berichterstattung aller Medien in Wort und Bild rund um das Geiseldrama habe die Grausamkeit dieses Attentats der Öffentlichkeit erst in ihrem wahren Ausmaß nahe gebracht. Die Aussagen einiger Opfer in den deutschen Medien hätten nicht nur den russischen Präsidenten Putin zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Krieg in Tschetschenien und dem Umgang mit der Pressefreiheit in Russland gezwungen, sie hätten in Zusammenhang mit der umfangreichen Berichterstattung einen weit reichenden erfolgreichen Aufruf aller Medien ermöglicht, die Opfer und deren Familien in Beslan zu unterstützen. Der Chefredakteur will nicht in Abrede stellen, dass die beanstandeten Fotografien Kinder abschrecken. Man sei sich bewusst, dass auch Kinder zu den Medienkonsumenten zählen. Aus diesem Grunde wäge die Redaktion in jedem einzelnen Fall ab, ob die Veröffentlichung eines Gewaltfotos gegen Ziffer 11 des Pressekodex verstoße. Gleichwohl sei sie der Auffassung, dass Kinder heute im Zeitalter des international wachsenden Terrorismus zwangsläufig mit Gewalt in den Medien konfrontiert werden. Die Beurteilung nach Ziffer 11 dürfe von daher nicht ohne Berücksichtigung dieser Entwicklung erfolgen. Zeitungen seien darüber hinaus primär Informationsträger, welche nicht dazu dienten, nur die schönen Seiten der Welt zu zeigen, sondern den Auftrag hätten, wahrheitsgemäß und umfassend zu berichten. Dass einige Personen mitunter daran Anstoß nähmen, lasse sich dabei nicht vermeiden. Wie das Bundesverfassungsgericht im Benetton-Urteil klarstelle, sei ein “vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt der Bürger kein Belang, zu dessen Schutz das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden” dürfe. Im übrigen habe kein weiterer Leser der Zeitung an der dieser Beschwerde zu Grunde liegenden Berichterstattung Anstoß genommen.
Weiterlesen
In einem Beitrag unter der Überschrift „US-Ärzte folterten im Horror-Knast“ berichtet eine Boulevardzeitung, amerikanische Armee-Ärzte hätten die Folterknechte im „Horror-Knast“ Abu Ghraib offenbar unterstützt. Die Militärmediziner sollen Methoden für Zwangsverhöre entwickelt und notwendige Hilfe verweigert haben. Totenscheine von Gefangenen sollen gefälscht und Beweise für Folterungen vertuscht worden sein. Ärzte sollen auch selbst Gefangene misshandelt haben. Ein britisches Fachmagazin berufe sich mit diesen Behauptungen auf Regierungsdokumente und beeidigte Aussagen von Soldaten und Häftlingen. Der Artikel ist illustriert mit dem Foto einer Leiche. Das Folteropfer ist in Folie eingewickelt. Das Gesicht ist deutlich erkennbar. Ein Leser hält die Veröffentlichung des Fotos für schamlos und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Identität des Mannes sei deutlich erkennbar, da sein Gesicht nicht mit einem Augenbalken abgedeckt worden sei. Der Tote werde nach seiner Folterung noch einmal missbraucht und schutzlos vorgeführt. Zudem diene das Foto nicht der Darstellung oder Verifizierung der These des Textes, dass amerikanische Armeeärzte die Folterknechte offenbar unterstützten. Der Geschäftsführer des Verlages kann in der Veröffentlichung des Fotos keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen. Es werde keine Folterszene mit Opfern, sondern vielmehr das tote Opfer als grausame Folge der Folter gezeigt. Das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung auch in dieser Form sei groß, denn nur eine realistische Darstellung könne zur Aufklärung beitragen und die Menschen wachrütteln. Ein Verzicht auf dieses fotografische Dokument hieße, die Zeitgeschichte zu verfälschen. Die Grenze der unangemessen sensationellen Darstellung von Gewalt sei demnach nicht überschritten. Auch ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex sei nicht gegeben, da es sich um ein Dokument der Zeitgeschichte handele, das einem herausragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit begegne. Die Foltervorgänge in Abu Ghraib seien nicht ein gewöhnliches Verbrechen, sondern vielmehr ein globales Aufsehen erregendes zeitgeschichtliches Ereignis. Da das Folteropfer nicht zu erkennen sei, liege auch keine Verletzung der Menschenwürde vor. Unter dem rechten, zudem geschwollenen Auge des Folteropfers klebe ein Pflaster. Der Mann sei auf dem Kopf liegend dargestellt, so dass die typischen Gesichtszüge verfremdet seien und das Gesicht keinen natürlichen Ausdruck zeige. Darüber hinaus würden keine Lebensumstände oder gar der Name des Opfers bekannt. Der Abgebildete sei nicht identifizierbar und somit als Opfer nicht seiner Würde beraubt. (2004)
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung meldet unter der Überschrift „Anklage wegen Untreue“, mit keinem einzigen städtischen Unternehmen habe sich die Staatsanwaltschaft öfter befassen müssen als mit den Verkehrsbetrieben. Im jüngsten Ermittlungsverfahren habe sich der Verdacht ergeben, dass es Betriebsratsmitgliedern mit SPD- und Gewerkschaftsbuch besser gehe als „normalen“ Mitarbeitern. Mit dem Hinweis, man könne alle Belege schnell beibringen, habe die Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Unternehmens vorliegen. Genannt seien gleich vier Namen mit ladungsfähigen Anschriften. Drei Tage später teilt die Zeitung ihren Leserinnen und Lesern unter Bezugnahme auf die Erstveröffentlichung unter der Überschrift „Keine Anklage wegen Untreue“ mit, ihre Meldung bedürfe der Richtigstellung. Es sei keine Anklage wegen Untreue erhoben, sondern lediglich eine Strafanzeige wegen Untreue gestellt worden. Die Unternehmenskommunikation der Gesellschaft bekundet dem Deutschen Presserat, es sei falsch, dass gegen das Unternehmen Anklage wegen Untreue erhoben worden sei. Weiterhin sei es nicht korrekt, dass der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrages eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue vorgelegen habe. Dies habe der Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Anwalt der Verkehrsbetriebe betont. Zudem sei die Behauptung, mit keinem einzigen Unternehmen müsse sich die Staatsanwaltschaft öfter befassen, nicht zur Veröffentlichung in einem nachrichtlichen Artikel geeignet. Wenn überhaupt, könne man sie höchstens als Meinung äußern. Auf Anfrage teilt die zuständige Staatsanwaltschaft dem Presserat mit, dass bei ihr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine anonyme Anzeige zum Thema des Artikels vorgelegen habe. Es stimme, dass in den letzten Jahren eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Unternehmens oder im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Verkehrsbetriebe im weitesten Sinne geführt worden seien. Der Chef vom Dienst der Zeitung räumt ein, dass die Überschrift der Erstveröffentlichung falsch gewesen sei. Der Fehler sei Folge eines bedauerlichen redaktionellen Versehens gewesen. Aus dem Inhalt des Artikels ergebe sich aber eindeutig, dass keine Anklage, sondern eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue gemeint sei. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe tatsächlich eine Anzeige vorgelegen. Dies habe der Sprecher der sehr großen örtlichen Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Die Äußerung des Autors über die Häufigkeit der Ermittlungsverfahren enthalte Elemente eines zulässigen Werturteils. (2004)
Weiterlesen
Ein Wirtschaftsmagazin macht einem möglichen Kunden ein Angebot zum Kauf von redaktionellen Beiträgen. So soll ein ganzseitiger Artikel 1.000 Euro und ein redaktioneller Beitrag über zwei Seiten 1.700 Euro kosten. Ein Beitrag auf der Website des Magazins ist für 500 Euro erhältlich. Die Anzeigenberaterin bietet in ihrem Schreiben auch Kombinationen an. Eine Seite Text in der Printausgabe mit einem zusätzlichen Online-Beitrag ist für 1.300 Euro zu haben. Zwei Seiten in der Printausgabe mit zusätzlichem Online-Beitrag werden für 1.800 Euro gefertigt. Die Geschäftsführerin eines Landesverbandes des DJV sieht in diesem Angebot einen dreisten Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex und führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Chefredakteur des Magazins entschuldigt sich für den unkorrekten Vorgang. Von nun an werde man in jedem Fall entgeltliche Veröffentlichungen eindeutig kennzeichnen. PR-Texte werde man künftig mit dem Zusatz „Anzeige“ versehen. (2004)
Weiterlesen
Unter der Schlagzeile “Der Sex-Seppl – Er steht jetzt mit einem Bein im Gefängnis” berichtet eine Boulevardzeitung über einen Deutschen, der in Thailand angeblich 500 Frauen mit dem HIV-Virus angesteckt haben soll. Mit einem langen Knastaufenthalt rechne der “Perverse” nicht. Die Verbreitung des tödlichen Virus sei in Thailand nicht strafbar. Deshalb sitze der Mann, der nach einer Amputation nur noch ein Bein habe, nur wegen eines Einreisevergehens in Haft. Er habe sich mit einem vierwöchigen “Touri-Visums” seit drei Jahren im Land aufgehalten. Dem Beitrag sind Fotos des Betroffenen beigestellt. Die Zeitung nennt seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens, sein Alter und den früheren Wohnort. Ein Leser spricht in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat von “Schmierenjournalismus”. Der Mann werde mit diesem Beitrag in seiner Menschenwürde verletzt. Gegen ihn werde Stimmungsmache betrieben, da sein körperliches Gebrechen nichts mit seinen möglichen Vergehen zu tun habe. Der Beschwerdeführer kritisiert zudem den Abdruck eines Fotos, das mit dem Vermerk “Der Lockruf der Lust” eine nackte Asiatin zeigt. Dieses Foto habe mit der Berichterstattung nichts zu tun und bediene voyeuristische Bedürfnisse. Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Meinung, dass die Abbildung des nackten Frauenkörpers das Elend der thailändischen Prostituierten in keiner Weise verharmlose. In der Bildunterschrift wie auch im Text werde äußerst kritisch zum dem Phänomen Sextourismus Stellung bezogen Insofern sei es sehr widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer dies als “verächtliche Stimmungsmache” bezeichne. Sich mit einer Person wie dem inhaftierten Deutschen kritisch auseinanderzusetzen, gehöre zu den legitimen Aufgaben einer Zeitung. Der Mann prahle öffentlich, wie er als reicher Deutscher die Armut der sich prostituierenden Thailänderinnen ausnutze. Gleichzeitig beschimpfe er die Frauen auf sexistische und rassistische Weise. Es bestehe zudem der dringende Verdacht, dass der Betroffene absichtlich Hunderte von Thailänderinnen mit dem Aids-Virus infiziert habe. Mehrere asiatische Zeitungen und Nachrichtenagenturen hätten berichtet, dass darunter auch Minderjährige gewesen seien. Der Deutsche habe die Jugendlichen vor Schulen angesprochen und gegen Zahlung einer für thailändische Verhältnisse unglaublich hohen Geldsumme zum ungeschützten Geschlechtsverkehr bewegen können. Die Berichterstattung über diese Schattenseiten des Massentourismus sei auch für die deutsche Öffentlichkeit von großem Interesse. Der Artikel widme sich also einer gesellschaftlich besonders dringenden Thematik und beziehe ganz klar Stellung. Die Formulierung “Er steht mit einem Bein im Gefängnis” sei eine gängige Redewendung. In dem angegriffenen Artikel werde daraus ein Wortspiel. Einerseits befinde sich der Betroffene tatsächlich in Haft wegen eines Einreisevergehens, andererseits laste ein weiterer schwerer Verdacht auf ihm, nämlich die absichtliche Infizierung mit dem Aids-Virus. Insgesamt sei der Mann kein grundlos inhaftierter Behinderter, sondern ein Mensch, der es bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, junge Frauen mit einer tödlichen Krankheit anzustecken. (2004)
Weiterlesen
Unter der Überschrift „Alles Käse“ beantwortet eine Boulevardzeitung die Frage, warum die Holländer die ewigen Verlierer seien. In Erwartung des Europameisterschaftsspiels zwischen den Fußballern Deutschlands und der Niederlande nennt das Blatt 55 Gründe für eine Niederlage der Holländer. Darunter finden sich Feststellungen u.a. wie: „Weil ihre Königin ausschaut wie Hape Kerkeling“, „Weil die Holländerinnen Käseglocken haben“, „Weil holländisches Bier so schmeckt, als hätten eure Fußballer ihre Füße darin gebadet“, „Weil eure Autokennzeichen aussehen wie eine fahrende Blindenbinde“, „Weil ihr Trainer Dick Advocaat so viel wie ‚Schwanz Anwalt‘ heißt“ oder „Weil bei uns nur Müllmänner Orange tragen“. Eingeleitet wird der Beitrag mit der Ankündigung: „Es stinkt bei der EM. Die Holländer kommen !“ Und es wird der Rat erteilt: „Beißen Sie in eine Tomate! Riechen Sie an einer Tulpe! Schnüffeln Sie an einem Matjes! Ist doch alles nur Käse aus Holland!“ Zwei Leser des Blattes nehmen Anstoß an der Veröffentlichung. Ein Zeitungsverleger ist der Ansicht, dass in dem Beitrag eine Fülle von abwertenden, hämischen und beschämenden Bemerkungen über Holland enthalten seien. Wenn das Humor sein solle, dann würden alle Vorurteile, die Deutschen seien ein humorloses Volk, auf glänzende Weise bestätigt. Er regt an, im Presserat einmal darüber zu diskutieren, ob die Zeitung nicht auch eine Verantwortung für ein gutes Verhältnis zu den Nachbarländern habe. Der Chefredakteur seiner Zeitung habe sich in einem Schreiben an die Partnerzeitung in den Niederlanden von dem vorliegenden Pamphlet distanziert. Die Beziehungen der Nachbarländer zueinander und auch die Partnerschaften von Tageszeitungen würden durch solche Entgleisungen zumindest beeinträchtigt, wenn nicht konterkariert. Ein zweiter Leser äußert eine ähnliche Meinung. Die Veröffentlichung sei eine bodenlose Frechheit mit äußerst beleidigendem Tenor unserem Nachbarland gegenüber. Die Chefredaktion der Zeitung betont, Fußball gehöre zu den populärsten Sportarten in Europa. Sportwettkämpfe aller Art bewirkten bei den Anhängern der teilnehmenden Nationen in besonderem Maße ein Aufleben des Nationalstolzes und eine nationale Positionierung. Die Emotionalität, mit welcher die breite Masse die Wettkämpfe insbesondere im Fußball begleite, werde seit jeher zum Anlass genommen, sich mit den Klischees und Vorurteilen zu beschäftigen, mit welchen die gegeneinander spielenden Nationen behaftet seien. Es verstehe sich als Aufgabe der Presse, sich mit der Emotionalität der Fans und Leser auseinanderzusetzen und diese im Rahmen der Berichterstattung um Welt- und Europameistertitel auch wiederzugeben. Im Rahmen der Berichterstattung über internationale Wettkämpfe würden auch die zwischen den Nationen außerhalb des Sports bestehenden Klischees, Vorurteile und Konflikte ausgetragen. Die Presse diene insoweit neben der sachlichen Berichterstattung über die Ergebnisse auch als Spiegelbild der Stimmung in der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund gehöre es zu den ureigensten Rechten der Presse, sich zur authentischen Wiedergabe der Meinung in der Nation des Vokabulars der Fans oder des Stilmittels der Ironie zu bedienen, ohne hierbei Gefahr zu laufen, sich dem Vorwurf der Diskriminierung nationaler Gruppen auszusetzen. Die Chefredaktion sieht den Vorwurf des beleidigenden Tenors nicht bestätigt. Die überwiegenden Kommentare seien unverkennbar ironisch und nicht beleidigender Natur. Die Veröffentlichung schließe zudem mit der Bemerkung: „Weil wir euch trotzdem mögen, auch wenn ihr heute verliert – oder gewinnt. Großes Käse-Ehrenwort“. Mit Ausnahme der beiden Beschwerden beim Presserat habe es kein negatives Feedback der Leser gegeben. Die Leser hätten wohl uneingeschränkt die humoristische Aussage des Artikels verstanden. (2004)
Weiterlesen
Unter der Überschrift „Pferdefüße“ kommentiert eine Tageszeitung die Vorgänge um das Pferde-Doping bei den Olympischen Spielen in Athen. Die Autorin behauptet, das Pferd des Amerikaners Chris Kappler sei schon vor Athen monatelang verletzt gewesen, sei in angeschlagenem Zustand über die monströsen Hindernisse gejagt und im Namen Olympias von seinem Reiter vollends verbraucht worden. Ein Facharzt für Pferde hält diese Behauptung für falsch und teilt seine Bedenken dem Deutschen Presserat mit. Kapplers Pferd sei nicht angeschlagen gewesen. Es habe vor Athen kontinuierlich und erfolgreich an Turnieren teilgenommen. Der Hengst sei während der Olympischen Spiele in der Verfassungsprüfung von der Ground Jury und der Veterinärkommission auf seinen Gesundheitszustand untersucht und als gesund eingestuft worden. Er sei ohne gesundheitliche Komplikationen ins Finale gekommen. Dort habe ihn im Stechen um die Silbermedaille ein Trauma erreicht. Drei weitere Springpferde hätten ähnliche Verletzungen erlitten. Bei weiteren fünf Pferden seien ähnliche Symptome aufgetreten. Dies habe zu dem Schluss geführt, dass gewisse Umstände ursächlich die Verletzungen verschuldet haben. Zur Erforschung der Ursache sei ein Ad-hoc-Komitee des Weltreiterverbandes FEI etabliert worden, dessen Ergebnisse zur Zeit noch nicht vorliegen. Die Geschäftsführung des Verlages erklärt in ihrer Stellungnahme, dass entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers das Pferd Royal Kaliber des Amerikaners Chris Kappler bei seinem Olympiastart in Athen schon eine längere Krankengeschichte hinter sich gehabt habe. Dies sei nicht nur in Reiterkreisen weithin bekannt gewesen. Auch der Beschwerdeführer selbst, der als Tierarzt Royal Kaliber in Europa behandelt habe, habe dies der Redakteurin schriftlich bestätigt. In einem Brief vom 1. Oktober 2004 heiße es u.a.: „Das Pferd hat während der Vorbereitungsphase auf die Olympischen Spiele Probleme am linken Hinterbein gehabt.“ Der Teamchef der amerikanischen Reiterequipe habe im Rahmen einer Pressekonferenz während des Reitturniers vom 13. bis 18. Juli 2004 in Aachen vor schätzungsweise 40 Zuhörern erklärt, Royal Kaliber fehle in der amerikanischen Nationenpreismannschaft, weil das Pferd „zur Zeit leider verletzt“ sei. Fünf Wochen später habe das olympische Turnier begonnen. Dass Royal Kaliber in Athen die Verfassungsprüfung ohne Reklamationen überstanden habe, habe in der Branche allgemein erhebliches Erstaunen ausgelöst. Ein hoher Funktionär habe der Redakteurin gegenüber im Gespräch vor Ort erklärt, man werde künftig bei der Gesundheitskontrolle wohl strengere Maßstäbe anlegen müssen, da mit Royal Kaliber und dem französischen Pferd Dilème de Cephe „bereits vorgeschädigte Pferde“ in den schweren Olympiaparcours geschickt worden seien. Die Ad-hoc-Kommission des Weltverbandes, welche die Verletzung von Pferden im olympischen Parcours untersuche, sei noch zu keinem Ergebnis gelangt. Ihres Erachtens, führt die Geschäftsführung abschließend aus, könne der Beschwerdeführer sich deswegen auch nicht darauf berufen. Royal Kaliber sei mittlerweile eingeschläfert worden. (2004)
Weiterlesen
Ein Zeitungsleser in Süddeutschland schickt per E-Mail einen Leserbrief an eine Zeitung in der Landeshauptstadt. Er hat in der Presse gelesen, dass dem Ministerpräsidenten aus Anlass seines 70. Geburtstages eine wunderschöne Armbanduhr geschenkt worden sei. Jetzt fragt er, ob der so Beschenkte die Uhr seinem Staat zurückgegeben oder aber den Wertausgleich versteuert habe. Der Leserbrief wird nicht veröffentlicht. Der Absender erhält aber einen persönlichen Brief des ehemaligen Ministerpräsidenten, in dem dieser die “Unruhe” des Leserbriefschreibers “zerstreut”, die Steuerbehörden könnten vier Jahre nach seinem 70. Geburtstag das Geschenk nicht ausreichend geprüft haben. Mitarbeiter des Unternehmens hätten die Uhr in ihrer Freizeit hergestellt, um ihm für seinen Einsatz zum Erhalt des Standortes und ihres Unternehmens zu danken. Den Materialwert habe er der Firma erstattet. Für die Arbeitsleistung der Mitarbeiter habe er sich mit einem Abendessen bedankt. Der Leserbriefschreiber recherchiert daraufhin. In einem Telefongespräch mit der Leserbriefredaktion der Zeitung erfährt er, dass “von oben” angeordnet worden sei, die E-Mail an die Staatskanzlei der Landesregierung zu übersenden. Da diese seine Anschrift nicht hatte, habe man sich von der Leserbriefredaktion seine vollständige Adresse übermitteln lassen. Der Autor geht davon aus, dass die Staatskanzlei Brief und Anschrift an den ehemaligen Ministerpräsidenten weitergereicht hat. Ob die Staatskanzlei den Brief auch der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung übergeben habe, entziehe sich seiner Kenntnis, schreibt er dem Deutschen Presserat. In der Weiterleitung seines Briefes an die Staatskanzlei sieht er einen Verstoß gegen die Ziffer 6 des Pressekodex. Er beantragt, die Zeitung zu rügen. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, das Schreiben des Beschwerdeführers bedürfe einiger Klarstellung. Er habe nämlich keinen Leserbrief an die Zeitung geschickt, sondern sich im Februar 2004 per E-Mail an deren Onlineforum gewandt. Bei diesem Forum handele es sich um ein für jedermann zugängliches und einsehbares öffentliches Diskussionsforum. Im Rahmen der Diskussion über eine Spendenaffäre habe der Beschwerdeführer einen Verdacht gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten geäußert. Weiterhin habe er sich in seiner Mail mit der Veröffentlichung in der Printausgabe einverstanden erklärt. Im Internet sei der Beitrag des Beschwerdeführers ohne Anschrift, aber mit Angaben zu Namen, Vornamen, E-Mail-Adresse und Wohnort erschienen. Bereits aus diesen Gründen sei eine etwa in Betracht kommende Verletzung des Berufsgeheimnisses bzw. die Preisgabe eines Informanten auszuschließen. Da der Beschwerdeführer sich mit der Veröffentlichung seiner Zeilen als Leserbrief einverstanden erklärt habe, sei die Zuschrift an das zuständige Ressort weitergeleitet worden. Da man allerdings die gegenüber dem früheren Ministerpräsidenten erhobenen Anschuldigungen nicht ohne weiteres habe abdrucken wollen, habe man sich – um der publizistischen Sorgfaltspflicht zu genügen – zur Überprüfung der Anschuldigungen an die Staatskanzlei gewandt. Dies auch, weil der Beitrag des Beschwerdeführers als Frage formuliert gewesen sei. Man habe dieses Vorgehen dem Beschwerdeführer mitgeteilt. Die Redaktion sei davon ausgegangen, dass der Vorgang in der Staatskanzlei bekannt gewesen sei. Diese habe dann keine Stellungnahme abgegeben, sondern das Schreiben an den Politiker weitergeleitet. In diesem Zusammenhang weist die Chefredaktion darauf hin, dass der Beschwerdeführer, Ex-Chef eines Liegenschaftsamtes, und der ehemalige Regierungschef seit vielen Jahren miteinander bekannt seien. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen eines Untersuchungsausschusses des Landtages sowohl den Ministerpräsidenten als auch dessen Ehefrau schwerwiegend belastet. Er habe seinerzeit auch Strafanzeige gegen die Frau des MP wegen Beleidigung gestellt. Im März 2004 habe sich der Beschwerdeführer nochmals an das Onlineforum gewandt und mitgeteilt, dass sein Schreiben bislang nicht als Leserbrief abgedruckt worden sei und er sich nun an die Steuerfahndung wenden werde. Schließlich habe er seinen Fall auch einer Boulevardzeitung zugetragen, die darüber berichtet habe. Abschließend resümiert die Chefredaktion, dass kein Verstoß insbesondere gegen Ziffer 6 des Pressekodex vorliegen könne, wenn ein in der Öffentlichkeit hinlänglich bekannter ehemaliger leitender Beamter in einem öffentlichen Internetforum schwerwiegende Vorwürfe gegen einen ehemaligen Ministerpräsidenten erhebe. Da beide Männer sich seit vielen Jahren kennen, hätte ein brieflicher Kontakt auch unmittelbar zustande kommen können, ohne dass damit das Berufsgeheimnis verletzt worden wäre. (2004)
Weiterlesen
Ein Schreiben aus dem Schulzentrum sorgt für Aufregung im Rathaus. Die Rektoren des Gymnasiums und der Realschule werfen Fragen nach einer Nazi-Vergangenheit des von der Stadt gewünschten Namenspatrons und Alt-Oberbürgermeisters auf. Der derzeitige Oberbürgermeister ist entsetzt über die Bedenken der Gesamtlehrerkonferenzen, informiert die Fraktionen des Gemeinderates und bezieht in einem Antwortschreiben Stellung. Eine Spruchkammer habe 1947 alle Anschuldigungen einer Nazi-Vergangenheit seines Vorgängers im Amt zurückgewiesen. Die Zeitung am Ort berichtet über den Namensstreit und kommentiert ihn auch. Das Verhalten der Lehrer sei „absolut unerträglich“. Es stelle sich die Frage, was diese Lehrer eigentlich den Kindern beibringen wollten, wo sie doch selbst nichts verstanden hätten. Am Ende des Kommentars heißt es, das Kultusministerium wäre gut beraten, diesem Treiben ein Ende zu setzen, und sei es durch Nachhilfe in Ethik und Staatsbürgerkunde. Der Personalrat des Gymnasiums legt nach Erscheinen beider Artikel Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Er ist der Ansicht, dass die betroffenen Schulleiter und die Kollegien durch verschiedene Formulierungen in ihrer Ehre verletzt werden. Die Chefredaktion der Zeitung legt in ihrer Stellungnahme dar, dass das Problem längst Stadtgespräch gewesen sei, ehe die Zeitung es aufgegriffen habe. Die Lehrerkollegien hätten sich nicht darum bemüht, beim Stadtarchiv nach Belegen für ihre Gerüchte zu fragen. Vielmehr werde der große berufliche Aufstieg eines Oberreichsbahnrats mit seiner angeblichen NSDAP-Mitgliedschaft in Zusammenhang gebracht. Der zugegeben scharfe Kommentar wende sich dagegen, dass Lehrerkollegien bei aller pädagogischen Verantwortung Gerüchte wiederaufleben ließen, die durch Dokumente bereits widerlegt seien. Sie hätten bereits im OB-Wahlkampf eine Rolle gespielt und seien daraufhin vom Stadtarchivar zurückgewiesen worden. So wie der Kommentator und Berichterstatter habe auch der Oberbürgermeister die Stellungnahme der Lehrerkollegien verstanden, nämlich als Äußerung eines „Nazi-Verdachts“ und als unverständliche Argumentation mit Gerüchten. Abschließend teilt die Chefredaktion mit, die Debatte über die Haltung der Lehrerkollegien habe sich fortgesetzt und die Zeitung habe darüber weiter berichtet. Es habe auch ein Aussöhnungsgespräch mit dem Oberbürgermeister gegeben, über das gleichfalls berichtet worden sei. Es sei der Redaktion allerdings nicht gelungen, eine nachträgliche Stellungnahme der Lehrerkollegien zu erhalten. (2004)
Weiterlesen
Eine Tageszeitung berichtet in ihrem Lokalteil über die Entscheidung des örtlichen Verwaltungsgerichts: Der Kampfhund „Poe“ einer 39-jährigen Journalistin müsse auch fortan an der Leine geführt werden. Das Ordnungsamt der Gemeinde hatte zuvor zum Verdruss der Hundehalterin die selbe Auflage gemacht. In dem Bericht werden die Gründe für diese Entscheidung aufgeführt. Der Rhodesian Ridgeback habe den Rauhaardackel einer 75-jährigen Rentnerin angegriffen und in den Oberarm der Senioren gebissen. Die Hundehalterin habe daraufhin einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung erhalten. Insgesamt vier Hunde habe „Poe“ attackiert. Dabei habe er einem Golden Retriever das Ohr abgebissen. Wie die Zeitung erläutert, zeichnet sich der Rhodesian Ridgeback durch stattliche Statur und Muskulatur aus. Die Rasse stamme aus Südafrika und sei dort früher für die Löwenjagd gehalten worden. Der Beitrag der Zeitung löst eine Beschwerde der betroffenen Hundehalterin beim Deutschen Presserat aus. Ihr Hund, so schreibt sie, sei kein Kampfhund. Rhodesian Ridgebacks seien in der bayerischen Kampfhundeliste nicht enthalten. In dem Artikel heiße es, dass sich „Poe“ laut einem Sachverständigengutachten durch ein „sehr starkes Dominanz-Verhalten“ auszeichne. Dies sei nicht zutreffend. In mehreren Gutachten werde festgestellt, dass „Poe“ nicht gesteigert aggressiv und gefährlich sei. Zudem habe ihr Hund nie einem Golden Retriever das Ohr abgebissen. Sie habe in der Gerichtsverhandlung auch nicht gesagt, dass „Poe“ bereits einen „Leinenkoller“ habe. Sie habe lediglich ausgeführt, dass jeder Hund auf Dauer irgendwann einen „Leinenkoller“ bekommen könne. Zu Gunsten der Polemik werde in dem Beitrag die journalistische Sorgfaltspflicht grob verletzt. Die Chefredaktion der Zeitung räumt ein, dass der Rhodesian Ridgeback mittlerweile nicht mehr auf der Kampfhundeliste stehe. Dies sei allerdings erst neuerdings der Fall. Zum Zeitpunkt der Vorfälle, um die es in der Verhandlung gegangen sei, habe diese Hundeart sehr wohl auf der Liste gestanden. Der Vorsitzende habe der Hundehalterin vorgeworfen, dass sich ihr Hund dominant aufführe. Dabei habe er das Gutachten eines Experten zitiert. Dass „Poe“ einem Golden Retriever das Ohr abgebissen habe, beruhe auf der Aussage der Halterin dieses Hundes, die ein Redakteur am Rande der Verhandlung gemeinsam mit einer Kollegin befragt habe. Während der Verhandlung habe sich die Beschwerdeführerin darüber entrüstet, dass sie ihren Hund ständig anleinen müsse. Sie habe dabei ausdrücklich gesagt, dass ihr Hund einen „Leinenkoller“ habe.
Weiterlesen