Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6869 Entscheidungen
In einer Glosse unter der Überschrift „Finanzmilljöh“ kündigt eine Tageszeitung eine Fernsehserie an, die zu Beginn des neuen Jahres unter dem Titel „Finanzamt Mitte – Helden im Amt“ auf SAT 1 ausgestrahlt werden soll. Die Überschrift des einspaltigen Beitrages ist kursiv gesetzt. Der Autor hat der Internetseite des Berliner Finanzamtes Mitte/Tiergarten die Namen einer Leitenden Regierungsdirektorin, eines Regierungsdirektors und eines Steueramtsrates sowie die Nummer des Hausanschlusses der drei Beamten entnommen und bezieht diese Daten in seine Betrachtung der Presseankündigung der bevorstehenden Serie ein. Hierdurch wird suggeriert, dass es sich bei dem Finanzamt der Fernsehserie um das Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten handelt. „Wir wissen noch nicht alles, was so getrieben wird im Finanzamt Mitte“, heißt es da. Aus sicherer Quelle wisse man aber, dass es sich bei dem „emsigen Treiben“ dort um den „ganz alltäglichen Wahnsinn in deutschen Büros handele“. Mit Formulierungen wie „Hier lässt man gerne mal fünf gerade sein, wenn die Arbeit für den Fiskus gerade massiv stört“ oder „Alle arbeiten für ein Ziel – mehr Steuern für den Fiskus - , aber alle stehen sich auch irgendwie im Weg“ wird die Arbeit des besagten Finanzamtes in dem Artikel beschrieben. Dabei werden die Namen der drei Finanzbeamten mehrere Male erwähnt. In einem der Zeitung vorliegenden Papier sei von „attraktiven Verlockungen“ im Finanzamt Mitte die Rede. Es gehe aber offenbar nicht um Korruption, sondern um eine Sekretärin und eine „junge türkische Kollegin“. Jetzt könne man sein moralisches Urteil nicht mehr zurückhalten: „Sodom und Gomorrha im Finanzamt Mitte !“ Die drei mehrmals genannten Finanzbeamten legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Ihre Recherchen haben ergeben, dass in der Fernsehserie ein rein fiktives Finanzamt beschrieben wird, welches weder mit dem Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten noch mit irgendeinem anderen Finanzamt identisch ist. Für Durchschnittsleser sei nicht erkennbar, dass es sich bei dem Artikel um eine Glosse handele. Dass eine kursiv gedruckte Überschrift auf eine Glosse hindeute, sei entgegen der Meinung der Verantwortlichen im betroffenen Verlag nur Insidern bekannt. Abgesehen davon sei es auch in einer satirischen Glosse nicht zulässig, die Daten Unbeteiligter zu verwenden. Wörtlich schreiben die Beschwerdeführer: „Mit unserer Zustimmung zur Verwendung unserer Namen im Internet durch unseren Dienstherrn haben wir uns nicht unserer gegenüber der Presse bestehenden Rechte, insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, entäußert und uns zum Freiwild für skrupellose Reporter gemacht.“ Der Artikel sei in einer Weise verfasst, die den Ruf der Betroffenen schädige und sie in ihrer Berufsehre öffentlich verletze. Das Verhalten der Zeitung gipfele in der Weigerung, den diskriminierenden Artikel aus ihrem Internet-Archiv zu entfernen, so dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte kontinuierlich fortdauere. Die Geschäftsführung des Verlages kann in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen die journalistische Berufsethik nicht erkennen. Bei dem beanstandeten Beitrag handele es sich um eine Glosse, die eine Fernsehserie und deren Presseankündigung ironisiere. Der Leserkreis der Zeitung habe dies nicht anders gesehen. Leserbriefe oder sonstige Beschwerden zu „Finanzmilljöh“ seien bei der Redaktion nicht eingegangen. So weit die Beschwerdeführer in der Glosse identifizierbar dargestellt worden seien, gehe dies allein darauf zurück, dass ihre Namen ohnehin für jedermann auf der Internetseite der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen frei zugänglich seien. Selbst wenn man der Ansicht der Beschwerdeführer folgen sollte, wäre dennoch zu berücksichtigen, dass sich die Redaktion der Zeitung von vornherein um Schadensbegrenzung bemüht habe. Man habe sein aufrichtiges Bedauern ausgedrückt und vorsorglich eine Klarstellung für den Tag der Erstausstrahlung der Fernsehserie angekündigt. In einem umfangreichen Beitrag sei dann auch ausdrücklich hervorgehoben worden, dass die in der neuen Serie dargestellten fiktiven Geschehnisse nichts mit dem tatsächlich existierenden Finanzamt Mitte/Tiergarten zu tun haben. Darüber hinaus sei den Beschwerdeführern angeboten worden, sich am Tag nach der Erstausstrahlung der Fernsehserie in einem Interview zu äußern. Dies hätten die drei Betroffenen jedoch abgelehnt. Schließlich sei auch ohne rechtliche Verpflichtung der im elektronischen Archiv der Zeitung gespeicherte Beitrag dahingehend geändert worden, dass die Glosse nunmehr untrennbar mit dem klarstellenden Bericht verbunden sei. (2002)
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„Fünf Russland-Deutsche verprügeln Schalker Fans“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über eine Prügelei im Umfeld eines Fußballspiels, in deren Verlauf die Beteiligten brutal zusammengeschlagen werden. Im Text werden die Russland-Deutschen als „Russen“ bezeichnet, gegen die die Polizei Anzeige erstattet habe. Ein Leser ist der Meinung, dass man deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, die in Deutschland wohnen, nicht als Russland-Deutsche bezeichnen dürfe. Zudem sei der Ausdruck „Gegen die Russen erstattete die Polizei Anzeige“ nationalistische Gipfel des Artikels. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Als „querulatorisches Machwerk“ bezeichnet die Rechtsabteilung des Boulevardblatts die Beschwerde. In diesem Fall „sträubt sich die Feder, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen“. Dies umso mehr, als die Bezeichnung „Russland-Deutsche“ ein allgemein anerkannter Begriff sei. Im Hinblick auf die Form der Beschwerde sehe die Rechtsabteilung keinen Anlass, entsprechend der bisherigen Handhabung auf die Sache näher einzugehen. (2002)
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Unter der Überschrift „Ein Stadtverordneter, der wohl besser schweigen sollte“ kritisiert eine Stadtzeitung unter Nennung des vollen Namens ein Mitglied des Stadtparlaments. Sie teilt u.a. mit, dass der Kommunalpolitiker in seiner zehnjährigen Parlamentszugehörigkeit immerhin drei persönliche Erklärungen abgegeben habe und als Buchhändler so erfolgreich gewesen sei, dass er als Mieter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gesamtschulden in Höhe von 50.000 D-Mark nicht habe bezahlen können. Der Beitrag enthält einen gesonderten Textkasten, in dem pfenniggenau die Mietrückstände des Stadtverordneten aus den Jahren 1994, 1997 und 1998 sowie ein Zahlungsurteil aus dem Jahr 1999 aufgelistet werden. Der Autor des Artikels wirft dem Mann vor, er habe sich jahrelang von seiner Freundin aushalten lassen, und äußert Zweifel an der Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abgeordneten, da dieser sich als Mieter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft durch die Mietschulden zu deren „Lakai“ gemacht habe. Schließlich wird gefordert, dass das Sitzungsgeld des Stadtverordneten zu dessen Schuldentilgung verwendet werden sollte. Der Beitrag endet mit der Feststellung „Ihre Zeit als wichtigtuender Stadtschwätzer ist vorbei !“ Der Vorsteher der Stadtverordneten bittet den Deutschen Presserat um Prüfung der Veröffentlichung. Nach seiner Ansicht wird mit dieser Berichterstattung in übelster Weise über ein Mitglied des Stadtparlaments hergezogen und dessen Person schamlos öffentlich herabgewürdigt. Dies geschehe mit der klaren Zielsetzung, den Betroffenen mundtot zu machen, weil er sich kritisch mit den Personen auseinandersetze, welche die Stadtzeitung wirtschaftlich tragen. In seiner Stellungnahme wiederholt der Herausgeber der Zeitung die in dem Artikel getroffenen Feststellungen. Aus der Bevölkerung sei die Zeitung darauf hingewiesen worden, dass es ein nicht hinnehmbarer Zustand sei, von dem Normalbürger die pünktliche Zahlung der Mieten zu verlangen, aber bei dem Stadtverordneten eine Ausnahme zu machen. Der Artikel habe zur Diskussion der Frage beitragen wollen, ob der Betroffene durch seine Verschuldung in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten sei. (2002)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über einen „Horror-Unfall“. Der Personenwagen einer dreiköpfigen Familie war auf einer Bundesstraße frontal mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Notärzte konnten den drei Schwerverletzten, einem Ehepaar mit siebenjähriger Tochter, nicht mehr helfen. Der Artikel ist mit einem Foto der Unfallstelle illustriert. Es zeigt die beiden beteiligten Autos. Auf der Frontseite des Lastwagens ist der Namenszug des Fahrzeughalters zu lesen. In dem Text wird dessen Name dagegen nicht genannt. Der Anwalt der Fahrzeughalters beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass der Namenszug auf dem Unfallfoto nicht unkenntlich gemacht worden sei. Zwar werde im Text der Name seines Mandanten nicht genannt, jedoch sei er durch das Bild deutlich mit dem „Horror-Unfall“ in Verbindung zu bringen. Die Rechtsabteilung des Verlages erklärt in ihrer Stellungnahme, die Abbildung des Fahrzeuges mit dem Firmennamen stelle keinen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex dar. Der Lastwagen werde so gezeigt, wie er sich in der Öffentlichkeit in seiner Funktion als Transportmittel darstelle und wie er bewegt werde. Eine Bearbeitung des Fotos wäre der aktuellen Berichterstattung nicht gerecht geworden. Allein die Feststellung, dass der Beschwerdeführer offensichtlich Eigentümer des Fahrzeuges sei, berechtige nicht zu der Schlussfolgerung, dass die Abbildung des Lastwagens einen Eingriff in das Privatleben oder die Intimsphäre oder gar in das Recht auf Datenschutz des Halters darstelle. (2002)
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„Selbstgerecht und arrogant“ ist ein Leserbrief in einer Regionalzeitung überschrieben. Dabei geht es um eine sehr israelkritische Stellungnahme zu einem Interview mit dem israelischen Botschafter in der Bundesrepublik, Shimon Stein. Zu dem Leserbrief hat die Redaktion ein Foto gestellt, das zwei trauernde Frauen zeigt. Im Bildtext heißt es, die Frauen seien bei der Beerdigung eines sechsfachen israelischen Familienvaters aufgenommen worden, dem Opfer eines palästinensischen Selbstmordattentats. Ein Lehrer legt beim Deutschen Presserat Beschwerde ein. Er nennt den Leserbrief „moderat und besonnen“. Diesem sei ein „pathetisches Gegenbild“ entgegen gesetzt worden. Zudem sei das Foto gefälscht. Nicht nur er sei Zeuge gewesen, wie das Bild auf einem deutschen Sportplatz in ganz anderem Zusammenhang aufgenommen worden sei. Später zieht der Leser den Vorwurf, die Zeitung habe ein gefälschtes Foto veröffentlicht, zurück, nachdem sowohl die Zeitung als auch die angegebene Fotoagentur die Authentizität des Fotos zweifelsfrei nachgewiesen haben. Den Vorwurf, die Zeitung habe durch die Verbindung des Leserbriefes mit dem Foto der Einsendung jegliche Kraft genommen, hält der Leser jedoch aufrecht. (2002)
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Unter der Überschrift „Polizei beendet Roma-Krawall“ berichtet eine Regionalzeitung über Ausschreitungen in einem Bistro. Die Polizei sei zur Schlichtung des Streits zwischen rivalisierenden Roma-Großfamilien gerufen worden. Der Verband deutscher Sinti und Roma sieht in der Nennung der Minderheitenzugehörigkeit einen Verstoß gegen den Pressekodex und legt beim Deutschen Presserat Beschwerde ein. Ein Krawall sei keine minderheitenspezifische Verhaltensform, sondern leider ein alltäglicher Vorgang. Die Chefredaktion teilt mit, dass die Zeitung auch weiterhin die Dinge beim Namen nennen und sich nicht an der Unsitte der Umschreibung „gewöhnlich umherreisende Bevölkerungsgruppe“ beteiligen werde. Für das Verständnis des Sachverhalts sei es erforderlich gewesen, die ethnische Zugehörigkeit der Beteiligten zu nennen. Jede Umschreibung des Streits zweier Großfamilien hätte die Zeitung der Lächerlichkeit preisgegeben. Zudem stigmatisiere der Bericht keinesfalls alle Sinti und Roma öffentlich. (2002)
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In einer Serie über historische Kriminalfälle schildert eine Lokalzeitung eine Gewalttat im Jahre 1964. Der Nachtwächter einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war damals erschlagen aufgefunden worden. Die Zeitung berichtet über die Ermittlungen der Kriminalpolizei und die Verhaftung eines 24-jährigen Mannes, der in der Genossenschaft als Traktorist gearbeitet hatte. Die Zeitung bezeichnet ihn in ihrer Überschrift als den „LPG-Hof-Mörder“. Der Betroffene wurde in erster Instanz wegen Mordes und Brandstiftung, in nächster Instanz wegen Totschlags und Brandstiftung zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. 1979 wurde die Strafe auf 15 Jahre herabgesetzt. Ende des Jahres wurde der Mann aus dem Gefängnis entlassen. Er wird in dem Bericht mit Vornamen und Anfangsbuchstaben des Nachnamens genannt. Die Ehefrau des damaligen Täters beschwert sich beim Deutschen Presserat, dass ihr Mann in der Überschrift als „Mörder“ bezeichnet wird, obwohl die rechtskräftige Verurteilung nicht auf Mord, sondern auf Totschlag lautete. Weiterhin ist sie der Ansicht, dass die Namensnennung hätte unterbleiben müssen, da es sich um eine Berichterstattung in Anschluss an ein Strafverfahren handele. Schließlich beklagt die Beschwerdeführerin, dass durch die Berichterstattung die bis dahin positiv fortschreitenden Bemühungen um eine Resozialisierung ihres Mannes zunichte gemacht worden seien. Der Chefredakteur der Zeitung gesteht ein, dass die Schlagzeile aus Sicht der journalistischen Qualität und der juristischen Stichhaltigkeit heute nicht berechtigt sei. Sie sei gewählt worden, weil sie prägnanter und griffiger sei als etwa die Formulierung „der LPG-Hof-Totschläger“. Der Autor mache zu seiner Rechtfertigung geltend, dass das Verbrechen ganz allgemein als „LPG-Hof-Mord“ in die Ortsgeschichte eingegangen sei. Auch seien die damaligen Ermittlungen der Kriminalpolizei in einem Mordfall geführt worden. Der Täter sei des Mordes angeklagt und wegen Mordes verurteilt worden. Erst im Nachhinein sei durch das Oberste Gericht der DDR der Straftatbestand neu bewertet und auf Totschlag statt Mordes erkannt worden. Darauf habe der Autor im Text aufmerksam gemacht. Für die Chefredaktion könne die Frage der Legitimität der Aufarbeitung historischer Kriminalfälle, wenn handelnde bzw. betroffene Personen noch leben und in ihren Persönlichkeitsrechten trotz Anonymisierung beeinträchtigt werden könnten, nur durch die Bewertung des konkreten Falles beantwortet werden. Bedauerlicherweise sei es dem Autor bei der Abfassung des Artikels trotz Nachfrage vor Ort nicht möglich gewesen, einen Hinweis auf den Verbleib des Täters zu erhalten, obwohl sich später herausstellte, dass dieser ganz in der Nähe wohnhaft sei. Wie der Presserat erfährt, wohnen Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, der damalige Täter, heute etwa zehn Kilometer vom Ort der Tat entfernt. Da es sich jeweils um kleine Ortschaften handelt, kennen sich die Menschen der Gegend untereinander. (2002)
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Eine Regionalzeitung kommentiert die Ergebnisse rotgrüner Koalitionsverhandlungen. Der letzte Absatz des Artikels veranlasst einen Leser des Blattes zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Darin heißt es: „Zum Beispiel die zweistelligen, Jahr um Jahr steigenden Milliardenlasten, die ´unsere´ willfährige Politikerklasse im Sofortverfahren praktisch allen Wirtschaftsflüchtlingen und sogar illegal eingereisten und trotzdem meist dauerhaft geduldeten Asylsuchenden gewährt – einschließlich Unterkunft, Verpflegung und ärztlicher Vollversorgung auch für ganze zugehörige Großfamilien“. Der Leser bemängelt, dass der Autor für seine Behauptungen jeglichen Beweis schuldig bleibe. Indem Wirtschaftsflüchtlinge und Asylsuchende sozusagen in einem Atemzug genannt würden, werde gegenüber dem uninformierten Leser vorsätzlich der falsche Eindruck erweckt, als handele es sich bei illegal nach Deutschland eingereisten Asylsuchenden grundsätzlich um nicht politisch verfolgte Asylbewerber. Der Chefredakteur der Zeitung, zugleich Autor des strittigen Kommentars, teilt mit, der Beschwerde führende Leser verfolge das Blatt seit Jahren geradezu notorisch. Er lehne es daher künftig ab, zu diesen Beschwerden Stellung zu nehmen. Er teile jedoch in diesem Fall mit, dass die Bundesregierung schon Mitte der neunziger Jahre die Aufwendungen und Folgekosten für politische Flüchtlinge auf etwa 15 bis 17 Milliarden Mark pro Jahr beziffert habe. Das hätten auch die Medien berichtet. Zu dem Vorwurf der ärztlichen Vollversorgung für Asylsuchende teilt der Chefredakteur mit, dass es ungezählte Beispiele hierfür gebe, bis hin zum offenkundigen Missbrauch der Sozialsysteme. Weder Ärzte noch Klinikbedienstete oder Krankenkasse trauten sich, diese milliardenschweren Auswüchse und Missbräuche beim Namen zu nennen, da sie Schwierigkeiten bzw. berufliche Nachteile befürchteten. (2002)
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Unter den Überschriften „Todes-Gas !“ und „So qualvoll starben 116 Geiseln“ berichtet eine Boulevardzeitung auf ihrer Titelseite über die spektakuläre Geiselnahme in einem Moskauer Musical-Theater. Russische Spezialeinheiten hatten die Kidnapper mit Gas betäubt und getötet. 750 Menschen wurden befreit, aber auch sie atmeten das Todesgas ein. Auf einem großformatigen Foto ist ein Opfer der Geiselnahme zu sehen, eine halb entblößte Frau, entweder bewusstlos oder tot. Das Foto löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Ein Leser kritisiert die Aufnahme als unangemessene Darstellung des Opfers eines Gewaltverbrechens und vermisst den Respekt gegenüber den Toten und ihren Angehörigen. In der Darstellung der entblößten Brüste der Frau erkennt er einen deutlich sexuellen Bezug, der keinen Mehrwert an Informationen bringe. Diesen sexuellen Bezug sieht er durch den Kontext der Veröffentlichung verstärkt, da auf der ersten Seite der Zeitung regelmäßig barbusige Modelle abgebildet seien. Das Opfer werde dadurch aus Profitinteressen zu einem Objekt erotischer und sadistischer Schaulust herabgewürdigt.. Gegen diese die Menschenwürde mißachtende Instrumentalisierung könne das Opfer sich zudem nicht wehren. Zudem vermutet er einen Eingriff in die postmortalen Persönlichkeitsrechte des Opfers. Ein anderer Leser sieht die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person missachtet. Das Opfer werde so erneut zum Opfer. Ein Jugendmedienzentrum moniert schließlich, dass ein Einverständnis der abgebildeten Frau offensichtlich nicht vorhanden sein könne, da diese wohl ohne Bewusstsein sei. Die Zeitung missachte den Opferschutz. Die Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, dass es sich bei der Frau auf dem Foto nicht um eine Tote mit entblößten Brüsten und Schaum vor dem Mund handele. Die Abgebildete sei vielmehr eines der Geiselopfer, das nach der Befreiung in ein Krankenhaus gebracht werde. Da die Frau nicht mit entblößten Brüsten zu sehen sei, gebe es auch keinen deutlichen sexuellen Bezug, wie der Beschwerdeführer schreibe. Dessen Interpretation des Fotos könne man nicht nachvollziehen. Das Foto mache die Brutalität des Geschehens deutlich. Solche Fotos müsse man zeigen, um wachzurütteln und zu dokumentieren, wie die Folgen einer Geiselbefreiung aussehen könnten. Nur so könne man versuchen, derartige Versuche in Zukunft im Ansatz zu verhindern. Eine textliche Beschreibung helfe nicht, das Bewusstsein für die Zukunft zu schärfen. Optische Kritik sei vielmehr die Möglichkeit, auch denen, die meinen, auf diese Weise eine Befreiung durchführen zu können, zu zeigen, dass eine derartige Handhabung nicht hinnehmbar sei. (2002)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über den 17 Monate zurückliegenden – vermutlichen – Mord an einem 9-jährigen Mädchen. Es gebe jetzt einen dringend Tatverdächtigen. Er sitze bereits in Haft. „Es war wieder so ein Schwein !“ heißt es in der Dachzeile des Aufmachers auf der Titelseite. Ein 24-jähriger Nachbar habe die Tat gestanden. Die Zeitung nennt den Mann mit Vornamen und Anfangsbuchstaben des Nachnamens und zeigt sein Foto. In der Überschrift im Innenteil des Blattes wird die Frage gestellt, ob der „Killer“ heute verrate, wo er die Leiche versteckt habe. Bereits vor einem Jahr habe der Betroffene der Polizei gestanden, dass er sich triebhaft zu Kindern hingezogen fühle und bereits zwei Jungen sexuell missbraucht habe. Das Verfahren sei damals wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden. Drei Monate nach dem Verschwinden des Mädchens habe der Mann gestanden, mit dem Kind etwas Verbotenes getan zu haben. Erst zu diesem Zeitpunkt sei er in die Psychiatrie eingeliefert worden. Zwei Leser der Zeitung reichen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Beide sehen speziell in der Dachzeile „Es war wieder so ein Schwein !“ einen Verstoß gegen die Ziffern 1 und 13 des Pressekodex. Einer der Leser hält es für erschwerend, dass der Zeitung bei der Abfassung des Artikels bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen geistig behinderten Menschen handele. Der andere glaubt, dass die Zeitung mit dieser Art von Berichterstattung ihre Objektivität aufgibt. Die Rechtsabteilung der Zeitung kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass sich beide Beschwerdeführer ausschließlich für den Straftäter einsetzen, ohne ein Wort über das Opfer und die Angehörigen zu verlieren. Der betroffene Mann habe eine grauenvolle Tat begangen. Auch wenn Ziffer 13 des Pressekodex einem Tätergeständnis nicht die Wertigkeit einräume, wie es die Rechtsprechung mache, sei die Zuordnung des geständigen Täters zu anderen Tätern im Sinne von „...wieder so ein Schwein !“ verständlich und nachvollziehbar. Der Hinweis, dass es sich bei dem Täter um einen geistig behinderten Menschen handele, rechtfertige jedoch derartige Taten nicht. (2002)
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