Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7053 Entscheidungen
Unter der Überschrift „Amokfahrer raste in RWE-Fangruppe“ berichtet eine Boulevardzeitung über das blutige Ende eines feucht-fröhlichen Gelages in einer Trinkhalle. Fans eines Bundesligaclubs hätten den Sieg ihrer Mannschaft gefeiert und einige von ihnen hätten dabei die Hauswand der Bude bepinkelt. Der Sohn des Kioskbesitzers habe sich darüber so aufgeregt, dass er die Fans erst angeschrien und dann mit seinem Auto verfolgt habe. In einer Seitenstraße habe er die Gruppe eingeholt. Er sei mit Vollgas auf den Bürgersteig gerast und habe einen der Fans gegen eine Hauswand geschleudert. Der Verletzte sei in eine Klinik gebracht und der Fahrer festgenommen worden. Jetzt werde gegen den „Amokfahrer“ wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Die Zeitung nennt Vornamen, Initial des Familiennamens und Alter der beiden Betroffenen. Abgebildet ist ein Foto vom Unfallort mit dem als Tatwaffe eingesetzten Auto, dessen Nummernschild erkennbar ist. Anwaltlich vertreten, beschweren sich sowohl der Fahrer des Autos als auch seine Mutter, die Halterin des Autos ist, beim Deutschen Presserat. Auf dem Foto sei das Kennzeichen des Autos deutlich erkennbar. Es sei entgegen den presserechtlichen Erfordernissen nicht geschwärzt worden. Hierdurch könne ein Rückschluss auf den Fahrer gezogen werden. Dies gelte auch für die Mutter des Fahrers, die an dem Geschehen in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Die Identifizierbarkeit der Beschwerdeführer stelle einen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar und sei auch nicht durch ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. In der Bezeichnung des Beschwerdeführers als „Amokfahrer“ sei darüber hinaus eine Vorverurteilung gegeben, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Die Rechtsabteilung des Verlages räumt ein, dass das Kennzeichen des Unfallautos hätte geblendet werden müssen. Eine entsprechende Anweisung, die der Verfasser des Artikels auch gegeben habe, sei in der Hektik des Produktionsprozesses nicht befolgt worden. Die Redaktion habe aber, sobald sie auf diesen Fehler aufmerksam gemacht worden sei, umgehend ihr Bedauern über dieses Versehen ausgedrückt und gleichzeitig die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben. Mehr hätte sie aus ihrer Sicht nicht tun können. Ein Abdruck in der „Korrekturmeldung“ sei nicht in Betracht gekommen, da jegliche Form der Meldung das Augenmerk des Lesers erneut auf das nicht geblendete Fahrzeugkennzeichen gelenkt hätte. Den Vorwurf der Vorverurteilung hält die Rechtsabteilung für unzutreffend, da die Unschuldsvermutung berücksichtigt worden sei. Der Beitrag sei inhaltlich zutreffend und beruhe auf Informationen der ermittelnden Polizei. Der Beschwerdeführer sei nur mit Vornamen und Initial des Familiennamens gekennzeichnet worden, wobei der Familienname eigentlich ganz anders laute. Das Verhalten des Beschwerdeführers als „Amokfahrt“ zu werten, sei zulässig und stelle keine Vorverurteilung dar. Insoweit habe sich die Redaktion auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. (2004)
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Am 5. März 2001 hat der Presserat eine Boulevardzeitung gerügt, weil sie unter der Überschrift „Der Hausmeister, der ein Sex-Gangster ist“ den mutmaßlichen Täter vorverurteilt hatte. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung lag entgegen der Überschrift kein Urteil vor, das den Vorwurf der Belästigung junger Frauen bestätigt hätte. Unter Berufung auf Richtlinie 4.3 des Pressekodex verlangt der Betroffene jetzt von der Zeitung die Löschung der im Zusammenhang mit diesem Artikel gespeicherten Daten zu seiner Person. Da die Redaktion diesen Wunsch ablehnt, bittet er den Deutschen Presserat um eine Beurteilung seines Anliegens. Er macht dazu geltend, dass bei der Erhebung der Daten für den beanstandeten Beitrag mit Wollen und Wissen die Unwahrheit behauptet worden sei. Mit der Veröffentlichung könne die Zeitung auch gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex verstoßen haben. Die Rechtsabteilung des Verlages weist einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Löschung des Artikels zurück. Ein solcher Anspruch gemäß Richtlinie 4.3 des Pressekodex bestehe nicht, da es in diesen Fällen um die Erhebung und nicht um die inhaltliche Zulässigkeit der Verbreitung von Daten gehe. Die Grundsätze für die Erhebung personenbezogener Daten seien in Ziffer 4 des Pressekodex enthalten und von der Redaktion der Zeitung beachtet worden. Der Presserat habe unter Hinweis auf Ziffer 13 des Pressekodex auch nicht die Erhebung der Daten beanstandet, sondern die konkrete Verbreitung durch die Schlussfolgerung „Der Hausmeister, der ein Sex-Gangster ist“ gerügt. Ziffer 13 selbst enthalte keine Regelung für die Löschung oder Sperrung von personenbezogenen Daten, so dass insoweit kein entsprechender Anspruch bestehe. Unabhängig davon weist die Rechtsabteilung darauf hin, dass die Richtlinie keinen ultimativen Löschungsanspruch formuliere, sondern frei stelle, die relevanten personenbezogenen Daten zu „sperren“ oder zu „löschen“. Im vorliegenden Fall habe sich die Redaktion für eine Sperrung entschieden, indem jede Verarbeitung oder Nutzung eingeschränkt werde. Dies sei dadurch geschehen, dass im Archiv der fragliche Artikel mit dem Hinweis: „Achtung: Unterlassungsverpflichtungserklärung / Keine Informationen ohne Rücksprache mit der Rechtsabteilung übernehmen !!!“ versehen worden sei. In der Fußzeile befinde sich zusätzlich ein Vermerk, dass der Beitrag am 5. März 2001 vom Presserat gerügt worden sei. Da in dem vorliegenden Fall nicht einmal eine Unterlassungserklärung begehrt und abgegeben worden sei, habe der Verlag damit noch mehr getan als notwendig, um jegliche zukünftige Verbreitung oder Nutzung des Artikels einzuschränken. Gleichzeitig seien die Informationen des Artikels, die unstreitig rechtmäßig erhoben und verbreitet worden seien, erhalten geblieben. Dieses Verfahren sei notwendig, aber auch ausreichend, um der durch Artikel 5, Abs.1 GG gewährleisteten Recherchefreiheit Rechnung zu tragen. Der Verlag ist der Ansicht, dass ein Anspruch auf Löschung bzw. Sperrung, sofern er überhaupt bestehe, durch diese Maßnahmen erfüllt worden sei. (2004)
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Ein Boulevardblatt zeigt ein Foto von der Bergung der Leiche eines Gleisarbeiters, der zusammen mit einem Kollegen von einen ICE „zerfetzt“ worden sei. Auf dem Foto sind zwei Männer zu sehen, die eine Leiche in einen Sarg heben. Zwei Leser wenden sich an den Deutschen Presserat. Der eine sieht in der Veröffentlichung den Gipfel der Pietätlosigkeit. Nach seiner Meinung ist das abgedruckte Bild menschenunwürdig und untragbar für die Angehörigen. Niveauloser gehe es nicht mehr, äußert sich der zweite Beschwerdeführer. Hier werde ein Mensch gezeigt, der „wie ein erlegter Hirsch über seinem offenen Sarg hänge“. Der verantwortliche Redaktionsleiter der Zeitung ist der Ansicht, das kritisierte Foto dokumentiere das schreckliche Unglück. Das Gesicht des Toten sei vollkommen bedeckt. Nach seiner Erfahrung seien Angehörige von Unfallopfern von einer groß aufgemachten Berichterstattung tatsächlich unangenehm berührt, wünschten manchmal aber auch die Teilnahme einer großen Öffentlichkeit. In diesem Fall habe es aus Kreisen der Angehörigen keine Stellungnahme gegeben. (2004)
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Unter der Überschrift „Ein Pionier der Gesamtschule tot: (es folgt der Name des Lehrers)“ teilt ein Anzeigenblatt seinen Leserinnen und Lesern mit, dass der verdiente Oberstufenleiter und Oberstudienrat an der heimischen Gesamtschule nach 30 Jahren aus dem Schuldienst ausscheide. Der Lehrer habe maßgeblich an der Gründung der Gesamtschulen mitgewirkt, hebt das Blatt hervor. Der Betroffene beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die nachlässige Arbeitsweise der Redaktion. Aus dem Text ergebe sich, dass er entgegen der Aussage in der Überschrift gar nicht gestorben sei. Auch sei sein Name in der Überschrift falsch geschrieben. Obwohl der Fehler der Redaktion noch vor der Auslieferung der Zeitung bekannt gewesen sei, habe sie sich nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst auf seine Reaktion hin entschuldigt. Erst daraufhin sei eine Berichtigung in der nächsten Wochenendausgabe zugesagt worden. Der Beschwerdeführer beklagt einen großen Schaden. Es habe viele betroffene Reaktionen aus seinem Bekanntenkreis und insbesondere aus dem Kreis seiner ehemaligen Schüler und deren Eltern gegeben. Die Redaktionsleiterin des Blattes räumt ein, dass der Redaktion bei der Berichterstattung ein Fehler unterlaufen sei. Es sei zu der Verwechslung gekommen, weil man in der selben Woche über den Tod eines Lokalpolitikers habe berichten müssen. Unmittelbar nachdem dieser Fehler aufgefallen sei, habe man versucht, den betroffenen Lehrer telefonisch auf die Falschmeldung vorzubereiten, was aber leider nicht gelungen sei. Eine Richtigstellung sei für die kommende Ausgabe zugesagt worden. Sowohl der Mitarbeiter, der den Beitrag verfasst habe, als auch sie als Redaktionsleiterin hätten sich bei dem Beschwerdeführer entschuldigt und erläutert, dass der Fehler zu spät aufgefallen sei, um ihn noch korrigieren zu können. Aus Anlass dieses Vorfalls seien die Redakteure des Blattes für noch mehr Sorgfalt und Genauigkeit beim Umgang mit diesen Themen sensibilisiert worden. (2004)
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Ein Anzeigenblatt veröffentlicht auf seiner Lokalseite ein Foto, das eine langhaarige junge Frau zeigt, die mit Schnapsflasche und Kassettenrecorder auf dem Boden eines öffentlichen Platzes sitzt. Unter der Überschrift „Sieht so meine Zukunft aus?“ wird im Bildtext festgestellt, dass einige Mitbürger, statt zu arbeiten und damit selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, den leichteren Weg bevorzugen: „Betteln oder Schnorren, wie sie es nennen“. Ein Leser des Blattes kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die erkennbare Abbildung einer konkreten Person in dem dargestellten Zusammenhang. Er bezweifelt, dass die abgebildete Person ihr Einverständnis zu der Veröffentlichung gegeben hat, und zieht Verstöße gegen die Ziffern 8 und 9 des Pressekodex in Betracht. Die Verlagsleitung betont in ihrer Stellungnahme, dass nach ihrer Ansicht kein Grund zu einer Beschwerde bestehe. Während in der Bildunterzeile von einer Mitbürgerin die Rede ist, spricht die Verlagsleitung von einem Mitbürger, der auf einem öffentlichen Bürgersteig gesessen und sich in einem öffentlichen Raum befunden habe, um öffentlich zu betteln. Das Foto sei in einer Teilausgabe abgedruckt worden, die für dieses Gebiet gefertigt werde. (2004)
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Unter der Überschrift „So ein Reisepass braucht seine Zeit“ berichtet ein Stadtmagazin über ein neues Bürger-Service-Center, mit dem alles schneller und besser, eben bürgerfreundlicher werden solle. Anhand von Beispielen meldet das Blatt aber Zweifel an, ob lange Wartezeiten künftig der Vergangenheit angehören werden. So habe sich ein Mann, der ein Gewerbe habe anmelden wollen, beklagt, dass sein Termin schon seit einer Stunde überzogen sei. Er habe sich bei einer Sachbearbeiterin beschwert und diese habe sich „triefend“ entschuldigt. Es seien zu viele neue Kollegen eingesetzt, die für die Bearbeitung von Gewerbeangelegenheiten noch nicht geschult seien, habe sie gesagt. Auch bei einem anderen Antragsteller, der über eine Stunde vergeblich auf seinen Reisepass habe warten müssen, habe sich die Sachbearbeiterin „triefend“ entschuldigt. Auf ihrem Computer sei sein Anliegen als „unter Bearbeitung“ befindlich vermerkt. Die Sachbearbeiterin wird ebenso wie die Antragsteller mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen gekennzeichnet. Sie beschwert sich beim Deutschen Presserat über die Nennung ihres Namens. Dabei stehe für sie der datenschutzrechtliche Aspekt im Vordergrund. Auch wenn ihr Nachname auf den ersten Buchstaben reduziert worden sei, liege hierin keine ausreichende Anonymisierung. Für ihre Kollegen - aber auch für Bürger - lasse sich schnell erschließen, um wen es sich in dem Artikel handele. Die zweimalige Bemerkung „entschuldigt sich triefend“ empfinde sie überdies als beleidigend und ehrverletzend. Ein Vertreter des Stadtmagazins erklärt in seiner Stellungnahme zu den Vorwürfen, der geschilderte Sachverhalt basiere auf Wahrnehmungen im für jedermann zugänglichen öffentlichen Publikumsbereich einer Behörde. Die Bediensteten würden dort für jedermann sichtbar und damit öffentlich arbeiten. Sie seien mit Namensschildern auf ihrer Kleidung und auf ihrem Schreibtisch ausgestattet. Die Sachbearbeiterin sei in keiner Weise negativ oder denunzierend beschrieben worden. Das Gegenteil sei der Fall. Wenn zweimal berichtet werde, dass sie sich „triefend“ entschuldigt habe, könne das nicht als beleidigend oder ehrverletzend empfunden werden. Und es sei auch so nicht gemeint gewesen. Wer sich „triefend“ entschuldige, der versuche mit Nachdruck und in aller Form etwas gerade zu rücken. Der Bericht beziehe sich eindeutig auf negative Zustände innerhalb einer Behörde und nicht auf Unzulänglichkeiten, Versäumnisse oder das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter dieser Behörde. (2004)
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Unter der Überschrift „Der Mann geht durch die Hölle“ berichtet eine Boulevardzeitung über den Giftanschlag auf einen Arzt und die Folgen für den Betroffenen. Ein Unbekannter habe Anfang März in eine Mineralwasserflasche des Mediziners Gift geschüttet und laufe immer noch frei herum. Der Kardiologe habe mehrere Tage in Lebensgefahr geschwebt und sei jetzt in den Süden geflüchtet. Das Haus, in dem er zur Miete wohne, sei verwaist. Das Blatt lässt einen Diplom-Psychologen zu Wort kommen, der mutmaßt, der arme Mann müsse mit den Nerven am Ende sein. Für ein potenzielles Mordopfer sei die Tatsache, dass der Täter immer noch nicht gefasst sei, eine unerträgliche Situation, denn der Unbekannte könne jederzeit wieder zuschlagen. Er vermute ganz stark, dass es eine Frau sei, denn Giftmorde seien typisch für Frauen. Der Beitrag enthält verschiedene personenbezogene Informationen über den mit vollem Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannten Arzt: seine vollständige Adresse, seine berufliche Tätigkeit als Kardiologe, der Name der Klinik, an der er arbeitet, seine Eigenschaft als ruhiger, sympathischer Familienvater, sein Alter sowie diverse Details der gesundheitlichen Auswirkungen des Giftanschlages. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beanstandet der Betroffene, dass in dem Artikel eine genaue Ortsbeschreibung seines Wohnhauses angegeben sei. Dies halte er vor dem Hintergrund, dass bislang kein Täter gefunden worden sei, für unverantwortlich. Die Nennung der Straße und des Stadtbezirks ermöglichten eine leichte Zuordnung und täten in der Berichterstattung nichts zur Sache. Besonders perfide sei dies im Zusammenhang mit der in dem Artikel geäußerten Einschätzung des Psychologen, dass die Situation für ein potenzielles Mordopfer, den Täter noch frei herumlaufen zu wissen, unerträglich sei. Eine Stellungnahme der Zeitung liegt dem Presserat nicht vor. (2004)
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Unter der Überschrift “Entführter Amerikaner im Irak geköpft” veröffentlicht eine Boulevardzeitung in ihrer Print- und Onlineausgabe drei Fotos aus dem Videofilm der Terroristen, die den Amerikaner Nick Berg enthauptet haben. Auf einem Foto sitzt das gefesselte Opfer vor fünf vermummten Gestalten. Auf einem anderen Foto ist, wenn auch unscharf, zu erkennen, wie dem Amerikaner ein Messer an die Kehle gesetzt wird. Auf dem dritten Foto schließlich hält einer der Terroristen den abgetrennten Kopf Bergs vor die Kamera. Eine Leserin des Blattes ist geschockt. Sie schreibt an den Deutschen Presserat: “Ich kann nicht den Hauch einer journalistischen Rechtfertigung dieser Darstellung erkennen und möchte das nicht einfach hinnehmen”. Bereits auf der Übersichtsseite im Internet werde das Foto des Geköpften gewissermaßen ohne jede Vorwarnung veröffentlicht, so dass keiner der Internetnutzer die Möglichkeit habe, sich entweder auf den Anblick einzustellen oder ihm auszuweichen. Zudem diene das Bild nicht der Information, sondern solle möglicherweise eher aufreizend und schockierend wirken, um das Interesse der Leser auf den Artikel zu lenken. Die Beschwerdeführerin findet es pietätlos, das Opfer der Gewalttat derart auszustellen, nur um Sensationsgelüste zu befriedigen. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet und verweist darauf, dass das beanstandete Foto die Größe einer Visitenkarte habe. Das Foto von der Enthauptung des Amerikaners sei ein Zeitdokument. Zunächst weil hier nur deshalb getötet worden sei, um schockierende Fotos zu erhalten. Damit sei eine neue Qualität der medialen Auseinandersetzung erreicht: Die Vernichtung eines Menschen als bloßes Mittel für Propagandazwecke. Außerdem dokumentiere das Foto, dass der Terrorismus keinen Unterschied mache zwischen Kombattanten und Zivilisten und buchstäblich jeder zum Opfer werden könne. Vorwürfe mangelnder Pietät oder fehlender Zugangsbeschränkung im Internet seien journalistisch ohne Belang. Entscheidend sei allein der Informations- und Verdichtungsgehalt eines Fotos. In diesem Zusammenhang verweist der Chefredakteur auf das seinerzeit weltweit veröffentlichte und später sogar prämiierte Foto des gefesselten Vietkong, das aufgenommen worden ist, kurz bevor er von einem südvietnamesischen Polizeichef erschossen wurde. Auch dieses Foto gelte völlig zu Recht als zeitgeschichtliches Dokument. (2004)
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Unter der Überschrift „Giftattacke im Labor“ berichtet eine Tageszeitung über einen mysteriösen Mordanschlag auf einen Forscher im Labor eines Großkrankenhauses. Der Kardiologe habe arglos aus seiner Wasserflasche getrunken und sei Stunden nach dem verhängnisvollen Schluck mit schweren Vergiftungssymptomen zusammengebrochen. Die Chemikalie habe sein zentrales Nervensystem und innere Organe angegriffen. Tagelang hätten die Kollegen auf der Intensivstation um sein Leben gekämpft. Der Polizei stellten sich viele Rätsel. War es Kollegenneid, private Eifersucht oder die Tat eines Psychopathen? Das Opfer des Mordanschlags hoffe jetzt, bald wieder arbeiten zu können. Der Arzt und seine Familie seien zur Zeit in Urlaub. Der Beitrag enthält verschiedene personenbezogene Informationen über den mit vollem Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannten Arzt: seine vollständige Adresse, seine berufliche Tätigkeit als Kardiologe, der Name der Klinik, an der er arbeitet, seine Eigenschaft als sympathischer Kollege, sein Alter sowie diverse Details der gesundheitlichen Auswirkungen des Giftanschlages. Schließlich erfährt der Leser, dass das Opfer der Tat mit einer Ärztin verheiratet ist, zwei Kinder hat und in einer Doppelhaushälfte wohnt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beanstandet der Betroffene, dass in dem Artikel eine genaue Ortsbeschreibung seines Wohnhauses angegeben sei. Dies halte er vor dem Hintergrund, dass bislang kein Täter gefunden worden sei, für unverantwortlich. Die Nennung der Straße und des Stadtbezirks ermöglichten eine leichte Zuordnung und täten in der Berichterstattung nichts zur Sache. Der Chefredakteur einer Zeitung, gegen welche die gleiche Beschwerde läuft (B2-15/2004), nimmt offenbar stellvertretend auch für die Chefredaktion der in diesem Fall kritisierten Zeitung zu der Beschwerde Stellung. Er betont, dass im Vordergrund der Berichterstattung die Tat und die Folgen für das Opfer, der Stand der polizeilichen Ermittlungen und die aufgestellten Mutmaßungen zum Tathergang stehen. Als Abrundung zu der Thematik habe man in wenigen Zeilen das private Umfeld des Opfers skizziert, um auch die Auswirkungen auf die Person zu veranschaulichen. Das Opfer werde in seiner Anonymität belassen. Der Name werde lediglich abgekürzt wiedergegeben. Auch auf die Nennung der Hausnummer sei verzichtet worden. Zudem habe man aus Gründen des Opferschutzes auch eine genaue Ortsbeschreibung unterlassen. Die Bezeichnung des Wohnhauses als Doppelhaushälfte sei nicht geeignet, den Ort zu identifizieren. Bei der Straße handele es sich um eine typische, von Einzel- und Doppelhäusern geprägte bürgerliche Wohngegend. Vor diesem Hintergrund sei die Beschwerde unbegründet. (2004)
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Unter der Überschrift „Wer ist der feige Giftmischer ?“ berichtet eine Boulevardzeitung über einen Mordanschlag auf einen Arzt des örtlichen Großkrankenhauses. Dem Kardiologen sei eine harmlos aussehende Wasserflasche zum Verhängnis geworden. Denn in der Flüssigkeit habe sich ein hoch wirksames Gift befunden. Der Mediziner sei wenige Stunden, nachdem er davon getrunken habe, in seiner Wohnung mit schwersten Vergiftungserscheinungen zusammengebrochen. Nur eine sofortige intensivmedizinische Behandlung habe den Mann retten können. Bisher tappten die Ermittler im Dunkeln. Die Tat lasse Spekulationen über das Motiv blühen: Eifersucht, verschmähte Liebe oder Konkurrenz unter Wissenschaftlern ? Der Beitrag enthält verschiedene personenbezogene Informationen über den mit vollem Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannten Arzt: seine vollständige Adresse, seine berufliche Tätigkeit als Kardiologe, der Name der Klinik, an der er arbeitet, sein Alter sowie diverse Details der gesundheitlichen Auswirkungen des Giftanschlages. Schließlich erfährt der Leser, dass das Opfer der Tat zwei Kinder hat, in einer Doppelhaushälfte wohnt und vorher in einem anderen Stadtbezirk gelebt hat. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beanstandet der Betroffene, dass in dem Artikel eine genaue Ortsbeschreibung seines Wohnhauses angegeben sei. Dies halte er vor dem Hintergrund, dass bislang kein Täter gefunden worden sei, für unverantwortlich. Die Nennung der Straße und des Stadtbezirks ermöglichten eine leichte Zuordnung und täten in der Berichterstattung nichts zur Sache. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass im Vordergrund der Berichterstattung die Tat und die Folgen für das Opfer, der Stand der polizeilichen Ermittlungen und die aufgestellten Mutmaßungen zum Tathergang stehen. Als Abrundung zu der Thematik habe man in wenigen Zeilen das private Umfeld des Opfers skizziert, um auch die Auswirkungen auf die Person zu veranschaulichen. Das Opfer werde in seiner Anonymität belassen. Der Name werde lediglich abgekürzt wiedergegeben. Auch auf die Nennung der Hausnummer sei verzichtet worden. Zudem habe man aus Gründen des Opferschutzes auch eine genaue Ortsbeschreibung unterlassen. Die Bezeichnung des Wohnhauses als Doppelhaushälfte sei nicht geeignet, den Ort zu identifizieren. Bei der Straße handele es sich um eine typische, von Einzel- und Doppelhäusern geprägte bürgerliche Wohngegend. Vor diesem Hintergrund sei die Beschwerde unbegründet. (2004)
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